Ein letzter Drink -  Dennis Lehane

Ein letzter Drink (eBook)

Ein Fall für Kenzie und Gennaro
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2016 | 1. Auflage
416 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-60726-0 (ISBN)
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Senator Brian Paulson will die Bandenkriminalität in Boston stoppen. Als seine Putzfrau Jenna ein Foto von ihm und einem Gangsterboss entwendet, geraten die Dinge außer Kontrolle. Das Detektivduo Kenzie und Gennaro soll ermitteln und befindet sich plötzlich im Straßenkrieg. Das großartige, rauhe Debüt von Bestsellerautor Dennis Lehane in neuer Übersetzung.

Dennis Lehane, irischer Abstammung, geboren 1965 in Dorchester, Massachusetts, hat bisher 14 Romane veröffentlicht, vier davon wurden verfilmt, darunter die Weltbestseller ?Shutter Island? und ?Mystic River?. Lehane unterrichtete Kreatives Schreiben unter anderem an der Harvard University und ist erfolgreicher Produzent und Drehbuchautor, zuletzt für die Apple-TV+-Serie ?In with the Devil?. Dennis Lehane lebt in Südkalifornien.

Dennis Lehane, irischer Abstammung, geboren 1965 in Dorchester, Massachusetts, schrieb für ›The Wire‹ und war Creative Consultant für ›Boardwalk Empire‹. Er unterrichtet Creative Writing u.a. in Harvard. Seine erfolgreich verfilmten Bücher ›Mystic River‹ und ›Shutter Island‹ sind Weltbestseller. Dennis Lehane lebt in Kalifornien und Boston.

{11}1


Aus der Bar des Ritz-Carlton blickt man auf den Public Garden, und man muss Krawatte tragen. Ich hatte den Park schon oft gesehen und dabei nie Krawatte getragen, ohne dass mir etwas gefehlt hätte, aber vielleicht wissen die Leute im Ritz etwas, das ich nicht weiß.

Eigentlich trage ich am liebsten Jeans und T-Shirt, aber ich war beruf‌lich hier, also richtete ich mich nach meinen Auf‌traggebern. Außerdem war ich mit dem Wäschewaschen im Rückstand, und meine Jeans wären vermutlich von selbst in die U-Bahn gelaufen, bevor ich sie hätte anziehen können. Ich wählte einen dunkelblauen Zweireiher von Armani aus meinem Kleiderschrank – einer von mehreren, die ich von einem zahlungsunfähigen Klienten bekommen hatte –, suchte ein Paar Schuhe, eine Krawatte und ein Hemd aus, und ehe ich auch nur »GQ« sagen konnte, sah ich ganz manierlich aus.

Als ich die Arlington Street überquerte, musterte ich mich in der getönten Scheibe der Hotelbar. Ich ging federnden Schrittes, meine Augen funkelten, und meine Frisur saß perfekt. Die Welt war in Ordnung.

Ein junger Portier öffnete mir die schwere Messingtür. Seine Wangen waren so glatt, als ob er die Pubertät einfach übersprungen hätte. Er sagte: »Willkommen im Ritz-Carlton, {12}Sir«, und es war ihm ernst damit: Seine Stimme bebte vor Stolz, dass ich mich für sein putziges kleines Hotel entschieden hatte. Er streckte geziert den Arm aus, um mir für den Fall, dass ich nicht schon selbst darauf gekommen wäre, den Weg zu weisen. Ehe ich ihm danken konnte, hatte sich die Tür hinter mir geschlossen, und er winkte bereits für eine andere glückliche Seele das beste Taxi der Welt herbei.

Meine Schuhe knallten militärisch auf dem Marmorboden, und die scharfen Bügelfalten meiner Hose spiegelten sich in den Messingaschenbechern. Im Foyer des Ritz erwartet man jeden Moment, George Reeves als Clark Kent zu sehen, oder vielleicht Bogey und Raymond Massey, die rauchend zusammenstehen. Es ist eines jener Hotels, die in ihrer behäbigen Opulenz unverwüstlich sind. Auf dem Boden liegen tiefe, üppige Orientteppiche, der Empfangstresen besteht aus schimmerndem Eichenholz. Die Lobby ist eine geschäftige Zwischenstation für Parteigrößen, die ihre Zukunft in Diplomatenkoffern aus weichem Leder mit sich herumtragen, Herzoginnen aus uralten Adelsgeschlechtern, die in ihren Pelzmänteln ungeduldig auf ihre tägliche Maniküre warten, und Heerscharen von Dienern in dunkelblauen Uniformen, die schwere Gepäckwagen vorbeirollen – lautlos bis auf das sanfte Rauschen der Räder auf den dicken Teppichen. Was immer draußen vor sich gehen mag – in diesem Foyer kann man herumstehen, sich die Leute anschauen und sich ohne weiteres vorstellen, dass London immer noch von deutschen Bombern angegriffen wird.

