Das Beste kommt noch (eBook)

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2020 | 1. Auflage
416 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-40645-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Beste kommt noch -  Richard Roper
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Andrew hat ein Problem mit seiner Gesamtsituation. Dabei wünscht er sich nur ein ganz normales Leben: eine liebevolle Frau, Kinder - ist das zu viel verlangt? Stattdessen muss er sich mit seinen exzentrischen Kollegen begnügen. Und mit den Toten. Denn als Nachlassverwalter hat er deren Wohnungen zu räumen - die oft eine beunruhigende Ähnlichkeit mit seinem eigenen Londoner Ein-Zimmer-Apartment aufweisen, in dem es kaum mehr gibt als eine Modelleisenbahn und Ella-Fitzgerald-Platten. Das kann nicht alles sein, findet Andrew. Immerhin verspricht auch Ella in ihren Songs: «Das Beste kommt noch.» Und das tut es, in Form von Peggy, einer neuen Kollegin, die frischen Wind in Andrews Welt bringt ...

Richard Roper arbeitet als Sachbuchlektor fu?r einen großen Londoner Verlag. Niemals hätte er sich träumen lassen, dass sein Debu?t bereits vor Erscheinen fu?r Furore sorgen wu?rde: Die nationalen und internationalen Verlage rissen sich förmlich um die Veröffentlichungsrechte, mit dem Ergebnis, dass «Das Beste kommt noch» in 19 Ländern erscheint. Der Autor lebt in London.

Richard Roper arbeitet als Sachbuchlektor für einen großen Londoner Verlag. Niemals hätte er sich träumen lassen, dass sein Debüt bereits vor Erscheinen für Furore sorgen würde: Die nationalen und internationalen Verlage rissen sich förmlich um die Veröffentlichungsrechte, mit dem Ergebnis, dass «Das Beste kommt noch» in 19 Ländern erscheint. Der Autor lebt in London. Katharina Naumann ist Autorin, freie Lektorin und Übersetzerin und lebt in Hamburg. Sie hat unter anderem Werke von Jojo Moyes, Anna McPartlin und Jeanine Cummins übersetzt.

Kapitel Zwei


Man hatte den Beerdigungen im Laufe der Jahre immer wieder neue Namen gegeben – «Beerdigung im Sinne des Gesundheitswesens», «Beerdigung im öffentlichen Auftrag», «Sozialhilfe-Beerdigung», «46er-Beerdigung» –, aber keine der Neubenennungen konnte die ursprüngliche Bezeichnung wirklich ersetzen. Als Andrew auf das Wort «Armenbegräbnis» gestoßen war, hatte er es ziemlich stimmungsvoll gefunden; sogar irgendwie romantisch, im Sinne von Charles Dickens. Er musste bei diesem Wort immer an ein abgelegenes Dorf von vor ungefähr hundertfünfzig Jahren denken – mit gackernden Hühnern und viel Schlamm –, in dem ein Bewohner im fortgeschrittenen Alter von siebenundzwanzig einem besonders aufsehenerregenden Fall von Gicht erlag und fröhlich in eine Grube gepackt wurde, damit seine sterblichen Überreste fürderhin das Land düngten.

In Wirklichkeit war der Vorgang deprimierend klinisch. Die Bezirkskommunen im Vereinigten Königreich hatten die jetzt gesetzlich festgeschriebene Pflicht, diejenigen zu beerdigen, die durch die Maschen der Gesellschaft gefallen waren und deren Tod vielleicht überhaupt nur deshalb bemerkt worden war, weil ihre sterblichen Überreste bereits verwesten oder sie ihre Rechnungen nicht bezahlten. In einigen Fällen hatte der Verstorbene noch so viel Geld auf dem Konto gehabt, dass die Betriebskosten anstandslos noch monatelang nach dem Tod abgebucht werden konnten, was bedeutete, dass es im Haus warm genug war, um die Verwesung der Leiche noch zu beschleunigen. Nach dem fünften erschütternden Fall dieser Art hatte Andrew überlegt, dieses Problem in der Spalte «Sonstige Bemerkungen» auf dem Formular seiner jährlichen Befragung zur Arbeitszufriedenheit zu vermerken. Aber dann hatte er dort lediglich die Bitte um einen zweiten Wasserkocher für die Büroküche notiert.

