Und am Ende werden wir frei sein (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
688 Seiten
Limes (Verlag)
978-3-641-24703-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Und am Ende werden wir frei sein -  Martha Hall Kelly
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Inspiriert von der Geschichte einer realen Heldin, beleuchtet Martha Hall Kelly den Zweiten Weltkrieg aus einer neuen, weiblichen Perspektive.
1939: Die New Yorkerin Caroline Ferriday liebt ihr Leben. Ihre Stelle im Konsulat erfüllt sie, und ihr Herz schlägt seit Kurzem für den französischen Schauspieler Paul. Doch ihr Glück nimmt ein jähes Ende, als sie die Nachricht erreicht, dass Hitlers Armee über Europa hinwegfegt und Paul aus Angst um seine Familie nach Europa reist - mitten in die Gefahr. Auch das Leben der jungen Polin Kasia ändert sich mit einem Schlag, als deutsche Truppen in ihr Dorf einmarschieren und sie in den Widerstandskampf hineingerät. Doch in der angespannten politischen Lage kann ein falscher Schritt für sie und ihre Familie schreckliche Folgen haben. Währenddessen würde die Düsseldorferin Herta alles tun für ihren sehnlichsten Wunsch, als Ärztin zu praktizieren. Als sie ein Angebot für eine Anstellung erhält, zögert sie deshalb keinen Augenblick. Noch ahnen die drei Frauen nicht, dass sich ihre Wege an einem der dunkelsten Orte der Welt kreuzen werden und sie bald für alles kämpfen müssen, was ihnen lieb und teuer ist ...

Martha Hall Kelly ist ausgebildete Journalistin und war lange Zeit als Werbetexterin tätig, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Ihr Debüt »Und am Ende werden wir frei sein« eroberte die internationalen Bestsellerlisten und wurde allein in den USA über eine Million Mal verkauft. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Connecticut und auf Martha's Vineyard.

Kapitel 1

CAROLINE

September 1939

Wenn ich gewusst hätte, dass ich gleich den Mann kennenlernen sollte, unter dessen Einfluss ich zerbrechen würde wie Knochenporzellan auf Terrakotta, wäre ich zu Hause geblieben. Stattdessen holte ich unseren Floristen Mr. Sitwell aus dem Bett, damit er mir ein Sträußchen fürs Knopfloch anfertigte. Meine erste Konsulatsgala war nicht der richtige Zeitpunkt, um das Protokoll mit Füßen zu treten.

Ich reihte mich in die Flut der vielen Ungewaschenen ein, die die Fifth Avenue entlangströmten. Männer in grauen Filzhüten drängten sich an mir vorbei. Die Zeitungsschlagzeilen verkündeten die letzten erfreulichen Nachrichten des Jahrzehnts. An diesem Tag braute sich im Osten kein Sturm zusammen, nichts wies auf die kommenden Ereignisse hin. Das einzige unheilvolle Vorzeichen aus Richtung Europa war der Geruch nach brackigem Wasser, der vom East River heranwehte.

Als ich mich unserem Gebäude an der Ecke Fifth Avenue und Forty-ninth Street näherte, spürte ich, dass Roger mich von oben aus dem Fenster beobachtete. Er hatte schon Leute aus geringeren Gründen als einer zwanzigminütigen Verspätung gefeuert. Trotzdem war der einzige Tag im Jahr, an dem die oberen Zehntausend von New York ihre Brieftaschen öffneten und ein wenig Interesse an Frankreich heuchelten, nicht der richtige Zeitpunkt, um an Knopflochsträußchen zu sparen.

Ich bog um die Ecke. Die helle Morgensonne fing sich in den eingemeißelten, vergoldeten Buchstaben im Eckstein: LA MAISON FRANCAISE. Das französische Haus, Heimat des französischen Konsulats, stand Seite an Seite mit dem British Empire Building, einem Teil des Rockefeller Center, Rockefeller Juniors neuem Bauwerk aus Granit und Kalkstein. Damals hatten viele ausländische Konsulate hier ihre Büros, was einen großartigen Mischmasch internationaler Diplomatie zur Folge hatte.

»Ganz nach hinten durchgehen, immer nach vorn schauen«, sagte Cuddy, unser Liftboy.

Mr. Rockefeller suchte die Liftboys persönlich aus und überprüfte sie auf Manieren und gutes Aussehen. Cuddy war mit Letzterem über Gebühr ausgestattet, auch wenn sein Haar bereits grau meliert war und sein Körper es mit dem Altern eilig hatte.

