Repair Club (eBook)

Thriller. Geheimnisse eines Meisterspions
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
496 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-7499-0686-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Repair Club -  Charles den Tex
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Ein Meister im Reparieren - gelingt ihm das auch mit seiner Vergangenheit?

Ein pensionierter Spion und drei seiner treuen Gehilfen betreiben einen »Repair Club«. An den Wochenenden reparieren sie Toaster, Haartrockner und Wasserkocher. An den Wochentagen versuchen sie die Vergangenheit zu reparieren, und die ist im Fall von John Antink ziemlich komplex.

Sein Leben ist auf Lügen und Halbwahrheiten aufgebaut: »Hüte deine Geheimnisse« war das Motto während seines ganzen Lebens als Agent im Außendienst.

Ein Mysterium aus seiner Vergangenheit als Spion in Ostdeutschland in den Achtzigerjahren taucht jedoch plötzlich wieder auf um ihn zu verfolgen. Der »Repair Club« wird aktiv, um es zu entlarven, stillzulegen und zu beseitigen. Schritt für Schritt muss John zusehen, wie all seine Geheimnisse aufgedeckt werden. Alles scheint in Einzelteile zu zerfallen. Nur die drastischsten Maßnahmen können dies noch verhindern. Und John zögert keine Sekunde ...



Charles den Tex wurde 1952 in Australien geboren und lebt seit 1958 in den Niederlanden, wo er zu den erfolgreichsten Autoren zählt. Fast alle seine Bücher wurden für den Gouden Strop nominiert, und dreimal hat er diesen Preis bereits gewonnen. »Repair Club« wurde 2022 in den Niederlanden für den VN Thriller des Jahres nominiert.

1

JOHN ANTINK

Der Mann fällt sofort auf. Nicht weil er auffällig wäre – im Gegenteil, er tut sein Bestes, um das zu vermeiden, und das sieht man. Es liegt an seiner Haltung, an der Art, wie er sich bewegt, zielbewusst und dabei nonchalant, als hätte er alle Zeit der Welt. Zeit, die es nicht gibt. Er hat einen träge suchenden Blick, nicht gehetzt, eher zielgerichtet, er sucht etwas, von dem er sicher weiß, dass er es finden wird, wenn nicht heute, dann bestimmt morgen. Er schaut und beurteilt, was er sieht, als hätte er eine Checkliste im Kopf, auf der er die Dinge abhakt, die seinen Augen begegnen. John erkennt das, darum ist ihm der Mann aufgefallen. Ein ganz gewöhnlicher Mann, Anfang fünfzig, schätzt er. Slawisches Aussehen mit extrem heller Haut, selbst nach dem wärmsten Sommer seit Jahren. Kaum Bartwuchs, nur ein paar spärliche dünne Härchen, die wie ein leichter Flaum sein Kinn überziehen. Er trägt einen ordentlichen Anzug aus grauem Stoff, wirkt gepflegt. Hemd ohne Krawatte, hellbraune Lederschuhe. Eine Sonnenbrille hängt mit einem Bügel im Hemdkragen, die dunklen Gläser wie Spiegel auf der Brust.

Er darf den Mann nicht zu lange anschauen, sich nicht anmerken lassen, dass er ihn beobachtet, das sind die Regeln, die John automatisch im Kopf hat, quasi hören kann. Er richtet seine Aufmerksamkeit wieder auf die Arbeit. Seine Finger sind nicht mehr so geschmeidig und schnell wie früher, und trotzdem finden sie immer noch ohne Probleme die richtige Stelle, die Schrauben und Muttern, die Federn und Klemmen. Was er ertastet, sieht er als Bild im Kopf, er hat ein außergewöhnlich stark ausgeprägtes Visualisierungsvermögen. Zum Teil ist das Veranlagung, Talent, und zum Teil geht es auf die Jahre zurück, in denen er im Dunkeln mechanische und elektrische Apparate zum Sprechen bekommen musste. Er schaut zu der Frau ihm gegenüber am Tisch hinüber und lächelt freundlich, während er tief drinnen im kaputten Toaster die gebrochene Sprungfeder findet. Es ist ein ruhiger Tag im Repair Club. Die Sonne scheint, das schöne Spätsommerwetter zieht die Menschen nach draußen und an den Strand.

»Müssen Sie denn da gar nicht hinsehen?«, fragt die Frau und deutet auf den Apparat, der sich nicht mehr abschaltet, wenn der Toast fertig ist.

