Hildur - Das Grab im Eis (eBook)

Spiegel-Bestseller
Kriminalroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
368 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-30632-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Hildur - Das Grab im Eis -  Satu Rämö
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Zwischen Feuer und Eis. Zwischen Leben und Tod.
Im Skigebiet oberhalb der kleinen isländischen Gemeinde von Ísafjörður offenbaren Schnee und Eis einen grausigen Fund: Mitten auf der Loipe liegt der erschossene Kommunalpolitiker Hermann Hermannsson. Die Liste der Verdächtigen ist lang, denn Hermannsson galt als korrupt und als Frauenheld. Aber Kriminalpolizistin Hildur Rúnarsdóttir entdeckt schon bald ein noch viel düsteres Mordmotiv. Gleichzeitig kommt Hildur auch der Wahrheit über ihre eigene Vergangenheit und dem Geheimnis um ihre vermissten Schwestern näher. Doch endlich Gewissheit zu erlangen, könnte schmerzhafter sein, als sie je gedacht hätte.

Die Finnin Satu Rämö zog vor zwanzig Jahren für ein Auslandssemester nach Island, um isländische Kultur und Literatur zu studieren. Heute arbeitet sie als Autorin, Bloggerin und Mentorin und lebt mit ihrem isländischen Mann und ihren zwei Kindern in der Kleinstadt Ísafjörður im Nordwesten Islands. Nach zahlreichen erfolgreichen Sachbüchern, in denen sie über ihre Wahlheimat schreibt, gelang ihr mit »Hildur - Die Spur im Fjord« auf Anhieb der Durchbruch als Krimiautorin. Der Auftakt der Reihe um die außergewöhnliche Kommissarin Hildur Rúnarsdóttir begeisterte die Leser*innen in ihrer Heimat und stand wochenlang auf Platz 1 der Bestsellerliste.

3


FEBRUAR 2020 REYKJAVÍK


Der schwache spätwinterliche Wind fuhr durch die langen Haare der Kriminalermittlerin Hildur Rúnarsdóttir, die Haarspitzen flatterten in Richtung Norden. Hildur legte das Handtuch neben ihren Rucksack auf die Bank und schlüpfte in die weißen Badelatschen, die mit dem Logo einer Tankstellenkette bedruckt waren. Schuhwerk zu tragen, war hier durchaus sinnvoll, denn am Ufer lagen manchmal Glassplitter und anderer Abfall. Hildur ging über den weißen Sandstrand und am Bootssteg vorbei. Die rechts vom Steg gegrabene Lagune wurde gewärmt. Das aus einer heißen Quelle gepumpte Wasser hielt die Temperatur über fünfzehn Grad. Doch Hildur verschmähte die Warmwasserlagune und ging weiter zum offenen Meer. Sie streifte die Latschen ab und trat in das kalte Meerwasser.

Zuerst wurden die Knöchel kalt, dann die Knie. Der sandige Grund massierte die Haut an den Fußsohlen. Am gegenüberliegenden Ufer der Bucht waren die Reihenhäuser der Wohnsiedlung Kópavogur zu sehen. Als das acht Grad kalte Meerwasser über die Bauchmuskeln reichte, tauchte Hildur hinein und begann zu kraulen. Es ärgerte sie, dass sie nicht allein am Strand war. Das Meer war für sie immer schon ein Ort gewesen, an dem sie Stille und Einsamkeit genießen wollte, ohne sich mit anderen Menschen auseinandersetzen zu müssen.

Für die Jahreszeit war der öffentliche Badestrand von Reykjavík überraschend voll. In den letzten Jahren hatten viele ihre Begeisterung für das Kaltwasserschwimmen entdeckt, und das merkte man. Am Strand wimmelte es von Schwimmern in Neoprenschuhen und -handschuhen, die sich lauthals unterhielten.

Hildur verwendete keine besondere Ausstattung, wenn sie im kalten Wasser schwamm. Beim Surfen trug sie einen Nassanzug, aber Schwimmen war etwas anderes. Das kalte Wasser musste auf der Haut spürbar sein. Sie wollte sich von Zeit zu Zeit auskühlen. Wenn die Kälte von den Fußsohlen in die Bauchgegend und zum Brustkorb stieg, verlangsamte sich ihr Herzschlag. Das beruhigte sie.

Nachdem sie gut zweihundert Meter geschwommen war, hörte sie einen Ruf vom Ufer. Ein rundlicher Mann jenseits der mittleren Jahre in einem weißen Frotteebademantel hatte die Hände wie einen Trichter um den Mund gelegt und posaunte aus vollem Hals:

»Nicht so weit rausschwimmen!«

Es ärgerte Hildur, dass sie anhalten musste. Sie sah zu dem Mann hin, winkte ihm zu und hob den Daumen als Zeichen dafür, dass sie alles im Griff hatte. Das Meer war ihr Ein und Alles. Es heilte ihre Trauer und half ihr, Freude zu empfinden. Auf dem Meer durfte sie allein sein und gegen etwas kämpfen, das sie nie würde besiegen können. Sie liebte das Surfen. In Reykjavík war es schwierig, das Meer zu genießen, denn hier gab es nicht solche Wellen und nicht so leere Ufer wie zu Hause in den Westfjorden.

