Ein Schlachtplan für Miss Winter (eBook)

Rosie Winters zweiter Fall | Starlets, Mafiosi und ein Mord am Broadway
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
487 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-77669-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein Schlachtplan für Miss Winter -  Kathryn Miller Haines
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Keine Feldpost vom Exfreund, dafür Fleischrationierung und zwei linke Füße beim Vortanzen: Die Laune von Rosie Winter, Broadway-Schauspielerin ohne Engagement, ist in diesem Frühjahr 1943 nicht die beste. Und dann wird auch noch Al verhaftet, Rosies treuer Kumpel aus der New Yorker Unterwelt.

Broadway-Starlet Paulette Monroe wurde erschlagen. Al, ein Muskelprotz im Dienst der Mafia, gesteht die Tat. Klar, dass ihm jeder glaubt. Doch Rosie Winter kennt Al und weiß, dass er kein Mörder ist. Als für die Show, in der Paulette die Hauptrolle hätte spielen sollen, noch Tänzerinnen gesucht werden, sieht Rosie ihre Chance. Zusammen mit ihrer Freundin Jayne macht sie sich daran, Als Unschuld zu beweisen. Mit Witz, Verstand und dem Herz auf der Zunge ermittelt Rosie Winter wieder in der kriegsgeplagten New Yorker Theaterwelt der 40er Jahre.



<p>Kathryn Miller Haines, aufgewachsen in San Antonio, Texas, studierte Englische Literatur und Theaterwissenschaft. Sie ist Dramatikerin, Schauspielerin und Krimiautorin (Mitglied der US-amerikanischen Sisters in Crime). Mit Mann und Hunden lebt sie in Western Pennsylvania.</p>

1 Gleich um die Ecke


März 1943

Manche Männer bringen einem Blumen mit; Al brachte Fleisch.

»Was zur Hölle ist das denn?«, fragte ich ihn. Er stand auf der Vordertreppe des George Bernard Shaw House und wiegte zwei in blutgetränktes Metzgereipapier gewickelte T-Bone-Steaks im Arm, als wären es Welpen, denen er gerade dabei geholfen hatte, auf die Welt zu kommen.

»Hab gehört, dass es dir nicht so gut geht«, sagte er. »Da hab ich gedacht, dass du eine Stärkung gebrauchen kannst.«

»Und du meinst, Fleisch wäre da genau das Richtige?«

»Nicht Fleisch, Rosie, Steak! Hier!« Er warf mir das Päckchen zu, als würde bei näherer Bekanntschaft meine Begeisterung für die blutige Masse deutlich steigen.

Ich hielt das Paket in sicherem Abstand zu meinem Mantel. Durch das Papier sickerte Blut und malte die Karte unbekannter Länder auf den Boden. »Das ist wirklich eine freundliche Geste, aber ich habe auch ohne Rindfleisch vom Schwarzmarkt schon genug Probleme am Hals.«

»Das Zeug ist astrein.«

Al war mit meinem früheren Chef befreundet gewesen, einem Detektiv namens Jim McCain. Außerdem arbeitete er als Eintreiber für Tony B., seines Zeichens einer der Vizes von Mafiaboss Vince Mangano. Was auch immer einer von ihnen anfasste, war mit Sicherheit illegal, unmoralisch oder zumindest ein direkter Verstoß gegen die Auflagen der Preisaufsichtsbehörde.

Seitdem rationiert wurde, blühte der Schwarzmarkt, weil eben nicht alle dauernd nur verzichten wollten und deswegen für Mangelware auch mal ein bisschen draufzahlten. Die Times war voll mit Geschichten über Mafiosi, die sich auf den Schwarzhandel in ähnlicher Weise verlegt hatten wie Backfische auf Bing Crosby. Wenn man sich dann einmal auf das Niveau der Mafia herabließ und ihre Waren kaufte, wurde das in den Zeitungen gleich so dargestellt, als habe man nicht nur das Gesetz gebrochen, sondern sei sozusagen schon zum Nazi geworden. Im Laufe des letzten Jahres war Rindfleisch derart knapp geworden, dass mittlerweile schon so darüber gesprochen wurde, als hätte es niemals wirklich existiert. Wie über Einhörner. Natürlich hätte ich nicht das Geringste gegen ein großes, saftiges Steak nur für mich alleine einzuwenden gehabt, aber im Grunde meines Herzens war ich eben doch ein gutes, rechtschaffenes Mädchen.

Außerdem gab es in meinem Wohnheim keinen für alle zugänglichen Kühlschrank.

