Mein Mann, der Rentner, und dieses Internet (eBook)

Das geheime Tagebuch einer Ehefrau

(Autor)

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2018 | 1. Auflage
304 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-22659-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mein Mann, der Rentner, und dieses Internet -  Rosa Schmidt
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Der Ruhestand könnte so friedlich verlaufen für das Ehepaar Schmidt, würden sie von ihrer Tochter Julia nicht einen dieser neuen flachen Computer geschenkt bekommen. Während Rosa dem »Tablett« zunächst skeptisch gegenübersteht, ist ihr Günther sofort Feuer und Flamme. Der umtriebige Rentner erobert das Netz - und ehe Rosa sichs versieht, vertraut er Dr. Google mehr als seiner Ehefrau und schmeißt eine Party, die dank Facebook völlig aus dem Ruder läuft. Nun packt Rosa aus. In ihrem Tagebuch erzählt sie vom Leben mit einem Rentner, der zu viel Zeit hat - und jetzt auch noch WLAN!

Rosa Schmidt gibt es wirklich, auch wenn sie anders heißt. Sie ist seit 42 Jahren mit Günther Schmidt verheiratet und lebt in einer Kleinstadt.

Aufgezeichnet wurde Rosas geheimes Tagebuch von Anne Hansen. Die Journalistin und Schriftstellerin absolvierte die Kölner Journalistenschule und studierte Politik und VWL in Köln und Potsdam. Heute lebt sie in Berlin und schreibt unter anderem für stern, DIE ZEIT, Brigitte Woman und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Sie hat bereits mehrere Romane veröffentlicht und landete 2014 mit dem Buch Mein Mann, der Rentner einen Spiegel-Bestseller.

Sonntag, 1. Januar

Himmel, bin ich gerädert. Dabei wurde es gestern doch gar nicht so spät. Wir können auch nichts mehr ab. Wie spät ist es? 15 Uhr? Ach so, das geht ja, ich mach die Augen noch mal zu. Hach, tut das gut.

Eine Sekunde später

15 Uhr???

Montag, 2. Januar

Der Morgen nach dem Morgen danach. Das neue Jahr beginnt so schleppend, wie das alte aufgehört hat. Das Problem ist: Bis Oktober waren Günther und ich im permanenten Freizeitstress. Nachdem er vor zwei Jahren in Rente gegangen ist, haben wir die ersten zwölf Monate noch etwas mit dem neuen Status gefremdelt. Nun, das ist vielleicht etwas untertrieben. (Es war zugegebenermaßen ein Schock für uns alle.) Danach aber war der Knoten geplatzt, und wir verfielen in einen gewissen Aktionismus. Kochkurs »Mediterrane Küche« an der VHS, Discofox-Kurs, Golf-Schnupperkurs, Wochenende in Paris. Kurz: Wir waren eines dieser Rentnerpärchen, die auf dem Fahrrad den Nachbarn »Immer auf Achse« zuriefen und die sogar – jaja, ich geb’s zu – Postkarten mit dem Aufdruck »Viele Grüße aus dem Un-Ruhestand« verschickt haben.

Schon im Oktober aber trudelte unser Programm langsam aus.

Im November kam es endgültig zum Erliegen.

Inzwischen habe ich den dummen Verdacht, dass wir unsere Vorhaben hätten einteilen müssen. Ich meine, ich ärgere mich doch auch immer, wenn wir die Crossies während des Tatorts schon aufgegessen haben, bevor das erste Verhör stattfindet. Strecken ist das Stichwort! Bis wir achtzig werden, hätten wir schön im Zweijahrestakt irgendeinen Kurs belegen können. Aber nein, wir mussten ja alles in ein einziges Jahr quetschen.

Als ich zwischen den Jahren Ute (meine beste Freundin) getroffen habe und ihr von Günther erzählte, der mal wieder mit dem Sudoku-Block auf dem Sofa saß und Herrenschokolade futterte, seufzte sie wissend und sagte mit getragener Stimme: »Im ersten Jahr im Ruhestand findet man sich, im zweiten wird man aktiv, und im dritten kommt das große Loch.«

»Ist das ein chinesisches Sprichwort?«, fragte ich.

