Brandstifter (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
408 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-98376-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Brandstifter -  Sara Paretsky
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Der sechste Fall für Vic Warshawski - allein gegen die Immobilien-Mafia. Frauenpower im Dschungel von Chicago! Chicago im Bauboom: V.I. Warshawski, die Privatdetektivin mit den harten Sprüchen und dem starken Gerechtigkeitssinn, muss sich notgedrungen mit der Baumafia der Stadt anlegen. Seit Tantchen Elenas Altenheim abgebrannt ist, campiert die Schnapsdrossel bei ihrer Nichte. Genervt macht sich Vic an die Arbeit ... »Gnadenlos zerrt Ms Warshawski den Leser durch das Schattenland der Abbruchhäuser der Stadt: kein weiblicher Robin Hood, sondern eine gewiefte Detektivin mit einem ätzend großen Mundwerk« manager magazin    

Sara Paretsky, 1947 in Kansas geboren, gehört zu den Mitbegründerinnen der amerikanischen »Sisters of Crime« und ist eine der renommiertesten Kriminalschriftstellerinnen weltweit. Sie wählte die Stadt zu ihrem Wohnort, die bis heute eine Hauptrolle in ihren Romanen spielt: Chicago. Dort lebt auch ihre berühmte Heldin Vic Warshawski.

Weckruf


Wir saßen in der Falle, meine Mutter und ich, in ihrem Schlafzimmer, dem winzigen Raum im oberen Stock unseres alten Hauses an der Houston Avenue. Unten bellten und kläfften die Hunde, die uns nachstellten. Gabriella war vor den Faschisten aus ihrer italienischen Heimat geflohen, aber sie verfolgten sie bis nach Südchicago. Das Hundegebell steigerte sich zu ohrenzerfetzendem Geheul, das die Schreie meiner Mutter noch übertönte.

Ich setzte mich auf. Es war drei Uhr morgens, und jemand lehnte sich gegen die Klingel. Vom aufdringlichen Realismus des Traums war ich naßgeschwitzt, und ich zitterte.

Das hartnäckige Klingeln rief die Zeit meiner Kindheit wieder herauf: wie oft hatten Telefon oder Türglocke meinen Vater geweckt und zu einem dringenden Polizeieinsatz gerufen. Meine Mutter und ich sind immer aufgeblieben und warteten auf seine Rückkehr. Obwohl mich die Furcht aus ihren glühenden dunklen Augen anstarrte, wollte sie sich ihre Angst nicht anmerken lassen; jedesmal machte sie mir in der Küche süßen Kinderkaffee – einen Eßlöffel Kaffee mit Milch und Kakao – und erzählte mir abenteuerliche italienische Volksmärchen, von denen ich Herzrasen bekam.

Ich zog Sweatshirt und Shorts über und fummelte an meinen Türschlössern herum. Das Klingeln hallte hinter mir her, als ich die drei Treppen zum Hauseingang hinunterstolperte.

Meine Tante Elena stand auf der anderen Seite der Glastür und drückte den Finger entschlossen auf den Klingelknopf. Um die Schultern trug sie als wenig kleidsames Cape eine verblichene Steppdecke. An der Mauer lehnte ein Matchsack aus Vinyl; ein violettes Nachthemd quoll oben heraus. Ich glaube nicht an Vorahnungen oder Psi, aber ich wurde das Gefühl nicht los, der Traum – ein vertrauter Alptraum aus meiner Kindheit – sei von düsteren Vibrationen ausgelöst worden, die Elena in mein Schlafzimmer schickte.

Elena, die kleine Schwester meines Vaters, war von jeher der Problemfall der Familie gewesen. »Sie trinkt ein bißchen, wißt ihr«, hatte meine Großmutter in besorgtem Flüsterton mitgeteilt, als Elena bei einem Thanksgiving-Essen weggesackt war. Mehr als einmal weckte ein verlegener Streifenpolizist meinen Vater um zwei Uhr morgens, um ihm mitzuteilen, Elena sei eingebuchtet worden, weil sie auf der Clark Street auf Freierfang gegangen war. In solchen Nächten gab es keine Märchen in der Küche. Meine Mutter schickte mich mit einem leisen Kopfschütteln wieder ins Bett, während sie sagte: »Das liegt in ihrem Wesen, cara, wir dürfen sie nicht verurteilen.«

Als meine Großmutter vor sieben Jahren gestorben war, hatte Peter, der überlebende Bruder meines Vaters, Elena seinen Anteil am Bungalow in Norwood Park geschenkt, unter der Bedingung, daß sie ihn nie wieder um etwas bitten sollte. Wohlgemut unterschrieb sie die Papiere, aber vier Jahre später war sie den Bungalow wieder los: Ohne mit mir oder Peter zu sprechen, hatte sie ihn als Sicherheit in ein abenteuerliches Bauprojekt eingebracht. Als sich die windige Firma verflüchtigt hatte, war Elena der einzige Geschäftspartner, den das Gericht auftreiben konnte – also wurde ihr Haus konfisziert und verkauft, um die Schulden zu bezahlen.

