Insel der tausend Sterne (eBook)

Roman - Eine Reise ins geheimnisvolle Afrika
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2020 | 1. Auflage
704 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-25908-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Insel der tausend Sterne -  Anne Jacobs,  Leah Bach
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Zwischen wilder Savanne und exotischen Trauminseln verbirgt sich das Geheimnis um ihre wahre Herkunft ...
Berlin, 1913. Im Nachlass ihrer Mutter entdeckt die junge Paula von Dahlen ein vergilbtes Foto aus Deutsch-Ostafrika. Ist der Mann auf dem Bild ihr Vater, den sie nie kennengelernt hat? Mutig reist Paula bis nach Tanga, wo sie den jungen Journalisten Tom Naumann trifft. Mit seiner Hilfe begibt sie sich auf die Spur des Fotos - die sie bis zum Kilimandscharo und auf die Insel Sansibar führt. Doch in Europa bricht der Krieg aus, und während Tom an die Front zieht, ist Paula in der Wildnis auf sich allein gestellt ...

Anne Jacobs veröffentlichte unter anderem Namen bereits historische Romane und exotische Sagas. Mit »Die Tuchvilla« gestaltete sie ein Familienschicksal vor dem Hintergrund der jüngeren deutschen Geschichte und stürmte damit die Bestsellerliste. Nach ihrer ebenfalls sehr erfolgreichen Trilogie um »Das Gutshaus«, die von einem alten herrschaftlichen Gutshof in Mecklenburg-Vorpommern und vom Schicksal seiner Bewohner in bewegten Zeiten erzählt, legt Anne Jacobs nun den fünften Band der »Tuchvilla«-Saga vor.

1

Sie hätte doch die Trambahn nehmen sollen. Paula verwünschte ihren Geiz und stemmte sich frierend gegen den eisigen Februarwind, der heute sogar feine Schneeflöckchen mit sich trug. Es war kurz nach sieben Uhr und noch dunkel, in den diffusen Lichtkegeln der Straßenlaternen sah man grau und schwarz gekleidete Gestalten, die auf der Köpenicker Straße voranstrebten, Arbeiter, Marktfrauen, Hausangestellte, hie und da auch ein »besserer Herr« im wehenden Mantel, den Hut mit der Hand festhaltend. Alle hatten die Köpfe gesenkt und die Schultern wegen des kalten Windes zusammengezogen.

Pferdefuhrwerke rasselten neben ihr über das Kopfsteinpflaster, ein Automobil fuhr gummibereift vorüber, dann der erleuchtete Wagen der Trambahn. Paula blinzelte zu den dicht gedrängt stehenden Passagieren. Es war nicht gerade gemütlich dort drinnen, auch roch es fürchterlich, von anderen Belästigungen einmal ganz abgesehen. Aber es war warm und trocken. Nur um zehn Pfennige zu sparen, würde sie nun mit klammen Gliedern und feuchtem Rock im Kolonialministerium ankommen, von den nassen Schuhen und dem ruinierten Hut gar nicht zu reden. Sie konnte von Glück sagen, dass ihr Vorgesetzter, Ministerialdirektor Diederich, solch ein gutmütiger Mensch war, denn als Sekretärin in einem kaiserlichen Ministerium musste sie Wert auf ein gepflegtes Äußeres legen. Hübsch, aber nicht herausfordernd, damenhaft, aber nicht über ihren Verhältnissen, modern, aber um Himmels willen kein Hosenrock oder gar eines dieser »Reformkleider«, unter denen man kein Korsett trug.

Auf der Wallstraße wich sie geschickt einem Schwall schmutzigen Wassers aus, den eine Hausangestellte aus einem Blecheimer in den Gulli kippte. Das Schelten besorgten andere für sie, es klang deftig hier in Berlin, ganz anders als in ihrer Heimat an der Müritz, wo man eher maulfaul und gemächlich war.

