Dschinns

Spiegel-Bestseller
Roman

***** 19 Bewertungen

(Autor)

Buch | Hardcover
366 Seiten
2022 | 1. Auflage
Hanser (Verlag)
978-3-446-26914-9 (ISBN)
24,00 inkl. MwSt
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Dreißig Jahre hat Hüseyin in Deutschland gearbeitet, nun erfüllt er sich endlich seinen Traum: eine Eigentumswohnung in Istanbul.

Nur um am Tag des Einzugs an einem Herzinfarkt zu sterben. Zur Beerdigung reist ihm seine Familie aus Deutschland nach. Fatma Aydemirs großer Gesellschaftsroman erzählt von sechs grundverschiedenen Menschen, die zufällig miteinander verwandt sind.

Alle haben sie ihr eigenes Gepäck dabei: Geheimnisse, Wünsche, Wunden. Was sie jedoch vereint: das Gefühl, dass sie in Hüseyins Wohnung jemand beobachtet.

Fatma Aydemir wurde 1986 in Karlsruhe geboren. Sie lebt in Berlin und ist Kolumnistin und Redakteurin bei der taz. Bei Hanser erschien 2017 ihr Debütroman Ellbogen, für den sie den Klaus-Michael-Kühne-Preis und den Franz-Hessel-Preis erhielt. 2019 war sie gemeinsam mit Hengameh Yaghoobifarah Herausgeberin der Anthologie Eure Heimat ist unser Albtraum. Dschinns wurde mit dem Robert-Gernhardt-Preis ausgezeichnet.

Fatma Aydemirs großer Familienroman: Voller Wucht und Schönheit fragt „Dschinns“ nach dem Gebilde Familie, den Blick tief hineingerichtet in die Geschichte der vergangenen Jahrzehnte und weit voraus.
„Ihr Sound hat eine Wucht, die abwechselnd ins Herz und in die Magengrube geht.“ Alena Schröder

"Zu Aydemirs 'Dschinns' werden Literarhistoriker greifen, wenn sie 2122 beschreiben wollen, wie man vor 100 Jahren in Deutschland geschrieben hat." Olaf Przybilla, Süddeutsche Zeitung, 23.08.22

"Immer wieder erstaunlich, was man mit der guten alten Form des Familienromans erzielen kann... Eine Augen öffnende Lektüre." Denis Scheck, ARD druckfrisch, 22.05.22

"Eine vielschichtige, psychologisch starke Familiengeschichte, in der es nicht zuletzt darum geht, dass man in sein eigenes Herz schauen sollte, um zu wissen, wer man ist. Denn nur wenn man das weiss, kann man einander vergeben." Annette König, SRF, 25.05.22

„Ein sehr, sehr besonderes Buch. Aydemir erzählt nämlich einerseits hochreflektiert, analytisch, klar und auf der anderen Seite mit ganz großer Empathie für jede einzelne ihrer Figuren – da schwingt immer Distanz und Nähe mit, das ist sehr ausgewogen und sehr, sehr ausdrucksstark. Psychologisch hochinteressant.“ Sylvia Schwab, Deutschlandfunk Büchermarkt, 02.04.22

"Ein mitreißender Familienroman … selten wurden in der neueren Literatur die Qualen einer über Generationen vererbten Entmündigung und der Befreiung aus ihr so überzeugend geschildert." Nicole Henneberg, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.03.22

"Die Quellen des Unglücks versiegen nie, umso weniger, wenn Familien von einem Land ins andere migrieren. Deshalb muss auch die Geschichte dieser Familie erzählt werden, denn sie ist wie alle guten Geschichten eine, die man so noch nie gelesen hat und die über die Familie hinaus in die Gesellschaft weist. Der Schmerz dieser Familie trifft ins Mark – aber er öffnet die Augen, das Herz und manchmal sogar den Mund. Dann beginnt das Erzählen. Martina Läubli, NZZ Bücher am Sonntag, 27.03.22

"Ein wichtiger Roman über den Verlust von Wurzeln und großen Schwierigkeiten, sich in Deutschland zu Hause zu fühlen, wenn viele dort von 'Scheißtürken' reden. Zumal Aydemir nie einseitig auf dieses Dazwischen-Sein blickt." Katja Weise, NDR Kultur, 18.03.22

"So gut, dass man das Buch kaum weglegen kann: Fatma Aydemir beschreibt in ihrem neuen Roman die Konflikte in einer Familie, die aus der Türkei auswanderte und in Deutschland nie richtig ankam." Eva Thöne, Der Spiegel, 14.03.22

"Die Bilder und Situationen, die Aydemir aufruft, sind von einer beinahe unheimlichen Präzision. Jeder sparsame Dialog, jedes verstockte Gefühl, jede popkulturelle Referenz – kurz: jedes Wort – sitzt." Maryam Aras, Die Presse, 05.03.22

"Vielfalt bildet der Gesellschaftsroman nicht nur in den verschiedenen Standpunkten und Herausforderungen seiner ProtagonistInnen ab, sondern darüber hinaus in seiner stilistischen Varianz. ... Ein Buch, das politische Brisanz und Grundfragen des Menschseins mit Sentiment und Melancholie vereint." Björn Hayer, Der Freitag, 24.02.22

"Aydemir fühlt sich in fast jede ihrer Figuren meisterhaft ein – man kann ihr Buch kaum aus der Hand legen." Spiegel Bestseller Beilage, 11.03.22

"Ein berührender Familienroman über die große Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung." Brigitte, 05/22

"Fatma Aydemirs junge Protagonisten sitzen zwischen den Stühlen und sehnen sich nach einer eigenen Geschichte. Selten hat ein Buch das so berührend, einfühlsam und in jeder Zeile glaubwürdig auf den Punkt gebracht." Marcella Drumm, WDR5 Scala, 22.02.22

"Ein Familienroman von außerordentlicher Intensität." Meike Feßmann, Süddeutsche Zeitung, 16.02.22

"Der Einfachheit halber werden Romane gerne in Schubladen gesteckt und besonders gern und rasch werden Bücher in der Schublade Migrantenliteratur abgelegt. Nicht so hier, denn mit seinen lebensprallen Figuren, den schnellen an TV-Serien erinnernden Schnitten zwischen den Szenen und dem langsamen Aufdecken lange gehüteter Geheimnisse, schreibt sich Fatma Aydemir aus jeder Schublade heraus." Wolfgang Popp, Ö1 Morgenjournal, 16.02.22

