Revanche (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
448 Seiten
btb (Verlag)
978-3-641-28716-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Revanche -  Kiko Amat
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Der Nummer-3-Bestseller aus Spanien - eine Mischung aus »A Clockwork Orange« und »Trainspotting«
Kiko Amat hat einen schwindelerregenden Roman geschrieben, der von falscher Herkunft, Wut und Wiedergutmachung handelt, von Liebe und Rache. Ein ungezähmtes Buch voller Vulgarität und Schönheit, Schmerz und Humor, geschrieben mit einem Maximum an Adrenalin.

Amador ist die Nummer zwei der Lokos, einer kriminellen Hooligan-Ultragruppierung des FC Barcelona. Als sich ein Loko-Fußsoldat mit Firmengeld absetzt, bedrohen die Ultras dessen Freundin Paloma. Das ruft deren Bruder César auf den Plan, einen im Untergrund lebenden Auftragskiller, der einen Kleinkrieg mit den Lokos beginnt. Daraufhin soll Palomas Tochter Lucía entführt werden, um César aus der Deckung zu locken. Amador befolgt den Befehl, will die Teenagerin dann aber freilassen und mit den Lokos brechen, um ein neues Leben ohne Lügen zu beginnen. Denn er trägt ein Geheimnis mit sich, dass gleichzeitig sein Todesurteil wäre.

Kiko Amat, geboren 1971, stammt aus Sant Boi de Llobregat, einer Trabantenstadt in der Peripherie von Barcelona. Sein Vater war Rugbyspieler, seine Mutter Krankenschwester in der örtlichen Psychiatrie. Im Alter von siebzehn Jahren brach er die Schule ab, wurde Mod, Kleptomane, Plattenhändler, Kassierer bei McDonald's, Fließbandarbeiter bei Seat Martorell, Wachmann auf einem Campingplatz, Pförtner und Kellner in einem großen Hotel. Bisher hat er sechs Romane und drei Sachbücher veröffentlicht, die in seinem Heimatland Kultstatus besitzen und gesellschaftliche Randfiguren in urbanen Settings begleiten. Er schreibt regelmäßig für El País und El Periódico, ist Co-Direktor des Festivals Subsol im CCCB, dem Zentrum für zeitgenössische Kunst und Kultur in Barcelona, und ist Co-Moderator des Podcasts Pop y Muerta für Radio Primavera Sound.

1


Der Gallego betritt das Foyer des Hotels. Ein Blick, und du weißt, dass es der Mann ist, den ihr sucht, und dass ihm etwas Schreckliches widerfahren wird. Denn Typen wie er bringen in Typen wie euch immer nur das Schlimmste hervor.

Das ist er, sagt El Cid. Der Gallego tritt aus dem Fahrstuhl mit den golden glänzenden Türen und geht in Richtung Rezeption. Beim Laufen setzt er nur die Fußspitzen auf, fast wie eine Ballerina. Du musterst ihn. Schwarzes Hemd, die oberen Knöpfe bis zur Brust geöffnet, die Ärmel bis kurz unter die Ellbogen hochgekrempelt. Schwarze Jeans, vielleicht Versace. Ein helles Sakko, über den Arm gelegt. Weiße Slipper, keine Socken. Halblange schwarze Haare, noch feucht von der Dusche. Zweiwochenbart, sorgfältig getrimmt.

Du schließt die Okulyten und stellst dir den Zitronenduft vor, den das Duschgel auf seinem Nacken hinterlassen hat. Eine verdammte Schande, sagst du dir, dass ein so attraktiver und wohlhabender Kerl Galicier ist, auf Zehenspitzen durch die Gegend tänzelt und auf die Idee kommt, ins gleiche Negoschi einzusteigen wie ihr. In einer anderen Welt, in einem anderen Leben hättest du etwas mit ihm anfangen können.

Der Gallego legt die Hände auf den Alabaster der Rezeption, setzt ein girlandenförmiges Lächeln auf und beginnt ein Gespräch mit dem Mann hinter dem Tresen. Mehrere Male nickt der Hotelmitarbeiter, wie ein Sklave. Wie Sie wünschen, Señor, natürlich, Señor, aber gern lutsche ich Ihnen den Schwanz, Señor, wenn Sie nur den Reißverschluss noch ein bisschen öffnen könnten, so ist es perfekt, Señor, danke.

Falls es für den Gallego je die Chance gab, mit heiler Haut davonzukommen, verpufft sie, als zwei Topolinen in der Lobby auftauchen und mit freudigen Hüftschwüngen zu ihm tippeln. Du vermutest, dass sie kichern und gackern, aber von dort, wo ihr geparkt habt, kannst du es nicht hören. Als er sich zu ihnen umdreht, wird sein Lächeln noch etwas breiter. Wenn er nicht aufpasst, umspannt es bald schon die Rückseite seines Kapotts.

