Die Nacht der schwarzen Falter (eBook)

England-Krimi

(Autor)

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2016 | 1. Auflage
432 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-56981-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Nacht der schwarzen Falter -  Ann Cleeves
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Ein schöner Ort zum Sterben Das Leben in Valley Farm scheint perfekt: Hier im Nordosten Englands leben vier Ehepaare in einem abgeschiedenen Tal seit Jahren ganz für sich. Doch die Idylle trügt: Der junge Patrick Randall, als Haussitter im luxuriösesten Anwesen des Tals beschäftigt, wird tot am Wegesrand aufgefunden. Kommissarin Vera Stanhope übernimmt mit ihrem Team die Ermittlungen. Bei der Durchsuchung des Anwesens stoßen sie auf eine zweite männliche Leiche. Die einzige Gemeinsamkeit der zwei Opfer: eine Faszination für seltene Falter. Als die Sozialarbeiterin Shirley Hewarth kurz darauf ermordet wird, steht Kommissarin Vera Stanhope vor ihrem schwierigsten Fall: drei Tote, die nichts verbindet, und vier Familien, die ganz eigene Leichen im Keller haben ... «Eine Kommissarin, die man mögen muss!» (Freundin) «Ann Cleeves wird nicht umsonst in England als die neue Queen of Crime gehandelt.» (WDR, Buch der Woche)

 Ann Cleeves lebt mit ihrer Familie in West Yorkshire und ist Mitglied des «Murder Squad», eines illustren Krimi-Zirkels. Für ihren Kriminalroman «Die Nacht der Raben» erhielt sie den «Duncan Lawrie Dagger Award», die weltweit wichtigste Auszeichnung der Kriminalliteratur. 2017 wurde sie für ihr exzellentes Lebenswerk mit dem «Diamond Dagger» ausgezeichnet. Sowohl die «Vera Stanhope»-Reihe, als auch Cleeves zweite Serie um das Shetland-Quartett, sind verfilmt worden.

 Ann Cleeves lebt mit ihrer Familie in West Yorkshire und ist Mitglied des «Murder Squad», eines illustren Krimi-Zirkels. Für ihren Kriminalroman «Die Nacht der Raben» erhielt sie den «Duncan Lawrie Dagger Award», die weltweit wichtigste Auszeichnung der Kriminalliteratur. 2017 wurde sie für ihr exzellentes Lebenswerk mit dem «Diamond Dagger» ausgezeichnet. Sowohl die «Vera Stanhope»-Reihe, als auch Cleeves zweite Serie um das Shetland-Quartett, sind verfilmt worden. Stefanie Kremer, geb. 1966 in Düsseldorf, arbeitet freiberuflich als Übersetzerin für Sachbücher und Belletristik aus dem Englischen und Französischen. Sie lebt südlich von München.

Kapitel Zwei


Percy lenkte den Mini vom The Lamb, dem hiesigen Pub, die schmale Straße hinunter zu dem Bungalow, den er mit seiner Tochter bewohnte. Neben ihm auf dem Beifahrersitz saß Madge, ein Collie-Mischling und die beste Hündin, die er je gehabt hatte. Wenn er sich nur dazu aufraffen könnte, regelmäßig mit ihr zu trainieren, würde sie bei den Wettbewerben für Hütehunde bestimmt sämtliche Preise gewinnen. Percy sah nicht mehr so gut, weshalb er beim Fahren mit der Nase an der Windschutzscheibe klebte und auf die Straße vor sich spähte. Seine Tochter meinte, er solle überhaupt nicht mehr Auto fahren, doch sie hielt ihn auch nicht davon ab. Sie genoss die zweistündige Auszeit, die ihr seine Besuche im The Lamb verschafften. Außerdem führte die kleine Straße nirgendwohin außer zum Herrenhaus von Gilswick und zu dem zu schicken Eigenheimen umgebauten ehemaligen Gehöft der Valley Farm, und zu dieser Tageszeit betranken sich die Leute, die dort wohnten, schließlich auch schon. Susan, seine Tochter, ging regelmäßig dort putzen, und sie hatte erzählt, dass die Altglascontainer jede Woche voll seien. Und Major und Mrs Carswell vom Herrenhaus besuchten derzeit ihren Sohn in Australien, die waren jetzt also auch nicht unterwegs. Sonst gab es nichts und niemanden, den er umfahren könnte, und der Wagen fand inzwischen auch allein nach Hause.

Percy merkte, dass seine Gedanken abschweiften. Das Bier im Pub war stark, und einer von diesen Jungspunden, die vor kurzem in den Ort gezogen waren, hatte ihn zu einem dritten Pint überredet. Er war spät dran. Bestimmt wartete Susan schon auf ihn, den Blick auf die Uhr geheftet, und hielt das Abendessen für ihn im Ofen warm. Sie legte Wert darauf, dass der Abwasch erledigt und die Küche sauber und aufgeräumt war, bevor im Fernsehen die EastEnders anfingen. Ihr Mann hatte sich mit einer Jüngeren aus Prudhoe aus dem Staub gemacht, kaum dass die Kinder aus dem Haus waren, und Susan war zu Percy gezogen. Um sich um ihn zu kümmern, sagte sie. Um jemanden zu haben, den sie herumkommandieren konnte, glaubte er. Doch mittlerweile hatte er sich an sie gewöhnt und würde sie wohl vermissen, wenn sie auszöge.

