Die Katze im Lavendelfeld (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
299 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-76267-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Katze im Lavendelfeld -  Hermien Stellmacher
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Die Foodbloggerin Alice ist von Paris in einen malerischen Ort mitten in der Provence gezogen. Dort hat sie in dem Restaurantbesitzer Georges und der 70-jährigen Nachbarin Jeanine gute Freunde gefunden. Fehlt nur noch ein gemütliches Haus mit Garten für sie und ihre beiden Katzen - dann wäre das Glück (fast) perfekt.

Doch ihr Leben scheint komplett aus den Fugen zu geraten, als eines Tages eine kleine Findelkatze auf gar nicht leisen Pfoten bei ihr einzieht: Alice' Katzen suchen das Weite; ihr wird überraschend die Wohnung gekündigt, und bei Jeanine zeigen sich erste Anzeichen von Demenz. Und zu allem Überfluss steht Alice plötzlich auch noch zwischen zwei Männern ...

Ein wunderbarer Roman über einen Sommer, der alles verändert. Und über den Mut, loszulassen, um bereit zu sein, für das unverhoffte Glück.



<p>Hermien Stellmacher, geboren 1959, wuchs in Amsterdam auf. Im Alter von 15 Jahren zog sie nach Deutschland. Sie illustrierte zahlreiche Kinder- und Jugendb&uuml;cher. Seit einigen Jahren schreibt sie haupts&auml;chlich f&uuml;r Erwachsene, zum Teil unter dem Pseudonym Fanny Wagner. Wenn sie nicht gerade in der Provence weilt, lebt sie mit ihrem Mann und zwei Katern in einem kleinen Dorf in der Fr&auml;nkischen Schweiz.</p>

2


Jeanine war gern bei ihren Eltern zu Besuch. Sie tauschte sich aber hauptsächlich mit ihrer Mutter aus. Ihr Vater war schon immer ein schweigsamer Typ gewesen. Nur wenn er betrunken war, brüllte er hemmungslos herum. Dann ging Jeanine ihm aus dem Weg, denn man wusste nie, wie seine Launen sich entwickelten. Doch im Alter hatte sich dieses Verhalten zum Glück gebessert.

»Na, gibt's was Neues?« Jeanine setzte sich. »Ich wollte gestern schon vorbeischauen, aber jedes Mal, wenn ich losgehen wollte, kam etwas dazwischen. Und dann kam Alice mit einem neuen Heftchen vorbei. Eigentlich wollte ich nur einen klitzekleinen Blick in die Geschichte werfen, doch bevor ich mich versah, war es zu spät.«

Sie nahm den Groschenroman aus ihrem Korb und schlug ihn auf. »Diesmal geht es um Dr. Laval und eine Krankenschwester. An sich alles schön und spannend, aber man fragt sich schon, wie manche Leute so ticken. Diese Schwester wirft sich dem Arzt an den Hals, verlässt ihren Verlobten, und es kommt, wie es kommen muss: Kaum ist sie von ihm schwanger, lässt Laval sie fallen wie eine heiße …«

Himmel, wie sagte man noch mal? Wie eine heiße … Aprikose? Nein. Apfel? Auch nicht richtig. »Egal. Jedenfalls lässt er sie fallen, obwohl sie ihren Verlobten seinetwegen in die Wüste geschickt hat. Am Ende kehrt er natürlich zu seiner Frau zurück, und sie sitzt allein mit seinem Kind da. Ganz schön dämlich, die Kleine.« Sie legte das Heft neben sich. »Ich kann es dir ja mal dalassen.«

Mit einem Papiertaschentuch wischte sie den Staub von den Blumen und der aufgeschlagenen Bibel, bis die Glasuren wieder glänzten. »Habt ihr was von dem schlimmen Mistral mitbekommen? Es war furchtbar. Er hat den Dreck bis in die kleinsten Ritzen gewirbelt.«

Sie betrachtete die ovalen Schwarzweißportraits auf dem hellen Marmorstein. Wie immer lächelte ihre Mutter, ihr Vater starrte mit ernstem Gesichtsausdruck in die Ferne. Jeanine folgte seinem Blick zum Mont Ventoux, der mit seiner unverwechselbaren Silhouette die Landschaft beherrschte. Auch sie würde eines Tages hier liegen, und die Aussicht, dass dieser Berg, der sie schon ihr ganzes Leben begleitete, auch darüber hinaus auf sie hinuntersehen würde, gefiel ihr.

