Portugiesischer Pakt -  Luis Sellano

Portugiesischer Pakt (eBook)

Spiegel-Bestseller
Ein Lissabon-Krimi

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
320 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-30291-7 (ISBN)
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Henrik Falkners Antiquariat in der Altstadt von Lissabon ist eine Oase für Liebhaber alter Bücher und erstaunlicher Fundstücke. Und es ist dringend renovierungsbedürftig. Da kommt ein lukratives Geschäft gerade recht: Henrik soll für einen neuen Kunden Bücher aus dem Nachlass des kürzlich verstorbenen Senhor Monteiro erwerben. Die Bezahlung ist fast zu gut, um wahr zu sein. Doch dann finden sich Hinweise darauf, dass Senhor Monteiros Tod möglicherweise kein Unfall war. Als kurz darauf Henriks Auftraggeber spurlos verschwindet, ist klar, dass mehr hinter der Sache stecken muss. Henrik ermittelt - die Spur führt ihn zurück bis in die Siebzigerjahre, in die Zeit des politischen Umbruchs, und er kommt Stück für Stück einem tödlichen Geheimnis auf die Spur.

Luis Sellano ist das Pseudonym eines deutschen Autors. Auch wenn Stockfisch bislang nicht als seine Leibspeise gilt, liebt Luis Sellano Pastéis de Nata und den Vinho Verde umso mehr. Schon sein erster Besuch in Lissabon entfachte seine große Liebe für die Stadt am Tejo. Luis Sellano lebt mit seiner Familie in Süddeutschland. Regelmäßig zieht es ihn auf die geliebte Iberische Halbinsel, um Land und Leute zu genießen und sich kulinarisch verwöhnen zu lassen.

1

Helena

Die Unfallstelle war abgesichert. Kreiselnde Blaulichter verwirbelten die Nacht. Inspetora Helena Gomes parkte hinter dem Streifenwagen, nahe an der Leitplanke. Es war kurz nach einundzwanzig Uhr. Sie hatte gerade Dienstschluss machen wollen, als der Anruf von Rui Dinis bei ihr einging. Dinis war Brigadekommandant bei der Polícia Municipal und sie waren lose befreundet, weshalb das Gespräch nicht über die Zentrale an sie weitergereicht worden war, sondern er sie direkt angerufen hatte. Daher war es für sie kaum möglich, es nicht entgegenzunehmen. »Wir haben hier einen Unfall. Sieht seltsam für mich aus, wie der Wagen den Abhang runter ist. Vielleicht ist aber auch gar nichts dran«, hatte er sie wissen lassen. Eine vage Andeutung, doch Helena kannte Rui als einen erfahrenen Hasen, der nicht unbegründet die Kripo einschalten würden. Also hatte sie eingewilligt vorbeizukommen, auch wenn die Fahrt hoch zum Parque da Pedra nicht gerade auf ihrem Heimweg lag. Abgesehen davon, dass die extreme Hitze, die Lissabon diesen August den Atem raubte, sie ohnehin davon abhalten würde, frühzeitig ins Bett zu gehen. So gesehen hatte sie auch noch ein bisschen durch die Nacht fahren können – mit offenem Fenster, hinauf auf die Anhöhe im Westen der Stadt. Eine Fahrt durch den bewaldeten Park, die ihr sogar ein wenig Abkühlung brachte.

Bevor sie ausstieg, schrieb sie eine WhatsApp: Wird später, warte nicht auf mich! Sie wartete nicht ab, ob die Nachricht zugestellt wurde, sondern steckte ihr Handy weg. Die Dienstvorschrift sah vor, dass sie auch ihrem neuen Teamleiter Sérgio Damasos Bescheid geben müsste, aber nach ihrem Ermessen handelte es sich bis zu diesem Zeitpunkt noch um keinen offiziellen Einsatz. Mittlerweile hatte sie gelernt, den Ermessensspielraum nicht mehr gar so eng zu nehmen. Zuerst wollte sie sich einen Überblick verschaffen und danach entscheiden, ob sie Damasos aus dem Bett klingeln würde.

Helena kannte die Stelle, die der Brigadeführer der Ortspolizei ihr beschrieben hatte, die Kehre unterhalb des Miradouro do Alto da Serafina, wo der bewaldete Hang steil hin zum Stadtteil Bairro da Liberdade abfiel. Sie passierte die zwei Polizeiwagen, die quer über der Straße standen, und folgte den Signalleuchten bis zur Unfallstelle. Dinis erwartete sie. Er war ein etwas schrulliger Mittfünfziger, dem sie immer mal wieder bei Einsätzen begegnete, und sie wusste, dass wegen seiner Eigenheiten nur wenige aus seinem Corps wirklich gut mit ihm auskamen. Vermutlich verstanden sie sich gerade deswegen, schließlich galt auch Helena als nicht besonders einfach im Umgang mit Kollegen.