»Haste keene Oogen im Kopp?«

Das Hausmädchen ließ sich nicht einschüchtern und gab die Schimpfworte mit Zins und Zinseszins zurück, ihre laute, energische Stimme mischte sich noch eine Weile mit dem Lärm der vorüberratternden Fahrzeuge, bis sie schließlich vom Geschrei eines Zeitungsjungen überdeckt wurde. Paula spürte, wie ihr jetzt endlich vom raschen Gehen warm wurde, nur Hände und Gesicht waren eisig, und leider begann die Feuchtigkeit an Brust und Schultern durch den Mantelstoff zu dringen. Sie legte noch einen Schritt zu, schon weil die Gegend hier bei der Rossbrücke so schäbig war und man immer wieder zusammengekauerte Gestalten in den Hauseingängen erkennen konnte. Das waren Obdachlose, arme Schweine, die keine Arbeit und kein Dach über dem Kopf hatten, Säufer und Krüppel oder Kranke, um die sich keiner kümmerte. Auch in ihrer Heimat an der Müritz hatte es Arme und Kranke gegeben, aber in den Dörfern wurde immerhin für sie gesorgt. Hier in der großen Stadt Berlin – so hatte ihre Mitbewohnerin Magda behauptet – würden viele von ihnen auf der Straße »verrecken«. Paula hatte einmal mit Dr. Falk darüber gesprochen, doch der hatte ihr versichert, dass es für diese Leute Nachtasyle und Suppenküchen gäbe – der Kaiser sorge für alle, die unverschuldet in Not gerieten.

Sie fürchtete sich vor den jämmerlichen Gestalten. Im Sommer war ein betrunkener Kerl in Lumpen zwischen die eilig dahinströmende Menge geraten und direkt vor ihr ins Straucheln gekommen. Er hatte sich im Fallen an ihrem Rock festgeklammert und sie fast mit sich zu Boden gerissen, es war ganz entsetzlich peinlich gewesen. Vor allem die Bemerkungen und das Gelächter der Passanten hatten ihr das Blut ins Gesicht getrieben – oh Gott, man hatte ja glauben können, sie sei mit diesem Menschen bekannt oder gar noch Schlimmeres. Eine Weile hatte sie gefürchtet, der Vorfall könne im Reichskolonialamt bekannt werden und man würde sie wegen »schlechten Umgangs« entlassen. Nächtelang hatte sie nicht mehr schlafen können, hatte sich die schlimmsten Szenarien ausgemalt, Argumente zurechtgelegt, die sie entlasten konnten, auch überlegt, wer aus ihrer Bekanntschaft für sie bürgen und ihre Unbescholtenheit bezeugen würde. Da waren ihr nur Frau von Meerten, ihre Vermieterin, und Magda Grünlich, ihre Mitbewohnerin, eingefallen. Höchstens noch Tante Alice in Hamburg, doch die durfte nur im äußersten Notfall von dieser unglückseligen Geschichte erfahren, schließlich war sie es gewesen, die ihre Nichte Paula von Dahlen über Umwege an Staatssekretär Solf empfohlen hatte. Zum Glück hatten sich ihre Befürchtungen als grundlos erwiesen, niemand hatte sie je auf diesen Vorfall angesprochen, nicht einmal ihre Kollegin Gertrud, die jede sich bietende Gelegenheit wahrnahm, Paula auf die Schippe zu nehmen.

Die Lichtkegel der Straßenlaternen verloren in der trüben Morgendämmerung nach und nach ihre scharfen Konturen, die kleinen Schneeflocken, die der Wind von Westen herbeiwehte, begannen zu tauen und wurden zu Regentröpfchen. Auf dem Spittelmarkt war ein Automobil liegengeblieben, ein Schwarm halbwüchsiger Bengel, die eigentlich in die Schule gehörten, stand um das Fahrzeug herum, während der Chauffeur unter der aufgeklappten Motorhaube hantierte. Einige der Gaffer feixten und lachten, die meisten aber starrten fasziniert auf die entblößte Mechanik. Paula konnte die Neugier der jungen Burschen verstehen, sie hätte selbst nur allzu gern gewusst, was sich unter dem Blech der Motorhaube abspielte, welche Kräfte es brauchte, um einen Wagen ohne Zugtier oder Elektrizität in Bewegung zu setzen. Aber natürlich war das eine Angelegenheit für Männer. Fragte man einen von ihnen – gleich, ob es ihre beiden Brüder Wilhelm und Friedrich waren oder einer der Herren aus dem Ministerium –, so erhielt man ausführliche Erklärungen, die seltsamerweise ganz unterschiedlich ausfielen und Paula dem Geheimnis bisher keinen Schritt nähergebracht hatten. Das mochte daran liegen, dass ihr als Frau das rechte technische Verständnis fehlte, genauso gut konnte es aber auch sein, dass einige Männer nur vorgaben, die Funktionsweise eines Automobils zu kennen, während sie in Wirklichkeit keine Ahnung hatten. Bei ihrem Bruder Wilhelm war sie sich dessen sogar ganz sicher.