Diejenige, die unter dem Stein nebenan bestattet worden war, hatte dieses Panorama nicht verdient. Ausgerechnet Juliette Morel lag neben Maman. Die Frauen hatten sich seit frühester Kindheit gehasst, und es war nicht gerecht, dass diese Schlampe, wie ihre sonst so korrekte Mutter Juliette genannt hatte, zwei Jahre nach ihrem Tod direkt neben ihr zur letzten Ruhe gebettet worden war. Das hätte man anders regeln können. Doch so wie Jeanines Vater nicht mehr trinken und fluchen konnte, so schwieg auch Juliettes Lästermaul nun zum Glück für immer.

Jeanine hatte es ihrem Großvater zu verdanken, dass sie sich bei den Toten so wohl fühlte. Schon als kleines Mädchen hatte sie ihren Pépère regelmäßig auf den Friedhof begleitet. Er war der Hausmeister der Verstorbenen gewesen. Er pflegte die Kieswege, leerte die Papierkörbe, säuberte die Gießkannen und sorgte dafür, dass alles seine Ordnung hatte. Während er seinen Pflichten nachging, hatte er der kleinen Jeanine das Rechnen beigebracht.

»Schau, ma petite, hier liegt der alte Bernard. Geboren 1867, gestorben 1921. Weißt du, wie alt er geworden ist?«

»Vierundfünfzig!«

»Und Madame Butard? Sie lebte von 1835 bis 1919.«

»Vierundachtzig!«

»Sehr gut! Und dort liegt ihr Sohn Louis. Er war von 1855 bis 1897 unter uns. Wie alt ist er geworden, und wie alt war seine Mutter, als er geboren wurde?«

»Er ist … zweiundvierzig geworden, und seine Maman war bei der Geburt zwanzig.«

»Bravo! In der Schule wirst du alle in die Tasche stecken!«

Waren die meisten Toten für sie als Kind nur Bestandteil dieser Übungen gewesen, kannte sie mittlerweile fast jeden Neuzugang. Regelmäßig ging sie zu den Beerdigungen ihrer alten Weggefährten. Man traf sich vor der Kirche, tauschte sich aus und betete für das Heil ihrer Seelen. Jeanine glaubte weder an den Himmel noch an die Hölle, aber man war zusammen groß geworden, hatte gemeinsam die Schulbank gedrückt und in vielen Fällen Freud und Leid miteinander geteilt.

Im Unterricht hatten sie voneinander abgeschrieben und sich mit Ausreden aus der Patsche geholfen. Später war Jeanine in so manchen verliebt gewesen, man hatte sich geküsst und einander ewige Liebe versprochen. Viele hatten Kinder bekommen, für die sie Babysitter gewesen war. In guten Zeiten hatten sie Rezepte ausgetauscht, in schlech!ten war man mit Ratschlägen füreinander da gewesen und hatte Tränen getrocknet. Da war es nur logisch, sie auch auf den letzten Metern zu begleiten und ihnen eine gute Reise zu wünschen.

Schlimmer war es, wenn jemand verschwand, ohne dass man wusste, was aus ihm geworden war. In Jeanines Leben gab es einen solchen Fall und der wog schwer.

»Ich muss wieder los.« Jeanine stand auf und klopfte sich ein welkes Blatt vom Rock. »Ich habe versprochen, nochmal bei …« Verdammt, wieder so eine Lücke. Jeanine erfreute sich mit ihren achtundsiebzig Jahren bester Gesundheit, aber diese verflixten Aussetzer machten sie fertig. Dabei funktionierte ihr Gehirn ansonsten tadellos. Oder?

