Der Valebo-Effekt: Warum wir Kranke als Experten in eigener Sache behandeln sollten -  Hartmut Schröder,  Marlen Schröder,  Elisabeth Grunwald

Der Valebo-Effekt: Warum wir Kranke als Experten in eigener Sache behandeln sollten (eBook)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
180 Seiten
Crotona Verlag
978-3-86191-282-8 (ISBN)
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Warum es wichtig ist, auf mündige Patienten zu setzen!
Das Wort Valebo ist Ausdruck eines neuen Denkens in der Medizin und steht für eine andere Sichtweise auf die Rolle des Patienten in unserem Gesundheitswesen. Es geht darum, Patienten als Menschen auf Augenhöhe und als gleichberechtigte Partner in den Prozess ihrer Gesundung einzubeziehen. Valebo knüpft an den Placebo-Begriff an und zeigt, dass ein Placebo-Effekt nicht auf Täuschung beruhen muss. Vielmehr kann der Patient zum selbstwirksamen Placebo, das heißt zu einem Valebo werden. Durch Achtsamkeit und über sein Bewusstsein wird er zum Protagonisten der eigenen Gesundheit und Heilung.
Das Konzept Valebo zeigt außerdem, wie wichtig Fürsorge und Selbstfürsorge für ein neues Verständnis der Beziehung zwischen Arzt und Patient sind. Im Prozess der Heilung ist die Förderung der Selbstwirksamkeit ein Schlüsselfaktor; denn Heilung ist ohne Selbstheilung nicht möglich. Die Überlegungen der Autoren weisen unmissverständlich darauf hin, dass es zu einem radikalen Umdenken im aktuellen Medizinbetrieb kommen muss. Der Fokus soll auf Prävention und auf die Entwicklung von Gesundheits- und Patientenkompetenz gelegt werden. Menschlichkeit muss wieder Grundlage einer jeden Behandlung sein.
Ein aufrüttelndes Buch, das den Menschen wieder in den Mittelpunkt rückt, nicht die Abrechnungssysteme von Kassen und Krankenhäusern!

1: Das Erbe der Cura: Pflege und Sorge


»Heilen ist meist eine traditionelle Art und Weise,

Menschen zu pflegen und zu trösten, während sie genesen.«

 

(Ivan Illich)9

Die Geschichte der Cura


 

Unser Leben und Sein sind wesentlich mit Sorge verbunden.10 Sorge bedeutet aber keineswegs nur etwas Negatives im Sinne von: besorgt sein oder sich Sorgen um etwas machen. Wir können auch für etwas sorgen, etwas besorgen, jemanden versorgen und sogar vorsorgen. Leben bedarf ständig bestimmter Besorgungen sowie der Für- und Vorsorge. Menschen sorgen indes nicht nur für sich selbst und ihre unmittelbaren Nachkommen. Sie kümmern sich auch um die Gemeinschaft, in der sie leben. Und als Teil der Biosphäre sorgen sie für ihre Mitwelt.11 Zu dieser Mitwelt gehören nicht nur die Mitmenschen sowie das soziale und kulturelle Umfeld, sondern die gesamte Natur einschließlich all ihrer Lebewesen (Tiere und Pflanzen) sowie die Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer. Menschen betreiben in dieser Mitwelt Ackerbau und Tierhaltung – sie sammeln und ernten, was Mutter Erde freigibt. Solange sie klug sind, sorgen sie für ein Gleichgewicht, sodass alles zusammenhält.

 

Allein und auf sich gestellt sind die Herausforderungen des Daseins für den Einzelnen nur mit Mühe oder gar nicht zu bewältigen. Menschen leben daher in Gemeinschaften. Diese sind aber nur dann überlebensfähig, wenn sie – so der Philosoph und Kulturkritiker Ivan Illich – einen »brauchbaren Verhaltenskodex bieten«, der an die Herausforderungen des Zusammenlebens angepasst ist.12 Sorge und Pflege spielen in dieser Hinsicht eine grundlegende Rolle. Es gehört zu unseren Wesensmerkmalen, dass wir Schwache und Hilfsbedürftige pflegen und für ihre Belange Sorge tragen. Es verwundert daher nicht, dass dieses Merkmal des menschlichen Daseins und Miteinanders bereits in der römischen Mythologie in einer Fabel über die Schöpfung des Menschen zum Ausdruck kommt. In dieser Fabel geht es um eine allegorische Gottheit, die Sorge und Pflege symbolisiert.13