Ich wich dem Pagen vor der Bar aus und öffnete die Tür selbst. Falls ihn das amüsierte, ließ er es sich nicht anmerken. Falls er am Leben war, ließ er sich auch das nicht anmerken. {13}Als sich die schwere Tür lautlos hinter mir schloss, stand ich auf einem weiteren Plüschteppich und sah meine Auf‌traggeber an einem der hinteren Tische mit Blick auf den Public Garden: drei Männer mit genügend politischem Einfluss, dass uns ihre Reden noch bis ins nächste Jahrhundert begleiten würden.

Der Jüngste, Jim Vurnan, stand auf und lächelte sein Jack-Kennedy-Lächeln, als er mich sah. Jim ist Abgeordneter in meinem Wahlkreis, und lächeln gehört zu seinem Job. Er streckte die Hand aus und überquerte den Teppich mit drei großen Schritten. Ich ergriff seine Hand und schüttelte sie. »Hallo, Jim.«

»Patrick«, sagte er, als ob er den ganzen Tag auf meine Rückkehr aus einem Kriegsgefangenenlager gewartet hätte. »Patrick«, wiederholte er, »wie schön, dass du es einrichten konntest.« Er legte kurz die Hand auf meine Schulter und musterte mich so eindringlich, als ob wir uns seit Ewigkeiten nicht gesehen hätten. Tatsächlich hatten wir uns erst am Vortag getroffen. »Gut siehst du aus.«

»Willst du mich zum Abendessen einladen?«

Das veranlasste Jim zu einem herzhaften Lachen – weit herzhafter, als mein dünner Scherz es verdient hatte. Er führte mich zu dem Tisch. »Patrick Kenzie, Senator Sterling Mulkern und Senator Brian Paulson.«

Jim sagte »Senator« so, wie manche Männer »Hugh Hefner« sagen: von grenzenloser Ehrfurcht erfüllt.

Sterling Mulkern war ein fleischiger, rotgesichtiger Bursche – die Sorte, die ihren Einfluss wie eine Waffe mit sich trägt, nicht wie eine Bürde. Er hatte einen üppigen Schopf aus drahtigem, weißem Haar – man hätte mit einer DC-10 {14}darauf landen können – und einen so festen Händedruck, dass man danach fast gelähmt zurückblieb. Mulkern war Mehrheitsführer im Bundessenat, ungefähr seit dem Ende des Bürgerkrieges, und er hatte nicht vor, sich in den Ruhestand zu begeben. Er sagte: »Pat, mein Junge, gut, Sie wiederzusehen.« Er sprach mit einem aufgesetzten irischen Akzent, den er sich wundersamerweise während seiner Jugend im Süden Bostons angeeignet hatte.

Brian Paulson war spindeldürr, mit glattem, metallisch grauem Haar und einem feuchten, fleischigen Händedruck. Er blieb stehen, bis Mulkern sich wieder gesetzt hatte, und ich fragte mich, ob er Mulkern vorab um Erlaubnis gebeten hatte, meine Handfläche vollschwitzen zu dürfen. Seine Begrüßung bestand aus einem Nicken und einem Blinzeln, wie es sich für jemanden geziemt, der nur einen kurzen Moment aus dem Schatten tritt. Man sagte ihm allerdings einen messerscharfen Verstand nach, geschärft in den Jahren als Mulkerns Handlanger.

Mulkern zog eine Braue hoch und sah Paulson an. Paulson zog seinerseits eine Braue hoch und sah Jim an. Jim sah mich an und tat das Gleiche. Ich wartete einen Moment, ehe ich mit hochgezogener Braue in die Runde sah. »Gehöre ich jetzt zum Klub?«

Paulson wirkte verwirrt. Jim lächelte dünn. Mulkern sagte: »Womit sollen wir beginnen?«

Ich warf einen Blick hinter mich zum Tresen. »Vielleicht mit einem Drink?«

Mulkern lachte herzhaft, und Jim und Paulson schlossen sich an. Wenigstens schlugen sich nicht alle gleichzeitig auf die Schenkel.

