Das Modehaus - Töchter der Freiheit (eBook)

Roman

(Autor)

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2019 | 1. Auflage
560 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-21963-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Modehaus - Töchter der Freiheit -  Julia Kröhn
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Hundert Jahre, drei Frauen und ein Traum - ein Traum von Samt und Seide, von Freiheit und Liebe.
Die goldenen Zwanziger, spektakuläre Modekollektionen und ... Coco Chanel. Fanny hat genug von der altbackenen Mode im familieneigenen Imperium und will in Paris als Modeschöpferin durchstarten. Am Ende hat sie nur als Mannequin Erfolg, und auch dieser glitzernde Traum zerplatzt. 1946 kämpft Tochter Lisbeth im zerbombten Frankfurt ums nackte Überleben - und um das Modehaus ihrer Vorfahren. Erfindungsreich führt sie es in eine neue Zeit, zahlt dafür jedoch einen hohen Preis. 1971 ist Rieke die Liebe wichtiger als das Geschäft. Doch dann steht das Familienunternehmen vor dem Bankrott - und sie vor einer folgenschweren Entscheidung ...

Die große Leidenschaft von Julia Kröhn ist nicht nur das Erzählen von Geschichten, sondern auch die Beschäftigung mit Geschichte: Die studierte Historikerin veröffentlichte - teils unter Pseudonym - bereits zahlreiche Romane, die sich weltweit über eine Million Mal verkauft haben. Ihr größter Erfolg hierzulande war »Das Modehaus«, ein Top-20-SPIEGEL-Bestseller; zuletzt widmete sich Julia Kröhn ihrem Herzensthema: den Büchern. In ihrer Dilogie »Die Buchhändlerinnen von Frankfurt« erzählt sie die Geschichte einer Verlagsbuchhandlung aus der Perspektive zweier Schwestern, von der Nachkriegszeit bis zur Studentenrevolte. In ihrem neuen Roman »Papierkinder« errichtet sie den historischen Kinderrechtlerinnen Emma Döltz, Clara Grunwald und Eglantyne Jebb ein fiktionales Denkmal in Form eines mitreißenden Romans.

FANNY

1914

Am 28. Juni 1914 wurde Franz Ferdinand, der Kronprinz von Österreich-Ungarn, erschossen, und der Dackel vom deutschen Reichskanzler Theobald Theodor von Bethmann Hollweg litt an Blähungen.

Nun gut, die Blähungen des Dackels hatte Fanny später erfunden, sie wusste nicht einmal, ob Theobald Theodor von Bethmann Hollweg überhaupt einen Dackel hatte. Allerdings fand sie, dass man schreckliche Ereignisse der Weltgeschichte mit amüsanten Anekdoten würzen müsste, so wie sie die Strenge des kleinen Schwarzen gern mit einer Perlenkette auflockerte. Und allein dass jemand in direkter Folge Theobald und Theodor hieß, erschien ihr wie ein Witz.

Außerdem verliebte sich Fanny, die mittlerweile zwanzig Jahre alt war, an diesem Tag und das sogar gleich zweimal – zuerst in ein blassrotes Kleid, das in ihren Augen hervorragend zu ihrem roten Schal passte, das sie jedoch niemals trug, und später in einen jungen Mann, den sie heiratete.

»Besser es wäre umgekehrt gewesen«, sagte Fanny später. »Besser ich hätte das Kleid getragen, bis es mir in Fetzen vom Leib hing, mir jedoch nie einen Ehering an den Finger stecken lassen.«

Das Kleid hatte sie in jener Werkstatt genäht, die zum Miedersalon ihrer Mutter gehörte, in dem nicht nur Mieder, sondern auch Korsetts angefertigt wurden. Die Kalilösung, mit der sich die Saufkrenke vergiftet hatte, sollte jenen Kautschuk blau färben, der ein Bestandteil von diesen war. Es gab sehr viele Arten von Korsetts – für Sängerinnen und übergewichtige Damen, für Frauen mit Rückenleiden und solchen mit Verdauungsproblemen und natürlich für Schwangere – wobei Hilde über Schwangerschaften ebenso wenig sprach wie über die Todesursache ihres guten Mannes.

