Engelsstimme/Kältezone (eBook)

Zwei Fälle für Kommissar Erlendur in einem E-Book
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
791 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7325-3450-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Engelsstimme/Kältezone -  Arnaldur Indriðason
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Diese E-Book-Sonderausgabe beinhaltet Komissar Erlendurs fünften und sechsten Fall: 'Engelsstimme' und 'Kältezone'.

Engelsstimme - Kommissar Erlendurs 5. Fall: In einem angesehenen Hotel in Reykjavík wird der Portier erstochen aufgefunden, als Weihnachtsmann verkleidet. Ein rätselhafter Mord, den Erlendur und seine Kollegen von der Kripo Reykjavík aufklären sollen, ohne die internationalen Gäste zu verschrecken? Island darf nicht zu spannend und zu abenteuerlich sein. Um den Tod des Mannes schert sich eigentlich niemand, kein Mensch will etwas mit ihm zu tun gehabt haben. Wer aber hat Interesse, einen zurückgezogen lebenden Portier aus dem Weg zu räumen? Erlendur quartiert sich kurzerhand im Hotel ein, um den Beweggründen auf die Spur zu kommen. Wieder einmal reichen die Fäden weit in die Vergangenheit zurück ...

Kältezone - Kommissar Erlendurs 6. Fall: In einem See südlich von Reykjavík wird ein Toter entdeckt. Der Wasserspiegel hatte sich nach einem Erdbeben drastisch gesenkt und ein menschliches Skelett sichtbar werden lassen, das an ein russisches Sendegerät angekettet ist. Ein natürlicher Tod ist ausgeschlossen. Hat man sich hier eines Spions entledigt? Erlendur, Elínborg und Sigurður Óli von der Kripo Reykjavík werden mit der Lösung des Falls beauftragt. Ihre Nachforschungen führen sie in das Leipzig der Nachkriegsjahre, wo eine tragische Geschichte um Liebe, Verlust und berechnender Grausamkeit ihren Anfang nahm ...

Eins


Elínborg wartete im Hotel auf sie.

Ein großer Weihnachtsbaum stand im Foyer, und die Halle war mit Tannenzweigen und glitzernden Kugeln weihnachtlich geschmückt. Holder Knabe im lockigen Haar erklang aus einer unsichtbaren Lautsprecheranlage. Große Reisebusse standen vor dem Eingang, und die Menschen strömten in die Rezeption. Ausländer, die Weihnachten und Neujahr in Island verbringen wollten, weil in ihren Augen Island Abenteuer und Spannung versprach. Sie waren gerade erst gelandet, aber trotzdem hatten sich einige bereits die typischen Islandpullover gekauft. Man trug sich eifrig als Gast in diesem fremden Winterland ein. Erlendur klopfte sich den nassen Schnee vom Mantel. Sigurður Óli ließ die Blicke über das Foyer schweifen und entdeckte Elínborg bei den Aufzügen. Er stieß Erlendur an, und sie gingen zu ihr hinüber. Sie hatte den Schauplatz bereits in Augenschein genommen. Die Polizisten, die zuerst eingetroffen waren, hatten dafür gesorgt, dass nichts angerührt wurde.

Der Hotelmanager bat händeringend darum, nicht überzureagieren. Das Wort hatte er verwendet, als er anrief. Dies war ein Hotel, und Hotels lebten von ihrer Reputation, und er bat sie, Rücksicht darauf zu nehmen. Deswegen gab es draußen keine Sirenen, und es gab auch keine uniformierten Polizisten, die durch die Halle stürmten und Leute anrempelten. Der Hotelmanager erklärte, dass die Gäste des Hotels unter gar keinen Umständen in irgendeiner Weise beunruhigt werden dürften.

Island durfte nicht zu spannend und abenteuerlich sein.

Jetzt stand der Hotelmanager an der Seite von Elínborg und gab Erlendur und Sigurður Óli die Hand. Der Mann war so fett, dass er kaum in seinen Anzug passte. Das Jackett war über dem Bauch mit einem Knopf zugeknöpft, der sicher nicht mehr lange halten würde. Der Hosenbund verschwand unter dem enormen Bauch, der aus dem Jackett quoll, und der Mann schwitzte so stark, dass er das große, weiße Taschentuch, mit dem er sich in regelmäßigen Abständen Stirn und Nacken abwischte, kaum wegstecken konnte. Der weiße Hemdkragen war schon schweißnass. Erlendur drückte seine feuchte Hand.

»Vielen Dank«, erklärte der Hotelmanager und blies vor lauter Besorgnis wie ein Wal. Er hatte das Hotel fast zwanzig Jahre lang geleitet, aber so etwas war ihm noch nie untergekommen.

