Die zwei Leben des Ludwig van Beethoven (eBook)

Biographie
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2020 | 1. Auflage
528 Seiten
Blessing (Verlag)
978-3-641-22988-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die zwei Leben des Ludwig van Beethoven -  Ulrich Drüner
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'Beethoven ist nicht der Kunst-Heros, der niemanden braucht und alles ganz allein aus sich heraus zu schaffen vermag, wie man dies seit fast zweihundert Jahren so gern dargestellt hat. Vielmehr bedurfte er immer der anderen.'

Ulrich Drüner, langjähriger Orchestermusiker und Musikantiquar, erzählt das Leben Ludwig van Beethovens aus einer ganz neuen Perspektive. Dass Beethoven sich nach der Erkrankung des Gehörsinns als Künstler aus der Krise heraus neu entfalten konnte, verdankt er zu großen Teilen seiner 'unsterblichen Geliebten' und der bisher unterschätzten tiefen Freundschaft mit dem österreichischen Erzherzog Rudolph. Beide verhalfen dem Komponisten zu einem zweiten Leben.

Das Leid seiner späten Jahre rührt, wie Ulrich Drüner ausführt, nicht nur von der fortschreitenden Vereinsamung, sondern auch aus dem Umstand, dass Beethoven davon überzeugt war, mit der 'unsterblichen Geliebten' ein Kind gezeugt zu haben. Sehen durfte er dieses Kind nie. Ludwig van Beethovens einst fortschrittliche Einstellung gegenüber Frauen erfuhr dadurch eine folgenreiche Wandlung. Nicht nur deswegen weicht in dieser Biografie der Mythos vom unbeugsamen Republikaner einer differenzierteren Darstellung.



Ulrich Drüner, 1943 in Frankreich geboren, hat Musik und Musikwissenschaft studiert und über Richard Wagner promoviert. Er war Bratschist im Stuttgarter Kammerorchester und im Orchester der Staatsoper Stuttgart. 1983 gründete er ein Musikantiquariat und arbeitete bei Rundfunk- und Fernsehproduktionen über große Komponisten mit. 2006 veröffentlichte er das Buch 'Mozarts Große Reise. Sein Durchbruch zum Genie 1777-1779'. Seine Biografie 'Richard Wagner. Die Inszenierung eines Lebens' (Blessing 2016) wurde von der Kritik als Meilenstein der Literatur über diesen Komponisten gefeiert. Ulrich Drüner lebt in Stuttgart.

1

Die ersten siebzehn Jahre

Bonn und die erste Reise nach Wien

Die ersten Jahre (1770–1784) – Die Eltern

Im Gegensatz zu Bach und Mozart gehört Beethoven nicht zu den Komponisten, für deren Gesamtleben das familiäre Umfeld allesentscheidend gewesen wäre. Sein emotionales Band zu den Eltern ist wenig dokumentiert; das zu tun lag nicht in seinem Wesen. Vielleicht wäre Beethoven in einer anderen Umgebung auch Beethoven geworden, mit denselben Genen, die in diesem speziellen Fall wohl doch entscheidender sind. Beethovens Jugend war alles andere als leicht, umfasste aber trotzdem auch Spaß und Ulk mit den Brüdern und Nachbarskindern. Es gab Perioden der Zufriedenheit und relativen Glücks, die, im Verhältnis zu den späteren Klüften und Abgründen seines Wesens, eine anfänglich relativ ausgewogene Persönlichkeit heranwachsen ließen – soweit ein Wort wie »ausgewogen« für einen Hochkreativen und allzu oft Kranken wie Beethoven überhaupt angebracht ist.

Beethovens Vater Jean (Johann, 1740–1792) wurde früher, wie beispielsweise von dem amerikanischen Biografen Maynard Solomon, lediglich als Versager und Trunkenbold dargestellt. Dieses Bild hat sich in der letzten Zeit deutlich aufgehellt, seine ersten Jahrzehnte sieht man heute positiver, wie dies bei Jan Caeyers zu spüren ist. Bereits mit zwölf Jahren wurde Jean als Sopranist in die kurfürstliche Kapelle aufgenommen, war aber von seinem Vater Louis van Beethoven (1712–1773, selber Name wie der Enkel!) außer im Gesang auch im Violin- und Klavierspiel ausgebildet worden. Im Jahr 1756 avancierte er zum Hofmusikus mit einem Gehalt von hundert Gulden, das nach und nach erhöht wurde, da er »sein Ammt pünklich« erfüllte, wie sein Bonner Hausherr, der Bäcker Gottfried Fischer, später erzählte. Außerdem gab er »den hießige Engelische und Franzößische und Kaiserliche Gesandter ihre Söhne oder Töchter und im Aedelsstannt den Herrn und Töchter, auch schöne Bürger lehrstund auf dem Klavier und im Singen«.24 Er hatte »oft mehr zu thuen, alls er thuen konnte, er erhielt auch oft noch neben Presännter [Geschenke], die ihm vielle gewogen ware. Dadurch seine Haußhaltung gut bestehen konnte.« 1767 hatte er Maria Magdalena Leym (1746–1787) geheiratet, und sie bekamen sieben Kinder, von denen Ludwig (nach einem 1769 im Alter von wenigen Tagen verstorbenen Bruder) das älteste war. Es folgten Kaspar Anton Karl (1774–1815), Nikolaus Johann (1776–1848) sowie drei weitere Geschwister, die im frühen Kindesalter verstarben.

