Das Auge der Nacht -  Cilla Börjlind,  Rolf Börjlind

Das Auge der Nacht (eBook)

Spiegel-Bestseller
Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
416 Seiten
btb (Verlag)
978-3-641-30034-0 (ISBN)
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SPIEGEL-Nummer-1-Bestseller-Autoren - Bücher erscheinen in 30 Ländern - Serie verfilmt (ZDF)
Als Olivia Rönning und Lisa Hedqvist ukrainische Flüchtlinge befragen, um Misshandlungen auf dem Fluchtweg zu dokumentieren, erfahren die beiden Polizistinnen von einem internationalen Netzwerk, das Menschenhandel organisiert. Wer steckt dahinter? • Tom Stiltons Partnerin Luna glaubt, dass er in einen Mordfall verwickelt war, aber Stilton scheint sich deswegen nicht schuldig zu fühlen. Als die Polizei ihn verhört, spitzt sich die Situation zu. Kann sie einen solchen Mann überhaupt lieben? • Ein Mann stürzt im Zentrum von Stockholm von einem Dach, nachdem er von zwei Männern gejagt wurde. Der Mann kann nicht identifiziert werden. Wer ist er, und wer hat ihn verfolgt? • Abbas, Toms und Olivias Freund, erhält unerwarteten Besuch von seiner Mutter, die er seit seiner Kindheit nicht mehr gesehen hat - eine schockierende Begegnung. Warum hat sie ihn aufgesucht? Alles hat mit einer Luxusjacht an der französischen Riviera und einem unbezahlbaren Schatz zu tun - einem verschwundenen Fabergé-Ei namens Auge der Nacht.

Cilla und Rolf Börjlind gelten als Schwedens wichtigste und bekannteste Drehbuchschreiber für Kino und Fernsehen. Ihre Serie um Polizistin Olivia Rönning und Kommissar Tom Stilton wurde sehr erfolgreich für das ZDF verfilmt. Die Kriminalromane sind Bestseller und erscheinen in 30 Ländern.

Er hieß Oleksij und hielt ein totes Katzenjunges auf dem Schoß, das vor einer Weile erfroren war. Seine Mutter ließ ihn das Tier bis auf Weiteres halten. Sie kauerten unter einer nassen Decke, verborgen auf der Ladefläche eines Lastwagens, und waren auf der Flucht aus Butscha. Ihr Ziel war die polnische Grenze.

Eine lange und gefährliche Reise. Nach einer Weile blieb der Fahrer stehen und bot ihnen an, drinnen in der Wärme des Führerhauses zu sitzen. Bedingung war allerdings, dass sie das tote Katzenjunge zurückließen.

»Das will ich hier drinnen nicht haben.«

Alina brachte ihren Sohn dazu, die tote Katze am Straßengraben abzulegen. Sie riss ein paar Grassoden aus und bedeckte das kleine Tier. Oleksij schaute mit leerem Blick zu. Er hatte in den letzten vierundzwanzig Stunden schon schlimmere Sachen gesehen, so schlimm, dass er nicht mehr schlafen konnte.

»Los, springt rein.«

Der Fahrer winkte, und Alina hob Oleksij in die Fahrerkabine. Er war sieben Jahre alt und hatte an seiner Schulbank gesessen, als eine russische Bombe das Gebäude traf, und jetzt fror er und schob die Hände unter den Pullover. Alina nahm ihn auf die Bank, setzte sich selbst daneben und zog die Tür zu. Die Wärme schloss sich um ihre Körper.

»Glaubst du, wir kommen bis zur Grenze durch?«, fragte Alina.

»Nein. Als ich am Mittwoch hier vorbeigefahren bin, lagen sie da und haben Lwiw beschossen. Wir können versuchen, weiter nach Norden zu fahren, aber sicher ist es dort auch nicht. Wenn ich umkehren muss, lasse ich euch raus, dann müsst ihr zu Fuß weitergehen.«

Alina betrachtete den grobschlächtigen Mann am Steuer, ein unbekannter Landsmann, der sie an einer zerschossenen Bushaltestelle mit den Worten »Versteckt euch auf der Ladefläche« aufgesammelt hatte.

Und jetzt hatte er vor, sie so weit zu fahren, wie er konnte. Um ihretwillen. Sie nahm an, dass er dann wieder nach Butscha zurückkehren und weiteren Flüchtlingen helfen würde.

»Danke, dass du uns fährst«, sagte sie.

Auf dem Weg begegneten ihnen nicht viele Fahrzeuge, denn der Mann wählte kleinere Straßen, um nicht entdeckt zu werden. Mehrere Tage schon hatten russische Panzer auf Lastwagen geschossen. Es herrschte Krieg, und sie waren von einer Großmacht überfallen worden.