»Und das mitten im Weihnachtsbetrieb«, stöhnte er. »Ich begreife nicht, wie so etwas passieren kann. Wie kann so etwas passieren?«, wiederholte er, und ihnen entging nicht, dass ihn die Situation völlig überforderte.

»Ist er unten oder oben?«, fragte Erlendur.

»Unten oder oben?«, schnaufte der fette Hotelmanager. »Meinst du etwa, ob er zum Himmel gefahren ist?«

»Tja«, sagte Erlendur. »Das müssen wir wohl unbedingt in Erfahrung bringen.«

»Nehmen wir den Aufzug nach oben?«, fragte Sigurður Óli.

»Nein«, erwiderte der Hotelmanager, der sich auf den Arm genommen fühlte und Erlendur anstarrte. »Er ist hier unten im Keller. Hat da ein kleines Zimmer. Wir haben ihn nicht rauswerfen mögen. Und das ist dann der Dank dafür.«

»Warum wolltet ihr ihn denn rauswerfen?«, fragte Elínborg.

Der Hotelmanager sah sie an, ohne zu antworten.

Sie begaben sich langsam auf der Treppe neben dem Aufzug nach unten. Der Hotelmanager ging voran. Sogar treppabwärts waren die Stufen eine Anstrengung für ihn, und Erlendur überlegte, wie er da wohl wieder hochkommen würde.

Sie hatten sich damit einverstanden erklärt, möglichst rücksichtsvoll vorzugehen, nur Erlendur hatte nichts gesagt. Sie wollten wenigstens versuchen, so diskret wie möglich zu arbeiten. Drei Polizeiautos und ein Krankenwagen standen hinter dem Hotel. Polizei und Krankenwagenbesatzung waren zum Hintereingang hereingekommen. Der Amtsarzt war unterwegs. Er würde den Totenschein ausstellen und den Leichenwagen anfordern.

Sie gingen einen langen Gang entlang, Schritt für Schritt hinter dem schnaufenden Wal her. Uniformierte Polizisten grüßten sie. Je weiter sie nach hinten kamen, desto dunkler wurde der Gang, weil die Birnen an der Decke den Geist aufgegeben hatten und sich offenbar niemand die Mühe gemacht hatte, sie auszuwechseln. Schließlich kamen sie in der Finsternis an eine Tür, die halb offen stand und den Blick in einen kleinen Raum freigab. Der glich eher einer Abstellkammer als einer menschlichen Behausung, aber enthielt immerhin ein schmales Bett und einen kleinen Schreibtisch. Auf den dreckigen Fliesen lag ein abgewetzter Bettvorleger, oben, knapp unterhalb der Decke, war ein kleines Fenster.

Der Mann saß mit dem Rücken an die Wand gelehnt im Bett. Er trug ein knallrotes Weihnachtsmannkostüm mit entsprechender Mütze, die ihm ins Gesicht gerutscht war. Der weiße Weihnachtsmann-Rauschebart verdeckte den Rest des Gesichts. Die Schnalle des breiten Gürtels war über dem Bauch gelöst worden, und die Jacke war aufgeknöpft. Darunter trug er nichts weiter als ein weißes Unterhemd. Über dem Herzen war eine tödliche Stichwunde. Am Bauch waren noch weitere Verletzungen, aber der Stich ins Herz war der tödliche gewesen. Seine Hände wiesen ebenfalls Stichwunden auf, als hätte er versucht, den Angriff abzuwehren.

Die Hosen waren heruntergelassen. An seinem Glied hing ein Kondom.

»Morgen kommt der Weihnachtsmann«, trällerte Sigurður Óli und schaute auf die Leiche hinunter.

Elínborg brachte ihn mit einem »Psst» zum Schweigen.

Im Zimmer gab es noch einen kleinen Kleiderschrank. Der stand offen, und man sah zusammengefaltete Hosen und Pullover, gebügelte Hemden und Socken. Die Livree hing auf einem Bügel, dunkelblau mit goldenen Epauletten und glänzenden Messingknöpfen. Neben dem Schrank standen blank geputzte Lederschuhe.

Zeitungen und Zeitschriften stapelten sich auf dem Fußboden. Neben dem schmalen Bett stand ein Nachttisch mit einer Lampe. Auf dem Nachttisch lag ein Buch: A History of the Vienna Boys’ Choir.

»Hat dieser Mann hier gewohnt?«, fragte Erlendur und blickte sich um. Elínborg und er hatten sich in das Zimmer hineingezwängt, Sigurður Óli und der Hotelmanager standen draußen. Für alle war drinnen kein Platz.

