Die letzten Tage des Patriarchats (eBook)

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2018 | 1. Auflage
320 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00198-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die letzten Tage des Patriarchats -  Margarete Stokowski
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Seit 2011 schreibt die Spiegel-Online-Kolumnistin Margarete Stokowski Essays, Kolumnen und Debattenbeiträge. Die besten und wichtigsten Texte versammelt dieses Buch, leicht überarbeitet und kommentiert. Die Autorin analysiert den Umgang mit Macht, Sex und Körpern, die #metoo-Debatte und Rechtspopulismus, sie schreibt über Feminismus, Frauenkörper und wie sie kommentiert werden, über Pornos, Unisextoiletten und die Frage, warum sich Feminismus und Rassismus ausschließen. Stokowskis Texte machen Mut, helfen, wütend zu bleiben, Haltung zu zeigen und doch den Humor nicht zu verlieren und sie zeigen, dass es noch einiges zu tun gibt auf dem Weg zu einer gleichberechtigen Gesellschaft. Wer fragt, ob wir den Feminismus noch brauchen oder ob die Revolution bereits geschafft ist, dem liefert Margarete Stokowski eindeutige Antworten. «Im Großen und Ganzen versuche ich, da Staub aufzuwirbeln, wo es eh schon dreckig ist. Also ungefähr das Gegenteil von dem, was von einer Polin in Deutschland erwartet wird, Zwinkersmiley.»

Margarete Stokowski, geboren 1986 in Polen, lebt seit 1988 in Berlin. Sie studierte Philosophie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin und arbeitet als freie Autorin. Ihre Kolumne «Oben und unten» erscheint seit 2015 bei Spiegel Online. 2019 wurde sie für ihre Texte mit dem Kurt-Tucholsky-Preis ausgezeichnet. «Untenrum frei», ihr Debüt, avancierte zu einem Standardwerk des modernen Feminismus. 

Margarete Stokowski, geboren 1986 in Polen, lebt seit 1988 in Berlin. Sie studierte Philosophie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin und arbeitet als freie Autorin.  Ihre wöchentliche Kolumne «Oben und unten» erscheint seit 2015 bei Spiegel Online. 2019 wurde sie für ihre Texte mit dem Kurt-Tucholsky-Preis ausgezeichnet. «Untenrum frei», ihr Debüt, avancierte zu einem Standardwerk des modernen Feminismus. 

Vorwort


Dieses Buch versammelt ausgewählte und überarbeitete Kolumnen und Essays aus den Jahren 2011 bis 2018. Gute Zeiten, um nicht nur den Zerfall des Patriarchats zu beobachten, sondern auch sein letztes Aufbäumen; die vielen Backlash-Bewegungen und die immer und immer wieder vorgebrachten Forderungen, dass es doch jetzt endlich mal genug sei mit dem Feminismus.

Es ist nicht genug. Feminist*innen mussten sich zu jedem Zeitpunkt der Geschichte anhören, dass eigentlich längst alles okay wäre – wenn sie sich nur nicht so anstellen würden! Doch ein großer Teil unserer heutigen Freiheit ist den Kämpfen derer zu verdanken, die darauf bestanden haben, dass noch nicht alles gut ist, und die sich nicht einschüchtern ließen von Leuten, die ihnen erzählten, sie seien zu verbittert, zu naiv oder komplett verrückt.

Wer vom Patriarchat spricht, handelt sich schnell den Vorwurf ein, Frauen nur zu Opfern zu machen. Es kann passieren, dass man als Feminist*in frauenfeindlich genannt wird, weil man angeblich die vielen Fortschritte nicht sieht, die Frauen erreicht haben. Frauen können heute viele mächtige Posten bekleiden, die lange nur Männern vorbehalten waren. Sie können reich und berühmt werden, sie gewinnen Preise, fliegen ins All und fahren Monstertrucks.

Manchmal hört man auch, Frauen seien heute nicht nur bereits gleichberechtigt, sondern hätten es in Wirklichkeit besser als Männer: Frauen leben länger und bekommen eigene Quoten und Parkplätze und Frauenschwimmtage im Hallenbad; viele Länder haben ein Frauen-, aber kein Männerministerium; und dort, wo es eine Wehrpflicht gibt, gilt sie bis auf wenige Ausnahmen nur für Männer. Das stimmt alles. Aber die Tatsache, dass es um die Lebenssituationen und Machtoptionen von Frauen heute besser steht als zu Zeiten, als die bloße Forderung nach gleichen Rechten mit dem Tod bestraft wurde, heißt nicht, dass alles gut ist.

