Begrabt meinen rechten Fuß auf der linken Spur (eBook)

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2021 | 1. Auflage
288 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01088-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Begrabt meinen rechten Fuß auf der linken Spur -  Dietmar Wischmeyer
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Wolfgang ist ein ganz normaler Jugendlicher der späten Siebziger, lernt einen Beruf, den er nie ausübt, lernt ein Mädchen auf kuriose Weise kennen, mit dem er sein Leben lang zusammenbleibt, baut ein Haus, hat zwei Kinder und drei Freunde, mit denen er die Abende in der Eckkneipe vertrödelt. Ein Lebenslauf wie Millionen andere. Doch als Arbeiter bei der «Straßen- und Wegebau AG» erfährt er von kriminellen Seilschaften beim Projekt «Deutsche Einheit» und wird ständiger Zeuge des alltäglichen Wahnsinns im Straßenbau. Nebenher versucht Wolfgang Schrage, das Leben eines ganz normalen Familienvaters zu führen, kollidiert dabei allerdings mit den abstrusen Ideen seiner drei Freunde von der Theke. Als die vier Zechkumpanen durch Zufall zwölf Metallkassetten finden, stoßen sie auf ein Geheimnis, das ihr Leben verändern wird und alles, was bisher geschah, auf überraschende Weise in einem neuen Licht erscheinen lässt. Wolfgang Schrage erzählt sein abenteuerliches Leben - in einer Sprache, die weder ein Blatt vor den Mund nimmt noch weiß, warum man das überhaupt sollte. Er erzählt von Autos, von der Straße und von politischen Intrigen. In ihm hat die alte, gewendete und neue Bundesrepublik den etwas anderen Zeugen gefunden. 

Dietmar Wischmeyer, Autor und Kolumnist, zählt zu den erfolgreichsten Protagonisten der deutschen Humorwirtschaft. Er tourt mit wechselnden Programmen durch Deutschland, u.a. mit Oliver Kalkofe oder Oliver Welke, tritt regelmäßig in der «heute-show» auf und ist bei radioeins, radio ffn, Radio Bremen und im WDR zu hören. Zahlreiche Preise, darunter der Deutsche Radiopreis (2014), der Deutsche Comedypreis (2017) und der Deutsche Fernsehpreis (2020). Zuletzt erschien «Als Mutti unser Kanzler war. Erinnerungen an eine total krasse Zeit».

Dietmar Wischmeyer, Autor und Kolumnist, zählt zu den erfolgreichsten Protagonisten der deutschen Humorwirtschaft. Er tourt mit wechselnden Programmen durch Deutschland, u.a. mit Oliver Kalkofe oder Oliver Welke, tritt regelmäßig in der «heute-show» auf und ist bei radioeins, radio ffn, Radio Bremen und im WDR zu hören. Zahlreiche Preise, darunter der Deutsche Radiopreis (2014), der Deutsche Comedypreis (2017) und der Deutsche Fernsehpreis (2020). Zuletzt erschien «Als Mutti unser Kanzler war. Erinnerungen an eine total krasse Zeit».

Ich bin Wolfgang Schrage, und dies ist mein Leben


Ich bin Wolfgang Schrage, und dies ist die Geschichte meines Lebens, jedenfalls soweit ich sie noch zusammenkriege. Aber man erzählt ja, dass einem beim Aufschreiben das ein oder andere wieder einfällt.

Schrage hieß schon mein Vater, und Wolfgang bin ich mehr oder weniger aus Zufall, meine Mutter wollte, dass ich Norbert heiße, weil sie einen Norbert kannte und der so ein pflegeleichtes Kind war. Jedenfalls kam es dann anders, denn als sie schon im Krankenhaus lag, da kriegten Kolozicks auch noch einen Norbert. Ich sag mal, zwei Wochen später, und das Malheur wäre da gewesen: Ich als Schrages Vater sein Ältester sitze im Partner-look neben einem von den Kolozicks – schönen Schrank auch. Deshalb wurde aus mir ein Wolfgang, das war damals ein ganz normaler Name, da gab es ja noch keine Maiks und Finn-Justins und diesen ganzen Blödsinn. Bin ich auch soweit ganz mit zufrieden mit dem Wolfgang, inner Schule haben se mich «Wolli» genannt, da kann man sich nicht beklagen. Ich war jedenfalls bloß «Wolli», und das hat sich dann auch im Laufe der Jahre immer mehr verloren. ’ne Zeitlang nannten mich welche ausser Clique «Trampas», nach dem Cowboy aus der Fernsehserie Die Leute von der Silo-Ranch, so haben wir immer gesagt. War aber auch wieder vorbei, als es die Serie nicht mehr im Fernsehen gab. Was soll ich sagen, sonst immer bloß Wolli, und heute nennen mich alle bloß «Schrage», sogar mein Weib, die Jutta, sagt «Schrage» zu mir. Du weißt ja, wie das is in soner Ehe, die schon ’n paar Jahre aufm Buckel hat, aber zu Jutta kommen wir später noch, jetzt erst mal geht’s um mich und meinen weiteren Werdegang.