Alina nahm ihren Sohn in den Arm. Sie spürte, wie der dünne Körper zitterte, und hoffte, dass es nur die Kälte wäre, die noch in ihm steckte. Doch im Grunde wusste sie, dass es wahrscheinlich andere, quälendere Gründe gab.

Wenn wir es über die Grenze schaffen, dann muss ich ihn dazu bringen zu reden, ehe er alles in sich einschließt, dachte sie und spürte den Druck auf ihrer Brust. Sie durfte nicht anfangen zu weinen. Nicht jetzt, nicht hier, nicht, wenn er wach war. Unter der Decke auf der Ladefläche war er für ein paar kurze Momente auf ihrem Schoß eingedöst, und da hatte sie es laufen lassen. Still, mit geschlossenem Mund, und vorsichtig, damit keine Tränen auf sein Gesicht fielen.

Das Trio im Führerhäuschen saß still, als das Auto aufs Land hinauskam. Die Felder um sie herum lagen öde, in den Dörfern sahen sie nur alte Leute und Kinder. Keine erwachsenen Männer, die waren im Krieg. Alina versuchte zu verstehen, worum es hier überhaupt ging. Warum hat man uns angegriffen und beschossen? Sie war in Butscha, ein Stück vor Kiew, aufgewachsen und arbeitete dort als Telefonistin. Sie hatte noch nie irgendwelche Nazis getroffen, von denen die Russen behaupteten, es gäbe sie überall. Lügen die einfach nur, um uns vernichten zu können? Sie kapierte es nicht, ebenso wenig wie ihre Freunde. Sie war 31 Jahre alt, doch in der letzten Zeit war ihr Gesicht gealtert. Die vielen durchwachten Nächte hatten Falten in ihre Haut gezogen, und die ständige Sorge um Bohdan, ihren Mann, hatte noch den Rest dazugetan. Er war bei der Armee und schon seit Kriegsbeginn weg. Ein paarmal hatte sie kurz Kontakt zu ihm gehabt, jedes Mal hatten sie gemeinsam ins Telefon geweint. Jetzt wusste sie nicht, wo er sich befand und ob er überhaupt noch lebte. In der ersten Zeit hatte Oleksij noch nach seinem Papa gefragt, dann hatte er damit aufgehört. Alle seine Freunde hatten Väter, die an der Front waren. Die von zu Hause weg waren und vielleicht niemals zurückkommen würden. Da tat es am wenigsten weh, wenn man nicht darüber redete.

Der Lastwagen fuhr langsamer, und Alina wurde aus ihren Gedanken gerissen. Schon hier? Würde er hier umkehren?

»Wohin willst du?«

Der Fahrer hatte die Scheibe heruntergedreht und sprach jetzt mit einem blonden jungen Mädchen in einem ausgeblichenen Pullover, das auf der anderen Straßenseite in ihrer Richtung lief. Sie hatte eine graue Bandage um den Arm.

»Zur Grenze«, antwortete sie.

»Möchtest du ein Stück mitfahren?«

Das Mädchen nickte und kam zu ihnen herüber. Alina öffnete die Tür für sie und drückte Oleksij näher an sich. Es wurde eng.

»Ich heiße Alina, das hier ist Oleksij.«

»Ivanna«, sagte das Mädchen.

»Woher kommst du?«

»Kiew.«

»Was hast du mit dem Arm gemacht?«, fragte Oleksij und zeigte auf Ivannas Bandage. Sie antwortete nicht.

»Du musst es nicht erzählen«, sagte Alina.

»Unser Haus …«, begann Ivanna und wandte das Gesicht ab. »Es ist von einer Granate getroffen worden und eingestürzt … ein großer rauchender Steinhaufen … meine Familie ist darunter begraben …«

Sie verstummte.

»Hast du dich da verletzt?«, fragte Oleksij.

Ivanna fuhr mit den Fingern über die Bandage auf dem Unterarm und ließ den Blick aus dem Seitenfenster wandern, ehe sie antwortete.

»Nein.«

Alina zog Oleksij an sich, sie wollte nicht, dass er Ivanna weiter ausfragte. Der Fahrer sah zu ihnen und deutete aufs Handschuhfach.

»Mach mal die Klappe auf«, sagte er. »Da sind Kekse und Wasser drin.«

Ivanna holte ein Päckchen Kekse heraus und gab Alina und Oleksij davon. Der Fahrer griff nach einer Plastikflasche mit Wasser.