Hildur kannte Reykjavík aus ihrer Studienzeit. Sie hatte die Polizeischule besucht und danach einige Jahre in der Hauptstadt gearbeitet. Als die Polizeibehörde in ihrer Heimat einen Kriminalermittler und Leiter der Einheit für vermisste Kinder in den ländlichen Regionen suchte, hatte Hildur sich beworben und die Stelle bekommen. Die Rückkehr ins heimatliche Ísafjörður war wohltuend gewesen. In den letzten zehn Jahren hatte sie ein ziemlich ausgeglichenes Leben geführt. Zwischen den schroffen Bergen und dem stürmischen Meer fühlte sie sich heimisch. Die Naturgewalten und die dunklen Winter wirkten auf viele bedrückend, aber auf Hildur nicht. Für sie bedeuteten der ruhelose Wind und die gewaltigen Wellen, die gegen die Uferwege im Dorf schlugen, Klarheit und Frieden. Sie bildeten Grenzen, die sie zwangen, an ihrem Platz zu bleiben.

Mitunter erschien ihr das Dasein unerträglich. Wenn die Beklemmung zuschlug, zog Hildur sich in ihre eigene Blase zurück. Sie hatte das Gefühl, vom Rest der Welt getrennt zu sein, und die Klumpen in der Brust und im Magen wuchsen und raubten ihr den Atem. Dann hatte sie keinen anderen Wunsch, als sich in der Kälte des stürmischen Meeres zu verstecken.

In den letzten zwei Monaten hatte sie nur ein paar Mal surfen können; wahrscheinlich war sie auch deshalb in letzter Zeit so kribbelig.

Im Januar hatte Hildur vorübergehend wieder nach Reykjavík ziehen müssen. Tumi Einarsson, ihr Freund und Kollege aus ihrer Zeit in Reykjavík, hatte sich bei einem Einsatz das Knie verletzt. Er würde voraussichtlich zwei Monate krankgeschrieben sein. Hildur hatte sich bereit erklärt, die Vertretung zu übernehmen, weil er ihr wichtig war und weil er sie persönlich darum gebeten hatte. Tumi leitete die Einheit für vermisste Kinder in Reykjavík.

Hildur fühlte sich in der Stadt nicht wohl. Die Verkehrsstaus, der Lärm der Baustellen und die Flut immer neuer Aufgaben erschöpften sie. Sie sehnte sich in ihr Heimatdorf zurück. Zum Glück war die Vertretung in zwei Wochen zu Ende.

Bald konnte sie weg von hier. Vielleicht würde das gegen das widerliche Gefühl helfen, das sie in den letzten Tagen geplagt hatte. Diese Beklemmung war ihr schon seit ihrer Kindheit vertraut. Hildur wusste, dass ihre Urgroßmutter Hrafntinna zu ihrer Zeit eine der bekanntesten Hellseherinnen Islands gewesen war, die über die Zukunft berichtete und Fragenden Rat erteilte. Der Überlieferung nach wurde die Sehergabe vererbt, aber nicht auf alle Nachkommen. Tante Tinna, bei der Hildur ihre Jugend verlebt hatte, war der Meinung, dass Hrafntinnas Gabe zwei Generationen übersprungen habe und auf Hildur übergegangen sei.

Hildur selbst war sich dessen nicht so sicher. Eigentlich hielt sie nicht viel von Geschichten über Hellseherei, Trolle und Ähnliches. Aber sie ahnte Unfälle und Gewalttaten in der näheren Zukunft voraus. So war es einfach, dagegen war sie machtlos.

Vor ein paar Wochen hatte sich in Island ein tragisches Flugzeugunglück ereignet. Ein Kleinflugzeug war kurz nach dem Start ins Meer gestürzt und der Pilot war ums Leben gekommen. Einige Tage vor dem Unglück hatte Hildur eine ungewöhnliche Unruhe verspürt. Als dann die Nachricht von dem Absturz kam, war sie nicht überrascht gewesen. Sie hatte etwas Schlimmes erwartet.

In jüngeren Jahren hatte sie sich inbrünstig gewünscht, dass sich mit ihren Ahnungen irgendwelche brauchbaren Informationen verbunden hätten. Dann hätten die bedrückenden Vorahnungen wenigstens einen Nutzen gehabt. Nun musste sie den Gedanken ertragen, dass bald etwas Schlimmes passieren würde, dass sie aber nicht wusste, was und wem. Die Machtlosigkeit angesichts der näher rückenden Trauer war etwas, wovor sie nicht fliehen konnte. Im Lauf der Jahre hatte sie lernen müssen, sie zu akzeptieren.