»Davon mal abgesehen, Al, was soll ich denn jetzt damit machen? Soll ich sie auf meiner kleinen Kochplatte köcheln lassen oder auf die Feuerleiter stellen und hoffen, dass es kalt bleibt und die Katzen nicht drangehen?«

Er zuckte mit den Schultern und hob resignierend die Arme. Hinter seinem Kopf ging die Sonne unter. Al war eine kolossale Erscheinung mit der Größe und der Masse eines durchschnittlichen Wolkenkratzers. »Dann wirf sie halt weg«, sagte er. »Ist jetzt nicht mehr meine Angelegenheit.«

Ich legte eine Hand auf seinen übergroßen Bizeps und spürte, wie unter meiner Berührung ein Berg erbebte. »Jetzt hab dich nicht so. Mir gefällt dein Geschenk, wirklich, aber jetzt noch mal zum Mitschreiben: Strümpfe wären mir lieber gewesen.«

Wieder zuckte er mit den Schultern, und seine winzigen Äuglein hüpften von hier nach dort: vom Haus zum Bürgersteig zu einem Taxi, das gerade mit abgeblendeten Lichtern an uns vorbeifuhr. Er schien fest entschlossen, alles andere anzusehen, bloß mich nicht. »Wie geht’s denn?«, fragte er dann.

»War schon mal besser.«

Er hob die Augenbrauen und erwartete, dass ich weitersprach, aber ich konnte mich nicht dazu überwinden, mehr Worte zu verlieren. Es war schließlich so: Der Krieg war jetzt auch bei uns angekommen. Er war nicht länger eine dieser ähnlich traurigen, aber fernen Angelegenheiten wie der Tod von Carole Lombard, über die man zwar las, die man dann aber nicht weiter ernst nahm, weil sie einfach zu weit weg waren, um einen wirklich etwas anzugehen. Ich konnte weder die Nazis noch die Japsen leiden. Genauso wenig wie die Eilmeldungen, die das laufende Radioprogramm mit Geschichten über versenkte Schiffe, abgeschossene Flugzeuge und Bomben über dem Himmel von London unterbrachen. Ich konnte es auch nicht ausstehen, dass wir alles, was früher selbstverständlich gewesen war, opfern sollten und jede Stunde mindestens einmal daran erinnert wurden, dass die Dinge, nach denen wir uns sehnten, da drüben von größerem Nutzen waren. Aber am allerwenigsten gefiel mir, dass mein Freund Jack (okay: Ex-Freund) vermisst wurde und ich keine Gelegenheit mehr bekommen würde, ihm zu sagen, dass ich ihn immer noch liebte.

Nein, das alles war für mich ohne Worte. Und selbst wenn ich welche gefunden hätte, über die Lippen gebracht hätte ich sie sowieso nicht. »Was gibt’s Neues bei dir?«, fragte ich stattdessen.

»Alles in bester Ordnung.« Auf der Suche nach einem Päckchen Luckys klopfte Al seinen verdreckten Mantel ab. Seine von der Kälte geröteten Finger bewegten sich über den Stoff wie Krabben auf der hektischen Suche nach ihren Panzern. »Es soll wohl schneien.«

Wenn ich weniger mit mir selbst beschäftigt gewesen wäre, hätte ich vielleicht gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Aber ich bekam ja kaum mit, dass es noch eine Welt jenseits meiner Gedanken gab.

»Stell dir das mal vor«, sagte ich mit dem Einfühlungsvermögen der SS, »Schnee im März.«

Er ließ die Fluppe fallen und trat sie mit der Schuhspitze aus. Die Sohle hatte sich abgelöst und gab den Blick frei auf Als zerschlissene braune Socken. »Lass dir das Fleisch schmecken.« Nachdem er sein Geschenk abgeliefert und ein dürftiges Gesprächsangebot gemacht hatte, drehte Al sich um und verschwand in der Straße.

Aus meiner Handtasche zog ich eine Ausgabe der Variety, um sie um die Steaks zu wickeln. Einige umkringelte Vorsprechtermine wurden dunkel vom Blut. Ich wohnte mitten im Village, 10. Straße, Ecke Hudson Street, im George Bernard Shaw House, einem Wohnheim für junge Frauen, die ihrer schauspielerischen Berufung folgten. Das Haus zeichnete sich durch günstige Mieten und noch günstigeres Essen aus, mit den Dramen, die sich in seinem Inneren abspielten, hätte man locker die stundenlangen Sendepausen von Radio WNBC füllen können. Ich wohnte gern im Shaw House, aber noch lieber beschwerte ich mich darüber. Über eine Situation zu nörgeln, in die ich mich selbst gebracht hatte, fand ich überaus tröstlich. Immerhin war das eine der wenigen Konstanten in meinem Leben, auf die ich mich verlassen konnte.

