Messer (eBook)

Spiegel-Bestseller Fachbuch-Bestseller
Ein Fall für Harry Hole

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
568 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2007-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Messer -  Jo Nesbø
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Brillant und radikal einzelgängerisch - Harry Hole, der aus Schneemann und Durst bekannte Ermittler, ist zurück in einem wütenden Kampf gegen den Möder, der ihn seine ganze Karriere verfolgt hat. Kommissar Harry Hole ist am Boden. Seine Ehe und seine Karriere hat er aufs Spiel gesetzt. Und verloren. Nach einer durchzechten Nacht erwacht er ohne jede Erinnerung. Seine Kleidung ist voller Blut. Und nun beginnt für ihn der wahre Albtraum. Platz 1 der britischen Bestsellerliste! 'Weltweit einer der besten Kriminalautoren.' Daily Express

Jo Nesbø, 1960 geboren, ist Ökonom, Schriftsteller und Musiker. Er gehört zu den renommiertesten und erfolgreichsten Krimiautoren weltweit. Jo Nesbø lebt in Oslo.

Jo Nesbø, 1960 geboren, ist Ökonom, Schriftsteller und Musiker. Er gehört zu den renommiertesten und erfolgreichsten Krimiautoren weltweit. Jo Nesbø lebt in Oslo.

kapitel 1


Das zerrissene Kleid an der morschen Kiefer führte die Gedanken des alten Mannes zu einem Lied aus seiner Jugend, über ein Kleid an einer Wäscheleine. Nur dass dieses Kleid hier nicht wie in dem Lied im Südwind wehte, sondern im eiskalten Schmelzwasser des Flusses trieb. Dicht über dem kiesigen Grund war es still, und obwohl an diesem Märztag die Sonne schien und es erst fünf Uhr nachmittags war, kam von dem Licht dort unten nicht viel an. Dafür sorgten die Eisschicht und das vier Meter tiefe Wasser. Trotzdem hoben sich das Kleid und die Kiefer von dem seltsam grünlichen Halbdunkel ab. Es war ein Sommerkleid, das hatte er erkennen können, weiß mit hellblauen Punkten. Vielleicht war es nicht immer weiß gewesen, er wusste es nicht, das kam sicher darauf an, wie lange das Kleid schon dort unten am Zweig hing. Es bewegte sich in dem nie endenden Wasserstrom hin und her. Langsam und sanft, wenn der Fluss wenig Wasser führte, hektisch und starr bei Hochwasser. Der Stoff war immer dünner, rissiger geworden. Wie er selbst, dachte der Alte. Irgendwann war dieses Kleid für jemanden wichtig gewesen, ein Mädchen oder eine Frau, für die Augen eines Mannes oder die Arme eines Kindes. Doch jetzt war es verloren wie er selbst, der Zeit übereignet, ohne Funktion, ausgesondert, stumm und still. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Strömung auch den letzten Fetzen Stoff abriss und fortspülte.

»Was gibt es denn da zu gucken?«, hörte er eine Stimme hinter seinem Stuhl fragen. Er trotzte den Muskelschmerzen, drehte den Kopf und hob den Blick. Ein neuer Kunde. Der Alte vergaß mehr als früher, nie aber Gesichter seiner Kunden, wann auch immer sie im Simensen Jakt & Fiske gewesen waren. Dieser Kunde wollte weder eine Waffe noch Munition. Mit etwas Training erkannte man an ihren Augen, ob sie Wiederkäuer waren und dem Teil der Menschheit angehörten, der den Instinkt zu töten verloren hatte. Sie verstanden das Geheimnis der anderen nicht, nicht die Magie, dass ein Mann sich durch nichts auf der Welt lebendiger fühlte, als den Abzug zu drücken und ein großes, warmes Tier niederzustrecken. Der Alte tippte darauf, dass der Mann sich für die Blinker oder eine der Angelruten interessierte, die an dem Regal über und unter dem großen Fernsehschirm an der Wand vor ihnen hingen. Oder vielleicht für eine der Wildkameras auf der anderen Seite des Ladens.