Gewöhnt hatte er sich auch an die sogenannte «Neun-Uhr-Abfertigung». Sein Chef Cameron hatte ihm die Bedeutung des Ausdrucks erklärt, während er heftig mit der Gabel auf die Folie einer Portion Fertig-Curry für die Mikrowelle einstach. «Wenn man allein stirbt» – piks, piks, piks – «wird man aller Wahrscheinlichkeit nach auch allein beerdigt» – piks, piks, piks – «weswegen die Kirche die Beerdigung schon um neun Uhr morgens anberaumen kann, weil klar ist, dass jeder Zug ausfallen» – piks – «und jede Autobahn verstopft sein kann» – piks – «und es völlig egal ist.» Ein letzter Pikser. «Weil ohnehin niemand kommt.»

Im Jahr zuvor hatte Andrew fünfundzwanzig von diesen Beerdigungen organisiert (seine höchste Gesamtjahresbilanz bisher). Er hatte auch an allen teilgenommen, obwohl er das eigentlich nicht musste. Es war, so sagte er sich, eine kleine, aber bedeutsame Geste, dass jemand da war, ohne gesetzlich dazu verpflichtet zu sein. Aber immer öfter, wenn er wieder einmal dabei zusah, wie ein schlichter, unlackierter Sarg in einem speziell dafür vorgesehenen, namenlosen Loch versenkt wurde, das man sicher drei oder vier weitere Male wieder aufbuddeln würde, um noch andere Särge hineinzulegen wie in einer Art makabrem Tetris-Spiel – immer öfter ertappte Andrew sich dann bei dem Gedanken, dass seine Anwesenheit eigentlich völlig überflüssig war.

×

Als Andrew im Bus zum Büro saß, inspizierte er seine Krawatte und die Schuhe. Beide hatten schon bessere Zeiten gesehen. Auf seiner Krawatte leuchtete ein hartnäckiger Fleck unbekannter Herkunft, der einfach nicht verschwinden wollte. Seine Schuhe waren gut poliert, sahen aber langsam abgetragen aus. Zu viele Kratzer vom Friedhofsschotter, zu viele Male, in denen das Leder gedehnt worden war, weil sich ihm die Zehennägel bei den holprigen Predigten der Pfarrer aufgerollt hatten. Er musste beides wirklich dringend ersetzen, sobald das nächste Gehalt kam.

Jetzt, da die Beerdigung vorbei war, nahm er sich einen Augenblick Zeit, um John gedanklich zu den Akten zu legen (Nachname Sturrock, wie er sich jetzt erinnerte, als er sein Handy einschaltete). Wie immer war die Versuchung groß, darüber nachzugrübeln, wie John in eine solch verzweifelte Situation geraten konnte. Gab es da wirklich nicht mal eine Nichte oder wenigstens einen Patensohn, mit dem er zumindest eine Weihnachtskartenbeziehung pflegte? Oder einen alten Schulfreund, der ihn zum Geburtstag anrief? Aber das war gefährliches Terrain. Andrew musste so objektiv wie möglich bleiben, zu seinem eigenen Wohl, um mental stark genug zu sein, sich mit dem nächsten armen Menschen zu beschäftigen, der auf diese Weise das Zeitliche segnete.

Der Bus hielt ruckelnd an der Ampel. Als sie grün wurde, hatte Andrew John sein letztes Lebewohl gesagt.

Im Büro angekommen, erwiderte er das begeisterte Winken seines Chefs Cameron mit einem eher gedämpften Kopfnicken, bevor er sich auf seinen durchgesessenen Stuhl fallen ließ, der sich im Laufe der Jahre seinen Formen genau angepasst hatte. Dabei stieß er einen inzwischen leider vertrauten Grunzlaut aus, wie er bedauernd feststellte.

Andrew atmete tief ein und aus. Er hatte geglaubt, mit gerade erst zweiundvierzig noch ein paar Jahre vor sich zu haben, bis er jede noch so kleine körperliche Anstrengungen mit merkwürdigen Geräuschen begleiten musste. Aber das Universum schien ihm schon jetzt vorsichtig klarmachen zu wollen, dass er offiziell auf ein mittleres Alter zusteuerte. Es würde bestimmt nicht mehr lange dauern, bis er sich schon frühmorgens darüber beklagte, wie leicht heutzutage Schulabschlüsse zu bekommen waren, und er beigefarbene Leinenhosen in großen Mengen auf Vorrat kaufte …

Andrew wartete, bis sein Computer hochgefahren war, und sah aus dem Augenwinkel, wie sein Kollege Keith ein Riesenstück Schokokuchen verdrückte und danach methodisch den Guss von seinen kleinen Stummelfingern leckte.

«War es eine gute?», fragte Keith, ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden, auf dem, wie Andrew wusste, vermutlich wahlweise eine Galerie von Schauspielerinnen zu sehen war, die die Frechheit besessen hatten zu altern, oder etwas Kleines, Pelziges auf einem Skateboard.

«Sie war in Ordnung», erwiderte Andrew.