»Meine kleine Katze ist gestorben«, sagte Oleksij und aß ein Stück Keks. »Jetzt liegt sie in einem Straßengraben.«

»Wie hieß sie denn?«, fragte Ivanna.

»Yasia. Ich habe sie unter einem brennenden Auto gefunden. Hast du ein Haustier?«

»Nein.«

Ivanna schaute schnell wieder aus dem Fenster, und Alina spürte, dass Oleksijs Frage an etwas gerührt hatte, worüber das Mädchen nicht sprechen wollte.

Das monotone Brummen des Lastwagens wirkte einschläfernd. Oleksij drückte seinen Kopf unter Alinas Arm und dämmerte weg, während die anderen schweigend dasaßen. Es gab nichts zu sagen. Alle waren sie Opfer derselben Tragödie und auf der Flucht vor einer schonungslosen Vernichtung.

»Mama! Was war das?«

Oleksij fuhr plötzlich hoch und zeigte mit dem Finger nach draußen.

Ein lautes Dröhnen war in das Führerhaus gedrungen, und in einiger Entfernung war eine hohe Feuersäule zu erkennen. Alina drückte den Sohn noch fester an sich. Er wusste, dass dies weder Donner noch Blitz gewesen war. Er hatte bereits gelernt, die zerstörerischen Kräfte der Natur von denen des Menschen zu unterscheiden.

»Jetzt muss ich umdrehen«, sagte der Fahrer, »sonst wird es zu gefährlich.«

Er hielt am Rand eines weitläufigen Ackers.

»Wie weit ist es zur Grenze?«, fragte Alina.

»Ein paar Kilometer. Am sichersten ist es, wenn ihr durch den großen Wald jenseits von Tjervonohrad geht, da drinnen seid ihr geschützt. Aber geht möglichst bei Tageslicht.«

»Warum?«

Der Fahrer antwortete nicht. Er wies nur auf die Tür bei Ivanna. Sie öffnete sie, und alle drei stiegen aus dem Führerhäuschen. Dann sahen sie den Lastwagen auf der Straße wenden und zurück Richtung Kiew fahren.

In Rauch und Schwefelgeruch gehüllt gingen sie über das Feld auf den Wald zu.

*

»Wie lange hast du die Uniform denn nicht mehr angehabt?«, fragte Lisa Hedqvist.

Sie und Olivia Rönning zogen sich gerade in der Polizeizentrale um.

»Bestimmt hundert Jahre«, antwortete Olivia.

Das war leicht übertrieben, aber sie hatte tatsächlich nur sehr kurze Zeit in Uniform verbracht, eigentlich nur das Jahr, nachdem sie die Polizeihochschule verlassen hatte. Dann hatte Kommissarin Mette Olsäter sie in die Kriminalpolizei geholt.

Ihre Uniform hatte sie also schon lange nicht mehr getragen.

Doch jetzt war das Pflicht für alle, die, wie auch Olivia und Lisa, nach Nynäshamn fahren würden.

Die Stockholmer Polizei hatte unter dem Namen Accepto einen Spezialeinsatz geplant. Ziel war es, Menschenhandel und Prostitution zu unterbinden, die es im Zusammenhang mit der Aufnahme geflüchteter ukrainischer Frauen gab. Da die Stockholmer Kollegen mit ihren Kräften bereits am Anschlag waren, hatten sie bei der Nationalen Operativen Abteilung NOA um Verstärkung gebeten. Olivia und Lisa gehörten zu denen, die sich bereit erklärt hatten.

Bei ihrem Einsatz sollten sie vor Ort dafür sorgen, dass Flüchtlinge nicht mit den falschen Personen in Kontakt kamen und in die Hände von Menschenhändlern gerieten, von denen sie dann zur Prostitution gezwungen würden. Es gab Hinweise, dass genau dies geschah, dass es Menschen gab, die den Frauen alles von der Fahrt zu einem Übernachtungsort bis hin zu einer vorübergehenden Wohnung anboten, was im schlimmsten Fall mit Freiheitsberaubung und Prostitution endete.

Im Moment war der Einsatz auf Nynäshamn konzentriert, den Hafen südlich von Stockholm, über...

Erscheint lt. Verlag 11.4.2024
Reihe/Serie Die Rönning/Stilton-Serie
Übersetzer Susanne Dahmann, Julia Gschwilm
Sprache deutsch
Original-Titel Nattens öga
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2024 • eBooks • Fabergé-Ei • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Neuerscheinung • Schweden • Thrillerserie • Yacht
ISBN-10 3-641-30034-7 / 3641300347
ISBN-13 978-3-641-30034-0 / 9783641300340
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