Cuddy starrte auf die beleuchteten Ziffern über den Türen. »Ziemlich viele Leute da oben, Miss Ferriday. Pia meinte, es sind zwei neue Schiffe angekommen.«

»Entzückend«, erwiderte ich.

Cuddy wischte etwas vom Ärmel seiner marineblauen Uniformjacke. »Wird es bei Ihnen wieder spät heute?«

Obwohl wir angeblich die schnellsten Aufzüge der Welt hatten, brauchte unserer eine Ewigkeit. »Ich muss um fünf weg. Eine Gala heute Abend.«

Ich liebte meinen Beruf. Großmutter Woolsey hatte die Tradition arbeitender Frauen in unserer Familie begründet, indem sie auf dem Schlachtfeld in Gettysburg verwundete Soldaten gepflegt hatte. Allerdings war meine ehrenamtliche Stelle als Leiterin der Familienhilfe im französischen Konsulat eigentlich kein richtiger Beruf. Dass ich alles Französische liebte, war mir einfach in die Wiege gelegt worden. Auch wenn mein Vater ein halber Ire war, gehörte sein Herz Frankreich. Außerdem hatte Mutter eine Wohnung in Paris geerbt, wo wir jeden August verbrachten, sodass ich mich dort zu Hause fühlte.

Der Aufzug stoppte. Selbst durch die geschlossenen Türen hörten wir überwältigendes, lautes Stimmengewirr. Ein Schauder durchlief mich.

»Vierter Stock«, verkündete Cuddy. »Französisches Konsulat. Vorsicht beim …«

Sobald die Türen auseinanderglitten, übertönte der Lärm die Höflichkeitsfloskel des Liftboys. In dem Flur vor unserem Empfangsbereich drängten sich so viele Menschen, dass kaum ein Durchkommen war. An diesem Morgen waren die Normandie und die Ile de France, zwei der bedeutendsten Ozeanriesen Frankreichs, im Hafen von New York eingelaufen, vollgestopft mit Passagieren, die den unsicheren Verhältnissen in ihrem Heimatland hatten entfliehen wollen. Als das Signal ertönte und alle aussteigen durften, hatten die Wohlhabenden an Bord das Konsulat gestürmt, um Visaprobleme und andere heikle Themen zu klären.

Ich zwängte mich durch den verqualmten Empfangsbereich, vorbei an einer Gruppe von Damen in den neuesten Pariser Tageskleidern, eingehüllt in eine duftende Wolke Arpège und die Gischt noch im Haar, die dastanden und miteinander plauderten. Diese Menschen waren es gewohnt, dass ein Butler ihnen mit einem Kristallaschenbecher und einer Champagnerflöte auf Schritt und Tritt folgte. Pagen in den scharlachroten Jacken der Normandie warteten neben ihren schwarz berockten Kollegen von der Ile de France. Ich rempelte mich mit der Schulter durch die Menge und steuerte auf den Schreibtisch unserer Sekretärin hinten im Raum zu, wobei mein Chiffonschal an der Schließe einer Perlenkette hängen blieb, die eine bezaubernde Dame neben mir um den Hals trug. Während ich mich zu befreien versuchte, summte die Gegensprechanlage, ohne dass jemand ranging.

Roger.

Ich kämpfte mich weiter durch die Menge und spürte, dass mir jemand auf den Po klopfte. Als ich mich umdrehte, hatte ich einen Schiffsoffizier mit einem strahlenden Lächeln vor mir.

»Gardons nos mains pour nous-mêmes«, sagte ich. »Wir wollen unsere Hände bei uns behalten.«

Der Junge hob den Arm über die Köpfe der anderen und schwenkte seinen Salonschlüssel von der Normandie. Wenigstens war er nicht über sechzig, der Männertyp, den ich normalerweise anzog.

Ich schaffte es zum Schreibtisch der Sekretärin, wo diese mit gesenktem Kopf dasaß und tippte.

»Bonjour, Pia.«

Rogers Cousin, ein dunkeläugiger Junge von achtzehn Jahren, hatte sich mit übereinandergeschlagenen Beinen auf Pias Schreibtisch niedergelassen. Er hielt seine Zigarette hoch, während er in einer Pralinenschachtel kramte, Pias Lieblingsfrühstück. In meinem Posteingang auf dem Schreibtisch stapelten sich bereits die Fallakten.

»Vraiment? Was soll an diesem Morgen gut sein?«, entgegnete sie, ohne den Kopf zu heben.

Pia war viel mehr als eine Sekretärin. Wir alle erfüllten die verschiedensten Aufgaben, und zu ihren gehörte, neue Antragsteller zu registrieren, für jeden von ihnen eine Akte anzulegen, Rogers umfangreiche Korrespondenz zu tippen und die gewaltige Flut von Morsenachrichten zu entziffern, die das Lebensblut unseres Büros waren.