»Habe ich schon.« Das hat er noch nicht verlernt. Ein einziger Blick, und er weiß genau, wo alles ist. Er braucht das nicht immer wieder zu kontrollieren, er sieht blitzschnell, was funktioniert und was nicht. Ob es jetzt um Menschen oder um Technik geht – er schaut hin und weiß Bescheid. Seine Augen stehen dann in direkter Verbindung mit einem Gedächtnisarchiv, in dem unendlich viele Bilder gespeichert sind. Er erkennt Muster und Strukturen; wenn er das Gehäuse eines Toasters aufschraubt und sich dessen Innenleben anschaut, sieht er sehr schnell, wo der Fehler liegt. In diesem Fall war es allerdings wirklich sehr einfach. Die Feder, die den Halter mit den Brotscheiben nach oben springen lässt, ist gebrochen. Dadurch unterbleibt die Unterbrechung des Kontakts, und der Toast verbrennt. Viel simpler ginge es gar nicht. Genau wie dieser Mann mit dem slawischen Aussehen, den brauchte er auch nur eine einzige Sekunde zu sehen, um ihn einordnen zu können. In dieser Hinsicht ist der Mann eine Art Toaster. John sieht ihn und erkennt Marke und Modell. Dann kann er an die Arbeit gehen.

Sie betreiben zu viert den Repair Club. Reparieren ist schön. Es bedeutet, dass man wissen will, wie alles funktioniert, welche einzelnen Teile es gibt und warum auch das kleinste von ihnen für das Ganze gebraucht wird. Reparieren ist begreifen. Und es ist ein Grund, sich regelmäßig zu treffen. Jaap, George und er sind alle drei technisch begabt, schon immer gewesen. Der eine Mechaniker, der andere Hausmeister und er selbst ein nicht zu definierender Experte. Nur bei Lydia liegt die Sache anders; sie kommt aus der Pflege und hat ihr ganzes Leben lang alles mit den Händen gemacht, auch in Zeiten, in denen nichts funktionierte und kein Geld da war, um die Dinge zu kaufen, die man brauchte. Für sie ist der Repair Club eine Fortsetzung ihrer praktischen Arbeit. Jahrelang hat sie älteren Menschen mit ihren kaputten Sachen geholfen, weil sie es einfach nicht übers Herz gebracht hätte, sie ohne Unterstützung sitzen zu lassen. Alle sagten diesen alten Menschen immer nur, dass sich eine Reparatur nicht mehr lohne, dass sie keinen Sinn ergebe und ein neues Gerät billiger sei. Manchmal schien es, als ginge es dabei um die Menschen selbst, dass sie nicht mehr der Mühe wert wären, und darum hatte Lydia ihnen geholfen. Nach ein paar Jahren in der häuslichen Pflege hatte sie immer einen kleinen Schraubenzieher, eine Zange und ein scharfes Messer dabei, mit denen sie die am häufigsten auftretenden Defekte beheben konnte. Niemand hat mehr lebensgefährliche alte Stecker gesehen als sie.

Sie kennen sich schon mehrere Jahrzehnte, und zusammen bilden sie ein kleines Netzwerk. Als er noch arbeitete, brauchte John Menschen, die außerhalb des Geheimdienstes Dinge regeln konnten – ein sicheres Haus, einen Einbruch, das Platzieren eines Mikrofons, jemanden aufnehmen, verschiedene Jobs, große und kleine. Lydia, George und Jaap sind beim Geheimdienst nicht bekannt. Was sollte der auch über sie wissen? Gar nichts. Es gibt so viele Menschen, über die der Geheimdienst keine Informationen hat. Der Club ist entstanden, als John einmal eine Aktion überhastet abbrechen musste und keine Zeit mehr hatte, alles zu regeln. Genau das, nämlich das Chaos beseitigen, die Fehler beheben, ohne dass es jemand sieht, war damals lebenswichtig. Das machen sie noch immer.

Aus dem Augenwinkel verfolgt John den Mann, der langsam an der Tür zwischen den wenigen Leuten hindurchschlurft. Überall auf den Arbeitstischen liegen Einzelteile und Geräte, ein bunt gemischtes Chaos. An Jaaps Tisch schaut der Mann zu, wie Jaap eine Kaffeemaschine repariert. Das ist komplizierter als bei einem Toaster, denn so eine Kaffeemaschine hat kaum bewegliche Teile. Haartrockner sind oft einfach, außer wenn das Element durchgeschmort ist. In dem Fall ist eine Reparatur unmöglich. Manchmal funktioniert das Gebläse nicht mehr, dann lässt sich noch etwas machen. Je mehr Elektronik, desto schwieriger. Wenn das Gerät einen Chip hat, kommt auch noch Software ins Spiel, und man kann nur hoffen, dass kein digitales Problem aufgetreten ist. Aber solange es die Mechanik oder Elektrik betrifft, können sie fast alles reparieren.

