Man vergisst nicht, wie man schwimmt (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman | »Ein Buch, das so besonders ist.« Christine Westermann
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
400 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-44014-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Man vergisst nicht, wie man schwimmt -  Christian Huber
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»Die einzige Möglichkeit, etwas vom Leben zu haben, ist, sich hineinzuwerfen.« 31. August 1999. Sengende Hitze liegt über Bodenstein, dem Heimatkaff des 15-jährigen Pascal. Es sind die großen Ferien, und eigentlich könnte der Junge den Sommer genießen. Den Skatepark. Die Partys der Oberstufler. Das Freibad mit den besten Pommes des Planeten. Doch seit er nicht mehr schwimmen kann, mag Pascal den Sommer nicht mehr. Warum das so ist, das kann er nicht erzählen. Ebenso wenig, wieso ihn alle Krüger nennen. Und erst recht nicht, warum er sich unter keinen Umständen verlieben darf. Lieber träumt er vor sich hin und schreibt Geschichten. Dann kracht Jacky in seine Welt. Ein geheimnisvolles Mädchen aus dem Zirkus. Mit roten Haaren, wasserblauen Augen und keiner Angst vor nichts. Zusammen verbringen sie einen flirrenden, letzten Sommertag, der alles für immer verändert ...

Christian Huber, geboren in Regensburg, schreibt für Print, Online, Fernsehen und die Bühne. Mit dem Team von Jan Böhmermanns »Neo Magazin Royale« wurde er u.a. für die Goldene Kamera und den Deutschen Comedypreis nominiert. Sein Podcast »Gefühlte Fakten« zählt zu den beliebtesten Deutschlands. Sein Roman »Man vergisst nicht, wie man schwimmt« eroberte sofort die Bestsellerlisten. Der Autor lebt in Köln.

Christian Huber, geboren in Regensburg, schreibt für Print, Online, Fernsehen und die Bühne. Mit dem Team von Jan Böhmermanns »Neo Magazin Royale« wurde er u.a. für die Goldene Kamera und den Deutschen Comedypreis nominiert. Sein Podcast »Gefühlte Fakten« zählt zu den beliebtesten Deutschlands. Sein Roman »Man vergisst nicht, wie man schwimmt« eroberte sofort die Bestsellerlisten. Der Autor lebt in Köln.

ICH ERINNERE MICH NOCH, dass mit einem Mal kein Prasseln mehr zu hören gewesen war. Das ist seltsamerweise das Erste, was mir einfällt, wenn ich an diesen Tag zurückdenke. Und wie eigenartig sich der Morgen anfühlte. Die Dämmerung. Verschobene Konturen, als blickte man durch Wasser.

Verzerrt von oben und erst dann klarer zu erkennen, wenn man schließlich untertaucht und unter Wasser die Augen öffnet.

Damals, an diesem 31. August 1999.

Da sind wir.

Jacky. Viktor. Ich.

Eine Freundschaft.

Eine Liebe.

Und ein Tod.

Und das ist die Geschichte.

Plötzlich war ich wach. Ich schaute auf vergilbte Raufasertapete. Dann im Halbdunkel durch den Raum. Ich wusste nicht, was mich geweckt hatte. Ich wusste nur, dass ich nicht wach sein wollte. Vor allem nicht um diese Uhrzeit. Ich hatte geträumt. Und ich wollte zurück in meinen Traum.

Es hatte geregnet. Doch jetzt, im Morgengrauen, schien der Regen endlich aufgehört zu haben, was bedeutete, dass ich mein Dachfenster endlich aufschieben konnte. Ohne meinen Traum loszulassen.

Ein Mädchen. Das Gesicht von Anna. Die Locken von Ayla. Und sie fand mich gut.

In meinem Traum sah ich aus wie ich. Fast. Ich war etwas über einsachtzig, blond und hatte die Haare kurz geschoren. Nur war ich in diesem Traum nicht erst fünfzehn. Und ich hatte ein kantiges, männliches Gesicht. Nicht so ein weiches, blasses mit Augenringen. In dieser Parallelwelt war ich durchtrainiert. Und nicht so dürr, dass es mir die Rippenbögen rausdrückte. Und mein Brustkorb war … normal. Ich dachte: Warum bin ich jetzt hier und nicht mehr dort?

Ein okayer Satz. Musste ich mir merken.

Ich schrieb Warum bin ich jetzt hier und nicht mehr dort? in mein zerfleddertes Notizbuch, das immer auf meinem Nachttisch lag, das ich hütete wie einen Schatz und das voll war mit Gedanken, Entwürfen und Geschichten. Und Träume lieferten die besten Geschichten. Mit dem, was andere so erlebten.

Dass ich Geschichten schrieb, das hatte ich noch nie jemandem erzählt. Es gab Dinge, über die ich mit niemandem sprach. Weil mich sonst alle nur für einen noch größeren Loser halten würden. Das mit dem Schreiben, dass ich Autor werden und Romane veröffentlichen wollte, das wusste nicht einmal mein bester Freund Viktor.