Marguerite Bressier-Baron, 1916-1999. Das waren dreiundachtzig Jahre bis zu ihrem Tod. Und Paul Bressier, 1912-1994, war zweiundachtzig geworden. Richtig. Erleichtert strich sie mit der Hand über die eingravierten Namenszüge der Eltern. Manchmal war es, als hätte sie eine beschlagene Scheibe im Kopf. Dann entfielen ihr Wörter und Zusammenhänge, wusste sie nicht mehr, was sie gerade suchte oder bei wem sie hatte vorbeischauen wollen. Das geschah ganz plötzlich, und egal, wie sehr sie über dieses Glas wischte, für eine Weile blieb es trüb.

»Vielleicht sollte ich erst mal einen Spaziergang machen.« Bewegung tat ihr immer gut, und mit etwas Glück fiel ihr dabei wieder ein, wer sie noch erwartete. »Bis bald, ihr Lieben!«

Ohne weiteren Freunden und Verwandten einen Besuch abzustatten, verließ Jeanine den Friedhof. Sie hatte das Ortsschild von Beaulieu bereits hinter sich gelassen, als ihr Gedächtnis sich zurückmeldete. »Kartoffel«, sagte sie laut. »Er hat sie fallen lassen wie eine heiße Kartoffel.« Na bitte, es war alles in bester Ordnung. Erleichtert betrat sie einen unbefestigten Weg, der zu einem Lavendelfeld hinaufführte, das seit je der Familie gehörte.

Oben angekommen, setzte sie sich auf den großen Findling am Rande des Grundstücks. Sie liebte den Anblick der langen, kugligen Pflanzenreihen, die nur von schmalen, steinigen Streifen unterbrochen wurden, die Wellenbewegung der langen Ähren, deren zarte Knospen bereits einen blau-violetten Schimmer hatten.

Entscheidend für den Zeitpunkt der Blüte war der Frühling. Je früher es warm wurde, desto eher konnte man mit dem betörenden Duft rechnen. Und so, wie es aussah, würde es nicht mehr lange dauern, bis die Ebene sich in einen wohlriechenden Blütenteppich verwandeln würde. Jeanine schloss die Augen und holte tief Luft. Bildete sie es sich ein, oder konnte man das Aroma bereits erahnen?

Als sie ihren Blick erneut auf das Feld richtete, stutzte sie. Ließen ihre Augen sie nun auch schon im Stich? Langsam stand sie auf und ging zwischen zwei Pflanzenreihen in das Feld hinein. Nach einigen Metern blieb sie stehen. Gerade hatte sich etwas bewegt. Etwas, das keine Ähnlichkeit mit den langen Halmen hatte.

Im nächsten Augenblick sah sie es wieder. Es war rot, weiß und schwarz gescheckt und saß geduckt hinter einem Lavendelbusch. Jeanine ging in die Hocke und beobachtete das Kätzchen.

»Wo kommst du denn her?«, fragte sie leise. »Bist du ausgebüxt?«

Die Katze wusste nicht recht, wie sie reagieren sollte. Mehrmals blickte sie um sich, als ob sie eine Flucht in Erwägung zog. Doch dann siegte die Neugier, und sie kam mit kleinen Schritten auf Jeanine zu.

»Du bist ja eine richtige Schönheit.« Jeanine hielt dem Tier die Hand hin. Neugierig schnüffelte es an ihren Fingern. Es war ganz mager. Die runden, verklebten Augen waren schwarz umrandet, der Bereich um Nase, Schnauze und Brust sowie die Tatzen waren weiß. ...

Erscheint lt. Verlag 29.4.2019
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Andrea Schacht • Beaulieu • BoB • Côte d’Azur • Cottage mit Kater • der Streuner • drei Katzen • Frankreich • Geschenkbuch • Geschenk für Katzenliebhaber • Glückskatze • insel taschenbuch 4707 • IT 4707 • IT4707 • James Bowen • Katze • Katzenglück in der Provence • Katzenglück und Dolce Vita • Katzenroman • Lavendel • Liebe • Liebesgeschichte • Liebesroman • Mittelmeer • Muttertag • Provence • Sommer • Sommerbuch • Strandbuch • Strandlektüre • Urlaub • Urlaubslektüre • Urlaubsroman • Wie wir Katzen die Welt sehen • Wohlfühlbuch • Zwei Männer
ISBN-10 3-458-76267-1 / 3458762671
ISBN-13 978-3-458-76267-6 / 9783458762676
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