Eines hatten die Korsetts jedenfalls gemein: Sie schnürten den Leib ab und machten das Atmen schwer, was Fanny allerdings erst als junge Frau herausfand. Als Kind ließ die Berufsbezeichnung ihrer Mutter – Corsetière – sie an jenen goldenen Ballsaal denken, in dem Aschenputtel mit ihrem Prinzen tanzte. Großmutter Elise hatte ihr diese Geschichte manchmal aus dem Märchenbuch vorgelesen, und weil ihre Augen schon so schlecht und ihre Sinne häufig vom Schnaps umnebelt gewesen waren, hatte sie nicht alles richtig wiedergegeben. Am Ende opferten angeblich nicht Aschenputtels Stiefschwestern Zehen und Fersen, der Prinz tat es, weil er so dämlich gewesen war, Aschenputtel erst gar nicht und dann nur anhand des dummen Schuhs wiederzuerkennen.

Wie auch immer: Corsetière klang nach Licht, nach Duft, nach Musik, doch weder verhieß ein Korsett das alles, noch war dergleichen in Hilde Seidels Miedersalon in der Nähe der Frankfurter Hauptwache zu finden. Die Verkaufsräume befanden sich im Erdgeschoss, die Schneiderwerkstatt unter dem Dach. Richtig hell wurde es dort trotzdem nicht, weil die Fensterluken viel zu klein waren. Außerdem war es ein niedriger Raum, in dem groß gewachsene Frauen nicht aufrecht stehen, geschweige denn wie Aschenputtel und der Prinz tanzen konnten, und es duftete nicht, es roch ständig nach heißem Bügeleisen, Wasserdampf und Stärke.

Aus diesen Gründen hatte Fanny besagtes Kleid in einer Kammer hinter dem Verkaufsraum, der zur Anprobe diente, genäht, und zudem nicht aus Wahlknochen und Stahlblech und schwerem Stoff, sondern aus luftigem Leinen. Noch trug Fanny das Kleid nicht selbst, nur die Schneiderpuppe ohne Unterleib. Selbigen sollte nach Hildes Auffassung auch eine Frau aus Fleisch und Blut am besten nicht haben – und erst recht keine kreativen Gelüste.

»Was … soll … das … sein?«, herrschte sie Fanny an, als sie das Kleid entdeckte. Nun ja, richtig laut wurde sie nicht. Wenn nicht gerade Silvesternacht war, hatte sie immer Stecknadeln zwischen den Lippen. »Was … soll … das … sein?«, wiederholte sie.

»Ein Kleid.«

»Das ist kein Kleid, das ist unser Ruin. Herrgott, Kind! Seit dein guter Vater starb, habe ich es schwer genug. Aufgrund der vielen Korsettfabriken steht uns das Wasser bis zum Hals.« Fanny stellte sich vor, wie nur der Kopf ihrer Mutter mit all den Stecknadeln zwischen den Lippen aus einem dunklen Tümpel ragte, und musste lachen. »Was ist daran lustig?«, schimpfte, nein, nuschelte Hilde. »Vielleicht können wir uns noch eine Weile gegen die Konkurrenz behaupten. Aber falls solche Kleider in Mode kommen, müssen wir unser Geschäft schließen und werden des Hungertodes sterben. Dein guter Vater würde sich im Grabe umdrehen.«

Hilde musterte finster das Kleid, das keines sein durfte. Es fiel glatt am Körper herab, ohne Brust oder Taille oder Hüfte zu betonen. An den Schultern war es etwas gerafft, wodurch so schöne Falten erzeugt wurden wie bei der Toga antiker Statuen.

»Ich habe gehört, dass sich Leinen vorzüglich für Sportbekleidung eignet«, erklärte Fanny schnell.

»Sport?«

Hilde schien nicht zu wissen, was damit gemeint war. Fanny wusste es ja selbst nicht so genau. Jedenfalls hatte sie gehört, dass reiche Menschen gern Tennis spielten, und dabei ging es offenbar darum, mit einem Ding, das einer Bratpfanne glich, einen Ball so groß wie ein Hühnerei zu treffen. Sie hatte keine Ahnung, welchen Sinn das hatte, wusste jedoch, dass man gehörig dabei schwitzte.

Da es in Hildes Welt allerdings nicht vorgesehen war, dass Frauen schwitzten, ließ Fanny das lieber unerwähnt und sagte stattdessen: »Ich habe ein Kleid wie dieses in der Modewelt gesehen. Noch lieber würde ich ja französische Modezeitungen lesen, aber die sind hier in Frankfurt so schwer zu bekommen. Jedenfalls nennt man ein Kleid wie dieses Reformkleid, und damit kann man doch auch Geld verdienen.«

»Willst du behaupten, mehr als mit einem Korsett? Oh, deine arme Mutter opfert sich für dich auf, um dich vergessen zu lassen, dass dir dein armer Vater fehlt, und du lohnst es ihr so!« Fanny konnte nicht deuten, was schlimmer war – von Hilde als gut oder arm bezeichnet zu werden. Sie selbst war in ihren Augen jedenfalls weder das eine noch das andere. »Du bist immer schon aufrührerisch gewesen!«, schimpfte ihre Mutter weiter. »Wende ich dir den Rücken zu, vergeudest du Zeit und verschwendest Stoff. Wenigstens ein Nachthemd hättest du daraus nähen können oder eine neue Kinnbinde.«

Dieses Kinn zitterte, und die Lippen bebten nicht minder, als Hilde begann, das Kleid von der Schneiderpuppe zu zerren, nein, zu reißen. Wie der Anblick des zerrissenen Kleides schmerzte!