Die Topolinen stellen sich neben ihn, eine links, eine rechts, und schlingen je einen Arm um seine Hüften. Er küsst erst eine von ihnen auf die Wange, dann die andere. Sie tragen leichte Kleider, beide weiß, obwohl es Oktober und schon relativ frisch ist. Sie sind so groß wie er, und das ohne Absätze. Schlank, aber mit Kurven, gebräunte Haut, Mitte zwanzig. Wespentaillen, wie man sie nur in Magazinen sieht. Langes, glattes Haar, pechschwarz, mit gekonnt dezenten Strähnchen. Sandalen aus weißem Leder, für die man locker den Monatslohn eines Peruaners hinlegt.

Vielleicht sind sie Schwestern. Für ihn nicht. Für ihn sind sie, was er will. Der Gallego ist verheiratet, seine Frau eine Blondine von asexueller Schönheit und mit ausdruckslosem Fadjia. Auf dem Foto, das du bei Facebook gesehen hast – sie vor einem Batschi in den Bergen, in Schweden, Norwegen, einem dieser Länder eben –, baumelte ein goldener Zopf über ihrer Schulter bis hinunter zur Brust.

Du hast die Seite der beiden durchforstet, so wie El Cid es dir befohlen hatte, und ihre zwei Barne entdeckt. »Unser Pärchen«, wie eine der Bildunterschriften lautete. Eins dunkelhaarig, eins blond. Visagen wie verhätschelte Hosenscheißer, bei deren Anblick du am liebsten in Facebook hineingekrochen wärst, um Schleppocken zu verteilen. So hast du es dem Capo gesagt, den Schocht nur einen Millimeter geöffnet, aber er hat nicht gelacht. Er lacht nie.

Deine Fingernägel gruben sich beim Scrollen immer tiefer in den Kunststoff der Maus. Eine Villa in den Bergen, eine am Meer. Ein Foxterrier mit frech-dreister Visage. Eine Jacht, Stand-up-Paddeln, Tennis. Freunde in hohen Positionen. Weingüter, Promiköche, Schauspieler. Anhängliche Großeltern mit schneeweißen Zahnprothesen. Der Werbespot für ein perfektes Leben, wie es jeder gern hätte.

Selbst wenn der Gallego sich nicht in das Negoschi mit dem weißen Pulver gedrängt und einen Bogen um Barcelona gemacht hätte, selbst wenn El Cid ihm keine Lektion hätte erteilen wollen – diese Facebook-Seite, das ist dir sofort klar gewesen, hatte sein Urteil besiegelt. Damit die Lokos einen massakrieren, ist es nicht notwendig, dass jemand reich und erfolgreich ist und liebende Eltern und eine stabile Familie hat. Ist man es jedoch und hat beides, genießen einige von ihnen das Massaker umso mehr, ganz besonders du.

Sie krümmen sich förmlich vor Lachen. Du nimmst an, das Trio will später in Sitges oder Barcelona zu Abend essen. Auf keinen Fall hier, in Castelldefels, das nur noch ein vor sich hin rottender Kadaver ist, Hotel an Hotel, am äußeren Rand des Llobregat-Deltas. Anschließend soll es wahrscheinlich zurück in die Suite gehen, wo der Gallego den Topolinen ein paar dicke Lines auf der Glasplatte des Couchtisches zurechtlegen wird. Erst wird die eine ziehen, dann die andere, anschließend vögelt er die beiden, erst eine Möse, dann die zweite. Zwischendurch schmeißt er blaue Pillen ein und gönnt sich dazu noch ein Pülverchen, von dessen Existenz er noch nicht einmal wissen sollte. Die Topolinen werden ihn mit flinken Zungen bearbeiten, ihn ab und an sauber lecken, wie kleine Kätzchen einen Napf Milch.

In diesem Kackhotel hat sich mal ein amerikanischer Schauspieler aufgebammelt, sagst du zu den anderen im Karreto. Wie hieß der noch gleich? So ein alter Knacker.

Was?, fragt El Cid vom Beifahrersitz aus und dreht sich kurz zu dir um. Sein Fadjia ist nicht gut zu erkennen, die Beleuchtung im Wageninneren ausgeschaltet. Mit etwas mehr Licht könnte man seine tiefsitzenden Okulyten sehen, die von Mal zu Mal trockener und lebloser wirken. Als ihr Barne wart, sahen sie noch nicht so aus. Damals hatte er die schönsten vom Gol Sur, hell und klar, ein eigenartiges Blau, wie das eines Amethysten. Mit diesen von Willen durchfluteten Okus verführte er sie alle, und dich als Allerersten.

Ich sag, dass sich hier … ach, vergiss es.

El Cid dreht dir den Rücken zu und sieht wieder in Richtung Hotellobby.

Elías, die Mikrobe, hält das Lenkrad mit beiden Händen fest umklammert, obwohl ihr bereits eine Stunde lang parkt, und beginnt plötzlich zu lachen.

