Riviera - Der Traum vom Meer (eBook)

Roman

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
464 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-24497-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Riviera - Der Traum vom Meer -  Julia Kröhn
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Die Farben des Südens, kristallklares Wasser und ein Sommer in San Remo, der zwei junge Frauen für immer zusammenschweißt ...
Frankfurt 1922: Als Salome zum ersten Mal vom Meer hört, hat sie sofort wunderschöne Bilder von funkelnden Weiten vor Augen. Ihr Traum, einmal selbst im Meer zu schwimmen, wird wahr, als ihr Vater, der Besitzer eines Reisebureaus, den Tourismus im sonnigen Italien ausbauen will - und zwar nirgendwo sonst als in San Remo an der malerischen Riviera. Um dort Fuß zu fassen, kooperiert er mit dem Hotelier Renzo Barbera. Und nicht nur beruflich sind die Familien bald eng verbunden, denn Salome schließt Freundschaft mit Renzos Tochter Ornella. Doch dann wirft der erstarkende Faschismus erste Schatten auf das Paradies und erschwert weitere Reisen. Die Ereignisse überschlagen sich, als sich Ornella in den Sohn eines französischen Unternehmers verliebt, dem auch Salome näher kommt ...

Die große Leidenschaft von Julia Kröhn ist nicht nur das Erzählen von Geschichten, sondern auch die Beschäftigung mit Geschichte: Die studierte Historikerin veröffentlichte - teils unter Pseudonym - bereits zahlreiche Romane, die sich weltweit über eine Million Mal verkauft haben. Ihr größter Erfolg hierzulande war »Das Modehaus«, ein Top-20-SPIEGEL-Bestseller; zuletzt widmete sich Julia Kröhn ihrem Herzensthema: den Büchern. In ihrer Dilogie »Die Buchhändlerinnen von Frankfurt« erzählt sie die Geschichte einer Verlagsbuchhandlung aus der Perspektive zweier Schwestern, von der Nachkriegszeit bis zur Studentenrevolte. In ihrem neuen Roman »Papierkinder« errichtet sie den historischen Kinderrechtlerinnen Emma Döltz, Clara Grunwald und Eglantyne Jebb ein fiktionales Denkmal in Form eines mitreißenden Romans.

Zweites Kapitel

Zum Zeitpunkt von Tilda Sommers Tod war Arthur achtunddreißig Jahre alt und hatte schon viele Reisen gemacht. Mit einer Karawane war er von Kairo über Assuan nach Khartoum gezogen und von dort zu den Quellgebieten des Nils. Er war auf einem Dromedar geritten, und als seine Karawane in einen Sandsturm geriet und sich verirrte, hatte er das Dromedar geschlachtet und einen Höcker aufgeschnitten, um das Wasser, das darin gespeichert war, zu trinken. Zumindest lautete so eine Variante der Geschichte. In einer anderen war das Dromedar von einem Krokodil im Nildelta angefallen worden. In einer wieder anderen Geschichte hatte er selbst ein solches Krokodil auf einer Jagdreise durch Uganda erschossen. Es blieb nicht seine einzige Beute, er hatte obendrein zwei Flusspferde erlegt, die zwar deutlich harmloser ausgesehen hatten, aber gleichwohl gefährliche Tiere waren.

Am allergefährlichsten war jedoch seine Reise durch Abessinien gewesen, einem gänzlich unerschlossenen Land, in dem es keine Straßen gab, nur schmale Pfade für die Elefanten. Um auf einem Elefanten zu reiten, musste man ihn natürlich erst einmal ersteigen, ohne von seinen Stoßzähnen aufgespießt zu werden. Diese Stoßzähne waren mindestens so spitz wie der Dolch, mit dem Arthur den Höcker des Dromedars aufgeschnitten hatte. Oder wie der Zahn eines Dinosauriers, der im kürzlich eröffneten Senckenberg-Museum in Frankfurt zu sehen war.

Nun gut, das Senckenberg-Museum hatte Arthur Sommer wirklich besucht, die Reisen nach Ägypten und Uganda und Abessinien hatte er nur im Kopf unternommen. Leider. Er wollte so gern reisen, aber sein Vater hatte eine andere Vorstellung davon gehabt, wie man eine Reiseagentur am besten leitete, und ihm lediglich beigebracht, mit welcher Art von Reisen sich das meiste Geld verdienen ließ.