Die kleine Straße schlängelte sich durch die Talsohle. Zu beiden Seiten stiegen die Hügel steil an, erst zu mit Mauern aus Bruchstein voneinander abgegrenzten Weiden, auf denen Schafe grasten, dann ins offene Heidemoor. Neben der Straße standen Bäume, ein schmaler Streifen Wald, in dem jetzt die Primeln aus der Erde schossen und jene grünen Stängel, aus denen später Glockenblumen würden. An den Bäumen zeigte sich das erste, zarte Grün, und die niedrig stehende Sonne warf Schatten über die Straße. Percy war inzwischen in Rente, doch er hatte sich seinen Lebensunterhalt stets auf Höfen verdient und konnte jede dort anfallende Arbeit erledigen. Die Arbeit mit den Schafen hatte ihm immer am besten gefallen, und dies war ihm die liebste Zeit im Jahr. Auf den Hügeln überall Lämmer und auf den Wegen der Geruch nach Sommer. Eine Sonne, deren Wärme man langsam wieder spürte.

Das dritte Pint drückte ihm unangenehm auf die Blase. Das war auch so eine Sache, weshalb Susan ihm ständig in den Ohren lag, er solle endlich mal zum Arzt. Nachts musste er mittlerweile mehrmals aufstehen und aufs Klo gehen. Und manchmal, wenn er unterwegs war, musste er so nötig, dass er sich in die Hose machte wie ein kleines Kind, das gerade den Windeln entwachsen war. Es machte einfach keinen Spaß, alt zu werden, ganz egal, was er den Jungs da unten im Pub immer erzählte von wegen, er habe das perfekte Leben. «Ich? Ich habe keine Sorgen mehr», pflegte er zu sagen. Aber je älter man wurde, desto mehr Sorgen machte man sich darum, seine Würde einzubüßen und sterben zu müssen. Er fuhr den Wagen so nahe an den Straßengraben wie möglich und sprang heraus. Gerade noch rechtzeitig gelang es ihm, den Reißverschluss zu öffnen, dann vermischte sich das Plätschern des Wassers in dem kleinen Bach mit dem Geräusch seines eigenen Wasserstrahls, den er in den Graben lenkte. Als er die Hose wieder zumachte, fühlte er sich einen Moment lang erleichtert und dachte: Vielleicht sollte ich doch mal einen Termin beim Arzt vereinbaren. So konnte es jedenfalls nicht weitergehen.

Und dann sah er das Gesicht des jungen Mannes, halb verdeckt vom Wiesenkerbel. Die Augen standen weit offen, und das helle Haar trieb im Wasser des Grabens wie Grashalme. In letzter Zeit war es sehr trocken gewesen, und der Graben war nicht einmal halb voll, sodass das Gesicht größtenteils aus dem Wasser herausragte. Es sah ganz glatt aus. Keine Falten, keine Wunden. Das hier war ein junger Mann, der wirkte, als hätte er sich gerade schlafen gelegt. Er trug einen Wollpullover und eine gewachste Jacke, und der Teil seiner Kleider, der nicht vom Schlamm des Grabens bedeckt war, sah sauber und trocken aus. Percy jagte der Tod keinen Schrecken ein. Er hatte genügend Tiere getötet und tote Menschen gesehen. Um in den Krieg zu ziehen, war er damals noch zu jung gewesen, doch in seiner Kindheit war es ganz normal gewesen, dass die Leute zu Hause starben. Heutzutage machten sich immer alle über die Arbeitsschutzvorschriften lustig, aber damals hatte es auch mehr Arbeitsunfälle gegeben. Landmaschinen ohne Schutzvorrichtung oder Bremse, Idioten, die sich aufspielen wollten. Und als seine Frau starb, hatte er ihre Hand gehalten. Natürlich war es ein Schock, den jungen Mann hier liegen zu sehen, und der Anblick machte ihn mit einem Schlag wieder nüchtern, aber er hatte nicht das Bedürfnis, sich zu übergeben.

Nun sah er sich das Gesicht etwas genauer an, und es brauchte ein paar Sekunden, bis er sich daran erinnerte, wann er es zuletzt gesehen hatte. Vergangene Woche, in der Lounge des The Lamb. Der junge Mann hatte eine von Glorias Rindfleischpasteten gegessen. Allein. Percy hatte seinen Kumpel Matty gefragt, wer der junge Kerl wohl sei, aber Matty hatte sich nicht dafür interessiert und ihm nicht mal eine Antwort gegeben. Und dann hatte Percy ihn noch einmal gesehen, vor kurzem erst. Gestern früh, als der junge Mann auf der Straße in Richtung Dorf geschlendert war. Percy hatte Madge gerade auf den Hügeln Gassi geführt und eigentlich vorgehabt, Susan später nach dem Fremden zu fragen. Susan war sogar noch neugieriger als er selbst und wusste immer, was gerade so geklatscht wurde.

