Das Labyrinth der Spiegel (eBook)

Spiegel-Bestseller
Commissario Montalbano wagt sich in gefährliche Gefilde. Roman
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
253 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7325-2307-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Labyrinth der Spiegel -  Andrea Camilleri
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Zwei mysteriöse Bombenattentate bereiten Commissario Montalbano ebenso Kopfzerbrechen wie seine neuen Nachbarn in Marinella: Liliana Lombardo kreuzt beinahe jeden seiner Wege, ihr Ehemann ist nie zu sehen. Weitere mafiöse Vorfälle und nächtliche Rendezvous der Signora mit dubiosen Galanen lassen einen Zusammenhang mit den Attentaten erahnen. Außerdem scheint jemand geschickt falsche Fährten zu legen, sodass Montalbano sich irgendwann an das mörderische Labyrinth in Orson Welles' Film Die Lady von Shanghai erinnert fühlt...



Andrea Camilleri ist der erfolgreichste zeitgenössische Autor Italiens und begeistert mit seinem vielfach ausgezeichneten Werk ein Millionenpublikum. Ob er seine Leser mit seinem unwiderstehlichen Helden Salvo Montalbano in den Bann zieht, ihnen mit kulinarischen Köstlichkeiten den Mund wässrig macht oder ihnen unvergessliche Einblicke in die mediterrane Seele gewährt: Dem Charme der Welt Camilleris vermag sich niemand zu entziehen.

Andrea Camilleri ist der erfolgreichste zeitgenössische Autor Italiens und begeistert mit seinem vielfach ausgezeichneten Werk ein Millionenpublikum. Ob er seine Leser mit seinem unwiderstehlichen Helden Salvo Montalbano in den Bann zieht, ihnen mit kulinarischen Köstlichkeiten den Mund wässrig macht oder ihnen unvergessliche Einblicke in die mediterrane Seele gewährt: Dem Charme der Welt Camilleris vermag sich niemand zu entziehen.

Eins


Seit über zwei Stunden saß er splitternackt, so wie Gott ihn geschaffen hatte, auf einem Gestell, das auf beängstigende Weise einem elektrischen Stuhl glich. Seine Hand- und Fußgelenke steckten in Metallfesseln, von denen zahlreiche Drähte zu einem Armaturenschrank führten. Dieser war mit allen möglichen Messgeräten bestückt, mit Manometern, Amperemetern und Barometern, sowie mit unaufhörlich blinkenden grünen, roten, gelben und blauen Lämpchen. Er selbst trug einen Helm ähnlich einer Trockenhaube beim Damenfriseur, nur dass diese Haube über ein dickes schwarzes Kabel, in dem Hunderte verschiedenfarbige Drähte zusammenliefen, mit dem Schrank verbunden war.

Der etwa fünfzigjährige Professor mit Pagenfrisur und Mittelscheitel, Ziegenbärtchen, Goldrandbrille und blütenweißem Kittel stellte eine unsympathische, arrogante Miene zur Schau und hatte ihn bereits mit tausend Fragen bombardiert:

»Wer war Abraham Lincoln?«

»Wer hat Amerika entdeckt?«

»Woran denken Sie, wenn Sie einen schönen Frauenhintern sehen?«

»Wie viel ist neun mal neun?«

»Wenn Sie die Wahl zwischen einem Eis in der Waffel und einem Stück schimmeligen Brot hätten, was würden Sie nehmen?«

»Wie viele waren die sieben Könige Roms?«

»Würden Sie sich lieber einen lustigen Film anschauen oder ein Feuerwerk?«

»Wenn Sie von einem Hund angegriffen werden, laufen Sie dann weg oder knurren Sie ihn an?«

Irgendwann verstummte der Professor unvermittelt, räusperte sich, ehm ehm, zupfte ein Fädchen vom Ärmel seines Kittels und fixierte Montalbano mit seinem Blick. Dann atmete er tief ein, schüttelte traurig den Kopf, atmete erneut tief ein, machte noch einmal ehm ehm und drückte dann einen Knopf, worauf die Metallfesseln aufsprangen und der Helm automatisch hochklappte.

»Die Untersuchung wäre damit beendet«, sagte er, setzte sich hinter seinen Schreibtisch in einer Ecke des Sprechzimmers und fing an, etwas in den Computer zu tippen.

Montalbano richtete sich auf und griff nach Unterhose und Hose, doch dann stutzte er plötzlich. Was bedeutete dieses »wäre«? War die Untersuchung, die ihm ungeheuer auf die Nerven ging, nun zu Ende oder nicht?

Eine Woche zuvor hatte er einen Brief mit der Unterschrift des Polizeipräsidenten erhalten, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass er sich gemäß den neuen, vom Minister höchstselbst erlassenen Personalbestimmungen binnen zehn Tagen in der Maria-Vergine-Klinik in Montelusa einzufinden und sich einer Untersuchung zur Überprüfung seiner geistigen Gesundheit zu unterziehen habe.