Hildur machte noch einige Armzüge und glitt weiter durch das kalte Wasser. Als sich das Ufer von Kópavogur mit seinen teuer aussehenden Reihenhäusern näherte, kehrte sie um. Sie holte tief Luft, tauchte unter und stieß sich mit den Beinen voran. Das Meer rauschte ihr in den Ohren, und aus ihrem Mund stiegen kleine Bläschen auf. In der Lunge spürte sie das vertraute Brennen. Nach ein paar Zügen ließ sie ihren Körper aufsteigen. Sobald ihr Kopf über Wasser war, schnappte sie heftig nach Luft.

Hildur ging an Land, wrang ihre langen Haare aus und schlüpfte in ihre alten Badelatschen.

Der Mann im Bademantel hatte die Arme demonstrativ vor der Brust verschränkt und starrte Hildur missbilligend an.

»So eine Taucherei im Winter ist lebensgefährlich.«

Hildur hüpfte ein paarmal auf dem rechten Bein, um das Meerwasser aus ihrem rechten Ohr zu entfernen. Die vorgebliche Besorgnis des Mannes ging ihr auf die Nerven. Wenn sie selbst ein Mann mittleren Alters wäre, würde ihr niemand mit Ratschlägen zum Schwimmen kommen.

»Ich bin an kaltes Wasser gewöhnt, ich komme von den Westfjorden«, sagte sie nur und marschierte an dem Mann vorbei.

Das Blut rauschte in ihren Adern. Auf die Unterkühlung folgte ein behagliches Wärmegefühl. Das Schwimmen im Meer hatte den Druck in ihrem Inneren gemildert. Sie faltete das Handtuch zusammen, legte es auf die Holzbank und setzte sich für einen kurzen Moment in die kalte Luft. Der Wind strich angenehm über ihre ausgekühlte Haut.

Hildur überlegte. Normalerweise ließ das bedrückende Gefühl nach, wenn das Schlimme geschehen war, aber nach dem Flugzeugunglück war es nicht so gekommen. Immer noch spürte sie eine leichte Unruhe. Sie erinnerte sich, dass sie dieses Gefühl zum ersten Mal am Morgen des Tages erlebt hatte, an dem ihre Schwestern auf dem Heimweg von der Schule spurlos verschwanden. Sie waren nie gefunden worden.

Dass sie im Fall von Rósa und Björk nicht weitergekommen war, setzte Hildur zu. Als sie im letzten Herbst während einer komplizierten Mordermittlung auf neue Informationen über ihre kleinen Schwestern gestoßen war, hatte in ihr eine leise Hoffnung gekeimt. In einer alten Erdgrube waren die Kleider, die die Mädchen am Tag ihres Verschwindens getragen hatten, und einige Knochen gefunden worden. Ein Bekannter von Hildur, Axt-Hákon, hatte den Fund untersucht und festgestellt, dass es sich nicht um Menschenknochen handelte. Seinen seltsamen Spitznamen hatte der in Reykjavík tätige Pathologe und Rechtsmediziner Hákon Bjarnason in seiner Studienzeit bekommen. Er hatte in einem Stück des Studententheaters über das Leben des isländischen Serienmörders Axt-Björn im 16. Jahrhundert die Hauptrolle gespielt und sich so intensiv in seine Rolle eingelebt, dass man ihn seither nur noch Axt-Hákon nannte.

Hildur war ihrem Bekannten dankbar für die Untersuchung der Knochen. Sie hatte gehofft, mithilfe der Fundstücke weitere Hinweise auf das Schicksal ihrer Schwestern zu bekommen, doch diese...

Erscheint lt. Verlag 11.4.2024
Reihe/Serie Die Hildur-Reihe
Übersetzer Gabriele Schrey-Vasara
Sprache deutsch
Original-Titel Rósa & Björk
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2024 • Buch für den Urlaub • Buchgeschenk • eBooks • eva björg æggisdóttir • Fjord • hildur rúnarsdóttir • Hulda • Ísafjörður • Islandkrimi • Island-Krimi • Johanna Mo • Krimi • Krimi für Frauen • Kriminalromane • Krimis • mörderisches island • neue krimis 2024 • Neuerscheinung • Ragnar Jonasson • Ragnar Jónasson • Reiseführer Island • Scandi-Crime • Schwestern • Skandinavische Krimis • Stricken • Surfen • trapped • Tunnel • urlaub auf island • verschwiegen • Westfjorde • Yrsa Sigurdardóttir
ISBN-10 3-641-30632-9 / 3641306329
ISBN-13 978-3-641-30632-8 / 9783641306328
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