Mein Fleisch und ich betraten das Haus und hielten vor den Messingbriefkästen an der Wand. Stumm sprach ich ein Gebet und betastete das kleine, mit Filigranarbeit versehene Türchen, auf dem WINTER, ROSALIND stand – als ob eine Berührung den Brief, auf den ich so sehnsüchtig wartete, wie von Zauberhand erscheinen lassen könnte. Aber so viel Glück hatte ich nicht. Einen Fluch murmelnd, der mir das Gewünschte ganz sicher am nächsten Tag bringen würde, warf ich den Briefkasten wieder zu.

Im Salon saß Norma Peate am Klavier und drehte »For Me and My Gal« durch die Mangel. Ella Bart spreizte auf dem Boden sitzend ihre langen Rockette-Beine zum Spagat und beugte ihren Rumpf so weit vornüber, dass sie das Manuskript lesen konnte, das vor ihr lag. Beide beachteten mich nicht weiter, als ich den Raum durchquerte und die Treppe hochstieg. Auf dem Absatz unterbrachen Minnie Moore und Ruby Priest, meine langjährige Erzfeindin, ihr Gespräch. Das Lächeln auf ihren Gesichtern hätte nicht künstlicher wirken können, wenn es auf Plastik aufgemalt gewesen wäre.

»Warum machst du denn so ein Gesicht, Rosie?«, fragte Ruby. Einen solchen Ton, voller Betroffenheit und aufrichtig zugleich, war ich von ihr nicht gewohnt. Ruby ohne die übliche Gehässigkeit war wie Abbott ohne Costello.

»Alles in bester Ordnung«, sagte ich. »Mir ging’s nie besser.«

»Sicher?«, fragte Minnie, die hier neu und aus der ich bislang noch nicht wirklich schlau geworden war. Eigentlich machte sie einen netten Eindruck, aber in welche Gesellschaft sie sich begeben hatte, sagte eben auch etwas aus.

»Absolut. Aber danke der Nachfrage.«

So schnell ich konnte, ohne dabei wie auf der Flucht zu wirken, eilte ich in mein Zimmer. Jayne Hamilton, meine Zimmergenossin und beste Freundin, saß auf dem Bett und lackierte sich die Nägel rot, wozu sie das Radio mit »He Wears a Pair of Silver Wings« begleitete. Neben ihr lag Churchill, unser Kater. Um seinem Missvergnügen ob des Nagellackgestanks Ausdruck zu verleihen, kräuselte er die Nase und nieste, immer schön abwechselnd.

»Wie lief’s?«, fragte sie, als ich hinter mir die Tür verriegelte.

»Jämmerlich. Ich gelte anscheinend ganz offiziell als berüchtigt.« Das letzte Stück, in dem ich gespielt hatte, war ein gefundenes Fressen für die Titelseiten geworden, nachdem der Autor ermordet worden war. Mein erster und einziger Auftritt in diesem Stück fand in der Nacht statt, als der Mörder Mord Nummer drei und vier begehen wollte. Und die Geschichte seines Wahnsinns verbreitete sich fast ebenso schnell wie die allgemeine Ansicht, dass die Inszenierung lahmer Mist war.

Normalerweise war ich dankbar für jede Form von öffentlicher Wahrnehmung, aber irgendwie schienen seitdem alle zu glauben, dass mein Mitwirken bei einem Stück nicht nur den Ruin der Produktion, sondern auch den Tod für jede daran beteiligte Person mit sich bringen würde.

...

Erscheint lt. Verlag 16.1.2023
Reihe/Serie Rosie-Winter-Krimis
Rosie-Winter-Krimis
Übersetzer Kirsten Riesselmann
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte aktuelles Buch • Bestseller • Broadway • bücher neuerscheinungen • cosy-crime • Cosy Crime • David Safier • Ermittlerin • Film noir • Frauenkrimi • Hollywood • Humor • insel taschenbuch 4957 • IT 4957 • IT4957 • Kerry Greenwood • Krimiserie • Maurizio de Giovanni • Miss Marple • Miss Winters Hang zum Risiko • Mystery • Neuerscheinungen • neues Buch • Rosie Winter • Tatjana Kruse • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-458-77669-9 / 3458776699
ISBN-13 978-3-458-77669-7 / 9783458776697
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