Geschichte Frankreichs -  Matthias Waechter

Geschichte Frankreichs (eBook)

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2023 | 1. Auflage
128 Seiten
Verlag C.H.Beck
978-3-406-80047-4 (ISBN)
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Frankreich ist eine der ältesten Nationen Europas mit einer faszinierenden und wendungsreichen Vergangenheit. Der Frankreich-Experte Matthias Waechter zeichnet diese Geschichte vom Mittelalter bis in die Gegenwart nach und fragt, was besonders ist an der französischen Entwicklung. So entsteht auf kurzem Raum ein erhellendes Porträt von Deutschlands engstem Nachbarn, das in Politik, Kultur und Gesellschaft der verschiedenen Epochen einführt und verständlich macht, wie Frankreich zu dem wurde, was es ist.

Matthias Waechter ist Direktor des Institut Européen-European Institute in Nizza und Generaldirektor des Centre international de formation européenne (CIFE). Bei C.H.Beck ist von ihm erschienen "Geschichte Frankreichs im 20. Jahrhundert" (2019).

IV. Krisen und Kriege (1314–​1624)


Hatte die mittelalterliche französische Gesellschaft im ausgehenden 13. Jahrhundert ihren Zenit erreicht, so war das Bild zu Beginn des 15. Jahrhunderts ein ganz anderes: Die Bevölkerung war mindestens um die Hälfte dezimiert, eine wirtschaftliche Depression erfasste die Landwirtschaft, das Handwerk und den Handel. Jahrzehntelange Kriege hatten nicht nur Verwüstungen bewirkt, sondern auch alltägliche Gewalt und Unsicherheit verbreitet. Und die politische Autorität, die sich die kapetingische Dynastie in den vorangegangenen Jahrzehnten immer mehr angeeignet hatte, war nun wieder stark fragmentiert: Die Fürstentümer an der Peripherie des Landes waren wieder erstarkt; zwei Rivalen konkurrierten mit dem König um die französische Krone. Frankreich war in eine tiefe, komplexe Krise gestürzt, für die verschiedene Faktoren, darunter eine europaweite Seuche, verantwortlich waren.

Gesundheits- und Ernährungskrisen


Als die Pest im Herbst 1347 über den Hafen von Marseille nach Frankreich eingeschleppt wurde, waren die Menschen darauf gänzlich unvorbereitet. Denn seit dem 8. Jahrhundert war diese Seuche im Okzident nicht mehr aufgetaucht. Sie zeigte sich in zwei verschiedenen Formen: der Lungen- und der Beulenpest. Während Erstere in allen Fällen zu einem schnellen Tod führte, konnten die an der Beulenpest erkrankten Menschen in seltenen Fällen gerettet werden. Die Seuche war durch mit Pestbakterien infizierte Ratten nach Europa gelangt und wurde wiederum von Rattenflöhen auf Menschen übertragen. Bei der Lungenpest konnte die Ansteckung auch von Mensch zu Mensch erfolgen, so dass sich insbesondere in den äußerst dicht besiedelten und hygienisch prekären Städten die Seuche in erschreckender Geschwindigkeit verbreitete. Die Ausbreitung der Pest vollzog sich von Süden nach Norden, entlang der Flüsse und der wichtigsten Handelsrouten Frankreichs, so dass innerhalb weniger Monate praktisch das gesamte Territorium von ihr erfasst wurde.

Dass die Seuchenverbreitung ihren Ursprung im Zusammenleben von Mensch und Tier hatte, war der damaligen Bevölkerung völlig unbekannt, weshalb sie dem Krankheitsgeschehen hilflos gegenüberstand. In der tief christlich geprägten Kultur des Mittelalters war es für die Mehrheit der Menschen evident, dass die Seuche auf den Zorn Gottes zurückzuführen war. Sie interpretierten das tödliche Krankheitsgeschehen als eine Strafe für die Sünden der Menschen und reagierten mit gesteigerter Frömmigkeit auf die Seuche. Gelegentlich entlud sich die Verzweiflung der Menschen auf die Juden, denen zur Last gelegt wurde, durch Vergiften des Wassers die Christen vernichten zu wollen. Insbesondere in Städten des Südens kam es zu Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung.

Hatte bereits die Pestwelle zwischen 1347 und 1349 einen gewichtigen Teil der französischen Bevölkerung dahingerafft (Schätzungen gehen von 30 bis 50 Prozent aus), konnte sich die demographische Entwicklung überdies in den folgenden Jahrzehnten nicht erholen. Denn von nun an kehrte die Pest in unregelmäßigen Abständen wieder, auch wenn das Auftreten nun stärker auf einzelne Regionen konzentriert war und nicht mehr das ganze Land erfasste. Hinzu kam die seuchenhafte Verbreitung anderer Ansteckungskrankheiten wie Pocken, Keuchhusten, Grippe und Ruhr. Erst als sich die Gesundheitslage in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts langsam stabilisierte, konnte die erschütternde demographische Bilanz der Seuchen gezogen werden: Manche Landesteile wie die Normandie, die Ile-de-France und die Provence hatten zwei Drittel ihrer Bevölkerung verloren.