«Irgendwelche Gaffer?», meldete sich eine Stimme hinter ihm.

Andrew zuckte zusammen. Er hatte gar nicht gesehen, dass sich Meredith auf ihren Platz am Schreibtisch hinter ihm gesetzt hatte.

«Nein», antwortete er, ohne sich die Mühe zu machen, sich umzudrehen. «Nur ich und der Pfarrer. Offenbar war es seine allererste Beerdigung.»

«Mein lieber Schwan, was für eine Art, seine Jungfräulichkeit zu verlieren», bemerkte Meredith.

«Immer noch besser als eine Kirche voller Heulsusen, seien wir mal ehrlich», sagte Keith, der noch ein letztes Mal an seinem kleinen Finger saugte. «Da würde man sich vor Schiss in die Hosen machen, oder?»

Das Bürotelefon klingelte, keiner von ihnen ging ran. Andrew war schon kurz davor, einzuknicken, aber Keith verlor als Erster die Nerven.

«Hallo, Abteilung für Todesfälle. Ja. Klar. Ja. Richtig.»

Andrew griff nach seinem Handy und seinen Kopfhörern und stellte seine Ella-Fitzgerald-Playlist ein. Er hatte erst vor kurzem Spotify entdeckt, sehr zu Keiths Freude, der ihn danach einen ganzen Monat nur noch «Opi» genannt hatte. Ihm war danach, mit einem Klassiker zu beginnen – etwas Beruhigendem. Er entschied sich für «Summertime». Er war erst ein paar Sekunden weit gekommen, als er eine Bewegung spürte, aufblickte und Keith vor seinem Schreibtisch stehen sah beziehungsweise dessen Wampe, die durch die Ritze zwischen den Hemdknöpfen hindurchquoll.

«Hallohooo. Ist da jemand?»

Andrew zog seine Kopfhörer heraus.

«Das war der Gerichtsmediziner. Wir haben einen Frischen. Na ja, natürlich keine frische Leiche – sie nehmen an, dass er schon ein paar Wochen tot ist. Keine Verwandten, und die Nachbarn haben nie ein Wort mit ihm gewechselt. Die Leiche ist schon abtransportiert, deshalb wollen sie so schnell wie möglich eine Nachlassinspektion.»

«Klar.»

Keith kratzte an einer schorfigen Stelle an seinem Ellenbogen, offenbar irritiert von Andrews knapper Antwort. «Passt dir morgen?»

Andrew tat unbeeindruckt und schaute in seinen Terminkalender. «Ich kann es morgen früh als Erstes erledigen.»

«Verdammt, bist du eifrig», stellte Keith fest, verzog den Mund und watschelte zurück zu seinem Schreibtisch.

Und du bist eine Speckschwarte, die zu lange in der Sonne gelegen hat, dachte Andrew. Er wollte gerade seine Kopfhörer zurück in die Ohren stecken, als Cameron aus seinem Büro trat und in die Hände klatschte, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

«Team-Meeting, Leute», verkündete er. «Und ja, keine Sorge, die derzeitige Mrs. Cameron hat natürlich einen Kuchen gebacken. Sollen wir in die Lounge gehen?»

Die Angesprochenen reagierten mit der Begeisterung eines Huhns, das man mit einem Schinken-Bikini bekleidet in eine Fuchshöhle jagt. Die «Lounge» bestand aus einem kniehohen Tischchen vor zwei Sofas, die unerklärlicherweise nach Schwefel stanken. Cameron hatte mit der Idee gespielt, ein paar Sitzsäcke anzuschaffen, aber niemand hatte darauf reagiert, ebenso wenig wie auf die Schreibtischtausch-Dienstage, die Negativitätsbüchse («Das ist wie eine Fluchbüchse, in die man jedes Mal, wenn man flucht, ein Pfund hineinwerfen muss, nur für Negativität!») und den Team-Lauf durch den Park. «Ich habe da zu tun», hatte Keith gegähnt. «Aber ich habe doch noch gar nicht gesagt, an welchem Tag der Lauf stattfinden soll», hatte Cameron entgegnet, wobei sein Lächeln...

Erscheint lt. Verlag 1.3.2020
Übersetzer Katharina Naumann
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Beerdigungen • Bestattungen • Chance • Einsamkeit • Einsam Sterben • Ella Fitzgerald • Frauenroman • Liebe • Liebesroman • London • Lüge • Nachlass • Neuanfang • Roman • Romantik • Romantische Komödie • scheinwelt • Schwarzer Humor • Tod • Tragik • uplit
ISBN-10 3-644-40645-6 / 3644406456
ISBN-13 978-3-644-40645-2 / 9783644406452
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