Ich glaube, der Fliesenleger ist tot! (eBook)

Ein lustiges Baubuch
eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
368 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-07607-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ich glaube, der Fliesenleger ist tot! -  Julia Karnick
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Das ideale Geschenk zum Hauskauf, Richtfest oder Einzug
»Ist es nicht ärgerlich, wie viel Geld man verschleudert, wenn man lebenslang Miete zahlt?« Wer diese Frage stellt, steht schon mit einem Bein in der Baugrube - oder zumindest im Notariat. Egal ob man neu, aus-, an- oder umbaut, eines kommt sicher auf die Bauherren zu: eine Menge. BRIGITTE-Kolumnistin Julia Karnick hat das alles hinter sich und weiß, wie man eine drohende Kostenexplosion bewältigt, sich das Leben ohne Keller schönredet, abgetauchte Handwerker aufspürt, einen Jahrhundertwinter und zwei Wasserschäden übersteht.

Julia Karnick, Journalistin, Ehefrau, Mutter und Bauherrin, wäre bis ans Ende ihrer Tage bereitwillig Mieterin geblieben, wenn da nicht ihr Mann gewesen wäre. Das Paar kaufte ein sanierungsbedürftiges Haus, begann eine Dreiecksbeziehung mit einer sehr jungen, attraktiven Architektin und ließ sich von ihr dazu verführen, die Bruchbude abzureißen und neu zu bauen.

Von Miet- und Eigenheimtypen

Ich bin eindeutig der Miettyp.

Erstens: Ich leide unter einer irrationalen Verarmungsangst, obwohl – oder vielleicht weil – ich nicht ein einziges Mal im Leben von Armut oder Überschuldung bedroht war: Nichts fürchtet man mehr als das, was man nicht kennt. Meine Mutter war Hausfrau, mein Vater Beamter, Monat für Monat verdiente er das Gleiche, die nächste Gehaltserhöhung konnte er anhand eines Kalenders und einer Beamtenbesoldungstabelle auf den Tag genau vorhersagen, für seine Altersvorsorge musste er nichts tun, als auf seine Pensionierung zu warten, wir wohnten zur Miete, unkündbar, in einem Genossenschaftsreihenhaus. Meine Eltern gründeten ihre Existenz auf den Prinzipen »Planbarkeit« und »Sicherheit«; die Wörter »Risiko« und »Unvorhergesehenes« jagen mir, ihrem Kind, bis heute eine Gänsehaut über den Rücken. Kein Beruf läge mir ferner als der der Börsenspekulantin.

Sobald mein Konto zwanzig Euro ins Soll rutscht, werde ich unruhig. Sobald es zweihundert Euro ins Soll rutscht, bekomme ich schlechte Laune. Sobald es mehr als zweitausend Euro ins Soll rutscht, mache ich mir echte Sorgen. Die beiden vertikalen Sorgenfalten über meiner Nasenwurzel wirken wie in Stein gemeißelt, meine Gedanken kreisen, ich schlafe schlecht, ich verliere den Appetit, ich esse zu wenig, mir ist übel. Wenn es ganz schlimm um mich steht, wird aus der Appetitlosigkeit eine chronische Magenschleimhautreizung, dann kotze ich gleich morgens nach dem Aufstehen beim Zähneputzen ins Waschbecken.

Ich fange an, immer wieder die immer gleichen Zahlenkolonnen untereinanderzuschreiben, Einnahmen rechts, Ausgaben links, um mich zu versichern, dass unser Geld für die laufenden Kosten reicht und wir nicht immer weiter in die Miesen geraten werden. Ich tue das geradezu zwanghaft – so als müsste ich die Zahlen durch regelmäßige Verschriftlichung einer Beschwörung unterziehen, weil sie sonst meiner Macht entgleiten, sich selbstständig machen und am Ende gegen uns wenden werden, um uns in den Abgrund zu ziehen. Ich frage meinen Mann, was mit uns passieren wird, wenn uns keine Weihnachtsgeld- oder Steuerrückzahlung rettet. Oder wenn eines Tages auf dem Zettel steht, dass unsere Ausgaben unsere Einnahmen übersteigen.

»Na ja«, sagt mein Mann, »dann müssen wir endlich mal weniger ausgeben. Das wird ja wohl möglich sein.«

Das klingt logisch, aber meine Verarmungsangst ist immun gegen logische Argumente. Sobald ich Miese auf einem Kontoauszug sehe, gerate ich in diffuse Weltuntergangsstimmung. Es wird, das ahne ich, nicht gerade die ganze Welt sein, die untergeht. Aber immerhin doch meine eigene. Und die ist mir nun einmal von allen die liebste.