Die Reiseagentur Sommer trug erst seit der Jahrhundertwende diesen Namen. Ursprünglich war sie ein Gasthof Sommer gewesen, in dem Auswanderer nächtigten, wenn sie vom Süden Deutschlands zu den Häfen im Norden reisten. Später war aus dem Gasthof eine Auswanderungsagentur geworden, die den Gästen nicht nur ein Bett, das sie sich mit drei Mitschläfern teilen mussten, und ein wenig Proviant, bestehend aus einem Hartkäse, der selbst die lange Fahrt nach Amerika mühelos überstand, anbot, sondern ebenso die Tickets für die Fahrt nach Übersee. Damit hatte Arthurs Großvater irgendwann so viel Geld verdient, dass er die breiten Betten aus den Räumen hatte schaffen und lange genug hatte lüften lassen, bis der Geruch nach Käse, auch nach verschwitzter Kleidung und vor allem Armut, verzogen war. Er hatte ein Bureau eingerichtet, das keinem andren Zweck mehr diente, als Fahrkarten zu verkaufen. Und als es Mode geworden war, dass nicht nur verschwitzte Leute vor der Armut in eine bessere Zukunft fliehen wollten, sondern auch nobel gekleidete Menschen ferne Länder bereisen, war aus der Auswanderungsagentur eine Reiseagentur geworden. »Und zwar die älteste Reiseagentur«, pflegte Arthur Sommer senior stolz zu sagen.

Er verschwieg, dass es, wenn überhaupt, nur die älteste in Frankfurt war. Rominger in Stuttgart gab es schon viel länger, und lange vor diesem hatte in Berlin bereits Carl Stangen Gesellschaftsreisen angeboten.

Mittlerweile zog es jedenfalls viele Menschen in die Ferne, und mittlerweile war die Arbeit der Agentur nicht mehr nur auf das Ausstellen von Fahrscheinen beschränkt. Das nahm zwar viel Zeit in Anspruch, waren doch lediglich für die gängigen Strecken die Tickets vorgedruckt, alle anderen hatte man handschriftlich auszufüllen. Aber es gab noch vieles andere zu erledigen – mithilfe von Hotel-Coupons Übernachtungen zu verkaufen, persönliche Reiseführer zu verfassen oder Listen mit Trinkgeldern, die man in anderen Ländern vergab, zu erstellen.

Während Arthur über dieser Arbeit saß, unternahm er im Kopf weitere Reisen. Er schlug sich durch das ewige Eis und fischte mit den Eskimos in Alaska und an der grönländischen Küste, wobei er nicht sicher war, ob Eskimos weiße Gesichter hatten, weil sie im Schnee lebten, oder schwarze, weil sie schließlich rückständige Wilde waren. Zweifellos schwarz waren die Indianer, die nur mit Lendenschurz bekleidet den Amazonas entlang zum Fuß der Anden ruderten. Ob er in ihrer Gesellschaft auch nur einen Lendenschurz oder lieber einen Leinenanzug tragen würde, wusste er nicht so genau, ganz sicher unternähme er keine Reise ohne seinen Tropenhut.

Die Anden waren in Arthurs Fantasien noch nicht erreicht, als im wirklichen Leben – im Jahr 1909 nämlich – der Vater starb. Arthur ließ über dem Eingangsbereich einen Trauerflor anbringen und das Schild darunter austauschen. Fortan hieß die Reiseagentur Reisebureau, weil das Arthurs Meinung nach weltmännischer klang. Er begnügte sich nicht mit dieser Veränderung. Wochenlang brütete er über einer Route für die Weltreise, die er künftig anbieten würde. Es bedurfte zwar viel Planung und Organisation, aber unmöglich war es nicht, alles bis ins letzte Detail vorzubereiten. Schließlich ließen sich für sämtliche Dampfer- und Eisenbahnverbindungen der Welt Fahrkarten zwei Jahre im Voraus buchen. Und wer das einmal gemacht hatte, wusste, dass das Ausstellen eines Tickets von Panama nach San Francisco oder von Borneo nach Neu-Guinea keine größeren Umstände machte als das einer Fahrt von Hamburg nach Helgoland.

Als er die Reiseroute zusammengestellt hatte, fragte Herr Theodor: »Wäre es nicht angängig, dass sich Ihre honette Frau Mutter davon nicht nur frappiert, gar affrontiert fühlt?«

Herr Theodor war ein Mitarbeiter des Reisebureaus, der eine überaus schöne Handschrift hatte, sich nie verrechnete, aber anders als Arthur rein gar nichts von der Welt wusste. Seine Sprache hatte die Färbung des letzten Jahrhunderts, und er zog das Schreibpult dem neumodischeren Tisch vor. Steif wie ein Stock, wie er war, war das gerade Stehen wohl die einzige Haltung, die seinem Charakter entsprach. Wahrscheinlich, dachte Arthur manchmal gönnerhaft, würde er die Fische der Eskimos mit Messer und Gabel essen, nicht einfach mit der Hand, und den ersten Bissen erst in den Mund nehmen, nachdem er »Wünsche wohl zu speisen« gemurmelt hätte.