Percy ging zurück zum Wagen und nahm das Handy aus dem Handschuhfach. Um ihn herum sangen sich die Amseln die Seele aus dem Leib. Das lag an der Jahreszeit. Alle markierten ihr Revier und balzten um Weibchen. Im Frühling vermisste er seine verstorbene Frau immer am stärksten. Und dabei ging es ihm nicht nur um die Vertrautheit zwischen ihnen, sondern auch um den Sex.

Susan hatte ihm das Handy besorgt, damit sie immer wusste, wo er war. Sie hatte ihn vorhin angerufen, um ihn daran zu erinnern, dass er eigentlich schon auf dem Heimweg sein sollte, und deshalb war er ja auch direkt vom Pub zum Wagen gegangen, ohne vorher noch einmal die Herrentoilette aufzusuchen. Es brachte nichts, seine Tochter zu verärgern. Er hatte das Handy noch nie selbst benutzt, aber als Susan es ihm gegeben hatte, hatte sie ihm erklärt, wie es funktionierte. Die Ziffern auf den Tasten waren so groß, dass er sie mühelos erkennen konnte. Zuerst rief er daheim an. Susan brauste schnell auf; es konnte passieren, dass sie sein Abendbrot in den Müll schmiss, wenn er zu spät kam, und jetzt, wo er wieder nüchtern war, hatte er Hunger bekommen. Dann wählte er die 999. Die Stimme am anderen Ende der Leitung wies ihn an, dort zu bleiben, wo er war. Percy fand in seiner Jackentasche einen Schokoriegel und wartete. Womit er ausnahmsweise tatsächlich einmal genau das tat, was man ihm aufgetragen hatte.

 

Eigentlich hatte er ein Polizeiauto oder einen Krankenwagen erwartet. Ohne Sirene. Schließlich herrschte keine Eile; der Kerl war ganz offenkundig kalt und tot. Darüber hatte Percy mittlerweile nachgedacht. Zunächst hatte er einen Unfall vermutet. Doch wenn der junge Mann von einem Auto in den Graben gestoßen worden wäre, hätte er doch auf dem Gestrüpp gelegen und nicht darunter verborgen. Das Gleiche träfe auch zu, wenn er sich plötzlich schlecht gefühlt hätte. Und selbst, wenn er am Straßenrand langgegangen wäre, um einem Auto oder Traktor auszuweichen, hätte er sich doch bestimmt nicht so dicht am Graben gehalten. Percy war zu dem Schluss gelangt, dass jemand den Toten dort abgelegt haben musste. Und versteckt. Selbst ein Spaziergänger hätte die Leiche nicht bemerkt, außer er wäre durchs Dickicht geklettert wie Percy, der versucht hatte, wenigstens einen kleinen Rest Würde zu bewahren, indem er sich ein Stück abseits der Straße erleichterte. Dann hörte er plötzlich einen Wagen, einen alten Wagen, dessen Motor stotterte und spuckte. Madge, die geschlafen hatte, wachte auf und knurrte leise, bis Percy ihr die Hand auf den Nacken legte. Es war ein Land Rover, so verdreckt und zerbeult, dass man seine ursprüngliche Farbe gar nicht mehr erkennen konnte, und am Steuer saß eine Frau. Percy stieg aus dem Auto, um ihr zu sagen, dass sie sich verfahren habe und dies hier eine Sackgasse sei, und dass sie mit dem Land Rover ohnehin nicht an ihm vorbeikomme, doch sie hielt an und stieg ebenfalls aus. Während sie von dem hohen Fahrersitz herabkletterte, fragte er sich, wie ihre Knie das Gewicht bloß aushielten. Sie war ziemlich dick. Keine Schönheit. Schlechte Haut und hässliche Klamotten, aber sehr hübsche Augen. Braun wie Kastanien.

«Percy Douglas?» Dem Akzent nach kam sie von hier.

Er glaubte, sie schon mal im The Lamb gesehen zu haben. Nicht regelmäßig, aber hin und wieder. Bei der...

Erscheint lt. Verlag 21.9.2016
Reihe/Serie Vera Stanhope ermittelt
Übersetzer Stefanie Kremer
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Dorfgemeinschaft • England • Freundschaft • Geheimnis • Kommissarin • Newcastle • Northumberland • Vera - Ein ganz spezieller Fall • Vera Stanhope • zdf neo
ISBN-10 3-644-56981-9 / 3644569819
ISBN-13 978-3-644-56981-2 / 9783644569812
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