Also, mein alter Herr war von Beruf Fliesenleger und wollte, dass ich das auch werde. «Eimer, Wasserwaage, Gummihammer, und du bist ein gemachter Mann», sagte er immer. Aber das war nix für mich, ich wollte schon als junger Bengel zum Straßenbau. Jeden Tag zieht die Kolonne einen Kilometer weiter, jede Nacht ’ne andere Frau im Bett. Die Realität sieht dann doch anders aus, man ist oft monatelang auf ein und derselben Baustelle. Die Romantik, die wir Jungs damals mit dem Beruf des Asphaltfacharbeiters verbunden haben, die hat sich nicht ansatzweise bewahrheitet, bei keinem von uns.

Gut, ein Kollege von mir, Friedhelm, hat immerhin schon die zweite Frau. Die erste ist ihm nach über zwanzig Jahren durchgegangen mit seinem Steuerberater. Ich hab ihm danach gesagt, warum machst du das bisschen Lohnsteuer nicht selbst, lässt da den fremden Mann ins Haus. Nu hast du’s, du Döskopp. Wenn Frauen einen Ausweg sehen aus der Ehe, dann nehmen die Reißaus, so ist das nun mal. Einen Hund hältst du auch auf Dauer nich auf einem Grundstück ohne Zaun. Das kann jahrelang gut gehen, aber einmal kommt der Tag. Und son Hund, der ist ein treues Tier, und selbst der geht dir durche Lappen. Und nu nimm dagegen eine Frau. Was wollte ich sagen, danach hat sich Friedhelm eine Weißrussin bestellt. Erst hatte er mit einer Thaifrau geliebäugelt, dann aber doch ’ne Russin genommen. Jedenfalls die Thaifrau, die Friedhelm drei Wochen zur Probe hatte, die ist jetzt in einem Lovemobil an der Bundesstraße gelandet, das ist aufm Weg zur Arbeit von Friedhelm. Da hat er jetzt das Beste aus zwei Welten sozusagen. Gut, ich hab bloß meine Jutta, aber dafür auch nicht den ganzen Stress. Diese Weißrussin von Friedhelm, frag nich nach Feierabend, da muss er öfter ran, als ihm lieb ist, der geht ja auch stramm auf die sechzig zu und hat es mit dem Herzen wegen zu viel Rauchen unter anderem.

Weil ich nicht Fliesenleger werden wollte wie mein Erzeuger, hat der mich aus Schlechtigkeit für eine Lehre als Konditor angemeldet, er kannte Meister Derbfuß nämlich ausm Kegelclub. War mir eigentlich auch egal, kriegste auch rum die Zeit, und dann biste achtzehn und dir gehört die Welt. Als Konditor kannst du ja überall arbeiten: Amerika, Afrika, Berlin, oder alles hintereinander und überall ’ne andere Frau. Kurz vor Ende der Lehre hab ich dann mehr so aus Versehen Jutta kennengelernt, und war erst mal nix mehr mit Amerika. Sie war in derselben Clique wie ich und fuhr nen Rixe-Mofa, genauer gesagt ’ne Libelle GTH mit Zweigangschaltung. Die Libelle gab es auch als Automatik, die fuhren damals alle Mädchen bis auf Jutta, aber Jutta fuhr die Zweigang, und dadurch is sie mir gleich aufgefallen. Jutta war jetzt nicht meine erste Wahl, aber es findet sich ja alles irgendwie, und heute würde ich sagen, besser hätte es nicht laufen können. Jutta war ein Hauptgewinn, jetzt nicht das Millionenlos, mehr so die Sofortrente. Ich würde sie heute nicht mehr hergeben, und damals, es war ’ne andere Zeit, man war auf ’ne Art auch froh, dass untenrum alles irgendwie geregelt ist.

Wie es zwischen uns beiden gefunkt hat, das is auch so ’ne Geschichte, schmeißte dich weg. Aber egal, ich bin jedenfalls nach meiner Lehre zum Bund, welche ausser Clique haben auch verweigert. Hab ich nich verstanden, warum lässt man sich so was entgehen, so ’ne Auszeit im Leben kriegst du nur einmal geboten, fünfzehn Monate die Sau rauslassen ist doch besser, als wenn du als Urinkellner im Altenheim unterwegs bist. So sieht’s doch aus im wirklichen Leben. Zwei Sachen sind wichtig, bevor du auf Stube einrückst: Du musst erstens zu Hause ’ne feste Tussi am Start haben, damit du am Wochenende nicht groß auf Safari gehen musst und gleich zur Sache kommen kannst, denn du hast wenig Zeit. Zweitens ein eigenes Auto: Wenn du mit der Bahn zum Standort zurückmusst, geht das alles vom Wochenende ab. In den Zügen damals, da wurden keine Gefangenen gemacht, besonders nicht in denen, die aus dem Ruhrgebiet kamen und in die Panzerstandorte in der Heide unterwegs waren. Mein lieber Herr Gesangsverein, da trauten sich nicht mal die Feldjäger in die Abteile. Ich jedenfalls bin Panzergrenni geworden, «kein Mensch, kein Tier, ich bin Panzergrenadier». In der Grundausbildung ging’s natürlich ans Eingemachte, wenn du morgens inner Eiseskälte die Hände inne Tasche gesteckt hattest, gab’s gleich eine von StUffz Zuleger: «Schütze Schrage, hamse heute Geburtstag? Wenn nicht, dann nehmen Sie gefälligst die Hand vonner Kerze.» So was musste man sich da anhören, wir haben aber immer bloß gedacht: «Was sagt ein Schwein, das vor die Wand läuft? Uffz! Was sagt ein Schwein, das zweimal vor die Wand läuft? StUffz.»