Die Mutter Maria Magdalena war eine arbeitsame Frau. Eigentlich dirigierte sie den Hausstand und genoss einen guten Ruf: »Madam v: Beethoven war eine geschickte Frau« – so wieder der Bäcker Fischer –, »sie konnte für Hohe und Niedrige sehr fein, geschickt, bescheiten red und antwort geben, deßwegen wurte sie auch sehr geliebt und geacht […]« (Fischer, S. 41) Den Kindern konnte sie angesichts ihrer zahlreichen Aufgaben keine allzu intensive Fürsorge zukommen lassen; vielleicht ist dies auch der Grund dafür, dass Ludwig später des Öfteren Phasen durchlebte, in denen er sein Äußeres vernachlässigte. Sie soll »eine rechtschaffene friedliche Ehe« geführt haben, scheint darin aber mehr Last als Erfüllung gefunden zu haben. Sie habe kaum gelacht und ihre Pflichten eher pragmatisch, doch mit bemerkenswertem Geschick erfüllt. Bildung war für beide Eltern kein Selbstzweck, und in diesem Sinne war die Kindererziehung so angelegt, dass Ludwig über die Grundlagen des Lesens und Schreibens, des Rechnens sowie der lateinischen Sprache und der Religion nie hinausgelangte; erst 1780 lernte er durch Privatunterricht etwas Französisch und Italienisch.

Beethovens Geburtstag ist nicht genau bekannt, man weiß nur, dass er am 17. Dezember 1770 getauft wurde. Die Familie wohnte damals noch in der Bonngasse 20, in dem Gartenhaus, das dem repräsentativen Wohnhaus angebaut worden war. Drei Jahre später verschlechterte sich die familiäre Situtation durch den frühen Tod von Ludwigs Großvater Louis, der dem Sohn Disziplin abgerungen hatte und für Ludwig eine Art Vorbild darstellen sollte. Das Kind erkrankte zudem an Blattern, die auf seiner braun getönten Gesichtshaut kleine Narben hinterließen.

Abb. 7 Beethovens Geburtszimmer im Bonner Beethoven-Haus, mit der Marmorbürste des Komponisten von Wollf-Voß. [Robert Bory, Ludwig van Beethoven. Sein Leben und sein Werk in Bildern. Zürich 1960, S. 37]

Die Musikalität des Knaben fiel früh auf; der Vater hat sie mit Unterricht in Generalbass und Klavierspiel gefördert, allerdings mit übertriebener Strenge bis zu Stockschlägen, wenn ihn die Fortschritte des Sohnes nicht befriedigten. Solche rabiate Erziehungsmethoden waren damals nichts Besonderes. Dennoch gelang es ihm, Ludwig am 26. März 1778 zum ersten Mal beim Hofkonzert in Köln auftreten zu lassen. Bald zog Vater Beethoven andere Musiker für den Unterricht seines Sohnes heran, so auch den Kapellkollegen Franz Rovantini, der dem jungen Ludwig das Violin- und Bratschenspiel beibrachte – er »erhielt Täglich Lehrstunde auf der Fiolin […] auch nachher Täglich Lehrstund auf der Praciste« – wie man damals ›Bratsche‹ schrieb, war dem diese Erinnerungen aufzeichnenden Bäckermeister Fischer offensichtlich nicht bekannt (Fischer, S. 47).