Jetzt hatte sie die üble Gegend am Kanal endlich hinter sich gelassen. Am Krankenhaus vorbei ging es die Leipziger Straße hoch, und ganz oben, dort, wo jetzt gerade eine Trambahn hielt und die Fahrgäste ausstiegen, musste sie rechts in die Wilhelmstraße einbiegen. Es war noch ein ordentliches Stück zu laufen, aber das machte ihr nicht viel aus, denn sie war früher auf dem heimatlichen Gut oft zu Fuß unterwegs gewesen. Unangenehm war in der Stadt nur das »Pflastertreten«, das die Füße viel mehr ermüdete als der weiche Grund von Wiesen und Waldwegen. Sie war schon eine rechte »Landpomeranze«, wie Gertrud immer witzelte, doch sie konnte nicht einsehen, dass es etwas Lächerliches sein sollte, von einem einsam gelegenen Gutshof in Mecklenburg zu stammen. Gewiss hatte sie über das wuselnde, brodelnde Leben in Berlin gestaunt, als sie vor eineinhalb Jahren hierherkam, die großartigen Gebäude, die Schlösser, Museen und Monumente hatten sie beeindruckt, das Angebot in den Läden und Kaufhäusern fast erschlagen. Als sie eines Sonntags mit ihrer Zimmernachbarin Magda Unter den Linden spazieren ging, war der Kaiser persönlich an ihnen vorübergeritten, gefolgt von einigen Herren und zwei Damen im Reitkleid. Sie hatte die Gesichtszüge des Kaisers erkannt, den feschen Schnurrbart, den herrischen Blick seiner hellen Augen. An diesem Tag hatte Paula sich für den glücklichsten Menschen unter der Sonne gehalten. Vergessen waren die ersten schwierigen Wochen, als der fremde Lärm und die Unruhe ihr den Schlaf raubten und sie mit dunklen Ringen unter den Augen zur Arbeit erschien. Damals hatte die boshafte Gertrud sie gefragt, ob ihr Liebhaber denn gar so aufregend sei, dass sie keine Nacht auslassen könne, und Paula hatte vor lauter Empörung keine andere Antwort gewusst, als sich schweigend abzuwenden. Es ärgerte sie heute noch, hätte sie doch nun eine ganze Reihe zackiger Gegenreden parat. Aber leider war die Gelegenheit vertan.

Um diese Zeit – es musste auf acht Uhr zugehen – herrschte auf der Leipziger Straße ein dichtes, lärmendes Gewirr aus Fahrzeugen und Fußgängern. Pferdebusse, Automobile und Kutschen drängten sich aneinander vorbei, jeder hupte so laut wie möglich, nur die Trambahn machte mit schrillem Klingeln auf sich aufmerksam. Paula war inzwischen mit ihrer Entscheidung, zu Fuß zu laufen, wieder zufrieden, denn die Fahrgäste der Trambahn mussten an der Haltestelle durch eine breite Pfütze waten – sie hätte sich so oder so nasse Füße eingehandelt. Zehn Pfennige waren zwar nicht besonders viel, aber Paula knauserte, wo sie nur konnte, um wenigstens etwas Geld nach Hause zu schicken. Die Brüder kosteten nur, und seit der Vater tot war, wuchsen der Mutter die Schulden über den Kopf. Paula war stolz darauf, die Einzige in der Familie zu sein, die Geld verdiente, auch wenn das von niemandem besonders geschätzt wurde.

Im fahlen Morgenlicht sahen die Bauten der Ministerien in der Wilhelmstraße grau und eintönig aus, Fenster reihte sich an Fenster, hie und da ein neoklassisches Portal, dann der mit zwei Säulen geschmückte Eingang zum Auswärtigen Amt auf der linken Seite. Das Reichskolonialamt befand sich auf der rechten Seite gleich neben dem Staatsministerium, ein dreistöckiger Bau mit einem Mittelerker, der die...

Erscheint lt. Verlag 4.2.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 20. Jahrhundert • Afrika • Anne Jacobs • Deutschland • Die Tuchvilla • eBooks • Familiengeheimnis • Familiensaga • Foto • Frauenromane • Große Gefühle • Historische Liebesromane • historischer Liebesroman mit exotischem Setting • Historische Romane • Historischer Roman • Kenia • Kilimandscharo • kleine geschenke für frauen • Kolonialzeit • Liebesromane • Liebe und Landschaft • Neuausgabe • Sansibar • Savanne • Suche nach Identität • Tansania
ISBN-10 3-641-25908-8 / 3641259088
ISBN-13 978-3-641-25908-2 / 9783641259082
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