»Er guckt in den Fluss, den Haglebuelva«, sagte Alf an seiner Stelle. Sein Schwiegersohn war zu ihnen getreten. Er wippte auf den Fußballen stehend auf und ab und hatte die Hände tief in der langen ledernen Schießweste vergraben, die er immer trug, wenn er im Laden war. »Wir haben letzten Sommer in Zusammenarbeit mit dem Kameraproduzenten da eine Unterwasserkamera installiert. Wir senden seitdem rund um die Uhr live von einer Stelle etwas oberhalb der Fischtreppe am Norafossen und kriegen ganz genau mit, wann die Fische mit dem Aufstieg beginnen.«

»Und wann ist das?«

»Ein paar kommen schon im April oder Mai, aber so richtig los geht es erst im Juni. Die Forellen müssen abgelaicht haben, wenn die Lachse kommen.«

Der Kunde lächelte dem Alten zu. »Dann sind Sie aber doch ein bisschen früh dran? Oder haben Sie einen Fisch gesehen?«

Der Alte öffnete den Mund. Er dachte die Worte, hatte sie nicht vergessen. Aber es kam nichts, sodass er den Mund wieder schloss.

»Aphasie«, sagte Alf.

»Was?«

»Schlaganfall, er spricht nicht. Suchen Sie nach Angelzeug?«

»Nein, ich brauche eine Wildkamera«, sagte der Kunde.

»Dann sind Sie Jäger?«

»Jäger? Nein, Gott bewahre. Ich habe draußen vor meiner Hütte im Sørkedalen Exkremente gefunden, und das Zeug sah anders aus als alles, was ich bisher gesehen habe. Ich habe davon Bilder auf Facebook gepostet und gefragt, was das sein kann. Die Antwort kam prompt. Das sollen Bärenexkremente sein. Ein Bär, stellen Sie sich das mal vor. In einem Wald, der mit dem Auto gerade mal eine halbe Stunde vom Zentrum der norwegischen Hauptstadt entfernt ist.«

»Aber das ist doch fantastisch.«

»Kommt ganz darauf an, was Sie unter ›fantastisch‹ verstehen. Ich habe da eine Hütte, in die ich mit meiner Familie fahre. Ich will, dass dieses Vieh geschossen wird.«

»Ich bin Jäger, ich kann Sie sehr gut verstehen, aber Sie wissen ja selbst, wie das in Norwegen ist. Bis vor wenigen Jahren gab es noch richtig viele Bären, trotzdem ist in den letzten paar Hundert Jahren kaum ein Bärenangriff mit tödlichem Ausgang gemeldet worden.«

Elf, dachte der Alte. Elf Menschen seit 1800. Der letzte 1906. Er konnte nicht mehr sprechen und war auch motorisch nicht mehr auf der Höhe, aber sein Gedächtnis funktionierte noch. Und er konnte klar denken. Meistens jedenfalls. Manchmal war er etwas verwirrt, und hin und wieder sah er auch, wie sein Schwiegersohn und seine Tochter sich Blicke zuwarfen, denen er entnehmen konnte, dass er irgendetwas verwechselt haben musste. In den ersten Jahren nach der Übergabe des Ladens, den er vor fünfzig Jahren gegründet und seither betrieben hatte, war er noch eine Hilfe gewesen. Aber seit dem letzten Schlaganfall saß er nur noch in seinem Sessel. Was nicht schlimm war, da er seit Olivias Tod nichts mehr vom Leben erwartete. In der Nähe seiner Familie zu sein, jeden Tag ein warmes Essen, im Laden in seinem Sessel zu sitzen und das immer gleiche, stumme Fernsehprogramm, das reichte ihm. Das Tempo war wie ein Spiegel seines Lebens. Das Aufregendste, was passieren konnte, war der erste Fisch, der zur Laichzeit die Fischtreppe erklomm.

»Was natürlich nicht heißt, dass das nicht passieren könnte.« Der Alte hörte, dass Alf mit dem Kunden zu dem Regal mit den Wildkameras gegangen war. »Auch wenn die wie Teddybären aussehen, sollte man auf der Hut sein. Alle Fleischfresser töten. Es ist schon richtig, dass Sie sich eine Kamera anschaffen, dann wissen Sie ein für alle Mal, ob das Tier sich in der Nähe der Hütte niedergelassen hat oder nur vorbeigelaufen ist. Die Braunbären verlassen übrigens gerade ihre Winterhöhlen, und dann haben sie Hunger. Installieren Sie die Kamera dort, wo Sie die Exkremente gefunden haben, oder auch direkt an Ihrer Hütte.«

»In diesem Nistkasten steckt die Kamera?«

»Der Nistkasten, wie Sie den nennen, schützt vor Wind und Wetter und vor zu aufdringlichen Tieren. Die Kamera ist einfach, hat aber ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Sie hat eine Fresnel-Linse. Sie erkennt die infrarote Strahlung, also die Wärmestrahlung, die Tiere, Menschen oder auch andere Dinge abgeben. Ist diese Strahlung stärker als die der Umgebung, wird automatisch der Film gestartet.«

Der Alte hörte nur halb zu, etwas auf dem Bildschirm hatte seine Aufmerksamkeit gefesselt. Er konnte nicht genau erkennen, was es war, aber etwas in dem grünen Dunkel schimmerte.