Dem Lackaffen reißen wir den Arsch auf. Und den Nutten da reißen wir auch den Arsch auf. Den Arsch tun wir denen aufreißen!, brüllt er. Dann lacht er wieder mit dieser ekelhaften Lache. Es klingt wie ein Husten: Chö, chö, chö, chö. Diese Lache geht dir mächtig auf den Keks. Wenn er den Schocht aufmacht, ist es allerdings noch schlimmer. Der Kerl erinnert an einen Hund, dem irgendjemand mehr schlecht als recht beigebracht hat, menschliche Laute zu bellen. Oftmals ist sein cholerisches Gekläffe nur mit Mühe zu verstehen, und dabei stammt ihr aus der gleichen Gegend.

Mikrobe zieht die Nappe hoch. Unfähig, seine Gedanken vom Lautapparat zu entkoppeln, bewegt er in einem fort die Labbren. Während du ihn beobachtest, verfestigt sich deine Vermutung, dass er, ganz ähnlich wie ein Tier, sich seiner selbst nicht bewusst ist. Elías ist nicht nur ein Subwesen, sondern, was noch viel schlimmer ist, er ahnt noch nicht einmal, dass er eins ist. Wie sollte er auch etwas anderes sein wollen, dieser Kretin, so ganz ohne Bewusstsein für seinen gegenwärtigen Zustand.

Solche Gedanken hast du oft. Aber du hältst den Schocht, schließlich bist du nicht lebensmüde.

Mikrobe ist einer der Welpen. Barne, die gerade erst eurer Organisation beigetreten sind, noch nicht von den Piggern registriert. Sie gelangen über die Tribünen zu euch, von ganz tief unten. Eurer Kaderschmiede. Wenn du ihnen zu nahe kommst, schlägt dir ein Gestank ins Fadjia, der sich nicht abwaschen lässt. La Mina, Baró de Viver und Sant Adrià. Es wundert dich nicht, dass sie zu allem bereit sind, um diesen Kloaken zu entkommen. Für ein Karreto wie das, in dem ihr gerade sitzt, würden sie töten. Es gehört El Cid. Alfa Romeo Giulia, customized. Kirschrot, wie der von Mussolini. Du fährst einen BMW M850i xDrive Coupé First Edition. Vor einem Jahr hast du ihn dir zugelegt, in einer Lackierung namens Frozen Barcelona Blue. Barna, für immer und ewig. FCB, der einzige Club der Stadt seit 1899. Wer’s nicht mag, soll sich verpissen. Automatikgetriebe mit acht Gängen. Von null auf zweihundert im Handumdrehen. Musst nicht mal ganz durchtreten. Eine verdammte Bestie. Hundertsiebzigtausend, Nen, mehr als so manches Eigentumsbatschi.

Diesen Mist hast du dir wie ein Mantra eingeprägt, gleich beim Händler, und wiederholst ihn seither immer, wenn jemand in dein Karreto steigt. Damit sie denken, du wärst wie sie, musst du so quatschen wie sie.

Jetzt kommen sie raus, sagt Diego. Diego Sáez. Er sitzt links neben dir. Ihr habt alle aus dem Fenster gestarrt und in Echtzeit mitgekriegt, wie der Gallego mit den Topolinen rauskam, aber offensichtlich will euch der gute Diego noch einmal explizit darauf hinweisen. Du musterst sein Fadjia. Er ist noch nicht lange bei den Lokos. Neulich ist er allein gegen drei Bukaneros angetreten, linke Ultras des Madrider Clubs Rayo Vallecano. Ihr, die Captains, wart an diesem Tag nicht dabei. Es gibt ein Negoschi, um das ihr euch kümmern müsst, ganze Familien sind auf euch angewiesen, wie El Cid immer sagt. Ihr habt an diesem Tag verloren, sowohl im Stadion als auch davor, aber der gute Diego hat drei Typen zerlegt. Nicht schlecht für einen Frischling, hat der Capo zu dir gesagt. Die Botschaft an die Madrilenen war klar und deutlich: drei geschundene Körper auf dem Asphalt von Vallecas und dazu ein Graffiti, das der Neuling auf einer Wand am Ort des Geschehens hinterließ. Ein Hakenkreuz, daneben die Worte LOKOS FCB.

Der Gallego steigt die Treppe des...

Erscheint lt. Verlag 13.3.2024
Übersetzer Daniel Müller
Sprache deutsch
Original-Titel Revancha
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2024 • A Clockwork Orange • Bandenkrieg • Barcelona • Bestseller aus Spanien • Coming-out • eBooks • Fußballfans • Gangkriminalität • Gewalt • Hooligans • Neuerscheinung • Popkultur • Roman • Romane • Sozialdrama • Spanien
ISBN-10 3-641-28716-2 / 3641287162
ISBN-13 978-3-641-28716-0 / 9783641287160
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