Die Kartographie der Hölle (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
556 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-76576-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Kartographie der Hölle -  Knud Romer
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Eben noch hat Knud vom Paradies geträumt. Jetzt ist er Student und stellt fest: das Paradies ist die Hölle. Drogen und Alkohol führen zum Absturz. Es beginnt ein wilder Ritt durch die achtziger und neunziger Jahre: Häuserbesetzung, RAF, CIA und Kalter Krieg. Am Ende findet er Trost beim »bucklichten Männlein« und den von ihm so geliebten deutschen Romantikern.
Knud Romer brilliert als schonungsloser Chronist seines eigenen Lebens. Er springt zwischen Orten und Zeiten, jongliert mit Fakten und Gefühlen. Sein Buch ist emotional aufwühlend - und spannend bis zur letzten Seite.

Die aufwühlende Erinnerung an eine dänische Kindheit und Jugend, eine Liebeserklärung an die deutsche Literatur, eine Achterbahnfahrt durch die 80er und 90er Jahre des 20. Jahrhunderts.



<p>Knud Romer, geboren 1960, studierte Literaturwissenschaft und lebt als Werbefachmann, Kolumnist und Schriftsteller in Kopenhagen. In Lars von Triers Film <em>Idioten</em> trat er als Werbefachmann Axel auf. Sein 2007 im Insel Verlag erschienener Roman <em>Wer blinzelt hat Angst vor dem Tod</em> wurde heftig diskutiert und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.</p>

 
 
 
 
 
 
 
LECK MICH AM ARSCH!

Der gefährlichste Postkartenschreiber der Welt

»Mögest du von einem Esel gefickt werden! Möge deine Frau von einem Esel gefickt werde! Möge dein Kind deine Frau ficken!« Das sind ägyptische Flüche aus der 23. Dynastie, der ältesten der Welt, dreitausend Jahre alt. Sie stehen in Hieroglyphen auf der Mitgliederkarte von The International Maledicta Society – einer Vereinigung, die sich dem Studium der Schimpfworte gewidmet hat.

Sie umfasst weltweit über neuntausend Mitglieder, Akademiker und muntere Amateure, Prominente und Leserbriefschreiber – und sie ist das Werk eines einzigen Mannes: Dr. Reinhold Aman … Uncle Mal.

Aman hat sein Leben einer übersehenen Nische der Sprachwissenschaft gewidmet: Schimpfworten oder »maledicta«, wie er sie nennt (Lateinisch: male = schlecht, dicta = Worte). Sein Ziel ist großartig – er hat sich vorgenommen, jedes anstößige Wort auf der Welt zu registrieren. Er ist regelrecht besessen davon:

Ich habe über dreißig Jahre darauf verwendet, Tag und Nacht, ich habe geschuftet wie ein wahnsinniger Biber, so viel gibt es zu tun.

Aman will für Schimpfworte das werden, was die Gebrüder Grimm für das Volksmärchen waren, er will in die Geschichte eingehen als Vater der Maledictologie – koste es, was es wolle! Bisher hat es ihn seinen Job und seine Rente, seine Frau und sein Auto, sein Haus, sein Vermögen und seine Freiheit gekostet.

Aman kann in zweihundertzwanzig Sprachen fluchen, und er hatte es auch nötig. Inzwischen spricht er wie Kapitän Haddock nur noch in Schimpfworten und nimmt alles aufs Korn, was sich bewegt – vor allem, wenn es sich um Angehörige einer offiziellen Behörde handelt: »legal scumbags, fucking federal Nazis and the U. ‌S. Government Gestapo!«

Er war schon immer aufbrausend gewesen, auch bevor die Widrigkeiten auf ihn einprasselten. Die Maledictologie ist weitgehend ein absurdes Beispiel der Kongruenz eines wissenschaftlichen Projekts und einer Persönlichkeit. »Leben und Werk.«

Selbstverständlich kann der führende Experte für Schimpfworte nichts anderes sein als ein Querulant – ein verrückter, alter Mann.

Andererseits ist es nicht ganz unverständlich, dass er mürrisch ist und sich verfolgt fühlt. Er ist einer der wenigen Professoren der deutschsprachigen Literatur des Mittelalters, den seine philologischen Interessen ruiniert haben und der aufgrund von ein paar Postkarten im Hochsicherheitsgefängnis gelandet ist.

Reinhold Aman ist entweder der gefährlichste Postkartenschreiber der Welt – und wie gefährlich kann so etwas sein? – oder einfach nur vom Pech verfolgt.

»Himmikruzifixherrgottsakrament!« – in Bayern können sie fluchen, und hier wird Reinhold Albert Aman 1936 in Fürstenzell geboren. Er wächst in Straubing und Oberschneiding auf, studiert Chemieingenieur in Augsburg und arbeitet in Frankfurt und München, bevor er 1957 nach Montreal, Kanada emigriert.

Von dort reist er schon bald weiter in die USA, wo er einen Job als Chemieingenieur findet und heiratet: »Heirat 1960. Scheidung 1990 nach dreißig Jahren zunehmender Hölle«, wie er seine Ehe beschreibt.

1964 kommt die Tochter Susan zur Welt, doch das Elternglück ist nicht so groß, dass Aman sich nicht im Jahr darauf auf die Schimpfworte stürzen und The International Research Center for the Study of Verbal Aggression gründen würde.

Gleichzeitig beginnt er, ein Archiv über das Quellenmaterial und die Literatur zum Thema aufzubauen, The International Maledicta Archives. Es ist seither auf ungefähr viertausend Bücher, achtzehntausend Seiten publizierte Forschung und sechstausend bibliographische Referenzen und Zusammenstellungen angewachsen.