Rui Dinis war stämmig und deutlich kleiner als Helena. Mittlerweile trug Rui eine ordentliche Plauze vor sich her, über die sein hellblaues Uniformhemd spannte. Unter seinen Armen hatten sich dunkle Schweißflecken gebildet. »Schön, dich mal wieder zu sehen, auch wenn die Umstände alles andere als schön sind. Wie geht’s deiner Tochter?«, begrüßte er sie. Wäre er in Zivil gewesen, hätte er sie vermutlich umarmt. Helena war es ganz recht, dass die Uniform und gewiss auch die anwesenden Polizisten und Rettungskräfte ihn davon abhielten.

»Sara fängt nächsten Monat mit der Schule an«, berichtete sie kurz. Dinis lupfte seine Mütze und wischt sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn. Um seinen runden Kopf wuchs ein grauer Haarkranz. »Buh, wie die Zeit vergeht. Ihr solltet bald mal wieder auf einen Grillabend vorbeikommen. Inês würde sich freuen, deine Sara und dich wiederzusehen.« Bislang war Helena nur einmal nicht um eine Einladung zu den Dinis’ nach Hause herumgekommen. Und dieses eine Mal, als sie keine Ausrede fand und der Höflichkeit wegen schließlich zusagte, hatte sich Sara von der übertriebenen Herzlichkeit, die Ruis Ehefrau Inês ihr damals entgegenbrachte, eher bedrängt gefühlt. Zu viele Umarmungen und eindeutig zu viele feuchte Küsse. »Klar, machen wir«, sagte sie knapp und zeigte dann rüber zu dem mit Warnleuchten gekennzeichneten und abgesicherten Bereich auf der schmalen Bergstraße. »Dann lass mich mal sehen!«, verlangte sie.

Sie gingen zu der Stelle, ziemlich genau im Scheitelpunkt der Kehre, wo der Wagen die Leitplanke durchbrochen hatte. Danach hatte er sich etwa zwanzig Meter unterhalb der Straße im steilen Abhang zwischen knorrigen Pinienstämmen verkeilt. Die Feuerwehr hatte den Wagen mit einem Stahlseil vor dem weiteren Abrutschen gesichert.

»Wer ist der Fahrer?«

»Laut seinen Papieren, ein Dr. Eusébio Monteiro, siebzig Jahre alt.«

»Wo ist der Notarzt?«

»Schon wieder weg, war nichts mehr zu machen. Genickbruch, durch den heftigen Aufprall. Kommt davon, wenn man einen Oldtimer fährt, in dem noch keine Airbags verbaut sind.«

Helena sah genauer hin, konnte aber wegen der zerbeulten und halb um den Baumstamm gewundenen Karosseriesilhouette den Fahrzeugtyp nicht bestimmen.

»Jaguar, E-Type V12, Baujahr 1970, schätze ich. Schade um diesen Wagen.«

Helena sah ihn skeptisch an, doch Dinis bemerkte ihre Reaktion nicht und redete einfach weiter. »Nachdem nur noch der Tod des Insassen festgestellt werden konnte, bestand kein Bedarf mehr, ihn unverzüglich aus dem Wrack herauszuholen. Also habe ich angeordnet, dass er im Wagen bleibt, bis die Kripo sich ein Bild davon gemacht hat.« Dinis drehte sich um und schaute die Straße hoch, die sich um den Berg schlang und außerhalb der Flutlichtscheinwerfer des Rettungsteams in der Dunkelheit verschwand. »Die Leitplanken sind hier oben ziemlich marode. Stellenweise durchgerostet wegen der salzigen Luft. Dennoch muss er einen ordentlichen Zacken draufgehabt haben. Und was die Bremsspur angeht, die ist verdächtig kurz. Also entweder er war eingeschlafen und hat erst im letzten Moment die Kehre vor ihm bemerkt …«

»Oder?«, hakte Helena nach.

»Womöglich ist er absichtlich auf den Abhang zugefahren und hat es sich in letzter Sekunde dann doch anders überlegt. Aber da war es schon zu spät.«

Die Suizidtheorie behagte Helena nicht. Es war viel zu früh, um sich auf irgendetwas festzulegen. Immerhin konnten sie zum jetzigen Zeitpunkt auch ein technisches Versagen des betagten Wagens nicht ausschließen.