"Ihr deutsch-türkischer Familienroman, der kurz vor der Jahrtausendwende spielt, ist ein Wunderwerk an Präzision und Einfühlung. … Die Stimmenvielfalt ihres Romans ist ebenso außerordentlich wie die Nonchalance, mit der sie die gängigen Diskurse zu Herkunft, Geschlecht und Identität ins Erzählen überführt. Das Spiel mit Leitmotiven beherrscht sie genauso wie lockere Dialoge und geschickte Dramaturgie." Meike Feßmann, Süddeutsche Zeitung, 16.02.22

"Ein kraftvoller, manchmal schmerzhaft ehrlicher Familienroman, in dem alle Figuren ihre Abgründe offenbaren und trotzdem ihre Würde behalten. Man lebt und leidet mit ihnen bis zum dramatischen Schluss." Laura Freisberg, Bayern 2 Diwan, 13.02.22

"Ein Familienroman, der in klassischer Weise mit Geheimnissen arbeitet, mit unausgesprochenen Wahrheiten. Da gibt es mehr, als sich offenbart. Und deswegen kann man diesen Roman kaum weglegen." Tobias Rüther, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.02.22

"Ein großes Epos über Migration und die Suche nach Lebensantworten, das sich kaum aus der Hand legen lässt." Cigdem Akyol, Kulturtipp, 06/22

Erscheinungsdatum
Verlagsort München
Sprache deutsch
Gewicht 458 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1999 • 90er • Abschied • action • Alena • Antifa • Armut • Bayern 2-Publikumspreis • Beerdigung • Buchpreis • Bundesrepublik • Czollek • Deutschland • Diskriminierung • duve • Einwanderung • Ellbogen • Emcke • Empowerment • evaristo • Fabrik • Familie • Familiengeheimnis • Familienliebe • Fest • Franzen • Frauen • Gastarbeiter • Geburt • Gesellschaft • Glaube • Gümüsay • Haratischwili • Hasters • Hengameh • Herkunft • Hierse • Hoyerswerda • Islam • Istanbul • Karosh • Kinder • Kiyak • Klassismus • Korrekturen • Kurde • Kurdisch • Lebensweise • Leky • Liebe • Longlist Deutscher Buchpreis 2022 • Männer • Mariana • Maskulinität • Migrantifa • Migration • Mölln • Moral • Motherhood • Neunziger • Özdamar • Pageturner • Pluralismus • Politik • Postmigration • Rassismus • Regretting • Rostock • Salzmann • Schröder • Sexismus • Shortlist Deutscher Buchpreis 2022 • Spannung • Stanisic • Süddeutschland • taha • Toxic • toxisch • Trans • Transgenerationell • Trauer • Trauma • Türkei • Utlu • Weiblichkeit • Whitehead • zadie • Zeitgeschichte
ISBN-10 3-446-26914-2 / 3446269142
ISBN-13 978-3-446-26914-9 / 9783446269149
Zustand Neuware
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5 Großer Familienroman einer Erzählkünstlerin

von , am 12.04.2022


Manchmal ist es mit Büchern wie mit Menschen. Man sieht die kleinen Dinge, die man an ihren kritisieren könnte, aber sie fallen einfach nicht ins Gewicht, sie ändern nichts, weil das Buch oder die Person eben schon längst den Weg ins eigene Herz gefunden hat. Dschinns hatte dorthin keinen weiten Weg, die Erzählweise von Fatma Aydemir hat mich total erreicht, berührt, eingenommen.

Aydemir erzählt die Geschichte einer Familie, die in den 1970er Jahren von der Türkei nach Deutschland zog. Der Vater, Hüseyin, kam damals als Gastarbeiter und arbeitete 30 Jahre lang bis zur Erschöpfung für seinen Lebenstraum, ein Eigenheim in Istanbul. Um dann, als er dieses Ziel endlich erreicht hat und stolz die Wohnung für seine Familie vorbereitet, alleine an einem Herzinfarkt zu sterben - die Mutter und die vier Kinder reisen zur Beerdigung hinterher.

So weit, so tragisch. Und tatsächlich spart der Roman nicht an großen Gefühlen, nein, er ist reichlich großzügig mit der Dosierung von dramatischen Familiengeheimnissen und einschneidenden Wendungen auf seinen 367 Seiten. Jedes Familienmitglied schultert ein riesiges eigenes Päckchen und mit ein bisschen Abstand zur Lektüre ließe sich durchaus kritisieren, dass dabei ungefähr kein aktueller identitätspolitischer Diskurs ausgelassen wird und dass der ein oder andere Charakter ein wenig klischeebehaftet bleibt, um allzu deutlich gesellschaftliche Missstände abbilden zu können.

Aber. Ich liebe es, wie Fatma Aydemir schreibt. Wie einfühlsam sie ihre Figuren behandelt, wie behutsam sie die Verletzungen, die Unsicherheiten, die Ängste beschreibt, mit denen die einzelnen Familienmitglieder zu kämpfen haben, während die nächste familiäre Katastrophe über sie hineinbricht. Klischees hin oder her, jeder einzelne Charakter wird hier so sehr mit Leben gefüllt, dass man gar nicht umhin kann, sie als absolut authentisch zu erleben. Jedem Familienmitglied wird ein einzelnes Kapitel gewidmet, eine eigene Stimme, die Aydemir sowohl stimmig in die im besten Sinne epische Familiengeschichte einfügt als auch in berührend lebendige Dialoge. Mal unheimlich sanft, mal erschreckend schmerzhaft ergründet Aydemir die Gründe und Abgründe einer Familie, die zu wenig miteinander spricht, und erhellt so das Thema des familiären Schweigens, welches für mich das Herz dieses wunderbaren Romans ist und spürbar durch alle Seiten pulsiert.