Der Mann geht weiter, allem Anschein nach ist er fasziniert von dem, was in diesem großen Raum abläuft. Er hat zwei Supermarktplastiktüten bei sich, eine knallrote von Dirk van den Broek und eine grüne von Plus.

»Meinen Sie, Sie kriegen das hin?«, erkundigt sich die Frau. Sie ist jünger als er, schätzt John. Wirklich? Plötzlich traut er seinem eigenen Urteilsvermögen nicht mehr. Wie alt ist sie? Sechzig? Oder älter? Blondes Haar, gefärbt, das schon, offen, nicht zu lang, helle blaue Augen, eine wohlgeformte Stirn, kaum eine Falte. Nicht aus Den Haag. Aus Brabant wahrscheinlich, irgendwo aus dieser Region, auch wenn er das jetzt schon rät. Ihr Akzent ist kaum wahrnehmbar, nur am weichen G und an den melodischen Vokalen.

»Fast fertig«, sagt er. Aus einer Werkzeugtasche holt er eine Dose mit Kleinteilen, sucht eine Sprungfeder in der richtigen Größe heraus und fummelt sie in den Toaster. In seiner Tasche ist alles Mögliche, von kleinem Werkzeug bis hin zu Schrauben und Muttern, Lötdraht, Sicherungen und Schaltern. Im Laufe der Jahre hat er überall Zeug zusammengetragen, das er aufbewahrt und zu den Treffen mitnimmt. Wenn ihm irgendwo ein Elektrogrill begegnet, der sich nicht mehr reparieren lässt, holt er die brauchbaren Teile heraus und bewahrt sie auf. So ist er auch an diese Sprungfeder gekommen.

Der Mann steht jetzt neben Lydia, die jemandem mit einem Radio hilft, einem etwas älteren Transistormodell. Das Interesse des Mannes ist nur vorgetäuscht, das kann John aus der Entfernung sehen. Er interessiert sich nicht für die Reparatur. Er sucht etwas. Oder jemanden.

Er muss aufpassen; das hier läuft zu glatt. Während seiner Jahre im Einsatz hat er gelernt, dass man solchen Situationen misstrauen muss. Der Argwohn steckt ihm in den Genen, eine Eigenschaft, die er in den vergangenen vierzig Jahren perfektioniert und die sich ihm so tief eingeprägt hat, dass er sie wahrscheinlich nie wieder loswird. Er hat gelernt, sie zu lieben wie eine warme, schützende Schicht um sich herum. »Auf Misstrauen kann man vertrauen«, das ist eines seiner Prinzipien. Er hat noch ein paar mehr, zum Beispiel seine vier Grundregeln: Man muss warten können, man muss den Mund halten können, man darf nie übertreiben, und man muss lügen können. Mit diesen Regeln hat er sich schon aus allen möglichen Situationen gerettet. Gut lügen zu können, ist nützlicher, als gut kochen zu können. Mit einer Lüge kann man das eigene Leben retten, mit einem Pilzcappuccino nicht. Sein gesundes Misstrauen hat ihn noch nie im Stich gelassen.

Der Mann steht immer noch bei Lydia. Hier und da warten Leute mit Apparaten, die nicht mehr funktionieren und an denen sie aus dem einen oder anderen Grund hängen. Hier können die Leute alles auf den Tisch legen, und das im wörtlichen Sinne. Sie trinken Kaffee oder Tee, manchmal auch ein Bier. Es herrscht eine gemütliche Atmosphäre, und die Leute kommen nicht nur wegen der Reparaturen. Zweimal im Monat trifft sich der Repair Club irgendwo hier in der Gegend, in einem Gemeindezentrum, einer Kirche, einem Firmengebäude oder wie heute in einem leeren Ladenlokal. Das Modegeschäft, das hier vorher drin war, wurde vor einem halben Jahr geschlossen, und bisher ist noch niemand Neues...

Erscheint lt. Verlag 20.2.2024
Übersetzer Simone Schroth
Sprache deutsch
Original-Titel The Repair Club
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Agent im Außendienst • Club mit Agentenfeunden • Den Haag • dunkle Geheimnisse • Gastland Niederlande • Geheimagent • Geheimdienst • Geheimnisse • Gouden Strop • leCarré • letzter Fall • Niederlande • Ostdeutschland • Repair Club • Spionage • Spionagethriller • Spion im Ruhestand • Spion Ostdeutschland • Thriller • Vergangenheit holt ihn ein • Verrat • Wer ist er Wirklich
ISBN-10 3-7499-0686-6 / 3749906866
ISBN-13 978-3-7499-0686-4 / 9783749906864
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