Nach der Grundausbildung wurde es deutlich ruhiger, ich bin auf die Schreibstube versetzt worden und war dann als Gefreiter sogar Heimscheißer. In der Natopause um neun hab ich mit dem Spieß ’nen kleinen Cognac inner Kantine gekippt, abends bin ich entweder zu Jutta oder hatte im Mannschaftsheim ’n Totalabsturz – die Abwechslung, das war das Schöne an der Zeit. An sich sogar etwas zu viel Abwechslung, so was kommt nicht wieder im Leben. «Schrage», habe ich mir damals immer gesagt, «genieße es.»

Ich nenn mich selbst schon «Schrage», aber was willst du machen, wenn du das jeden Tag hörst von anderen? Die letzten Monate beim Bund war ich sogar noch im Ausland, das passiert den wenigsten. Auch die schönste Zeit geht mal vorbei. Die letzten Wochen vor der Entlassung hab ich wie alle ein Maßband angefangen, zehn Tage vorher kam die Untersuchung, und man konnte die neuen Rekruten aus der Grundi sein Maßband küssen lassen und anbrüllen: «Ey Rotarsch, neun und der Rest von heute und geböscht, du Scheißhaus!» Das gab einem irgendwie so ’n Gefühl von Überlegenheit, nicht dass ich das gebraucht hätte, war aber trotzdem gut. «Geböscht» haben damals alle gesagt, nach dem Hersteller des Röntgenapparats. Drei Tage vor der Entlassung war Auskleidung, alles außer dem G3 hab ich mitbekommen, sogar den Knitterfreien, fünf lange Unterhosen durfte ich privat behalten, ich zehre noch heute von diesem eisernen Bestand. Danach wurde ich Ersatzreserve zwei. Das Stichwort «Gelbes Pony» zur Mobilmachung hatten sie mir schon während des Auslandseinsatzes gegeben. Wenn das Wort irgendwann wie zufällig in den Nachrichten auftauchte, dann war Schluss mit «Reserve hat Ruh», dann hieß es einrücken gegen den Iwan. Dazu hatte ich extra einen Gutschein für eine Busfahrt zum Einsatzstandort in meinen Unterlagen. Und deshalb auch das an sich bescheuerte «Gelbes Pony», so was gibt’s ja nicht, auf diese Weise war Fehlalarm ausgeschlossen.

Die ersten Jahre nach meiner Entlassung aus dem Wehrdienst hab ich die Nachrichten immer noch aufmerksamst verfolgt, ob da womöglich mein Einsatzbefehl durchgegeben wurde. Einmal, es war 1983, meinte ich es sogar gehört zu haben, versteckt in einer Meldung über eine Ausstellungseröffnung in München. Da sagte der Nachrichtensprecher, es war da noch Karl-Heinz Köpcke, der sagte: «In der Pinakothek wurde am gestrigen Abend die Ausstellung Das gelbe Pony, ich wiederhole Das gelbe Pony eröffnet.» Dann guckte er auf seinen Zettel und entschuldigte sich: «Es muss natürlich Der blaue Reiter heißen.» Ich war da zufällig gerade bei Jutta und stand wie elektrisiert vorm Fernsehgerät. Jutta sagte später, ich hätte sogar militärisch gegrüßt und gesagt: «Habe verstanden, Herr Köpcke, melde mich umgehend bei meiner Einheit.» Ich fing sofort an, in Juttas Schrank nach meinen olivgrünen langen Unterhosen zu wühlen, die waren da natürlich gar nicht. Ich habe Jutta angeschrien: «Wo ist der verdammte Bus-Gutschein?», und wurde immer rappeliger: «Er hat Gelbes Pony gesagt, Jutta, ich muss sofort einrücken, Deutschland braucht mich.» Aber Jutta hat mich zurückgehalten: «Der hat sich doch verbessert Blauer Reiter heißt die Ausstellung.» Aber ich war immer noch ganz aufgeregt.

Letztlich is die ganze Sache dann doch im Sande verlaufen....

Erscheint lt. Verlag 17.8.2021
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Achtziger Jahre • Alltag • Bundesrepublik • Deutschland • Familie • Familienleben • Gegenwart • Humor • Jahrtausendwende • «kleiner Mann» • Komik • Mann von der Straße • Mauerfall • Neunziger Jahre • Stasi • Straßenarbeiter • Straßenbauer • Wiedervereinigung • Wirtschaftskriminalität • Witz
ISBN-10 3-644-01088-9 / 3644010889
ISBN-13 978-3-644-01088-8 / 9783644010888
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