5 Die Problematik des Schweigens

von (Ilsenburg ), am 23.03.2022

Fatma Aydemir zeichnet sehr eindrücklich das Umfeld, mit dem sich die Familie früher in der Türkei und später in Deutschland auseinandersetzen musste. Die beengte Mietskaserne mit Blick auf die und Abgaswolken von der Fabrik ist in diesem Zusammenhang hervorzuheben, aber auch die Unterstützungsleistung, die Sevda, eine der Töchter, eine Zeit lang für ihre Großeltern in der Türkei erbringen musste. Trotz der Last, die auf jedem Charakter liegt, hatte der Roman für mich keinen deprimierenden Touch. Er ist mehr ein Augenöffner für viele Probleme, die in weiten Teilen nichts mit Migration zu tun haben. Besonders gefallen hat mir die an den jeweiligen Charakter angepasste Sprache. Die Studentin hat einen anderen Sprachgebrauch als der Autoliebhaber, die Eltern sind sprachlich klar von den Kindern abgegrenzt. Irgendwie erfrischend, weil damit der Lesefluss angetrieben wird, aber auch stark überzeichnet, finde ich die schiere Anzahl der Probleme. Das kratzt ein bisschen an der Glaubwürdigkeit des Romans, hat mich hier allerdings gar nicht gestört.

Insgesamt war Dschinns für mich ein Lesevergnügen, das ich sehr gern weiterempfehle.

5 Grandios!

von (An der Nordseeküste), am 21.03.2022

Da spart man für seinen großen Traum und dann hat man zum Schluss überhaupt nichts mehr davon. Autorin Fatma Aydemir nimmt sich hier einem besonderen und wichtigem Thema an welches uns alle angeht. Keiner weiß, wann der Tag der Tage bei uns kommen mag und vor allem, was und wie es mit den Hinterbliebenen weitergeht. Aydemir lässt in ihrer kraftvollen und sehr emotionalen Geschichte Hauptfigur Hüseyin sterben. Der Vater stirbt und Frau und Kinder bleiben, genau wie die neu erworbene Wohnung (Hüseyins größter Traum). Wir Leser werden gleich zu Beginn von Aydemir richtig ins kalte Wasser geschmissen und das war einfach nur perfekt. Wie soll man den sonst ein Ableben darstellen? Es passiert einfach und es tut weh und schockiert. Trauer sitzt tief und jeder geht damit anders um. Der Verlauf der weiteren Geschichte ist von ihr brillant gelöst - jedes Kapitel behandelt ein Familienmitglied bzw. eine verwandte Person und so lernen wir die Hinterbliebenen besser kennen. Jeder hat seinen eigenen Lebensrucksack zu tragen und jeder hat seinen Traum, genau wie ihn Hüseyin hatte. Dieses zarte Gebilde ist aber so fragil und die Frage ist, auf welchen Pfeilern steht es nun. Die Mutter ist nun das Oberhaupt, aber schafft sie das? Kann sie das? Was passiert mit den Kindern? Jeder von ihnen hat sein Leben. Aydemir packt in ihren Roman so viele wichtige Parts, dass das Buch gewaltig nachhallt nach jedem Kapitel. Hier und da entsteht Drama, da wiederum ist eine tiefe Trauer und woanders gibt es Menschen die erstmal alles realisieren müssen. Sie schreibt so herrlich vielseitig und dennoch trifft sie ihren Tenor auf den Punkt. Ihre Worte sind klar und präzise und sie zeichnet ein sehr klares Bild ab, welches des öfteren auch polarisiert. Es tauchen unweigerlich viele Fragen auf und das liegt nicht an der Religion, sondern die betreffen jeden von uns. Aydemir beleuchtet ebenfalls die Themen Migration, Integration, Gastarbeit, Völkerverständigung, andere Religionen und Kulturen, Weitsicht, Umsicht, Familie uvm. und schlussendlich packt sie alles sehr gekonnt und wohl dosiert in diesen Roman. Kann man kaum glauben, aber es passt alles perfekt. Ihr Sprachverlauf ist packend und fesselnd und wir verstehen viele Situationen immer besser. Wie heißt es aber immer so schön?: „Das Beste kommt zum Schluss“ und genau so ist es auch hier. Das Ende ist einfach nur wow und kam so völlig unerwartet. Gut, es war hier und da ein wenig viel Drama, aber es passte. Die Geschichte ist so wirklich rund und gelungen, da darf auch ein wenig mehr Drama rein.
„Dschinns“ ist eine echter Lesegenuss und erhält von mir verdiente 5 von 5 Sterne.

5 Meisterwerk

von , am 17.03.2022

Fatma Aydemirs „Dschinns“ wird wohl einer der bedeutendsten Gesellschaftsromane des Jahres. Aydemir stellt uns Hüseyin vor, der seit dreißig Jahren in Deutschland lebte. Während dieser dreißig Jahre hat Hüseyin unglaublich hart gearbeitet, ja sich beinah kaputt gearbeitet, nur damit seine Familie ein besseres Leben in Deutschland führen kann. Nach diesen harten Jahren möchte er sich nun endlich seinen Traum erfüllen und eine Eigentumswohnung in Istanbul kaufen. Doch kaum hat er die Wohnung zum ersten Mal betreten bricht er zusammen und verstirbt an einem Herzinfarkt. Seine Familie reist sofort aus Deutschland nach Istanbul und ist gezwungen, sich dort von Ihrem Familienoberhaupt zu verabschieden. Doch neben der Auseinandersetzung mit ihrer Trauer sind die Mitglieder auch gezwungen, sich mit ihren eigenen Problemen, Geschichten und Nöten auseinanderzusetzen.

Anhand des Beispiels von Hüseyin erzählt Fatma Aydemir das Schicksal türkischer Einwanderfamilien. Die Familie scheint während der Jahre in Deutschland weit auseinandergerissen zu sein und ihre eigenen Leben aneinander vorbei zu leben. Erst der Tod ihres Familienoberhaupts zwingt die Familie zusammen und verbindet so schlussendlich die unterschiedlichen Familiengeschichten erneut. Neben der Auseinandersetzung mit der Trauer erlaubt uns Aydemir auch einen intensiven Einblick in die individuellen Leben der anderen Familienmitgliedet, etwa mit der Suche nach der eigenen Sexualität oder der Frage der Herkunft.
Fatma Aydemir erzählt diese Geschichten mit so einer sprachlichen Gewalt und gewählter Emotionalität, dass die Lektüre des Werkes einen unglaublich bewegt zurück lässt. Nach der Lektüre blieb eine Gänsehaut zurück, die nur erneut unterstreicht, was ein Meisterwerk Fatma Aydemir hier geschaffen hat.