Nun, er wusste es besser. Herr Theodor wiederum kannte Arthurs Mutter besser.

Kurz darauf kam Tilda ins Reisebureau, wischte sich über die Augen, als sie den Trauerflor sah, schüttelte den Kopf, als sie auf dem Schild Reisebureau statt Agentur las, und ließ sich von Arthur seine Pläne zeigen. Er war noch nicht aus Europa herausgekommen, als sie ihm bereits ins Wort fiel.

»Was ist denn das für ein Unsinn?«

Arthur zog die Schultern hoch. »Ich will nicht in Frankfurt hocken und versauern. Ich will die große, weite Welt sehen! Ich will in die Fremde!«

»Ich erzähle dir was über diese Fremde«, gab Tilda Sommer ungerührt zurück. »Dein Vater hat sich einst eingebildet, auf Gesellschaftsreise nach Ägypten zu gehen, und weil ich auf ihn aufpassen musste, habe ich ihn begleitet. Ich habe mich auf das Schlimmste gefasst gemacht, als das Schiff in Alexandria einlief, aber erstaunlicherweise machte die Stadt einen recht vernünftigen Eindruck. Ich meine, die Menschlein, die da herumlaufen, haben zwar allesamt schwarze Gesichter, aber als ich eines herbeiwinkte und es fragte: ›Du da, kleiner Mufti, kannst du unsere Sachen tragen?‹, ja, weißt du, was dieses Ding da zu mir sagte? ›Sehr wohl, Madame!‹«

Ihre Stimme hatte an Schärfe gewonnen, die sich Arthur nicht erklären konnte. »Hat euch das Menschlein etwa eure Koffer geklaut, anstatt sie ins Hotel Khedivial zu bringen?«, fragte er.

Mit der Erwähnung des Hotelnamens wollte er der Mutter beweisen, wie viel auch er von Alexandria wusste, doch die achtete nicht auf solche Details, schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte sie, »die Koffer sind unbeschädigt angekommen. Aber dass dieses schwarze Ding fehlerfreies Deutsch gesprochen hat, war doch die Höhe! Gut, dass ich mich an der Strickleiter festgehalten habe, ich wäre vor Schreck ins Wasser gefallen. Man will doch in die Länder reisen, um die Wilden zu beobachten. Aber der einzige Wilde war ein Herr aus unserer Reisegruppe, der mit seinem Spazierstock ständig auf ägyptische Händler einschlug. Zugegeben, die Skarabäen und die mumifizierten Finger, die sie uns andrehen wollten, waren nicht echt. Aber Betrüger findet man auch hier. Wie viele Händler der städtischen Markthalle wollen dir einreden, dass ihr plumper Sauermilchkäse ›Fromaasch de Brie‹ ist? Um übers Ohr gehauen zu werden, musst du keine weite Reise machen. Man hat uns übrigens nicht einmal zugemutet, auf Eseln zu reiten. Und im Hotel gab es warmes Wasser und eine Badewanne.«

Die Verärgerung über diesen Umstand konnte Arthur nun doch etwas nachvollziehen. Dass ein ägyptisches Hotel mehr Komfort versprach als die eigene Wohnung, war gewiss eine Kränkung. Er rang dennoch um Widerworte, wollte einwenden, dass für die restliche Welt nicht gelten musste, was für Ägypten galt. Doch da schob seine Mutter die Reisepläne schon zur Seite.

»Dein Vater hat kurz vor seinem Tod gesagt, es komme gerade in Mode, innerhalb von Deutschland zu verreisen. Die Leute haben schließlich nicht viel Geld, aber für eine kurze Sommerfrische oder eintägige Ausflüge reicht es. Du wirst künftig Rundgänge durch Frankfurt anbieten, wozu der Besuch des Doms ebenso gehört wie der einer Apfelweinwirtschaft in Sachsenhausen. Und du wirst Ausflüge in den Taunus anbieten, nach Kronberg und Königstein und all den anderen Burgen. Selbstverständlich wirst du selbst die Führung übernehmen, für die Omnibusfahrscheine sorgen und Gasthöfe für Übernachtungen...

Erscheint lt. Verlag 1.4.2020
Reihe/Serie Die Riviera-Saga
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Badetourismus • Carmen Korn • Charlotte Roth • Dreißigerjahre • eBooks • Familiensaga • Familienunternehmen • Frankfurt • Frankreich • Frauenromane • Frauensaga • Große Liebesgeschichte • Italien • Liebesromane • Provence • Riviera • Saint-Tropez • San Remo • Spiegel-Bestseller-Autorin • Zwanzigerjahre
ISBN-10 3-641-24497-8 / 3641244978
ISBN-13 978-3-641-24497-2 / 9783641244972
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