Die Epidemien verschärften zudem die landwirtschaftliche Krise, die sich bereits im ausgehenden 13. Jahrhundert bemerkbar gemacht hatte. Die Produktivität der Landwirtschaft war gesunken, da einerseits kaum noch Neuland erschlossen werden konnte und die Menschen andererseits nicht in der Lage waren, das vorhandene Land intensiver zu bewirtschaften, die Produktion aufzufächern und die Viehzucht auszuweiten. Der von den Seuchen verursachte Bevölkerungsrückgang setzte nun einen Teufelskreis in Gang: Da weniger Menschen in Frankreich ernährt werden mussten, sank die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Gütern, wodurch deren Preise abstürzten und es nun zu Überproduktion kam. Die Landbevölkerung verarmte, denn die Grundherren und reichen Bauern konnten ihre Produkte nicht mehr verkaufen, während arme Landarbeiter keine Anstellung mehr fanden. Die genannten Faktoren hätten ausgereicht, um Frankreich in eine dauerhafte, tiefe sozioökonomische Krise zu stürzen. Doch mit dem jahrzehntelangen Krieg kam eine weitere Plage hinzu, so dass aus der Krise eine tiefe, alle Lebensbereiche umfassende Depression wurde.

Hundert Jahre Krieg und Bürgerkrieg


Kriegerische Auseinandersetzungen waren ein zwangsläufiges Element im Aufbau der souveränen Monarchie. Nur mithilfe von Kriegen konnte es den Königen gelingen, dem Machtstreben der Fürsten Grenzen zu setzen. Seit der Regierungszeit von Philipp dem Schönen war ein weiterer Faktor hinzugekommen, der die Kriegsführung für die Monarchie unverzichtbar machte: Der Krieg diente als Rechtfertigung, um im Lande Steuern zu erheben. Da zahlreiche Untertanen zum persönlichen Kriegsdienst nicht bereit oder in der Lage waren, wurde das Entrichten von Steuern als finanzieller Beitrag zur Bewahrung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vor bewaffneten Angriffen ausgegeben. Zudem waren permanente Steuereinnahmen notwendig, um den wachsenden Finanzbedarf der königlichen Verwaltung zu decken. Schließlich besaßen Kriege für die Ritter eine hohe Attraktivität, seitdem das Königtum begonnen hatte, sie für ihren Waffendienst zu besolden.

Die Ursachen des französisch-englischen Konflikts, der unter dem Namen «Hundertjähriger Krieg» in die Geschichte einging, sind auf zwei Ebenen anzusiedeln: Erstens gab es einen strukturellen Konflikt zwischen der englischen und der französischen Krone um das südwestliche Territorium Aquitanien (auch «Guyenne» genannt), das seit 1152 im Besitz der englischen Königsdynastie der Plantagenets war. Als Herzöge von Aquitanien waren die englischen Könige nominell Vasallen des französischen Königs. Daraus entstanden gegensätzliche Interessen: England versuchte eine möglichst eigenständige Entwicklung Aquitaniens durchzusetzen, während Frankreich die Verselbstständigung des Fürstentums zu verhindern suchte. Zweitens kam der Krieg aufgrund eines Streits um die französische Thronfolge zum Ausbruch. Nach dem Tod Philipps des Schönen war die Krone hintereinander an dessen drei Söhne übergegangen, die alle jung starben, ohne einen männlichen Thronfolger zu hinterlassen. Als es 1328 keinen direkten männlichen Nachkommen Philipps des Schönen mehr gab, stellte sich die Frage, wer den französischen Thron besteigen sollte. Konnte die Königswürde auch durch eine Frau vererbt werden? In diesem Falle wäre nämlich der englische König Eduard III., Sohn der Tochter Philipps des Schönen, an die Spitze der französischen Monarchie getreten. Um dieses Szenario zu verhindern, griffen die Fürsten auf die Valois, eine Nebenlinie der Kapetinger, zurück und machten den Neffen Philipps des Schönen zum König. Der Krieg, den Eduard III. daraufhin gegen Frankreich startete, verfolgte stets zwei Ziele: seinen Anspruch auf die französische Krone durchzusetzen und Aquitanien vor den Begehrlichkeiten seines Rivalen zu bewahren. Um das letztere Ziel durchzusetzen, schickte er Truppen in seine Besitzungen im Südwesten Frankreichs; um die Krone zu erobern, versuchte er Flandern zu seiner Basis zu machen.

Die erste Phase des Krieges ging zu Ungunsten Frankreichs aus, dessen Flotte bei einer Seeschlacht im Ärmelkanal unterging. Eduard III. konnte in Flandern landen und trug in der Schlacht von Crécy (1346) einen weiteren Sieg davon. Nach monatelanger Belagerung fiel Calais in die Hände der Engländer, die nun einen strategisch äußerst wichtigen Stützpunkt im Norden Frankreichs besaßen. Bei der katastrophalen Niederlage von Poitiers (1356) zeigte sich die taktische Überlegenheit der Engländer, die mit schnellen Bogenschützen kämpften, denen die Franzosen mit ihren herkömmlichen Armbrustschützen unterlegen waren. Frankreichs König Johann II. (genannt «der Gute») geriet in englische Gefangenschaft, aus der er erst vier Jahre später gegen ein hohes Lösegeld entlassen wurde.

Bereits in dieser ersten Phase zeigte sich, dass der Krieg die Gegensätze innerhalb der französischen Gesellschaft verstärkte. So kam es vermehrt zu Konflikten darum, wie das Land gegenüber dem König repräsentiert werden sollte, wenn es um zentrale ...

Erscheint lt. Verlag 16.3.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
ISBN-10 3-406-80047-5 / 3406800475
ISBN-13 978-3-406-80047-4 / 9783406800474
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