Wenn ich also, was das Finanzielle angeht, imstande bin, außer mich zu geraten vor Sorge, obwohl ich niemals ernsthaft Grund zur Sorge hatte: Wie werde ich reagieren, wenn es tatsächlich Grund zur Sorge gibt? Zum Beispiel weil alles viel teurer wird, als man gedacht hat? Das wird es ja erfahrungsgemäß immer, egal ob man in den Urlaub fährt, shoppen geht oder ein Haus kauft – nur dass ein doppelt so teurer Einkaufsbummel meist im Rahmen des Verkraftbaren liegt, während ein doppelt so teures Haus ein handfester Grund für schlaflose Nächte ist. Ich werde mich in eine hysterische Furie verwandeln.

Zweitens: Eine hysterische Furie ist ein sozial unverträgliches Wesen. Ich werde meine innere Anspannung abzubauen versuchen, indem ich meinen Mann und meine Kinder so oft wie irgend möglich anschreie. Ich werde vor lauter Haareraufen nicht mehr dazu kommen, meiner Arbeit, dem Schreiben, nachzugehen oder ein anständiges Essen auf den Tisch zu stellen. Ich werde unaufhörlich Zahlen addieren und den Kopf nicht mehr frei haben für guten Sex und gute Gespräche. Kurzum: Ein Hauskauf wird nicht nur meine Nerven, sondern meine Ehe und unsere Familie ruinieren.

Drittens: Einerseits habe ich eine absurde Angst davor, mein schönes Leben könnte sich verändern. Andererseits überkommt mich eine große Beklemmung bei der Vorstellung, mein schönes Leben könnte für immer ganz genau so bleiben, wie es gerade ist.

Ich liebe meinen Job. Aber wenn ich mir klarmache, dass ich diesen Job noch mindestens fünfundzwanzig Jahre machen muss, möchte ich sofort etwas ganz anderes werden, Hebamme oder Astrophysikerin zum Beispiel. Ich liebe meinen Mann. Ich habe mein halbes Leben mit ihm verbracht. Ich möchte mit ihm alt werden, wirklich. Aber wenn ich mir bewusst mache, dass das bedeutet, dass ich mich für den Rest meines und seines Lebens nie mehr werde verlieben dürfen, umflort auf der Stelle Melancholie und Wehmut mein Gemüt. Ich sehe ein, dass es viele gute Gründe für den Erwerb einer selbst genutzten Immobilie gibt. Aber ein Eigenheim ist nun einmal der sichtbare, betonierte, unverrückbare Beweis dafür, dass man irgendwo angekommen ist, von wo man sich mit einiger Wahrscheinlichkeit nie wieder wegbewegen wird, selbst wenn alle Immobilienkäufer das Gegenteil schwören: »Hey, und wenn es uns dort irgendwann nicht mehr gefällt oder die Kinder aus dem Haus sind, dann verkaufen wir halt wieder und ziehen in eine zentral gelegene Dreizimmerwohnung.«

Von wegen. Man braucht nur die Generation unserer Eltern anzuschauen, dann weiß man, wie’s läuft: Die Kinder ziehen aus, aber sie sollen ja wissen, dass sie immer willkommen sind. Und sie sollen gerne kommen. Und wenn die Kinder nicht kommen, dann vielleicht endlich mal wieder die alten Freunde aus Düsseldorf, für so etwas hat man ja jetzt wieder Zeit und Platz. Das eine Kinderzimmer wird in ein Gästezimmer verwandelt, das andere in ein Arbeitszimmer. Und der Garten ist ja auch so schön. Und die Immobilienpreise sind so explodiert in den letzten zehn Jahren, man bekommt heutzutage ja gar nichts mehr für sein Geld. Und irgendwann hat man ja hoffentlich auch Enkel, die brauchen Platz und freuen sich, wenn sie draußen spielen können. Und der ganze Kram, der im Keller steht, wohin soll man denn damit? Und die netten Nachbarn, die kennt man schon so lange. Und immer ein Parkplatz vor dem Haus.