»Beides kein Grund, mich zu anzurufen«, wandte Helena ein. Dinis hob seine Mütze und kratze sich am ergrauten Haaransatz. »Na ja, vielleicht wurde er auch bedrängt.«

Helen wurde hellhörig. »Was meinst du damit?«

»Kann sein, dass ein zweites Fahrzeug beteiligt war. Vielleicht ein Rennen …«

»Ein Siebzigjähriger, der sich nachts ein Autorennen liefert? Sehr gewagt, Rui.«

Dinis druckste etwas herum. »Es gibt eine Zeugin, die möglicherweise einen zweiten Wagen gesehen haben will.«

»Möglicherweise?«

»Hat sie zumindest behauptet.«

Helena sah sich um, konnte aber im flutlichtbeleuchteten Bereich unter den uniformierten Einsatzkräften keine Zivilistin entdecken. »Wer?«

»Eine Obdachlose, die ein Stück weiter unten auf der Straße unterwegs war und dabei beinahe von einem Wagen erfasst worden wäre, der schnell den Berg runterkam, kurz nachdem sie hier oben den Lärm gehört hat. Allerdings kam sie den Kollegen, die als Erstes vor Ort waren, recht betrunken vor.«

»Wo ist sie?«

Dinis starrte auf seine Hände, als wollte er überprüfen, ob er noch alle Finger hatte. »Abgehauen«, raunte er.

»Ehrlich jetzt?«

»Tut mir leid. Sie hat sich wahrscheinlich irgendwo im Park verkrümelt, um sich einen Schlafplatz zu suchen.«

»Wissen wir wenigstens, wer sie ist?«

»Nur, dass sie Marta heißt. Sie hat keine Papiere …«

»Lass sie suchen!«

»Gleich?«

Helena nickte unmissverständlich.

»Dann muss ich noch mehr Leute anfordern. Kann ich das damit begründen, dass die Kripo jetzt offiziell ermittelt?«

Dinis wusste sehr wohl, dass das nicht allein ihre Entscheidung war. »Ist noch nicht beschlossen. Aber du findest diese Marta trotzdem für mich!«

Nach kurzem Zögern griff Dinis nach seinem Funkgerät und gab entsprechende Anweisungen weiter. Indessen sah Helena sich die Unfallstelle genauer an. Schneller als erwartet stand der Einsatzleiter wieder neben ihr. »Wir sehen uns um«, murrte er.

»Welche Art Doktor war dieser Monteiro?«

Dinis zuckte mit den Schultern.

»Wer hat den Unfall gemeldet?«

»Der Anruf kam von einem Anwohner unterhalb des Bergs.« Der Polizist zeigte runter zu dem Pinienwald, der sich in der Dunkelheit verlor.

»Er saß draußen auf der Terrasse und hat den Lärm gehört. Du kannst gerne mit ihm reden, aber er wird dir vermutlich nichts anderes erzählen als meinen Leuten.«

»Was denkst du, was wollte der Doktor um diese Zeit hier oben? Wo ist er hergekommen?«

»Vielleicht vom Sportclub?«, mutmaßte Dinis.

Helena nickte. »Sind da nicht die Bogenschützen?«

»Stimmt. Geht eher elitär zu bei denen, kann sich unsereins nicht leisten. Sollen wir das überprüfen?«

Helena nickte. »Ja, fragt auf jeden Fall nach. Und checkt die Verkehrsüberwachung!«

»Bereits in die Wege geleitet.«

»Gut! Dann gehe ich jetzt da runter«, ließ Helena ihn wissen.

»Willst du nicht besser warten, bis sie ihn hochgezogen haben?«

»Nein«, machte Helena klar, schon allein der Befürchtung wegen, dass die Bergung noch mehrere Stunden dauern würde. Und so angenehm kühl wie erhofft war es leider auch nicht. Es gab also keinen Grund, sich länger als nötig die Nacht um die Ohren zu...

Erscheint lt. Verlag 11.4.2024
Reihe/Serie Lissabon-Krimis
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2024 • eBooks • Gil Ribeiro • Helena Gomes • Henrik Falkner • Krimi • Kriminalromane • Krimi Neuerscheinungen 2024 • Krimis • Lissabon • Neuerscheinung • Portugal • Sommerkrimi • SPIEGEL-Bestsellerautor • Strandlektüre • Urlaubslektüre
ISBN-10 3-641-30291-9 / 3641302919
ISBN-13 978-3-641-30291-7 / 9783641302917
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