Ich kroch aus meinem Bett. Die nächtlichen Schauer waren tatsächlich vorüber, und es nieselte nicht einmal mehr. Träge öffnete ich mein Dachfenster. Die Strahlen der aufgehenden Sonne blitzten in den Tropfen, die in den Bäumen der Nachbarsgärten hingen.

Draußen war niemand.

Ich stützte mich am Fensterrahmen ab und atmete tief ein wie Apnoetaucher vor einem Rekordversuch. Es roch nach nassem Teer und gemähtem Rasen. Durch die frische Luft merkte ich erst, wie abgestanden die hier drinnen war. Wie warm. Davon bin ich aufgewacht, dachte ich. Das hatte mich aus meinem Traum gezogen.

Nochmals atmete ich ein. Bis die Lunge stach. Die hereinströmende Brise streifte meine Haut. Wenn ich alleine war, konnte ich immerhin ohne T-Shirt schlafen. Sonst hielt man es in meinem Zimmer im dritten Stock unter der Dachschräge eigentlich nicht aus.

Obwohl der Morgen kühl war, spürte man bereits, dass das Thermometer wieder zu steigen begonnen hatte. Der letzte Tag dieses Augusts 1999 würde noch einmal ein heißer Sommertag. Nochmals tropisch, hatte es im Wetterbericht geheißen. Scheiße! Die Hitze mochte ich einfach nicht. Ich mochte den Sommer nicht mehr, seit ich nicht mehr schwimmen konnte.

Mein Oberkörper spiegelte sich in der Glasscheibe des offen stehenden Fensters. Ich drehte mich schnell weg und zog den Vorhang zu. Staub wirbelte im Licht wie ein Krillschwarm, ich in der Mitte wie ein Wal. Wie in der Naturdoku gestern. Ozeane. Krasse Bilder. Wobei nach einem halben Joint, musste ich zugeben, alles auf meinem Röhrenfernseher krasse Bilder waren.

Ein Auge zugekniffen, das andere einen schmalen Spalt geöffnet, suchte ich den Weg zurück unter meine dünne Decke. Die Schatten des Vorhangstoffs bewegten sich an der Wand. Ein Poster von Oasis hing über meinem Schreibtisch. Auf einem Tischchen von IKEA lagen eine Casio-Uhr und ein Aschenbecher. Krümel von Tabak und Gras waren auf einem Katalog verstreut.

Die zerschlissene Kunstledercouch musste ich mal wieder abwischen, meine CDs, die gebrannten und die Originale, und die ganzen Tapes in den Ständer sortieren.

In meinem Regal lehnten die Bände von Der Herr der Ringe, ein Zinnsoldat mit abgesplittertem Lack stand neben einem Game Boy mit Tetris und einer gerahmten Urkunde: Zweiter Platz Schwimmmeisterschaft. Gott, da war ich zehn. Warum hebt man so einen Müll auf?

Der Lattenrost knarzte, als ich mich auf der Matratze einrollte, um weiterzuträumen. Es musste etwa sieben sein. Durch die Pressholztüren unserer Mietwohnung hörte ich, wie sich meine Mutter im Bad fertig machte. Doppelschicht. Im Kühlschrank würde ein Teller mit Broten für mich stehen, zehn Mark lagen auf dem Küchentisch, wie immer, das wusste ich. Dazu meistens ein Notizzettel. Wir unterhielten uns so gut wie nur noch über Notizzettel, seit sie in der Reinigungsfirma die Extraschichten übernommen hatte. Seit mein Vater weg war.

Denk bitte an den Müll, Pascal.

Ja.

Ich übernachte heute auswärts, Pascal!

Ja.

Ich hab dich lieb, Pascal.

Boah ey, Mama, ja … … … Ich dich auch.

Die Wohnungstür fiel ins Schloss. Schnelle Schritte hetzten durch das Treppenhaus. Drei Versuche brauchte der klapprige Fiat Panda, bis er ansprang und mit knallendem Auspuff Richtung Autobahn heizte, dann war es still. Irgendwo zwitscherten Vögel, die Glocken der Kirche läuteten vom entfernten Marktplatz, und ich merkte, wie ich wieder einschlummerte. Schnell einschlummern! Bevor es wieder zu warm wurde. Bevor der Traum weg war. Bevor mir der Kopf wieder zu schwirren begann.

Genieß den Tag, Pascal!, stand manchmal auf den Zetteln. Und mit einem Smiley: Carpe Diem! Carpe Diem. Witzig. In Latein war ich dieses Jahr um ein Haar durchgefallen. Und außerdem: Ich genoss jeden Tag. Ich carpte alles raus aus dem Diem. Schlafend. Bis Mittag. Wenn es mit der Hitze ging. Was hätte ich in den Sommerferien in meinem Heimatkaff auch anderes machen sollen, außer zu schlafen? Schlafen und träumen waren für mich das Beste. Am liebsten wäre ich gar nicht aufgestanden. Ich wäre gerne liegen geblieben, bis ich endlich erwachsen war.