 

Es war einmal eine Göttin, die den Namen Cura trug. Eines Tages saß Cura sinnend am Ufer eines Flusses. Sie betrachtete die sanften Wellen und sah etwas im Wasser. Sie griff danach und hielt ein Stück lehmhaltige Erde in ihren Händen. Sofort begann sie damit zu spielen und sie zu formen. Ihre geschickten Hände ließen bald eine schöne Figur entstehen. Diese zog auch die Aufmerksamkeit von Jupiter, dem Göttervater, auf sich. Er bemerkte, was Cura da erschaffen hatte und fand Gefallen an der Figur. Cura bat nun Jupiter, der von ihr aus einem Stück Lehm geformten Figur Geist einzuhauchen. Und Jupiter erfüllte ihren Wunsch. Als Cura nun dem neuen Wesen einen Namen geben wollte, verwehrte Jupiter ihr dies jedoch.14 Er selbst beanspruchte das Privileg, dem neuen Wesen einen Namen zu geben. Er hatte ihm doch Geist eingehaucht und es damit zum Leben erweckt. Ein Streit entbrannte zwischen den beiden Göttern, der wiederum die Aufmerksamkeit von Tellus, der Erdgöttin, erregte. Sie trat hinzu und erklärte, dass nur ihr das Recht zustehe, dem Wesen einen Namen zu geben. Denn Cura habe es zwar geformt, und Jupiter habe ihm Geist eingehaucht. Da es aber aus Lehm geschaffen wurde, sei es ein Teil von ihr, das heißt von Tellus. Ein Wesen aus dem Schoße von Mutter Erde.

Die drei Götter stritten nicht lange, sondern einigten sich auf Saturn als Richter. Saturn, der Gott der Zeit, fällte nach Prüfung aller Sachverhalte eine kluge und gerechte Entscheidung, die von jeder der drei Streitparteien angenommen werden konnte. Sein Urteil lautete: Jupiter sollte der Geist der Lehmfigur nach deren Tod wieder zurückgegeben werden. Denn er hatte ihr den Geist des Lebens eingehaucht. Tellus sollte mit dem Tod der Figur den Lehm zurückerhalten, da sie ihm die materielle Grundlage seiner Existenz gegeben hatte. Cura jedoch, die das Wesen aus Lehm geformt und kreiert hatte, sollte es besitzen und sich um das Geschöpf kümmern, solange es lebte. Saturn verfügte außerdem, dass es fortan »homo« genannt werden solle – abgeleitet von dem Wort humus, was Erde bedeutet.

Homo, von Cura liebevoll umsorgt, mit dem Geist von Jupiter erfüllt und verbunden mit der Natur durch Tellus lebte fortan glücklich und zufrieden sowie in Eintracht mit seinen Mitmenschen, den Göttern und der Natur.

 

Der letzte und für ein Märchen typische Satz dieser anmutigen Geschichte ist von uns frei erfunden. In der historischen Vorlage endet die Fabel mit der Namensgebung durch Saturn. Wir haben diese Stelle hinzugefügt, um darauf eingehen zu können, in welche Richtung sich das von den Göttern in die Welt gesetzte Wesen weiterentwickeln kann. Mit Blick auf die aktuellen Krisen, die im Begriff der »Zeitenwende« gipfeln, ist vieles ungewiss. Es bahnen sich Veränderungen an, deren Auswirkungen auf die Menschheit noch nicht abzuschätzen sind. Einiges deutet darauf hin, dass das Wesen mit dem Namen Homo sich in eine Richtung bewegt, die kein gutes Ende erwarten lässt. Drohen von diesem Wesen eventuell sogar Gefahren, die zu einer Vernichtung von Mutter Erde inklusive der gesamten Menschheit führen? Eine Vernichtung der Schöpfung durch den Menschen?

 

Angesichts der immer größer werdenden von Menschen gemachten Probleme möchte man fragen, was da falsch gelaufen ist und ob die unheilvollen Entwicklungen noch zu stoppen sind. Hat Cura uns zu früh aus ihrer Obhut entlassen? Trifft die Befürchtung von Martin Heidegger: »Nur noch ein Gott kann uns retten«15 zu, die er über die Gefahren der Technik für die Menschheit geäußert hat. Muss – wie in den Mythologien – etwas Höheres eingreifen, um Unheil zu verhindern?