»Warum ist es hier drin so heiß?«, fragte ich. »Pia, das Telefon läutet.«

Sie angelte sich eine Praline aus der Schachtel. »Das tut es schon die ganze Zeit.«

Pia sammelte Verehrer, als würde sie eine Frequenz aussenden, die nur Männer empfangen konnten. Sie war auf eine raubtierhafte Art attraktiv, wobei ich den Verdacht hegte, dass ihre Beliebtheit zum Teil an ihren engen Pullovern lag.

»Kannst du heute einen Teil meiner Fälle übernehmen, Pia?«

»Roger hat mir verboten, diesen Stuhl zu verlassen.« Sie knackte die Kruste an der Unterseite einer Praline mit ihrem manikürten Daumennagel und machte sich über die Erdbeercreme her. »Außerdem will er dich sofort sehen. Aber ich glaube, die Frau auf dem Sofa dort hat letzte Nacht auf dem Flur geschlafen.« Pia wedelte mir mit einem halben Hundertdollarschein vor der Nase herum. »Und das Dickerchen mit den Hunden sagt, er gibt dir die andere Hälfte, wenn du ihn zuerst drannimmst.« Sie wies mit dem Kopf auf ein wohlgenährtes Paar neben meiner Bürotür. Beide hielten je einen Dackel mit grauer Schnauze an der Leine.

Wie bei Pia umfasste auch mein Zuständigkeitsbereich zahlreiche Pflichten. Dazu gehörten die Betreuung französischer Staatsbürger hier in der Stadt, von denen viele in Schwierigkeiten geraten waren, und die Verwaltung des French Families Fund, einer wohltätigen Organisation, mit deren Hilfe ich Hilfspakete an französische Waisen in Übersee schickte. Ich hatte mich gerade aus einer fast zwei Jahrzehnte andauernden Karriere am Broadway zurückgezogen, weshalb mir die Beschäftigung im Konsulat vergleichsweise geruhsam erschien. Jedenfalls fiel das ständige Kofferpacken weg.

Mein Chef, Roger Fortier, erschien in der Tür seines Büros.

»Caroline, ich muss Sie sofort sprechen. Bonnet hat abgesagt.«

»Das darf doch nicht wahr sein, Roger.« Die Nachricht traf mich wie ein Schlag in die Magengrube. Schon vor Monaten hatte ich den französischen Außenminister als Hauptredner für unsere Gala angeworben.

»Momentan ist es nicht leicht, französischer Außenminister zu sein«, rief er mir über die Schulter zu und kehrte in sein Büro zurück.

Ich trat in meines und blätterte das Adressregister auf meinem Schreibtisch durch. Hatte Mutters Freund, der buddhistische Mönch Ajahn Chah, heute Abend Zeit?

»Caroline«, ertönte Rogers Stimme. Ich schnappte mir mein Adressregister und hastete in sein Büro, wobei ich dem Paar mit den Dackeln auswich, das sein Bestes tat, um möglichst tragische Mienen aufzusetzen.

»Warum sind Sie heute Morgen zu spät gekommen?«, fragte Roger. »Pia ist schon seit zwei Stunden hier.«

Als Generalkonsul regierte Roger Fortier sein Reich von einer Ecksuite aus, die einen beeindruckenden Blick auf die Rockefeller Plaza und das Promenade Café bot. Normalerweise beherbergte die abgesenkte Stelle dort die berühmte Eislaufbahn, die jetzt im Sommer allerdings geschlossen war. Kaffeehaustische nahmen den Platz ein, zwischen denen Kellner im Frack und mit knöchellanger Schürze herumwimmelten. Dahinter...

Erscheint lt. Verlag 2.3.2020
Übersetzer Karin Dufner
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Lilac Girls
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2. Weltkrieg • Abenteuerroman • Anthony Doerr • Auschwitz • Buchclub • Carmen Korn • Caroline Ferriday • Der Tätowierer von Auschwitz • Deutschland • eBooks • Frankreich • Frauenschicksal • Freiheitskampf • Heather Morris • Herta Oberheuser • Historische Romane • Holocaust • Konzentrationslager • Kristin Hannah • KZ Ravensbrück • Lesekreis • Liebe • New York • Polen • Ravensbrück • Roman • Romane • Rückkehr nach Birkenau • wahre Begebenheiten • Weltkrieg • Widerstand • Zusatzmaterial • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-641-24703-9 / 3641247039
ISBN-13 978-3-641-24703-4 / 9783641247034
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