Das war mein großer Wunsch: Dass die Zeit verging. Die Zeit konnte mir gar nicht schnell genug vergehen.

Schlaf, dachte ich.

Dieses Kaff, in dem ich seit meiner Geburt lebte, hieß Bodenstein und war exakt, wie man es sich vorstellt. Bayerische Provinz eine Stunde von der tschechischen Grenze. Keine neuntausend Einwohner. Aufgeplatzte Straßen, kein Einzugsgebiet von irgendwas und hohe Arbeitslosigkeit. Ein baufälliges Freibad, ein Skatepark mit zugetaggter Halfpipe. Das Sportheim gehörte den Nazis, der Stadtpark den Hunnen. Die erfolgreichste Vereinsmannschaft waren die Schützen. Einmal im Jahr gab es die Kirmes, einmal das Starkbierfest. Manchmal tingelte irgendein Zirkus vorbei. Das war’s. Das war Bodenstein. Die Stadt, in der nichts passierte. Hier war nicht einmal der Hund verreckt. Wenn hier ein Hund verreckt wäre, wäre das die Titelseite der Lokalzeitung gewesen. Extrablatt, Extrablatt!, verteilt von einem Jungen mit Knickerbocker, Schiebermütze und Fingerkuppen voll Druckerschwärze. Macht sieben Pennies, Sir.

In der Tat gab es nur eine Handvoll Geschichten, die sich je in Bodenstein zugetragen hatten. Mal hatte ein Waldarbeiter behauptet, ein Krokodil gesehen zu haben. Die Aufdeckung eines Autoschieberrings hatte es in die überregionalen Nachrichten geschafft. Und aus einer Geschichte hatte ich das gemacht:

DIE HUNNEN UND DIE WEED-PLANTAGE

Der Schnee knirscht unter Daves Air Max. Der Teich
im Park ist eisbedeckt.

»Hier holst du immer was?«, fragt Horst und stellt den Kragen seines Parkas hoch. Horst ist der neue Freund von Daves Mutter. Der erste coole.

Gestern haben sie Pulp Fiction geschaut, und Horst hat erwähnt, dass er gerne mal einen durchzieht. Und ob er mitkann, wenn Dave das nächste Mal was holt.

Ja, komm, warum eigentlich nicht.

Jetzt stehen sie im Bodensteiner Stadtpark bei minus tausend Grad und warten auf die Hunnen. Denn wenn du in Bodenstein was zu rauchen willst, gehst du zu den Hunnen.

Die Hunnen, das sind Russen, Ungarn, Polen, Deutsche und einer aus dem Sudan. Nennen sich: Die Hunnen. Ist wie eine Gang. Anders als bei den Nazis. Die Nazis sind nur Nazis.

»Braucht ihr?« Einer der Hunnen steht vor ihnen. Er ist aus den Büschen gekommen, aus der Ecke mit den Parkbänken mit den eingeritzten Liebesschwüren.

»Für fünfzig«, sagt Dave.

Der Hunne verzieht den Mund. »Gerade schlecht«, sagt er. »Müssen zur Plantage.«

Die Hunnen haben eine versteckte Marihuanaplantage. Unten an der Naab, am Fluss. Das Problem ist, dass der Hunne gerade kein Auto hat. Und dass er gar nicht mehr fahren kann. Die Hunnen ballern gerne selber was, und da ist Gras das Harmloseste.

»Null Problemo«, sagt Horst. »Ich hab den VW. Sag mir, wo die Plantage ist.«

Ein zweiter Hunne tritt aus dem Gebüsch. Kurz beratschlagen sie, dann sind sie einverstanden.

Horst fährt. Dave daneben. Die zwei Hunnen dahinter....

Erscheint lt. Verlag 11.3.2022
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 7 Kilo in 3 Tagen • 90er • Alle andern können einpacken • bayerische Provinz • Bayerischer Wald • bestsellerliste spiegel aktuell • bücher für frauen • Coming-of-age • Erste Liebe • Erster Kuss • Erwachsenwerden • Freundschaft • gefühlte Fakten Podcast • Gegenwartsroman • Geschenk für Frauen • Geschenk Muttertag • Jahrtausendwende • Jugend • Kindheit • kulturpass • Liebe • Musik • Muttertagsgeschenk • Neo Magazin Royal • Neunzigerjahre • Provinz • romane bestseller frauen • Romane für Frauen • Roman Neuerscheinung • roman sommer • Sommer • Spiegel Bestseller aktuell • Taschenbuch Bestseller 2023 • taschenbuch neuerscheinungen 2023 • Trauma • Urlaubslektüre • Urlaubsroman
ISBN-10 3-423-44014-7 / 3423440147
ISBN-13 978-3-423-44014-1 / 9783423440141
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