{15}»Natürlich«, sagte Mulkern. »Natürlich.«

Er hob die Hand, und eine unverschämt süß aussehende junge Frau, die ihrem goldenen Namensschild zufolge ›Rachel‹ hieß, tauchte neben mir auf. »Senator! Was darf ich Ihnen bringen?«

»Sie könnten diesem jungen Mann einen Drink bringen.« Er sagte es halb bellend, halb lachend.

Rachel strahlte umso mehr. Sie drehte sich ein wenig zur Seite und sah auf mich herab. »Selbstverständlich. Was hätten Sie gern, Sir?«

»Ein Bier. Haben Sie so etwas?«

Sie lachte. Die Männer am Tisch lachten. Ich kniff mich in den Arm und blieb ernst. Meine Güte, was für eine fröhliche Runde.

»Ja, Sir«, verkündete sie. »Wir haben Heineken, Beck’s, Molson, Sam Adams, St. Pauli Girl, Corona, Löwenbräu, Dos Equis –«

Ich unterbrach sie, ehe der Tag vorbei war. »Molson ist prima.«

»Patrick«, sagte Jim, verschränkte die Hände und beugte sich zu mir vor. Jetzt wurde es ernst. »Es gibt da –«

»Eine kleine Misslichkeit«, sagte Mulkern. »Eine kleine Misslichkeit, die wir gern auf diskrete Weise aus dem Weg räumen würden.«

Einige Augenblicke lang sprach niemand. Das Wort »Misslichkeit« schien uns alle zu beeindrucken.

Ich war der Erste, der seine Ehrfurcht abschüttelte. »Und worin genau besteht diese Misslichkeit?«

Mulkern lehnte sich in seinem Stuhl zurück und beobachtete mich. Rachel erschien, stellte ein Glas vor mich hin und {16}füllte es zu zwei Dritteln mit dem Bier aus der Flasche. Sie sagte: »Zum Wohl!«, und verschwand.

Mulkern sah mich unverwandt aus seinen schwarzen Augen an. Es bedurf‌te wahrscheinlich einer Explosion, um ihn zum Blinzeln zu bringen. Er sagte: »Ich habe Ihren Vater gut gekannt, mein Junge. Einen besseren Mann als … ich habe nie einen besseren gekannt. Ein wahrer Held.«

»Er hat immer voller Hochachtung von Ihnen gesprochen, Senator.«

Mulkern nickte, denn das war eine Selbstverständlichkeit. »Eine Schande, dass er so früh von uns gegangen ist. Wirkte kerngesund, aber« – er klopf‌te sich mit den Fingerknöcheln gegen die Brust – »bei der alten Pumpe kann man nie wissen.«

Mein Vater hatte sechs Monate gegen Lungenkrebs gekämpft und verloren, aber wenn Mulkern dachte, es sei ein Herzinfarkt gewesen – bitte, warum nicht.

»Und hier sitzt sein Junge«, sagte Mulkern. »So gut wie erwachsen.«

»So gut wie«, sagte ich. »Letzten Monat habe ich mich zum ersten Mal rasiert.«

Jim sah aus, als hätte er einen Frosch verschluckt. Paulson blinzelte.

Mulkern strahlte. »Na gut, mein Junge. Na gut. Sie haben ja recht.« Er seufzte. »Wissen Sie, Pat, wenn Sie erst mal in meinem Alter sind, dann sehnen Sie sich auch nach allem, was jünger als gestern ist.«

Ich nickte weise, ohne den geringsten Schimmer zu haben, was er meinte.

Mulkern rührte in seinem Drink herum, nahm das Rührstäbchen {17}heraus und legte es sanft auf einer Cocktailserviette ab. »Wir haben gehört, dass Sie der Beste sind, wenn es darum geht, jemanden aufzuspüren.« Er sah mich fragend an.

Ich nickte.

»Ah. Nur keine falsche Bescheidenheit, nicht wahr?«

Ich zuckte die Schultern. »Das ist mein Job. Warum sollte ich nicht gut darin sein?« Ich nahm einen kleinen Schluck von dem Molson und spürte den bittersüßen Geschmack auf der Zunge. Wieder...

Erscheint lt. Verlag 24.8.2016
Reihe/Serie Kenzie & Gennaro
Übersetzer Steffen Jacobs
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Affleck • Affleck, Ben • Affleck, Casey • Ben • Boston • casey • Debüt • Drogen • Erotik • Gennaro • Kenzie • Mafia • Michelle • Monaghan • Monaghan, Michelle • Politik • Privatdetektiv • Private Eye • Rassismus • Spannung • Thriller • tough • Unterwelt
ISBN-10 3-257-60726-1 / 3257607261
ISBN-13 978-3-257-60726-0 / 9783257607260
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