»Nein, das ist von mir«, sagte Ute. »Erfahrung, meine Liebe. Erfahrung.«

Irgendwann, meinte Ute, leben alle Rentner von Feiertag zu Feiertag. Oder von Renovierung zu Renovierung. »Großer Gott, du müsstest das Haus der Schröders sehen. Wie bei Schöner Wohnen! Aber die sind auch schon acht Jahre in Rente!«

Vielleicht sind die Feiertage für Günther und mich schon einmal ein Anfang. Irgendwas wird kommen. Ist nicht schon bald Ostern? Günther könnte sich doch schon mal in die Vorbereitung stürzen und zum Beispiel diese niedlichen Holzhasen basteln, die sie mal im ARD-Buffet gezeigt haben. Könnte er nicht die ganzen Vorgärten in der Nachbarschaft damit bestücken? Sehe schon vor mir, wie Günther in wochenlanger Heimarbeit Holzhasen aussägt.

18 Uhr

Habe nachgeschaut. Ostern ist dieses Jahr spät. Mitte April. War das nicht manchmal wenigstens schon im März???

Montag, 9. Januar

Das Wetter zermürbt mich. Seit einer Woche haben wir Schneematsch. Und grauen Himmel. Durchgängig. Ich mache mir schon ernsthaft Sorgen um meinen Vitamin-D-Spiegel. Außerdem macht mich Günther in dieser Wetterlage wahnsinnig. Ich meine, einen Sommerrentner lasse ich mir gefallen – gibt es dieses Wort? Nun, es ist klar, was ich meine. Im Sommer gibt es so viel für Günther zu tun (Garten! Vorgarten! Auto putzen! Fahrradtouren!), dass es gar nicht weiter auffällt, dass er keine Fünfzigstundenwoche mehr hat. Aber ein Winterrentner? Das ist die wahre Prüfung! Alles findet drinnen statt. Genauer: in unserem Wohnzimmer. In unserer Küche. Oder in Günthers Arbeitszimmer.

Deswegen beneide ich Leute, die in den Bergen wohnen. Hach, ich stelle mir das herrlich vor. Morgens packen die Rentnermänner dort zeitig ihre Skisachen zusammen, verabreden sich mit anderen Rentnermännern am Sessellift, verbringen den Tag gemeinsam auf der Piste, trinken dann noch ein Bierchen auf einer Hütte und kommen spätabends mit roten Wangen wieder nach Hause. Aber uns im Flachland? Uns bleibt doch nichts.

Habe den ganzen Vormittag ernsthaft darüber nachgedacht, ob wir uns in den Bergen nicht eine neue Existenz aufbauen sollten. Zugegeben, ich kann mir Günther nicht ganz in einer Lederhose vorstellen, aber warum nicht noch einmal ganz neu anfangen?

Musste bei dem Gedanken dann aber doch schlucken und an meine Treffen mit Ute denken. An Tante Lotti (die Schwester meines Vaters), die im Heim lebt und die ich fast jeden Tag besuche. An unseren wunderschönen Garten. An die Geburtstagskaffeerunden mit den Frauen aus der Nachbarschaft. Und selbst die soziale Kontrolle (unsere Nachbarin Doris kann genau in unser Schlafzimmerfenster sehen und beobachtet jeden Tag akribisch, wann wir aufstehen) würde mir fehlen.

Ich hatte mich so in die Vorstellung, das alles hinter mir lassen zu müssen, hineingesteigert, dass mir doch tatsächlich die Tränen in die Augen stiegen. Plötzlich kam Günther ins Wohnzimmer.

»Was hast du?«, fragte er besorgt, als er mich traurig ins Leere starren sah.

»Ach, nichts«, schniefte ich. »Ich dachte nur, wir müssten umziehen.«

Ratloses Schweigen. (Ich weiß seit über vierzig Jahren, dass ein Ingenieur nicht viel spricht, aber irgendwie irritiert es mich immer noch.)

»Und nun?«, fragte er schließlich ein wenig unbeholfen.

»Und nun!«, rief ich. »Genau das frage ich mich auch!«

Zwei Stunden später

Günther steht im Wohnzimmer und bügelt – ich traue meinen Augen nicht – Bettwäsche.

»Die muss doch nicht gebügelt werden«, stoße ich in einer Mischung aus Wut und Hilflosigkeit hervor.

Günther bügelt stoisch weiter und sagt trotzig: »Ich bügele doch nur eine Seite!«

Abends

Eine Stunde mit Julia telefoniert.

»Papa bügelt Bettwäsche.«

Julia lachte, was ich überhaupt nicht witzig fand.

»Papa verfällt wieder in alte Muster«, jammerte ich weiter. Julia lachte wieder. Sie hat einen komischen Humor.