 

In diesem Buch werden wir versuchen, aus dem Schöpfungsmythos der Göttin Cura eine Botschaft zu rekonstruieren. Eine Botschaft, die in Vergessenheit geraten ist, die für die Lösung der gegenwärtigen Probleme aber wieder bedeutungsvoll wird. Zu dieser Botschaft gehören a) ein Bild vom Menschen, b) eine Vorstellung über die Stellung des Menschen in der Welt und c) eine Ahnung über die Kraft, die alles zusammenhält. Wir sind der Ansicht, dass die Fabel über die Göttin Cura und die Erschaffung des Menschen wichtige Weisheiten enthält, die uns bei der anstehenden Rückbesinnung auf grundlegende menschliche Werte helfen können. Wenn wir auf die Herausforderungen der technischen Entwicklungen Antworten haben wollen, sollten wir wissen, was ein Mensch ist, wozu wir leben und wie wir im Einklang mit unserer Mitwelt leben können.

 

Betrachten wir nun die Geschichte der Cura etwas näher, wenngleich auch ohne den Anspruch einer philologischen Analyse.16 Zunächst fällt auf, dass es sich im eigentlichen Sinn nicht um einen klassischen Schöpfungsmythos handelt. Es geht nicht um die Erschaffung der Welt, sondern um die Entstehung des Menschen beziehungsweise der Menschheit. Vor diesem Hintergrund geht es um einen Streit zwischen den an diesem Schöpfungsprozess beteiligten Göttern. Sie streiten um ihre jeweiligen Rechte und Zuständigkeiten. Vor allem geht es in der Geschichte aber um die Rolle der Cura für die Menschheit und damit um die Bedeutung von Sorge und Pflege im Leben der Menschen.

 

Was das vermittelte Menschenbild betrifft, so wird der Mensch in der Cura-Fabel keineswegs als die Krone der Schöpfung dargestellt. Er wird auch nicht in einem heroischen und intentionalen Akt geschaffen. Vielmehr handelt es sich um eine wohl eher spontane Kreation seitens einer Göttin, die das Spiel der Wellen betrachtete und ein Stück Lehm in ihre Hände bekam. Der schöpferische Akt ähnelt dann auch selbst einem Spiel. Cura wird in ihrem Tun als sinnend beschrieben. Sie scheint – wie man heute sagen würde – im Flow zu sein: voller Begeisterung für das, was sie tut beziehungsweise formt. Macht sie es vielleicht aus dem Gefühl der Liebe oder in einem Zustand der Trance –, ohne bewusst einen Plan zu verfolgen?

 

Einen solchen Eindruck vermittelt jedenfalls der Philologe und Schriftsteller Carl Gottfried Wilhelm Vollmer (1797–1864) in seiner Version der Cura-Fabel: »Sinnend saß sie an den Ufern eines Stromes, dem Spiele seiner Wellen zuschauend; unbewusst ihrer selbst, bildeten ihre Finger aus dem Thon des Ufers eine Gestalt, und siehe es war der Mensch.«17

Ein ähnliches Bild findet sich auch in dem Gedicht »Das Kind der Sorge« von Johann Gottfried Herder18 (1744–1803). Herder weist auf einen »Traum der Gedanken« als Quelle der Inspiration von Cura hin. In seinem Gedicht bildet ihr Finger ein »leimernes Bild«, wobei leimern etymologisch auf Lehm im Sinne einer ›klebrigen Erdmasse‹ zurückgeführt werden kann.19 Cura bildet also aus Lehm etwas nach, von dem sie zuvor ein inneres Bild hatte. Allerdings ist es noch ohne Leben – nur ein Körper und noch nicht mit Geist erfüllt.

 

Einst saß am murmelnden Strome

Die Sorge nieder und sann

Da bildet‘ im Traum der...

Erscheint lt. Verlag 3.11.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Esoterik / Spiritualität
Medizin / Pharmazie Naturheilkunde
ISBN-10 3-86191-282-1 / 3861912821
ISBN-13 978-3-86191-282-8 / 9783861912828
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