Wie kann es sein, dass ein Minister die geistige Gesundheit eines Beamten, der Beamte aber nicht die geistige Gesundheit des Ministers überprüfen darf?, hatte er sich fluchend gefragt und sich beim Polizeipräsidenten beschwert.

»Was soll ich dazu sagen, Montalbano? Befehl von oben. Ihre Kollegen haben sich gefügt.«

Sich fügen, so lautete also die Parole. Wer sich nicht fügte, riskierte, als Pädophiler, Zuhälter oder Serienvergewaltiger von Nonnen verleumdet und zum Rücktritt gezwungen zu werden.

»Warum ziehen Sie sich denn nicht an?«, fragte der Professor.

»Weil ich nicht …«, nuschelte er auf der Suche nach einer Erklärung, während er in seine Unterhose schlüpfte. Doch dann geschah ein Malheur. Seine Hose passte ihm nicht mehr. Es war hundertprozentig dieselbe, in der er gekommen war, aber nun war sie ihm zu eng. So sehr er den Bauch einzog, so sehr er sich hineinzuzwängen versuchte, sie passte ihm einfach nicht mehr. Die Hose war ihm mindestens drei Nummern zu klein. Bei einem letzten verzweifelten Versuch hineinzuschlüpfen verlor er das Gleichgewicht. Er suchte Halt an einem Rollwagen mit einem geheimnisvollen Gerät darauf, aber der Wagen schoss los wie eine Rakete und krachte gegen den Schreibtisch des Professors, der erschrocken hochfuhr.

»Haben Sie den Verstand verloren?«

»Meine Ho… meine Hose passt mir nicht mehr«, stammelte der Commissario entschuldigend.

Da sprang der Professor wutentbrannt auf, packte die Hose am Bund und zog sie ihm hoch.

Sie saß wie maßgeschneidert.

Montalbano schämte sich wie ein kleiner Junge, der sich auf dem Klo beim Anziehen von der Kindergärtnerin helfen lassen muss.

»Ich hatte ohnedies bereits ernsthafte Zweifel«, sagte der Professor, setzte sich wieder und fuhr mit dem Tippen fort, »aber diese letzte Szene hier ist die endgültige Bestätigung.«

Was meinte er damit?

»Würden Sie mir das erklären?«

»Was soll ich Ihnen erklären? Es liegt doch auf der Hand. Ich frage Sie, woran Sie bei einem schönen Frauenhintern denken, und Sie antworten, an Abraham Lincoln!«

Der Commissario riss erstaunt die Augen auf.

»Wie bitte?! Das soll meine Antwort gewesen sein?«

»Wollen Sie etwa meine Aufzeichnungen infrage stellen?«

Da ging Montalbano ein Licht auf. Er war in eine Falle getappt!

»Das ist ein Komplott!«, schrie er. »Sie wollen mich für verrückt erklären!« Er zeterte immer weiter, bis die Tür aufgerissen wurde und zwei bullige Krankenpfleger hereinkamen, die ihn packten. Fluchend versuchte Montalbano sich aus der Umklammerung zu befreien, er stieß und boxte nach allen Seiten …

… und dann wachte er auf. Schweißgebadet, das Bettlaken verdreht und um den Körper gewickelt, sodass er sich nicht bewegen konnte. Wie eine Mumie.

Es gelang ihm erst nach zahlreichen Verrenkungen, sich zu befreien. Er schaute auf die Uhr. Sechs Uhr morgens.

Durch das offene Fenster strömte heiße Schirokkoluft ins Zimmer. Das Stück Himmel, das er vom Bett aus sehen konnte, zeigte einen milchigen Wolkenschleier. Er beschloss, noch zehn Minuten liegen zu bleiben.

Nein, der Traum, den er gerade gehabt hatte, war falsch. Er würde niemals verrückt werden, ganz bestimmt nicht. Allenfalls würde er in die Senilität abdriften, bis er sogar die Namen und Gesichter der Menschen vergaß, die ihm lieb und teuer waren, und in einen Zustand stumpfsinniger Einsamkeit verfiel.

Aber was waren das für anheimelnde Gedanken, die ihm da in aller Herrgottsfrühe durch den Kopf schwirrten! Dagegen half nur eins: sich aufrappeln und in der Küche den Espresso aufstellen.

Als er das Haus verlassen wollte, stellte er fest, dass es fürs Kommissariat noch viel zu früh war. Er öffnete die Verandatür und trat hinaus, setzte sich auf die Bank und rauchte eine Zigarette. Es war wirklich heiß. Er ging wieder ins Haus und räumte noch ein wenig auf.