5 wo ist unsere Heimat

von (Wuppertal), am 08.03.2022

Die Fakten:

Dieser 368-seitiger Roman aus dem Hanser Verlag wurde von der Preisgekrönten Autorin Fatma Aydemir geschrieben und wurde bereits mit dem Robert-Gernhardt-Preis ausgezeichnet.

Das Cover:

Das Cover ist nicht auffällig, ein lila/blauer Hintergrund vorne der Autorenname, der Buchtitel sowie die Hinweise auf den Verlag und das es sich um einen Roman handelt.
Das Buch wird als Hardcover verkauft mit einem Lesebändchen.
Preis: 24,70 €.

Die Geschichte:

In diesem Roman geht es um die Hauptperson Hüseyin der als junger Mann als Gastarbeiter nach Deutschland kommt. Er wächst hier auf, arbeitet und gründet eine Familie.
Er erfüllt sich seinen Traum von einer eigenen Wohnung in Istanbul und möchte seine Familie nachholen, in seine Heimat.
Leider beginnt es bereits sehr traurig und Hüseyin stirbt in seiner Wohnung alleine. Ist hier nicht schon bereits alles gesagt. 30 Jahre wird hart gearbeitet in einem Land in dem man sich nicht zuhause fühlt. Endlich angekommen am scheinbaren Glück, zerbricht alles. Es endet. Welch ein Schicksal.
Doch es geht weiter. Die Familie von Hüseyin reist nach Istanbul um sich von Ihren Mann und Vater zu verabschieden.
Wir lernen Hüseyins Frau Enime kennen und seine 4 Kinder. Jeder mit seiner eigenen Geschichte.

Fazit:

Dshinns, ein Roman der anders ist als gedacht.
Wer hier denkt er bekommt nur einen langweiligen Familienroman geboten, der irrt. Selten habe ich ein so gewaltiges nachprägendes Buch gelesen mit so viel Tiefe, Emotionen und Ehrlichkeit.
Ein Buch was noch lange nachhallt und auch wenn der Preis vorerst hoch erscheint, bekommt man für fast 25 € mehr als nur ein Buch geboten.
Man selber denkt über sein Leben nach, über die Menschen die nicht in Deutschland geboren wurden. Die Menschen die alles aufgeben um in einem fremden Land Ihr Glück zu suchen. Die Menschen die alles für Ihre Familie tun würden damit Sie es einmal besser haben.
Aber ist das wirklich so?

Absolut verdiente 5 von 5 Sterne.

4 Die Familiengeschichte türkischer Einwanderer

von , am 20.02.2022

Vor langer Zeit kam Hüseyin nach Deutschland, um hier Arbeit zu finden und eine Zukunft für seine Familie aufzubauen. Erst Jahre später holte er seine Frau ein einige seiner Kinder aus der Türkei zu sich, um ihnen ein besseres Leben zu bieten. Als Abschluss seines Lebens sehnte er sich nach 30 Jahren zurück in die Türkei, kaufte eine Wohnung und freute sich auf einen Lebensabend im Kreise seiner Familie. Doch bevor er dies realisieren kann, erleidet Hüseyin einen Herzinfarkt und stirbt allein in der neu gekauften Istanbuler Wohnung. Ein jeder seiner Kinder fängt an, die Vergangenheit mit eigenen Augen und aus seinem jeweiligen Blickwinkel zu sehen und zu beschreiben.

Mit einem relativen unscheinbaren und schlichten Cover geht es los, bevor der Leser in eine ganz eigene Schreibweise der Autorin in Bezug auf Hüseyin hineingeworfen wird. Der Leser spricht den sterbenden Mann direkt an, wird ihm auf diese Weise an die Seite gestellt und verfolgt so auf eine ganz besondere Weise die Geschehnisse.
Während diese Schreibweise das Buch eröffnet und abschließend beendet, werden die Sichtweisen der Kinder nach bekanntem Schema eröffnet. Ein jeder kommt zu Wort, legt in langen Passagen und Beschreibungen dar, wie es ihm ergangen ist im jeweiligen Leben und wie die generellen Beziehungen untereinander waren.
Eine Familiengeschichte wird dem Leser auf diese Weise aufgezeigt. Probleme und Zusammenhalt, Vorgaben und Regeln werden aufgeführt, indirekt kritisiert. Doch während ich mich auf eine interaktive Geschichte gefreut habe, in der der Leser Teil der Großfamilie wird, wird er immer nur einzelnen Personen an die Seite gestellt und lernt so immer nur einen Teil des Kuchens kennen. Ebenso schwierig fand ich die langen Passagen und Rückblicke, die gegeben werden, um die jeweiligen Situationen der Kinder zu beschreiben. Für meinen Geschmack langatmig und ohne viel Leben machten sie mir das Lesen schwer.

Dennoch ein wuchtiger Roman über die Schwierigkeiten, die Annahmen und die Sichtweisen einer türkischen Einwandererfamilie in Deutschland, bei der jeder zu Wort kommt.

3 Familiengeheimnisse

von , am 19.02.2022

Tja, was soll ich sagen. Ich hatte mir mehr erhofft. Fatma Aydemir schildert eine Familie, die geprägt ist vom Generationenkonflikt, vom Beharren auf Traditionen, die die Kinder so nicht leben wollen. Mit überaus dichter Präzision wirft sie den Blick auf die Familienmitglieder, auf ihre Gedanken, Wünsche und Ängste. Jedes der Familienmitglieder hat seine eigene Erzählperspektive, mit der es auf sich, die Familie und das Leben im Allgemeinen blickt Dabei entstehen durchaus sehr ergreifende Bilder, die mich berührten und bewegten. Von Ümit, der sich verliebt, aber dem alle sagen, dass es eine solche Liebe nicht gibt, nicht geben darf. Von Sevda, die alles erreicht zu haben scheint, doch die alleine dasteht mit ihrem Restaurant, ihren zwei Kindern und die um jeden Preis verhindern will, dass sie wird wie ihre Mutter. Einer Mutter, der sie vieles vorwirft, einer Mutter, mit der sie sich nicht mehr annähern kann. Peri, die wegging von der Familie, aber dabei eine Liebe verloren hat und die sich jetzt sehnt nach Hingabe und Zuneigung. Hakan, der immer wieder die falschen Deals macht, die falschen Freunde hat, der mitmachen will bei den großen Jungs und dessen Part doch am unerträglichsten zu lesen war. Und natürlich ist da noch Emine, die Ehefrau und Mutter, die nie nach Deutschland wollte, die nicht nur ihre Wurzeln in der Vergangenheit zurücklassen musste. Sie hat viel verloren, doch darüber sprechen kann sie nicht, sie vergräbt es tief in sich, die Kinder liebt sie und doch ist das Verhältnis schwierig, v.a. zu Sevda, mit der sie alles schlechte verbindet.