Frauen haben immer noch weniger Geld als Männer, sie arbeiten seltener in Führungspositionen, sie erledigen die meiste Familienarbeit, und nicht wenige erleben sexualisierte Gewalt. Im Deutschen Bundestag sind im Jahr 2018 nicht mal ein Drittel der Abgeordneten Frauen. Frauen müssen in vielen Ländern für grundlegende Rechte kämpfen, und selbst dort, wo sie das nicht müssen, hören sie in den verrücktesten Situationen dämliche Kommentare über ihren Körper. Immer noch reden Leute davon, Frauen seien während ihrer Menstruation nicht ganz zurechnungsfähig oder sie könnten zwar beruflich viel erreichen, aber letztlich doch nur als Mutter glücklich werden. Als Mutter, die stillt und lange zu Hause bleibt und die jede beliebige Ansammlung von Schlafmangel durch die Glückshormone ausgleicht, die in ihr entstehen, während sie Möhrenbrei vom Küchenboden wischt.

Nun gibt es immer auch Leute, die denken, Feminist*innen würden den ganzen Unfug einfach umdrehen wollen und Männer so diskriminieren, wie es bisher mit Frauen passierte: Wer das Patriarchat abschaffen will, so die Idee, kann doch nichts anderes wollen, als ein Matriarchat zu errichten, nach denselben Regeln, nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Das ist falsch. Viel zu viel Arbeit! Nein, Scherz. Es ist tatsächlich Quatsch, weil Feminismus nicht die Umkehrung von Unterdrückungsverhältnissen will, sondern ihre Abschaffung. «Patriarchat» hieß zudem noch nie, dass es allen Frauen schlecht geht und allen Männern gut. Es bedeutet auch nicht, dass alle Frauen die Klappe halten müssen – und auch nicht, dass alle Männer etwas zu melden haben.

Der Begriff des Patriarchats lässt sich mit «Herrschaft der Väter» übersetzen (πατήρ/patér ist altgriechisch für «Vater», αρχη/arché heißt «Macht, Herrschaft» oder «Anfang»). Die Übersetzung hilft erst mal nicht viel, denn Patriarchat bedeutet nicht, dass alle Väter – oder nur Väter – besonders mächtig sind. Aber es lohnt zu gucken, wer der «pater» früher war: Im antiken Griechenland und Rom gab es Hausherren, in deren Machtbereich alle standen, die zu einem Haushalt gehörten. Das konnten Frauen, Kinder oder auch andere Männer sein: Söhne, Bedienstete, Sklaven.

Männer können im Patriarchat – auch heute noch – ganz oben und ganz unten stehen. Sie werden häufiger gewalttätig als Frauen, aber auch häufiger Opfer von Gewalt. Sie leben kürzer, sind öfter obdachlos und begehen öfter Suizid.

Und doch verbinden wir Macht eher mit Männern als mit Frauen. Es gibt Frauen mit sehr viel Macht, aber es gibt auch Ungleichheiten, die nicht einfach durch Zufälle entstanden sind und fortdauern – allerdings auch nicht durch eine geheime böse Kraft, die Frauen auf ewig unten halten will. Sondern durch alltägliches Handeln von Menschen aller Geschlechter und durch die Ideen, die uns in den Sinn kommen, wenn wir uns fragen, wer den Lauf der Welt bestimmt. Die Historikerin Mary Beard schreibt, dass unsere allgemeine Vorstellung einer mächtigen Persönlichkeit immer noch männlich ist:

«Wenn wir die Augen schließen und versuchen, uns das Bild eines Präsidenten oder (…) eines Professors vorzustellen [beide Wörter, ‹president› und ‹professor›, sind im Englischen geschlechtsneutral], sehen die meisten von uns keine Frau. Und das ist sogar dann der Fall, wenn man selbst Professorin ist: Das kulturelle Stereotyp ist so stark, dass es mir bei jenen Phantasien mit geschlossenen Augen immer noch schwerfällt, mir mich oder jemanden wie mich in dieser Rolle vorzustellen.»[1]

Wir sind immer noch viel zu sehr mit der Idee vertraut, dass die Macht normalerweise in den Händen von Männern liegt und dass Männer definieren, was vernünftig ist, welche Arbeit wertgeschätzt und wer angebetet wird.

Es ist nicht leicht, diese Stereotype loszuwerden. Im Gegenteil: Viele, die anfangen, sich mit Gleichberechtigung zu beschäftigen, denken zu Beginn, sie wüssten schon, wo die Ungleichheiten liegen – um bald festzustellen, dass sie sich an viel größere Mengen von Scheiße gewöhnt hatten, als sie zuvor ahnten.