»Ich habe es angefertigt, und ich will es auch tragen!«, rief Fanny mit jenem Feuer, von dem ihre Großmutter Elise behauptete, es würde zwar so heiß brennen wie Flammen, die sich am Fichtenholz nährten, aber nicht lange genug, um so zu wärmen wie ein Feuer, das sich durch Buchenholz brannte.

Fanny hatte keine Ahnung von Holz, sie hatte indes eine genau Vorstellung davon, was Frauen stand … und was ihr selbst stehen würde – erst recht, wenn sie ihren roten Seidenschal nicht einfach um ihre Schultern schlang wie jetzt, sondern kunstvoll um den Kopf drapierte, wie sie es in einer Modezeitschrift gesehen hatte. Sie versuchte, ihrer Mutter das Kleid aus der Hand zu reißen, ehe es völlig ruiniert war, doch die hielt es so gnadenlos fest, dass es einen weiteren tiefen Riss bekam. Eine Nadel fiel ihr aus dem Mund – das Einzige, was bewies, dass ihre Kräfte nachließen.

Fanny konnte es trotzdem nicht mit ihr aufnehmen. Ob das Feuer in ihr heiß oder nur warm war, kurz oder lang brannte – die Mutter schaffte es immer, einen Kübel Wasser darüber auszuleeren.

Fanny ließ das Kleid los, drehte sich um und stürmte mit dem roten Seidenschal um ihren Schultern hinaus – unterwegs zu dem einen Ort, an dem sie wenigstens ein kleines bisschen frei sein konnte.

»Im Übrigen ist die durch Natur und Evangelium gebotene Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern die, dass der Mann für Kampf und Arbeit bestimmt ist, die Frau aber in der Pflege reiner, warmer und inniger Gefühle aufgeht. Dem Mann gebühren der Kampf und die Arbeit, das Weib wische den Schweiß von seiner Stirn.«

Als Fanny die Wohnung ihrer Tante Alma betrat, las diese die Worte gerade laut vor. Sie hatte nie Stecknadeln zwischen den Lippen, in diesem Augenblick klang es dennoch, als bohrte sich mindestens eine in ihre Zunge. Denn was Alma las, gab alles andere als ihre Meinung wieder.

Ihren Zeitvertreib, Wappen in Leder oder Holz zu brennen, hatte Alma aufgegeben, nachdem sie sich einmal den Daumen verbrannt hatte. Zwei andere Sachen hatten sich hingegen nicht verändert: Alma kämpfte entschlossen für die Rechte der Frau, sie trug dabei immer einen schönen Hut und war der Meinung, dass beides kein Widerspruch war, im Gegenteil. Schließlich war sie überzeugt, Frauen müssten immer ihre Stärken betonen, und was bei der einen ihr ausladendes Hinterteil und bei der anderen ihre Wespentaille war, war bei Alma nun mal der Kopf. Vorzugsweise setzte sie ihn mithilfe von Ungetümen aus Chiffon, Musselin-Rosen, Glasperlen und englischer Spitze in Szene.

Seit ein Frankfurter Anatomieprofessor kürzlich behauptet hatte, dass Schädel und Gehirn bei Frauen grundsätzlich kleiner als bei Männern seien, weswegen der Mann mehr Festigkeit besäße, mutig, kühn und entschlossen sei, die Frau hingegen von wechselnden Launen geplagt, geschwätzig, furchtsam und nachgiebig, trug Alma ihren Hut aus Protest sogar in ihrer Wohnung. Und als derselbe Professor überdies erklärt hatte, dass man Frauen nicht nur aufgrund ihres kleineren Gehirns, sondern wegen ihrer größeren Schamhaftigkeit nicht zum Medizinstudium zulassen dürfe – unmöglich sei ihnen eine Ausführung über die Geschlechtsorgane...

Erscheint lt. Verlag 18.2.2019
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
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ISBN-10 3-641-21963-9 / 3641219639
ISBN-13 978-3-641-21963-5 / 9783641219635
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