Diese Einzelperspektiven sind gut, sie sind toll, eindringlich geschrieben, man ist hautnah dabei. Doch dann kommt der Schnitt, die nächste Persektive, und man braucht seine ganze Aufmerksamkeit um sich auf die neue Person einzustellen. Das was vorher war, verblasst dabei erschreckend schnell und man hat rückblickend das Gefühl, eigentlich doch nichts von der Person zu wissen. Als Aneinanderreihung der Perspektiven bleibt mir dieses Konstrukt zu distanziert, es sind nur Momentaufnahmen, Bilder in einem Album, die sich nicht zu etwas Ganzem verbinden. Jede der Figuren scheint isoliert zu stehen, sowohl im Buch, als auch in der Familie, ein Gespräch ist schwierig, für mich als Leserin auch. Der titelgebende Dschinn, der böse Geist, der die Menschen befällt, lauert über allem, doch spielt er im Buch selbst eher eine Nebenrolle.

Alles in allem hatte ich nach zahlreichen begeisterten Rezensionen das Buch des Jahres erwartet, doch nach der Lektüre bleibe ich etwas ratlos zurück. Die Familiengeschichte hat für mich als kurzer Blick hinter die einzelnen Kulissen begeistert, doch als Roman funktioniert es für mich nicht. Hinzu kommt leider ein mMn ziemlich klischeehafter Schluss, dessen Twist ich nicht gebraucht hätte. "Dschinns" ist ein gutes Buch, solide geschrieben, dessen Lektüre sicher nicht schadet, das mir jedoch nicht lange im Gedächtnis bleiben wird.

4 Die inneren Ungeheuer

von (Potsdam), am 14.02.2022

Im Roman „Dschinns“ erfahren wir eine Sicht türkischer Gastarbeiter auf Deutschland. Das arme Deutschland, das kalte und herzlose Land (Seite 9) kommt dabei nicht besonders gut weg. Hier wird das Geld verdient, was in der türkischen Heimat nicht zu verdienen ist und dazu muss man eine fremde Sprache lernen, was der älteren Gastarbeitergeneration meist nicht besonders gut gelingt. (Allen anderen älteren Generationen natürlich auch nicht.)

Da sowohl die Arbeit am Buch, wie auch der Aufenthalt der Autorin hier gefördert wurde, hätte ich mir an manchen Stellen gewünscht, dass unser Land besser dabei weg gekommen wäre. Zwar: Ob das dann noch realistisch gewesen wäre, sei dahingestellt. Das Obligatorische: Bin ich Männlein oder Weiblein? Kommt auch, aber ohne das wohl keine Förderung.

Aber: Worum geht es? Hüseyin, das Oberhaupt dieser Familie, die hier beschrieben wird, stirbt plötzlich und unerwartet nach dreißig Jahren Arbeit in Deutschland in der lange erträumten und frisch erworbenen Eigentumswohnung in Istanbul. Jetzt müssen Frau und die vier Kinder zur Beerdigung von Deutschland in die Türkei fliegen. Und schnell muss es gehen. Sevda, die älteste Tochter und Hakan, der älteste Bruder, schaffen das nicht pünktlich. Emine, die Mutter, gerät bei der Beerdigung mit ihrer Schwägerin aneinander, die sie zutiefst verabscheut. Emine verabscheut Ayşe schon fast ihr ganzes Leben lang. Warum erfahren wir im Lauf der Handlung.

Jedes Familienmitglied bekommt ein Kapitel für sich, auch Perihan, die jüngere Schwester, und Ümit, der jüngere Bruder. Jeder von ihnen trägt seine „Dschinns“ mit sich herum. Die belastenden Dinge, die inneren Ungeheuer, die nicht verarbeiteten Traumata. Es ist ein schwieriges Leben ohne die Wurzeln, die man irgendwo eingraben kann. „Weil man nur dort zuhause war, wo man jemanden hatte, der einen verstand.“ (Seite 275)

Der Roman liest sich extrem flüssig, ist sehr, sehr gut geschrieben, Respekt. Die Autorin ist in Deutschland geboren und dies ist keine Übersetzung. Also: Deutsch ist ihre Muttersprache, wenn sie auch türkischer Abstammung ist. Inwieweit der Roman autobiographisch sein könnte, weiß die Leserin nicht.

Worüber die Leser auch durchaus mal nachdenken sollten, das ist die „Sinnlosigkeit“ unserer deutschen Vorgärten, in denen nur getrimmtes Gras steht und nichts Nahrhaftes wächst. (Seite 95)
Oder weiterhin Nachdenkenswertes: „[…] wie in Deutschland, wo jeder allein in seinem Zuhause sitzt und jede Geldmünze dreimal umdreht und alle immer nur bei der Arbeit oder im Bett sind.“ (Seite 300)

Fazit: Interessante Lektüre, genauso empfehlenswert, wie zwiespältig. Durchaus spannend, bei mir läuft es auf vier Sterne hinaus. Den einen Stern muss ich (leider!) abziehen, da mal wieder ein Protagonist nicht weiß, ob er lieber Männlein oder Weiblein ist. Wenn auch genial eingeflochten. Nicht schlimm das, aber es geht ja im Genderland kaum noch "ohne".

5 berührend und mitreißend

von , am 10.02.2022

Worum geht es?
Als Hüseyin überraschend verstirbt müssen sich die anderen Familienmitglieder mit sich selbst, mit den anderen und mit ihrem Leben auseinander setzen.