Das Gute ist: Man ist heute nicht mehr alleine. Allerspätestens seit #metoo ist klar, wie viel Gewalt Frauen im Alltag noch immer erleben. Viele Menschen haben durch #metoo ein neues Bewusstsein dafür bekommen, was man sich nicht bieten lassen muss, wie laut man gemeinsam mit anderen werden kann oder auch welche Ungerechtigkeiten ihnen bisher entgangen sind.

Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die behaupten, der Feminismus sei nun endgültig übergeschnappt. Es gibt diese Menschen, aber es gab sie auch schon vor über 100 Jahren, als Frauen für das Wahlrecht kämpften. Und schon damals schrieb die Frauenrechtlerin Hedwig Dohm: «Man kommt sich auf dem Gebiete der Frauenfrage immer wie ein Wiederkäuer vor.»[2]

Feminist*innen kämpfen heute für andere Dinge als damals, aber immer noch für viele grundlegende Freiheiten. Je weiter wir als Gesellschaft kommen, desto größer ist die Herausforderung, bestehende Schieflagen nicht nur auf individuelle Schwächen und Pech zu schieben, sondern strukturelle Probleme zu erkennen: Probleme, die sich wiederholen, weil manche Menschen mehr Macht und Privilegien haben als andere.

Schön allerdings, dass sich dennoch auch in kurzen Zeiträumen Dinge ändern können. Schon in den sieben Jahren, aus denen die Texte in diesem Buch stammen, hat sich einiges verbessert. In Deutschland wurden Lücken im Sexualstrafrecht geschlossen, die Ehe für alle ist eingeführt, die Pille danach rezeptfrei erhältlich. Bald werden «weiblich» und «männlich» nicht mehr die einzigen Geschlechter sein, die im Geburtenregister stehen können. Opfern von sexualisierter Gewalt wird eher zugehört als noch vor wenigen Jahren, es gibt riesige feministische Demos, und langsam setzt sich auch in Deutschland die Idee durch, dass eine Gesellschaft mehr als eine bekannte Feministin aushalten kann, ja dass ihr das sogar außerordentlich guttut. Gleichzeitig sind in anderen Bereichen und anderen Ländern viele erkämpfte Rechte in Gefahr, nicht zuletzt durch den Erfolg von Rechtspopulist*innen und Rechtsextremen, die immer auch ein verschärftes Interesse daran haben, Geschlechterrollen und sexuelle Freiheit zu beschränken, auch wenn sie vermeintlich für «starke Frauen» kämpfen oder Frauen und Kinder «schützen» wollen.

Die hier vorliegenden Texte habe ich für die Buchausgabe überarbeitet und kommentiert. Aus über 200 Kolumnen (ein Drittel bei der taz, der Rest bei Spiegel Online) und vielen Essays habe ich eine Auswahl von 75 Texten getroffen, die diverse Themen –  nicht nur, aber vor allem feministische – abdecken.

Teilweise fühlte sich das an, wie die eigenen Tagebücher von früher zu lesen, was immer interessant, manchmal lustig und manchmal beschämend ist. Von den schlechten Texten habe ich ehrlichkeitshalber einen kurzen ausgewählt, damit man sehen kann, wo es mal angefangen hat (der erste im ersten Kapitel).

An den ausgewählten Texten selbst sind viele Kleinigkeiten geändert: Ich habe Erklärungen eingefügt, wo vielleicht nicht jede*r die Debatte noch im Kopf hat oder wo sich Dinge inzwischen geändert haben. Für bessere Lesbarkeit ist die Art zu gendern vereinheitlicht und in den zitierten Leser*innen-Kommentaren die Rechtschreibung angepasst.

Drei der häufigsten Fragen, die mir auf Lesungen gestellt werden, sind diese: Wie kommt man zum Kolumnenschreiben? Wer legt die Themen fest und (wie viel) wird in den Texten zensiert? Wie ist es mit den Hasskommentaren oder Onlinekommentaren im...

Erscheint lt. Verlag 25.9.2018
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Essays / Feuilleton
Schlagworte Ästhetik • Bilder • Emanzipation • Erkenntnsitheorie • Essay • Ethik • Feminismus • Frauen • Frauenrechte • Gender • Gesellschaft • Gesellschaftskritik • Gleichberechtigung • Homophobie • Kolumnen • Körper • Misogynie • Moral • Philosophie • Politik • Sexismus • Wahrnehmung
ISBN-10 3-644-00198-7 / 3644001987
ISBN-13 978-3-644-00198-5 / 9783644001985
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