»Mama, seid ihr nicht über den Punkt hinweg? Genieß doch die Ruhe jetzt mal. Ich hör dich schon wieder schimpfen, dass ihr permanent im Freizeitstress seid.«

»Schön wär’s«, murrte ich. »Ich meine, wir haben ja alles schon durch. Was kommt denn jetzt?«

»Irgendwas wird kommen«, seufzte Julia besonnen und klang wie eine Therapeutin, die beruhigend auf eine Depressive einredet.

Haben dann noch lange über ihre neue Arbeit gesprochen. Seit sie nicht mehr in der Buchhandlung arbeitet, sondern in diesem Start-up (keine Ahnung, was sie da genau macht, ich habe es bis heute nicht verstanden), ist sie permanent überlastet. Sogar abends haben die oft noch Sitzungen, das wird dann als »Wir-verstehen-uns-so-gut-dass-Freizeit-und-Arbeit-ineinander-übergehen« verkauft. Nach der anfänglichen Euphorie ist Julia dort inzwischen ziemlich unglücklich (was sie natürlich nie zugeben würde). Aber als sie über Weihnachten zu Hause war, hat sie jeden Tag fast elf Stunden geschlafen. Und war trotzdem noch k.o. Die Situation mit ihrem Freund Richard macht es nicht besser. Er hat ihr schon vor anderthalb Jahren einen Heiratsantrag gemacht. Aber raten Sie mal. Richtig! Bis heute haben sie nicht geheiratet. Der Termin wurde immer wieder verschoben, weil Richard angeblich beruflich so eingespannt ist. Julia tut so, als sei es kein Problem. Aber ich weiß, dass sie eigentlich zutiefst enttäuscht ist. Um sie ein wenig aufzuheitern, mache ich aber gute Miene zum bösen Spiel und sage so abstruse Dinge wie »Es läuft euch ja nicht weg« oder »Wenn man gehetzt heiratet, hat man nicht viel davon«. Von wegen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Ich meine, wenn Richard sie wirklich heiraten möchte, hätte sich doch schon längst ein Termin finden lassen. Aber was lehrt uns die Erfahrung? Man darf Männer nicht unter Druck setzen. Als ich Günther in den Tennisverein quatschen wollte, nachdem er in Rente gegangen war, schaltete er komplett auf stur und lag danach tagelang nur auf dem Sofa.

Also: Ommmmmmmmm.

Eine Hochzeit wird kommen.

Und eine Beschäftigung für Günther.

Samstag, 14. Januar

Hurra, geht doch! Günther hat ein neues Projekt. Er hat heute feierlich beschlossen, dass unsere Zettelwirtschaft aufhören soll (was ich grundsätzlich begrüße!). Beim Büro Kerber hat er gleich nach dem Frühstück ein DIN A3 großes Haushaltsbuch gekauft. So weit, so gut. Doch nun kommt’s. In das Buch soll alles (!) rein. Also nicht nur unsere Ausgaben und Belege, sondern alle Termine, die wir so haben (Arzttermine, aber auch private Treffen!), und sogar, wen wir angerufen (!) haben.

»Ich fasse mal zusammen«, sage ich, als Günther mir seine Vision für unsere neue Ordnung offenbart. »Wir sollen also über uns selbst eine Stasi-Akte anlegen.«

»Rosa, übertreib doch nicht immer so. Es ist einfach sträflich, dass wir so etwas noch nicht gemacht haben. Wir haben ja überhaupt keinen Überblick über unser Leben.«

Außerdem hat er in einem Prospekt von Netto gesehen, dass es da zwischen sieben und neun Uhr einen Frühaufsteher-Rabatt gibt. Jeder Angebotszettel von den Supermärkten soll fortan aufbewahrt und im Heft abgelegt werden. Zitat Günther: »Achte bitte immer darauf, ob unsere Filiale an der Aktion auch teilnimmt. Du findest eine Auflistung meist auf den Rückseiten. Sonst wäre ja alles umsonst.«

Bis zum jeweiligen fünften Tag des darauffolgenden Monats will Günther dann alle Ausgaben auswerten. Er wird mir dann »eine Analyse präsentieren«. Stelle mir vor, wie er mir eine Excel-Tabelle vorlegt und mit strenger Stimme sagt: »Du hast am Dienstag, den 23....

Erscheint lt. Verlag 10.9.2018
Reihe/Serie Die Rentner-Tagebücher
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga Humor / Satire
Schlagworte eBooks • Ellen Berg • Humor • Internet • lustig • lustige • Mein Mann nervt • Papa ante portas • Renate Bergmann • Rente • Rentner • Ruhestand • Tagebuch
ISBN-10 3-641-22659-7 / 3641226597
ISBN-13 978-3-641-22659-6 / 9783641226596
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