Es ist ambitiös, sein Hobby ein internationales Forschungszentrum zu nennen, und es wirkt ein wenig kindisch, wenn er sich selbst als Oberarchivar und Direktor bezeichnet – seine Leidenschaft für Schimpfworte und der Kampf gegen sein Umfeld gehen inzwischen Hand in Hand mit einer guten Portion Größenwahn. Er steht im Zentrum und die ganze Welt ist gegen ihn. Paranoia – ist das nicht beinahe ein Synonym für das Studium der Flüche?

Dazu muss man auch Amans Herkunft in Betracht ziehen. Er ist ein deutscher Jude – das allein gibt schon reichlich Anlass zum Fluchen. Und um es noch schlimmer zu machen, entscheidet er sich für eine Karriere in seinem Hobby-Fachgebiet und studiert deutsche Philologie.

1968 schreibt er seine Doktorarbeit – eine zweihundertneunundsiebzig Seiten lange Analyse der Schlachtszenen in einem heroischen Epos aus dem 13. Jahrhundert, »Der Kampf in Wolframs Parzival«. Dann wird er assistierender Professor an der University of Wisconsin-Milwaukee und stürzt sich in die Forschung.

1971 veröffentlicht Aman eine Abhandlung über schlüpfrige Wortspiele: Sinnliches. German wordplays (Milwaukee, 1971) – und ein Jahr später ein zweites Buch über herabsetzende Begriffe und ihre Bedeutungen in der deutschen Sprache: Psychological, Literary and Linguistic Aspects of German Pejoratives (San Francisco, 1972).

Sein erstes größeres Werk ist eine »psycho-linguistische Einführung in sprachliche Aggression« – ein Wörterbuch über zweitausendfünfhundert bayerische und österreichische Schimpfworte, Bayrisch-österreichisches Schimpfwörterbuch (München, 1973). Das Buch erscheint in mehreren Auflagen und Ausgaben 1978, 1983 und 1986 und war zwischenzeitlich vergriffen, dank »der stinkend dummen, stinkfaulen Lektoren des Verlags«.

Es folgen Schwanz und Fotze in der englischen Sprache: Pornographia: Picturesexed Words (Milwaukee, 1974) – dann krönt er sein Werk mit einer vergleichenden Analyse in politischer Rhetorik: NIXLER: The Prosaic Poetry of Richard Nixon and Adolf Hitler (Milwaukee, 1974). Das war zu viel.

1974 wird sein Vertrag an der Universität aufgrund von Unstimmigkeiten nicht verlängert. Als er das Büro des Institutsleiters verlässt, nennt Aman ihn eine »stinklangweilige Schlafmütze«, dreht sich dann aber noch einmal um und korrigiert sich: »Wenn ich dich sehe, schlafen mir die Füße ein!« Das ist nicht sonderlich kreativ für einen Mann, der in zweihundertzwanzig Sprachen fluchen kann, und Aman entschuldigt sich: »Ich bin ein Meister im Fluchen, aber manchmal übernimmt mein Hypothalamus, und dann werde ich so wütend, dass ich nicht denken kann.«

Er legt gegen die Kündigung Widerspruch ein, der jedoch abgewiesen wird – und verliert auch den letzten Rest an Respekt vor der Universität und Akademikern. »Kakademiker«, nennt er sie nun: »Diese hirntoten Schlappschwänze. Jeden Tag werden Menschen durch Beleidigungen verletzt und getötet, aber sie weigern sich, über dieses Thema zu forschen, weil es nicht ernst genommen wird.« Es sollte nicht das letzte Wort gewesen sein, dass sie von Aman hörten. Fickt euch!

Die öffentliche Toleranz für »unartige« Wörter war gering, als Aman anfing, darüber zu arbeiten, und er konnte sicher sein, dass er in Milwaukee, Wisconsin Anstoß erregen würde – in »Waukeshit«, wie es von ihm genannt wird. Lenny Bruce war gerade während eines Nachtclubauftritts in San Francisco verhaftet worden, weil er einen der Transvestiten der Show als »cocksucker« bezeichnet hatte.

Wenn es schon strafbar war, auf der Bühne eines Nachtclubs zu fluchen, war es bei Zeitungen, Film und Fernsehen erst recht problematisch, wo Worte wie »fuck« oder »cunt« in den USA einen Skandal ausgelöst hätten.

Sie waren tabu und kamen im Oxford English Dictionary vor 1972 nicht vor. Schimpfwörter waren jedenfalls kein Forschungsgebiet für einen Professor der Universität. »Dungheap U« oder »Arschloch U«, wie er die Institution Universität bezeichnete:

Unser Forschungsgebiet ist genauso alt wie die Menschheit, und doch haben Dungheap U's edle Kakademiker sich geweigert, dessen Existenz...

Erscheint lt. Verlag 8.3.2020
Übersetzer Ulrich Sonnenberg
Sprache deutsch
Original-Titel Kort over Paradis
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 20. Jahrhundert • 80er Jahre • 90er Jahre • Alkohol • Alkoholismus • Ausschweifungen • Autofiktion • CIA • Dänemark • Drogen • Emotional • Frankfurt • Geschenkbuch • Geschenkbuch für Männer • Geschenk für Männer • hat Angst vor dem Tod • insel taschenbuch 4862 • IT 4862 • IT4862 • Kopenhagen • Leben als Kampf • literarisch • Literatur • Nykøbing • spannend • Spannung • Spionage • Teheran • Überleben • Wer blinzelt • Wer blinzelt hat Angst vor dem Tod
ISBN-10 3-458-76576-X / 345876576X
ISBN-13 978-3-458-76576-9 / 9783458765769
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