Meiner Tante blieben dreitausend. Davon und von ihrer Rente hatte sie in einer Pension an der Kreuzung zwischen Cermak Road und Indiana Avenue gelebt, hin und wieder ein bißchen Siebzehn und Vier gespielt und es, wenn die Rentenschecks kamen, immer mal wieder mit der alten Masche probiert. Die jahrelange Trinkerei hatte ihr schmale Furchen in Kinn und Stirn gegraben, aber ihre Beine waren bemerkenswert schön geblieben.

Sie sah mich durch die Glastür und nahm den Finger vom Klingelknopf. Als ich die Tür öffnete, legte sie die Arme um mich und küßte mich begeistert.

»Victoria, Herzchen, du siehst großartig aus!«

Der bittere, hefige Gestank von abgestandenem Bier umhüllte mich. »Elena – was zum Teufel machst du hier?«

Der üppige Mund schmollte. »Baby, ich brauche einen Schlafplatz. Ich bin verzweifelt. Die Bullen wollten mich in ein Asyl bringen, aber natürlich habe ich an dich gedacht, und also haben sie mich hierhergefahren. Ein wirklich netter junger Mann mit einem absolut hinreißenden Lächeln. Ich habe ihm alles über deinen Paps erzählt, aber damals war er noch ein kleiner Junge, natürlich hat er ihn nie kennengelernt.«

Ich knirschte mit den Zähnen. »Was ist mit deiner Pension passiert? Haben sie dich rausgeschmissen, weil du die alten Rentner gevögelt hast?«

»Vicki, Baby – Victoria«, verbesserte sie sich hastig. »Red nicht so vulgär – das paßt nicht zu einem Mädchen wie dir.«

»Elena, laß den Scheiß.« Als sie zum zweiten Tadel ansetzte, rief ich mich schnell zur Ordnung. »Ich meine, hör auf, solchen Unsinn zu reden, und sag mir, warum du um drei Uhr morgens auf der Straße stehst.«

Sie schmollte noch mehr. »Ich versuch ja, dir das zu erzählen, Baby, aber du unterbrichst mich dauernd. Es hat einen Brand gegeben. Unser reizendes kleines Heim ist abgebrannt. Runtergebrannt zu Schutt und Asche.«

In den trüb gewordenen blauen Augen stiegen Tränen auf und liefen durch tiefe Furchen zum Kinn. »Ich hatte noch nicht geschlafen und gerade noch Zeit, meine Sachen in die Tasche zu stopfen und die Feuertreppe hinunterzusteigen. Manche haben nicht einmal das geschafft. Der arme Marty Holman mußte sein künstliches Gebiß zurücklassen.« Die Tränen versiegten so plötzlich, wie sie gekommen waren, und sie verfiel statt dessen in schrilles Gekicher. »Du hättest ihn sehen sollen, Vicki, lieber Himmel, du hättest sehen sollen, wie der alte Knacker ausgesehen hat, mit den eingefallenen Wangen und den Glubschaugen, wie er mümmelnd herumgejammert hat: Meine Zähne, ich hab meine Zähne verloren.«

»Muß urkomisch gewesen sein«, sagte ich trocken. »Du kannst nicht bei mir wohnen, Elena. Das würde mich in achtundvierzig Stunden zum Selbstmord treiben. Vielleicht noch früher.«

Ihre Unterlippe zitterte wieder, und sie sagte in einer schrecklichen Imitation von Kindergebrabbel: »Sei nicht gemein zu mir, Vicki, sei nicht gemein zur armen alten Elena, die mitten in der Nacht abgebrannt ist. Gottverflucht noch mal, du bist mein Fleisch und Blut, die Kleine meines Lieblingsbruders. Du kannst die arme alte Elena doch nicht auf die Straße hinauswerfen wie eine durchgelegene Matratze.«

Hinter uns flog krachend eine Tür zu. Der Bankangestellte, der vor kurzem in die nach Norden gelegene Erdgeschoß Wohnung gezogen war, trat ins Treppenhaus, die Hände in den Hüften, das Kinn herausfordernd vorgereckt. Er trug einen Baumwollschlafanzug mit marineblauen Streifen; so verschlafen er aussah, sein Haar war tadellos gekämmt.