Worum geht es wirklich?
Familie, eigene Wege und Schmerz

Lesenswert?
Absolut, ein wundervolles Buch. Alles beginnt mit Hüseyins spontanem Tod in der frisch erworbenen Istanbuler Wohnung, während der Rest der Familie noch in Deutschland weilt. Zur Beerdigung reist nun aber die ganze Familie an - oder sollte es zumindest.
Die Vergangenheit und eigene Entscheidungen haben bei den Familienmitgliedern Wunden hinterlassen und die Familie ist sehr brüchig. Nach und nach wird jede*rm der fünf anderen Mitglieder ein Kapitel gewidmet und man erfährt die Hintergründe. Alle fünf sind grundverschieden, haben identische Situationen anders erlebt und interpretiert und anders verarbeitet.
Es gab wirklich keine Perspektive, die mich nicht gepackt hat, die mich nicht hat schlucken lassen, die nicht nach meinem Herz gegriffen hat. Nach jedem Kapitel habe ich damit gerechnet, dass ich die kommende Perspektive nicht nachvollziehen kann oder mir die Person im Mittelpunkt unsympathisch sein wird. Und dann war einfach alles so berührend, so aufwühlend und so mitreißend.
Ich habe Aydemirs Schreibstil sehr genossen, fand die Art des Erzählens interessant, gut lesbar und passend. Sie hat wunderbar lebendige Protagonist*innen geschaffen voller Leben und Emotionen. Sehr faszinierend, wie man auf nicht vielen Seiten Personen so viel Leben einhauchen kann, soviel Gefühl vermitteln kann und anhand weniger ausgewählter Szenen so lebendige Charaktere erzeugen kann. Vieles wird nicht ausgesprochen, nur angedeutet, viel Feinheit schwingt in den einzelnen Kapiteln mit.
Die große ganze Geschichte empfand ich als stimmig und interessant, fand die kurzen Einblicke in die unterschiedlichen Leben sehr authentisch.
Es ist schwierig in Worte zu fassen, was dieses Buch auslöst. Es ist schön und auch oft berührend, es birgt viel Trauer und schmerzt beim Lesen oftmals. Und dennoch (oder deshalb?) habe ich dieses Buch sehr gerne gelesen, mich davon fesseln lassen und kann es wirklich empfehlen.

5 Bewegende Familiengeschichte!

von , am 09.02.2022

Das Buch hat mich von Anfang bis Ende gefesselt. Jedes Kapitel ist aus der Sicht eines anderen Familienmitglieds geschrieben. Dadurch lernt man die Familie Yilmay sehr gut kennen. Ich war überrascht, wie unterschiedlich die Geschwister eigentlich sind. Jede Person hat ihr eigenes Päckchen zu tragen und es kommen Geheimnisse ans Licht, die jahrelang verborgen geblieben sind. Das hat den Roman sehr spannend gemacht! Dennoch fällt auf, dass eine große Gemeinsamkeit zwischen den Geschwistern im Wunsch besteht, seinen Platz in der Gesellschaft zu finden und die Frage nach der eigenen Identität zu lösen.

Durch die wechselnden Perspektiven und verschiedenen Persönlichkeiten werden dem Roman sowohl Dynamik als auch viel Gefühl verliehen. Die Geschichten gehen alle sehr nahe und offenbaren die klaffenden Wunden und Risse, die durch die Familie gehen. Mich hat jede Geschichte sehr bewegt und der Schreibstil wirkte auf mich sehr beruhigend und angenehm. Das Aufeinandertreffen von Kulturen und dessen Schwierigkeiten werden hier grandios und vielseitig dargestellt.

Fazit: "Dschinns" ist ein bewegender Familienroman, der mich emotional gepackt hat und durch das Aufdecken von Geheimnissen noch dazu sehr spannend ist! Vom Inhalt mal abgesehen ist auch das Cover ein echtes Highlight!

5 Wer bin ich?

von , am 08.02.2022

Das ist die immer wiederkehrende Frage, die sich die Charaktere in „Dschinns“ stellen müssen. Und sie lässt sich nicht leicht beantworten. Die Türkei haben die Kinder von Hüseyin und Emine kaum kennengelernt, die kurdische Sprache ihrer Vorfahren nie beherrscht. Die Familie ist für sie in Deutschland so wichtig wie die Luft zum Atmen, sie ist aber genauso eine Schlinge um den Hals, denn für die Eltern sollen alle möglichst „normal“ sein: Ein Mann hat sich als richtiger Mann zu beweisen, eine Frau muss sich unterordnen und darf auf keinen Fall zu viel wollen. Die Vergangenheit wird verdrängt, die Gegenwart verschwiegen und so kämpft jeder einsam seinen Kampf mit sich selbst und seinen Dämonen auf der Suche nach Identität. Fatma Aydemir findet dafür immer den richtigen Ton, mal laut, aber meistens leise, mal krude, hin und wieder geradezu poetisch. Ein wirklich beeindruckender Roman.

5 Wer bin ich?

von , am 08.02.2022

Das ist die immer wiederkehrende Frage, die sich die Charaktere in „Dschinns“ stellen müssen. Und sie lässt sich nicht leicht beantworten. Die Türkei haben die Kinder von Hüseyin und Emine kaum kennengelernt, die kurdische Sprache ihrer Vorfahren nie beherrscht. Die Familie ist für sie in Deutschland so wichtig wie die Luft zum Atmen, sie ist aber genauso eine Schlinge um den Hals, denn für die Eltern sollen alle möglichst „normal“ sein: Ein Mann hat sich als richtiger Mann zu beweisen, eine Frau muss sich unterordnen und darf auf keinen Fall zu viel wollen. Die Vergangenheit wird verdrängt, die Gegenwart verschwiegen und so kämpft jeder einsam seinen Kampf mit sich selbst und seinen Dämonen auf der Suche nach Identität. Fatma Aydemir findet dafür immer den richtigen Ton, mal laut, aber meistens leise, mal krude, hin und wieder geradezu poetisch. Ein wirklich beeindruckender Roman.

4 intensiv

von , am 06.02.2022

Dschinns, das sind die Geister, die es in jeder Familie irgendwo gibt. Bei der türkischen Familie Yilmaz sind es düstere und dunkle Geister, die alle belasten und an denen alle schwer tragen. Die Dschninns stehen seit Jahren zwischen ihnen. Sprachlosigkeit, Zorn und Wut sind tief in die Herzen eingegraben. Als das Familienoberhaupt Hüseyin überraschend stirbt, trifft sich die ganze Familie und die alten Kämpfe brechen auf.