»Wir haben ihm gestattet, sich hier einzurichten«, sagte der Hotelmanager verlegen und wischte sich erneut den Schweiß von der Stirn. »Er arbeitete schon seit langem bei uns, war schon da, als ich kam. Er war Portier.«

»Stand die Tür offen, als man ihn gefunden hat?«, fragte Sigurður Óli und versuchte amtlich zu klingen, um den Ausrutscher von vorhin wieder wettzumachen.

»Ich habe sie gebeten, auf euch zu warten«, erklärte der Hotelmanager. »Das Mädchen, das ihn gefunden hat. Sie ist in der Kantine für die Hotelangestellten. Das arme Ding steht unter Schock, das könnt ihr euch sicher vorstellen.« Der Hotelmanager vermied es, in das Zimmer zu blicken. Erlendur trat zu der Leiche und untersuchte die Herzwunde. Er konnte sich nicht vorstellen, mit was für einem Messer der Mann getötet worden war. Er blickte hoch. Über dem Bett hing ein altes, vergilbtes Kinoplakat mit Shirley Temple, das an den Ecken mit Tesafilm angeklebt worden war. Erlendur kannte den Film nicht. Er hieß The Little Princess. Das Plakat war der einzige Schmuck, den es im Zimmer gab.

»Wer ist denn das?«, fragte Sigurður Óli, der an der Tür stand und das Plakat betrachtete.

»Das steht doch da«, sagte Erlendur. »Shirley Temple.«

»Wer war das noch? Lebt sie noch?«

»Wer war Shirley Temple?«, wiederholte Elínborg. »Weißt du wirklich nicht, wer sie war? Du hast doch angeblich in Amerika studiert.«

»War sie ein Hollywoodstar?«, fragte Sigurður Óli und schaute immer noch auf das Plakat.

»Sie war ein Kinderstar«, sagte Erlendur mürrisch. »So gesehen ist sie also schon lange tot, ob sie nun noch am Leben ist oder nicht.«

»Aha«, gab Sigurður Óli von sich, der mit dem Gesagten rein gar nichts anzufangen wusste.

»Ein Kinderstar«, sagte Elínborg. »Wenn ich mich nicht täusche, lebt sie noch. Ich erinnere mich nicht so genau. Ich glaube, sie arbeitet im Auftrag der Vereinten Nationen.«

Erlendur fiel auf, dass es keine weiteren persönlichen Gegenstände in dem Zimmer gab. Er sah sich um, nirgends ein Buchregal oder CDs, kein Computer, kein Radio und kein Fernseher. Nur ein Schreibtisch, ein Stuhl neben dem Bett und eben das Bett mit einem zerwühlten Kopfkissen und einem schmutzigen Bettbezug. Der winzige Raum erinnerte ihn an eine Gefängniszelle.

Er trat auf den Gang hinaus und spähte in die Dunkelheit. Er glaubte, einen schwachen Rauchgeruch wahrzunehmen, so als hätte jemand mit Streichhölzern herumhantiert, um sich Licht zu verschaffen.

»Was gibt es da hinten sonst noch?«, wandte er sich an den Hotelmanager.

»Nichts«, erwiderte der und schaute zur Decke. »Nur das Ende des Gangs. Da fehlen ein paar Birnen, ich lass das in Ordnung bringen.«

»Wie lange hat der Mann hier gelebt?«, fragte Erlendur und ging in das Zimmer zurück.

»Ich weiß es nicht, das war vor meiner Zeit.«

»War er schon hier, als du Hotelmanager wurdest?«

»Ja.«

»Willst du mir damit sagen, dass er in diesem Kabuff mehr als zwanzig Jahre gelebt hat?«

»Ja.«

Elínborg betrachtete das Kondom.

»Auf jeden Fall hat er sich an Safersex gehalten«, erklärte sie.

»Nicht safe genug«, meinte Sigurður...

Erscheint lt. Verlag 13.12.2016
Reihe/Serie Kommissar Erlendur Sammelband
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 20. - 21. Jahrhundert • Dedektiv • Detektiv • Deutsche Krimis • Ermittler • Island • Komissar • Kommisar • Kommissar • Krimi • Krimi Bestseller • Kriminalroman • Krimis • Mord • Mörder • Polizei • Polizist • Serienkrimi (Serienermittler) • Spannung • Spannungsroman • Tatort • Thriller • Verbrechen
ISBN-10 3-7325-3450-2 / 3732534502
ISBN-13 978-3-7325-3450-0 / 9783732534500
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