Um acht stieg er ins Auto und nahm das kurze Sträßchen, das Marinella mit der Hauptstraße verband. Zweihundert Meter entfernt befand sich ein Haus, das fast identisch mit seinem war. Es hatte jahrelang leer gestanden und wurde seit nunmehr fünf Monaten von den Signori Lombardo bewohnt, einem kinderlosen Paar. Adriano, fünfundfünfzig Jahre alt, stattlich und elegant, war nach Auskunft von Fazio der Exklusivvertreter einer großen Computerfirma auf der Insel und daher oft unterwegs. Er fuhr einen schnellen Sportwagen. Seine Frau Liliana war eine brünette, eindrucksvolle Schönheit aus Turin und zehn Jahre jünger als ihr Mann. Sie war groß und durchtrainiert, mit langen, wohlgeformten Beinen. Wenn man hinter ihr ging, dachte man, selbst wenn man geisteskrank war, bestimmt nicht an Abraham Lincoln. Sie fuhr ein japanisches Stadtauto.

Montalbanos Beziehung zu den beiden beschränkte sich auf freundliches Grüßen, wenn sie einander im Auto auf dem Sträßchen begegneten, was selten vorkam, aber immer komplizierte Ausweichmanöver erforderte, da es für zwei Autos nebeneinander zu eng war.

An diesem Morgen sah der Commissario aus dem Augenwinkel den Wagen der Nachbarin. Die Motorhaube war offen, und die Signora hatte sich hinuntergebeugt und schaute hinein. Es gab offensichtlich ein Problem. Und weil Montalbano es nicht eilig hatte, lenkte er fast automatisch nach rechts und fuhr die zehn Meter bis zum Einfahrtstor. Ohne auszusteigen, rief er:

»Brauchen Sie Hilfe?«

Die Signora Liliana lächelte ihn dankbar an.

»Er springt nicht an!«

Montalbano stieg aus, blieb aber vor dem geöffneten Tor stehen.

»Wenn Sie in die Stadt müssen, kann ich Sie mitnehmen.«

»Danke. Ich bin spät dran. Würde es Ihnen etwas ausmachen, einen Blick auf den Motor zu werfen?«

»Ich verstehe absolut nichts von Autos, Signora, glauben Sie mir.«

»Na gut, dann fahre ich mit Ihnen.«

Sie klappte die Motorhaube zu, trat durch das Tor, ohne es zu schließen, und stieg in den Wagen des Commissario, der ihr die Beifahrertür aufhielt.

Sie fuhren los. Trotz der geöffneten Fenster war der Wagen bald von ihrem Parfüm erfüllt, ein Duft dezent und aufdringlich zugleich.

»Leider kenne ich keine Autowerkstatt. Und mein Mann kommt erst in vier Tagen zurück.«

»Sie könnten ihn ja anrufen.«

Die Signora schien seinen Vorschlag nicht gehört zu haben. »Können Sie mir nicht eine Werkstatt empfehlen?«

»Schon. Aber ich habe die Telefonnummer nicht dabei. Wenn Sie wollen, fahre ich Sie hin.«

»Das ist wirklich nett von Ihnen.«

Den Rest der Fahrt schwiegen sie. Montalbano wollte nicht neugierig erscheinen, sie wiederum war zwar höflich und freundlich, aber nicht allzu vertrauensselig. Er machte sie mit dem Automechaniker bekannt, die Signora bedankte sich, und damit endete die kurze Begegnung.

»Sind Augello und Fazio da?«

»Sie sind vor Ort, Dottori.«

»Dann sollen sie zu mir...

Erscheint lt. Verlag 13.5.2016
Reihe/Serie Commissario Montalbano
Übersetzer Rita Seuss, Walter Kögler
Sprache deutsch
Original-Titel Il gioco degli specchi
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 20. - 21. Jahrhundert • Andrea Camilleri • Camilieri • Camilleri • Carabinieri • cherringham • Christie • Commissario Montalbano • commissario montalbano reihe • commissario montalbano serie • criminale • das spiel des poeten • Dedektiv • der ehrliche dieb • detective • Detektiv • Deutsche Krimis • Ermittler • Frauen / Männer • Geheimdienst • Italien • Italienischer Krimi • italienischer kriminalroman • Italien Krimi • ItalienKrimi • Komissar • Kommisar • Kommissar • Kommissarin • Krimi • Krimi Bestseller • krimi ebook • Kriminalliteratur • Kriminalpolizei • Kriminalroman • Kriminalromane • Kriminalroman ebook • Krimi Reihe • Krimis • krimi serie • Krimis und Thriller • Landhauskrimi • Liebe / Beziehung • Montalbano • montalbano reihe • montalbano serie • Mord • Mörder • Mystery • Polizei • Polizeiromane • Polizist • Privatdetektiv • Psychothriller • Regionalkrimi • Schicksale und Wendepunkte • Schlitzer • Serienkrimi (Serienermittler) • Serienmörder • signora pia • Sizilien • Spannung • Spannungsroman • Staatsanwalt • Tante Poldi • Tatort • Thriller • Trauer / Tod • Verbrechen
ISBN-10 3-7325-2307-1 / 3732523071
ISBN-13 978-3-7325-2307-8 / 9783732523078
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