Und wenn dann irgendwann auch die Enkel groß und die netten Nachbarn altersstarrsinnig geworden sind und die Freunde nicht mehr gerne weit reisen und der Garten mehr Arbeit als Freude macht und man den Führerschein abgegeben hat – wenn einem also gar kein vernünftiger Grund mehr einfällt, warum es gut und richtig ist, zu zweit oder gar allein am Stadtrand in einem voll unterkellerten, hundertsechzig Quadratmeter großen Fünfzimmerhaus mit zwei Bädern, fünfhundert Quadratmeter Garten und zwanzig Jahren Renovierungsstau zu wohnen, dann bastelt man sich eben einen. Wie zum Beispiel die alten Eltern einer Freundin. Die Freundin wollte Vater und Mutter zum Umzug in eine kleinere und günstiger gelegene Wohnung in ihrer Nähe bewegen.

Vater und Mutter: »Ach Liebling, das wäre sicher schön, aber wir haben so gute Fachärzte hier in der Gegend.«

Die allermeisten älteren Menschen, die ich kenne, verlassen ihr Eigenheim keineswegs freiwillig, um ihre Rente in einem puppenlustigen Szeneviertel ihrer Stadt auf den Kopf zu hauen. Sie bleiben, wo sie sind, bis das Alter sie zwingt, ins Pflegeheim oder auf den Friedhof zu ziehen.

Möchte ich jetzt schon wissen, wo und wie ich in dreißig Jahren leben oder sterben werde? Nein, ich möchte Mieterin bleiben.

Mein Mann ist der Eigenheimtyp.

Erstens: Mein Mann hat nicht das geringste Verständnis für meine Verarmungsangst. Vielleicht, weil er als Kind erlebt hat, dass die Welt nicht untergeht, wenn das Geld knapp wird. Sein Vater war Kaufmann. Mal lief das Geschäft besser, mal schlechter, für das Alter musste er vorsorgen. Ende der Siebzigerjahre nahmen meine Schwiegereltern einen Kredit zu variablem Zinssatz auf und kauften ein Reihenhaus. Kaum hatten sie das Haus gekauft, begann die zweite weltweite Ölkrise, da war mein Mann fünfzehn Jahre alt. Der Leitzins explodierte, die Zinslast meiner Schwiegereltern explodierte mit, für ein paar Jahre mussten sie enorme monatliche Raten stemmen.

»Das war knapp, wir mussten richtig fies die Arschbacken zusammenkneifen«, sagt mein Mann. »Geht eben auch, wenn’s sein muss.«

»Wirklich?«, frage ich schaudernd.

Mein Mann, der Ölkrisenüberlebende. Den kann so schnell nichts schocken.

Zweitens: Wenn mein Mann sich doch mal Geldsorgen macht, schreit er niemanden an.

Er sagt: »Wir müssen uns mal hinsetzen und rechnen.«

Dann setzt er sich hin und rechnet. Wenn er fertig gerechnet hat, sagt er: »Also, wir müssen echt ein bisschen aufpassen in nächster Zeit, sonst haben wir ein richtiges Problem.« Dann sagt er: »Und jetzt habe ich aber wirklich Hunger. Soll ich ein paar Nudeln machen?«

Da bin ich längst im Bad und würge.

Drittens: Mein Mann findet, dass es keine guten Gründe gegen den Erwerb eines Eigenheimes gibt.

Er sagt: »Hey, und wenn es uns dort irgendwann nicht mehr gefällt oder die Kinder aus dem Haus sind, dann verkaufen wir halt wieder und ziehen in eine zentral gelegene Dreizimmerwohnung.«

Im Unterschied zu mir glaubt er, was er sagt.

Zwei Minuten nachdem mein Mann mich über sein neuestes Lebensprojekt informiert hat, greift er zum Telefon und ruft Onkel Rolf an. Bis heute hat keiner in der Familie wirklich verstanden, womit genau Onkel Rolf sein Geld verdient.

Irgendwann wollten unsere Kinder wissen: »Warum ist Onkel Rolf so reich?«

»Weiß ich auch nicht so genau«, sagte mein Mann. »Onkel Rolf...

Erscheint lt. Verlag 17.4.2012
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Bauherr • Baustelle • Brigitte-Kolumnistin • eBooks • Eigenheim • Handwerker • Hausbau • Immobilien • Katastrophen • Renovieren • Richtfest • spiegel bestseller • SPIEGEL-Bestseller • Wirtschaft
ISBN-10 3-641-07607-2 / 3641076072
ISBN-13 978-3-641-07607-8 / 9783641076078
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