Abb. 8 Das Wohnhaus der Familie Beethoven in der Rheingasse in Bonn [Ludwig Schiedermair, Der junge Beethoven, Leipzig 1925]

Als Beethoven sechs Jahre alt war, zog seine Familie in das stattliche Giebelhaus des Bäckermeisters Gottfried Fischer in der Rheingasse um, wo man mit Unterbrechungen bis 1785 blieb. Als Sechsjähriger erlebte er den großen Schlossbrand in Bonn mit, dieser brach am 15. Januar 1777 aus und währte fünf Tage: Sturmglocken heulten, Fensterscheiben klirrten, eine Pulverkammer flog in die Luft, und der ganze Dachstuhl des riesigen Schlosses stand in Flammen. Selbst der Glockenturm in der Bischofsgasse, vor dem er oft mit dem Großvater gestanden hatte und von dem die Melodie der Ouvertüre von Monsignys Deserteur als Glockenspiel erklang, fing Feuer. Sieben Jahre später erlebte er die große Überschwemmung mit, als der Rhein, nachdem er vier Wochen zugefroren gewesen war, über die Ufer trat und ganz Bonn unter Wasser setzte, sodass im Münster die Kirchenbänke schwammen.

Abb. 9 Authentische Abbildungen von Beethovens Eltern sind nicht überliefert. Deshalb muss der Großvater, der Kurfürstlicher Hofkapellmeister in Bonn war und ebenfalls Ludwig van Beethoven hieß, als ikonografischer Garant der Familie gelten. Holzstich des 19. Jahrhunderts nach einem Porträt von Leopold Radoux. [Ludwig Schiedermair, Der junge Beethoven, Leipzig 1925]

Abb. 10 Ludwig van Beethovens Jugendfreund Stephan von Breuning aus Bonn. Anonyme Lithografie. [Beethoven-Haus Bonn, Sammlung H. C. Bodmer]

CHRISTIAN GOTTLOB NEEFE ALS LEHRER

Ein wichtiger Wandel trat ein, als der elfjährige Beethoven 1782 als zusätzlichen Lehrer Christian Gottlob Neefe (1748–1798) erhielt. Neefe war 1779 als Musikdirektor des Großmannschen Theaterensembles nach Bonn gekommen, das seit 1778 das dortige Hoftheater bespielte. 1781 wurde Neefe zum Hoforganisten berufen, vertretungsweise auch zum Hofkapellmeister. Zu den Aufgaben des Organisten gehörte das Unterrichten des Nachwuchses innerhalb des Bonner Hof- und Musiklebens, sodass es ganz selbstverständlich war, dass man ihm 1782 den jungen Beethoven, seinen künftig berühmtesten Schüler, anvertraute. Neefe hatte sich in Leipzig als erfolgreicher Singspielkomponist einen Namen gemacht und sich dort das Gedankengut der Aufklärung und die Ästhetik des deutschen Klassizismus angeeignet; es ist deshalb naheliegend, dass er Beethoven in eben dieselbe Geistesrichtung lenkte. Der Unterricht orientierte sich an dem damaligen Standardlehrwerk Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen (1753/1762) von Carl Philipp Emanuel Bach, dessen Werke, Klaviertechnik und musikalische Syntax eine prägende Wirkung auf Beethoven ausüben sollten. All das, was seine Zeitgenossen bei ihm als irrational, bizarr und ungewohnt kritisieren werden, kann man auf den Einfluss des Hamburger Bach zurückführen, der vornehmlich über die Vermittlung Neefes bis nach Bonn ausstrahlte. Den Versuch schätzte Beethoven noch Jahrzehnte später wie eine kanonische Offenbarung und erwartete von seinen Schülern, sich danach zu richten.

Neefe behauptete bereits in einem 1783 erschienenen Artikel, in dem ein gewisser Louis van Betthoven als »vielversprechendes Talent« vorgestellt wird, dass dieser »Knabe von 11 Jahren« [!] »größtentheils das wohltemperirte Clavier von Sebastian Bach« spiele und dass derselbe »gewiß ein zweyter Wolfgang Amadeus Mozart werden« könne, »wenn er so fortschritte, wie er angefangen«. Der Artikel, der erste über Beethoven überhaupt, kündigt auch dessen allererstes publiziertes Werk an, die Neun Variationen für Klavier über einen Marsch von Ernst Christoph Dressler, die durch Neefes Vermittlung 1782 (oder Anfang 1783) bei dem Verleger Michael Götz in Mannheim erschienen waren.25 Nur wenige Monate später erschien im Verlag Philipp Heinrich Bossler in Speyer eine wesentlich ambitioniertere Werksammlung, die Drei Sonaten fürs Klavier, die Beethoven seinem Arbeitgeber, »dem Hochwürdigsten Erzbischofe und Kurfürsten zu Köln Maximilian Friedrich meinem...

Erscheint lt. Verlag 27.7.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte Biografie • Biographien • Bonn • Die unsterbliche Geliebte • eBooks • Fidelio • Josephine Brunswik • Komponist • Kunst • Musik • Napoleon • Rudolph, Erzherzog von Österreich • Taubheit • Wien
ISBN-10 3-641-22988-X / 364122988X
ISBN-13 978-3-641-22988-7 / 9783641229887
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