»Der Film wird in der Kamera gespeichert – so können Sie ihn sich anschließend auf Ihrem PC ansehen.«

»Das ist fantastisch.«

»Ja, aber Sie müssen immer zur Kamera und die Speicherkarte entnehmen, um zu sehen, ob es neue Aufnahmen gibt. Andernfalls müssten Sie sich für dieses etwas teurere Modell entscheiden, das informiert Sie mittels SMS, wenn neue Bilder aufgenommen werden. Jedes Mal. Und dann gibt es noch das Spitzenmodell hier. Das hat auch eine Speicherkarte, sendet aber die Aufnahmen parallel an Ihr Handy oder Ihre Mailadresse. Dann können Sie zu Hause im Wohnzimmer alles live verfolgen. Sie müssen dann nur noch ab und zu die Batterien in der Kamera wechseln.«

»Und was, wenn der Bär nachts kommt?«

»Die Kameras verfügen über ein Black LED-Light, manche auch über ein White LED-Light. Dieses Licht ist für die Tiere nicht sichtbar, sodass sie nicht verscheucht werden.«

Licht. Natürlich, das war es. Der Alte verstand es jetzt. Irgendwo von rechts näherte sich ein Lichtkegel, der sich durch das grüne Wasser bohrte und auf das Kleid fiel. Schaudernd dachte er für einen Moment an ein junges Mädchen, das endlich zum Leben erweckt wurde und vor Freude tanzte.

»Das ist ja die reinste Science Fiction!«

Der alte Mann öffnete den Mund, als er das Raumschiff ins Bild gleiten sah. Es war von innen beleuchtet und schwebte etwa anderthalb Meter über dem Grund. Die Strömung trieb es gegen einen Stein und wie in Zeitlupe drehte es sich um die eigene Achse. Das Licht der Scheinwerfer streifte über den Kies und blendete den Alten für einen Moment. Schließlich blieb das schwebende Fahrzeug an einem dicken Ast der Kiefer hängen. Der Alte spürte sein Herz klopfen. Es war ein Auto. Drinnen brannte noch Licht, obwohl der Innenraum fast bis zur Decke mit Wasser gefüllt war. Und dann sah er, dass sich in dem Auto eine Person befand, die halb auf dem Fahrersitz aufgerichtet verzweifelt den Kopf an das Dach presste, wohl um Luft zu bekommen. Dann brach einer der morschen Äste, die das Auto gestoppt hatten, und trieb mit der Strömung ab.

»Die Bilder sind natürlich nicht so scharf wie bei Tageslicht, und die Aufnahmen sind auch nur in Schwarz-Weiß. Aber wenn kein Tau oder anderer Dreck auf der Linse ist, werden Sie den Bären schon...

Erscheint lt. Verlag 27.8.2019
Reihe/Serie Ein Harry-Hole-Krimi
Übersetzer Günther Frauenlob
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2019 • Afghanistan • Award • Band 12 • der neue Harry Hole • Detektiv • Durst • Ermittler • ISAF • knife • Koma • Kommissar • Krimi • Kriminalroman • Macbeth • Messer • Michael Fassbender • Militär • Nesbo • Nesbö • neuer Harry Hole • Norwegen • Norwegenkrimi • Polizeiroman • Preis • PTBS • raffiniert • Riverton • Rivertonprisen • Schneemann • schwarzes Cover • Serie • Serienmörder • Serientäter • Serienvergewaltiger • Skandinavienkrimi • snowman • Soldaten • Sondereinheiten • spannend • Suspense • Taliban • thirst • Thriller • Trauer • UN • Wildkameras
ISBN-10 3-8437-2007-X / 384372007X
ISBN-13 978-3-8437-2007-6 / 9783843720076
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