Aus den verschiedenen Perspektiven der Familienmitglieder erzählt die Autorin messerscharf und sehr nah an den Personen dran. Das ist oft schmerzhaft zu lesen und unglaublich glaubhaft. Nach und nach erkennt man die Spirale, die all das in Gang gesetzt hat. Die aufbrechenden Wunden, der Eiter, der herausströmt, hat aber bald das Potential zu einer Heilung, die man der Familie wünscht. Aber die Autorin hat noch einen Trumpf in der Hand.

Anspruchsvoll und intensiv.
Eine tolle Coveraufmachung.

5 Geheimnisse und Geister

von , am 05.02.2022

Was hält eine Familie zusammen und was bringt sie auseinander? Mit ihrer intensiven interkulturellen Familiengeschichte „Dschinns“ greift Fatma Aydemir auf herausragende und ergreifende Weise gesellschaftsrelevante Themen auf und verwebt diese in ein berührendes Puzzle voller unausgesprochener Geheimnisse innerhalb einer deutsch-türkischen Familie.

Klug und präzise komponiert kommen anfangs und zum Ende auch die Dschinns zu Wort – diese mythologische Geisterwesen können aus einer Art Zwischenwelt Einfluss auf das Wesen eines Menschen nehmen. In Aydemirs kraftvoll geschilderten Erzählung sind es eher die Traumata, Geheimnisse und Leerstellen einer Familie, die nie gelernt hat miteinander ehrlich zu kommunizieren.

Ein kraftvoller und packender Roman voller psychologisch feinfühligen Beobachtungen und tiefsinnigen Themen zwischen Adoleszenz, Migration und Interkulturalität – literarisch brillant und authentisch umgesetzt. Absolut lesenswert!

5 Familiengeheimnisse

von , am 05.02.2022

Hüseyin kommt als "Gastarbeiter" nach Deutschland. Schließlich zieht seine Familie aus der Türkei nach. Sein ganzes Leben lang arbeitet er im Schichtdienst in der Fabrik und legt Geld zu Seite bis er sich endlich eine Wohnung in Istanbul leisten kann. Hier will er sich mit seiner Frau Emime zur Ruhe setzen. Am ersten Tag in der Wohnung stirbt er jedoch an einem Herzinfarkt.
Die Geschichte wird aus der Sicht von Hüseyin, seinen zwei Töchtern und zwei Söhnen sowie seiner Frau geschildert. Eine Familiengeschichte und gleichzeitig eine Geschichte über Migration, fehlende Integration und alltäglichen Rassismus.
Die einzelnen Abschnitte sind jeweils authentisch aus den jeweiligen Perspektiken geschrieben. Die wunderbaren Metaphern, die die Autorin nutzt, verdeutlichen die Inhalte auf eine ganz besondere Art.
Es ist kein "angenehmes" Buch. Es löst jede Menge Emotionen aus. Mit seiner brutalen Ehrlichkeit und Klarheit wird der Finger in die Wunde gelegt. Man schaut dorthin, wovor man oft lieber die Augen verschließen möchte. Und es kommen Geheimnisse zu Tage, die wir nicht nur vor anderen, sondern auch vor uns selbst verbergen wollen. Eine absolute Leseempfehlung von mir.

5 Über die Auswirkungen der Vergangenheit auf die Gegenwart einer Familie

von (Köln), am 02.02.2022

Kapitel für Kapitel seziert Fatma Aydemir die individuellen Lebenssituationen im Spannungsfeld von Diaspora, Ausgrenzung, Selbstfindung, Individualität und Familie, erzählt von unterschiedlichen Wegen, sich zu lösen und doch verbunden zu bleiben, von nicht hinterfragten Vorurteilen nicht nur von "außen", sondern auch innerfamiliär. Die Spannbreite der Charaktere bietet einen Einblick in die Schwierigkeiten, denen Menschen begegnen, wenn sie ihre Identität mit Zwängen und Anforderungen nicht nur der Gesellschaft, sondern auch der eigenen Familie übereinander bringen. Dabei verzichtet die Autorin auf eine eindimensionale Darstellung der Figuren als passive Opfer, sondern verleiht ihnen Handlungsmacht, lässt sie streiten, gegen Erwartungen verstoßen, lässt Raum für Fragen, auf die es keine Antwort gibt.

Die unterschiedlichen Perspektiven ermöglichen einen vielschichtigen Zugang zum Roman und brechen mit Stereotypen über sogenannte "Gastarbeiter*innen". Aushandlungsprozesse auf gesellschaftlicher und zwischenmenschlicher Ebene führen zu völlig verschiedenen Lebensentwürfen und Einstellungen - seien es die Interaktion mit anderen Familien oder der Umgang mit Stereotypen, die von außen wirken, seien es die innerfamiliären Spannungen, Geheimnisse, Konflikte.

Obwohl ein solches Buch leicht im Klischee versinken könnte, ist das bei "Dschinns" nicht der Fall. Dass viele der lang unterdrückten Konflikte und Fragen, einige der Dschinns, auch in einer Familie ohne Migrationsgeschichte oder mit anderer Geschichte auftauchen können, verhindert, den Roman exotisierend als Auseinandersetzung mit "den anderen" zu lesen. Es ist gerade eine Stärke des Buchs, die Migrationsgeschichte stets mitlaufen zu lassen, ohne die Handlung und die Figuren darauf zu reduzieren. So werden oft übersehene marginalisierte Identitäten und Lebensrealitäten beleuchtet, ohne bloß Diskriminierungserfahrung auf Diskriminierungserfahrung zu türmen und die Figuren darüber zu definieren, wird mit jeder homogenisierenden Vorstellung über türkeistämmige Familien gebrochen und gerade auch verdeutlicht, dass ethnische Spannungen innerhalb der Türkei sich vielfältig auf Diasporafamilien auswirken können - denn wenn man in Deutschland pauschal als Teil der türkischen Minderheit wahrgenommen wird, in der Türkei jedoch ebenfalls Assimilationszwängen ausgesetzt ist - was bedeutet das für die Familiengründung, wie wird eine solche Erfahrung an die Kinder weitergegeben und was wird dadurch verleugnet? Gerade durch das Bewusstsein für Ambivalenzen, die Komplexität der Charaktere und ihre völlig unterschiedlichen Lebensentwürfe wird die Unmittelbarkeit der Handlung mit Sensibilität gegenüber den Figuren verbunden, berührt und fragt nach den Auswirkungen der Vergangenheit auf die Gegenwart einer Familie.