»Was zum Teufel ist denn hier los? Vielleicht müssen Sie Ihr Brot nicht mit Arbeit verdienen, Gott allein weiß, was Sie da oben den ganzen Tag lang treiben, aber ich muß arbeiten. Wenn Sie Ihrem Geschäft schon mitten in der Nacht nachgehen müssen, dann nehmen Sie wenigstens etwas Rücksicht auf Ihre Nachbarn und tun es nicht im Hausflur. Wenn Sie nicht sofort Ruhe geben und wie der Blitz von hier verschwinden, ruf ich die Bullen.«

Ich schaute ihn kalt an. »Ich fabriziere da oben Crack. Das ist meine Lieferantin. Sie können als Komplize festgenommen werden, wenn die Polizei Sie mit uns erwischt.«

Elena kicherte, sagte aber: »Sei doch nicht so unhöflich zu ihm, Victoria – man weiß nie, wann man mal einen Jungen mit so wunderschönen Augen braucht.« Dem Bankmenschen zugewandt, setzte sie hinzu: »Keine Bange, Herzchen, ich komme jetzt rein. Wir gönnen Ihnen den Schönheitsschlaf.«

Hinter der geschlossenen Tür der südlichen Erdgeschoßwohnung begann ein Hund zu bellen. Ich knirschte noch etwas heftiger mit den Zähnen und zog Elena ins Haus, nahm ihr den Matchsack ab, als sie unter seinem Gewicht wankte.

Der Bankangestellte beobachtete uns mit zusammengekniffenen Augen. Als Elena auf ihn zutorkelte, verzog er das Gesicht in blankem Entsetzen, retirierte hastig zu seiner Wohnungstür und fummelte am Schloß herum. Ich versuchte, Elena nach oben zu zerren, aber sie wollte stehenbleiben und über den Bankmenschen reden, von mir hören, warum ich ihn nicht gebeten hatte, ihre Tasche zu tragen.

»Das wäre der ideale Weg gewesen, daß ihr euch kennenlernt und die Wogen ein bißchen glättet.«

Ich war nahe daran, vor Verzweiflung zu schreien, als die Tür zur südlichen Erdgeschoßwohnung aufging. Mr. Contreras kam heraus, ein umwerfender Anblick in einem purpurroten Morgenmantel. Die Golden-Retriever-Hündin, die ich mir mit ihm teilte, zerrte am Halsband, aber als das Tier mich sah, ging das kehlige Knurren in aufgeregtes Jaulen über.

»Ach, Sie sind’s, Engelchen«, sagte der alte Mann erleichtert. »Die Prinzessin hat mich geweckt, und dann hab ich den ganzen Lärm gehört und mir gedacht: Ach du lieber Gott, das Schlimmste ist passiert, mitten in der Nacht bricht einer hier ein. Sie sollten ein bißchen rücksichtsvoller sein, Engelchen – für Leute, die zur Arbeit müssen, ist es gar nicht schön, wenn die mitten in der Nacht aus dem Bett geholt werden.«

»Stimmt.« Ich strahlte ihn an. »Und ganz gleich, was hier öffentliche Meinung ist, ich gehöre auch zur arbeitenden Bevölkerung. Und glauben Sie mir, ich hab nicht mehr Lust, um drei Uhr morgens aus dem Bett zu steigen als Sie.«

Elena legte ihr herzlichstes Lächeln auf und hielt Mr. Contreras die Hand hin wie Prinzessin Diana, die einen Soldaten begrüßt. »Elena Warshawski«, sagte sie. »Hocherfreut, Sie kennenzulernen. Die Kleine ist meine Nichte, und sie ist die hübscheste und liebste Nichte, die eine Frau sich wünschen kann.«

Mr. Contreras schüttelte ihr die Hand und blinzelte sie an wie eine Eule,...

Erscheint lt. Verlag 1.8.2018
Reihe/Serie V.I. Warshawski
Übersetzer Dietlind Kaiser
Sprache deutsch
Original-Titel Burn Marks
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Amerikanische Literatur • Bücher • Chicago • Hard Boiled • Kathleen Turner • Korruption • Krimi • Kriminalroman Frauen • Kritische Masse • Privatdetektivin • Sam Spade • spannend • starke Ermittlerin • verfilmt • Victoria Inphigenia Warshawski
ISBN-10 3-492-98376-6 / 3492983766
ISBN-13 978-3-492-98376-1 / 9783492983761
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