"Dschinns" ist durchweg spannend, schafft eine authentische Atmosphäre der späten 1990er und wirkt, wie schon "Ellbogen", einige Zeit nach.

5 Geister im Kopf

von , am 31.01.2022

Fatma Aydemir hat mit ihrem ergreifenden Gesellschaftsroman „Dschinns“ eine berührend-intensive deutsch-türkische Familien- sowie Einwanderungsgeschichte erschaffen, die mit einer kraftvollen poetischen und feinsinnig nuancierten Prosa tief bewegt und in die Seelen sowie Dschinns der erzählenden Familienmitglieder blicken lässt.

Familienoberhaupt Hüseyin kam als türkischer Gastarbeiter vor Jahrzehnten nach Deutschland, um sich Wohlstand aufzubauen – als er es endlich vollbracht hat, mit viel Liebe zum Detail eine Eigentumswohnung in Istanbul fertigzustellen, erleidet er einen Herzinfarkt und stirbt. Voller Trauer, Erinnerungen und unausgesprochenen Verletzungen reisen fast alle Familienmitglieder an, um Baba seine letzte Ehre zu erweisen. Aydemir lässt nun kapitelweise die Protagonisten Ümit, Sevda, Peri, Hakan und Mutter Emine aus ihrem Leben zwischen den Kulturen, familiären Zwängen und dem schwierigen Ankommen in Deutschland feinfühlig erzählen – dabei changiert sie klug zwischen dem Heute und Fragmenten aus der Vergangenheit, zwischen der Türkei und Deutschland, zwischen Freude und Schmerz, dem Ankommen und schmerzvollen Rassismus im Land, zwischen unerfüllter Liebe und nie Ausgesprochenem in der Familie, in der jeder mit seinem eigenen Dschinn in der Seele kämpft. Diese mythologischen Geistwesen einer Parallelwelt können laut dem islamischen Glauben auf den Menschen einwirken und sie werden besser nicht gerufen. Doch in Aydemirs sind es eher die seelischen Wunden und unverarbeiteten Traumata, Unausgelebtes, Zurückgedrängtes und fehlende Nähe so wie zwischen der depressiv-herrschenden Mutter und Tochter Sevda, die erst später nach Deutschland geholt wurde.

„Vielleicht sind das die Dschinns, die Wahrheiten, die immer da sind, die immer im Raum stehen, ob man will oder nicht, aber die man nicht ausspricht, in der Hoffnung, dass sie einen dann in Ruhe lassen, dass sie im Verborgenen bleiben für immer.“ S. 193

Poetisch und mit psychologischer Wucht und präziser Beobachtungsgabe zeichnet sie jedes Familienmitglied sehr plastisch, dringt tief in ihr Innerstes und zeigt neben den unerfüllten Lebensträumen und der Suche nach Identität nicht nur die kulturelle Zerrissenheit, sondern auch die fremdenfeindlichen Spaltungen in unserer Gesellschaft. Im letzten aufwühlenden und leicht rätselhaften Kapitel blickt Emine in der leeren, unbewohnten Wohnung in ihr Spiegelbild – und entdeckt etwas viel Größeres. Ein hervorragend gut komponierter und tiefsinniger Roman, der so schnell nicht loslässt!

„Vielleicht heißt, sich vor den Dschinns zu fürchten, nicht unbedingt zu verstehen, was ein Dschinn ist. Ist das nicht so wie mit dem Tod? Das Vage, das Ungewisse, das Dunkle, das die Menschen verängstigt, weil es nichts Greifbares ist, weil sie es mit ihren eigenen Fantasien ausfüllen müssen und nichts erbarmslungsloser ist als die eigene Fantasie?“ S. 185

5 Kulturelle Risse

von , am 21.01.2022

„Dschinns“ heißt dieser bewegende Roman Fatma Aydemirs, in dem aus den Perspektiven aller Familienmitglieder der Familie Yilmay erzählt wird. Es beginnt mit dem Vater Hüseyin, der kurz vor der Rente steht und meint, am Ziel seiner Träume angelangt zu sein, als ihn in der für seine Familie gekauften, und frisch renovierten Eigentumswohnung in Istanbul ein Schlaganfall ereilt, den er nicht überlebt. Seine vier Kinder und seine Frau Emine machen sich auf den schwierigen Weg von Deutschland in ihr Herkunftsland Türkei, denn nach muslimischem Verständnis muss ein Verstorbener noch am selben Tag beerdigt werden. Nicht alle Familienmitglieder schaffen es rechtzeitig zur Beerdigung. Ihr Weg nach Istanbul scheint eine Annäherung an die Familie, die eigenen Wurzeln und eine Auseinandersetzung mit tief verborgenen Wunden, die man sich gegenseitig zugefügt hat bzw. die einem das Leben beschert hat.
Diese Familienschicksale vermitteln den Lesern eindrückliche Einblicke in das Leben von Menschen, die in verschiedenen Kulturen zu Hause sind, und sich dennoch nicht wirklich angenommen und verstanden fühlen, die auf dem Weg zu ihrem eigenen Leben immer wieder an Grenzen stoßen, gegen die sie anrennen, die sich aber nicht so einfach überwinden lassen.
Bewegend, tröstlich, traurig und schonungslos.

5 Faszinierender und emotionaler Roman - unbedingte Leseempfehlung!

von , am 21.01.2022

Die Geschichte der Familie Yilmaz hat mich von Anfang an gefesselt und zutiefst berührt. Das Buch ist in anspruchsvollem und intelligentem Sprachstil geschrieben. Ich konnte eintauchen in das Leben der Familie Yilmaz, mich einfühlen in ihre Sorgen und seelischen Nöte. Das Buch verdeutlicht dem Leser auch die Schwierigkeiten, mit denen eine Familie in einem fremden Land leben muss.

Für diese großartige und faszinierende Geschichte unbedingte Leseempfehlung und hochverdiente 5 Sterne von mir!
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