HOW TO STAND UP TO A DICTATOR - Deutsche Ausgabe. Von der Friedensnobelpreisträgerin (eBook)

Der Kampf um unsere Zukunft. Von der Friedensnobelpreisträgerin

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
368 Seiten
Quadriga (Verlag)
978-3-7517-2878-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

HOW TO STAND UP TO A DICTATOR - Deutsche Ausgabe. Von der Friedensnobelpreisträgerin -  Maria Ressa
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Meinungsfreiheit und freier Journalismus sind die schärfsten Waffen zur Verteidigung von Demokratien. Die Journalistin Maria Ressa steht wie keine andere für den Kampf um die Wahrheit und gegen Hass und Gewalt. In ihrem Buch beschreibt sie, wie Demokratien durch Autokraten und Diktatoren ausgehöhlt werden - mittels sozialer Medien. Denn Facebook und Google dulden aus Profitgier Propaganda und Fake News. Ressa legt ein Netzwerk der Desinformation offen, das den ganzen Globus umspannt: von Dutertes Drogenkrieg bis zur Stürmung des Kapitols in Washington, vom Brexit bis zur Cyber-Kriegsführung durch Russland und China. Maria Ressas Recherche ist verstörend - und dringend notwendig.



Maria Ressa, geboren auf den Philippinen, zog mit neun Jahren in die USA und kehrte nach ihrem Studium an der Princeton-Universität nach Asien zurück, wo sie leitende Positionen beim Nachrichtensender CNN INTERNATIONAL in Manila und Jakarta bekleidete. Als leitende Investigativreporterin von CNN Asien spezialisierte sie sich auf terroristische Netzwerke. Die Mitgründerin des Online-Nachrichtenportals RAPPLER (2012) erhielt 2021 den UNESCO-PREIS FÜR PRESSEFREIHEIT und den FRIEDENSNOBELPREIS.

Maria Ressa, geboren auf den Philippinen, zog mit neun Jahren in die USA und kehrte nach ihrem Studium an der Princeton-Universität nach Asien zurück, wo sie leitende Positionen beim Nachrichtensender CNN INTERNATIONAL in Manila und Jakarta bekleidete. Als leitende Investigativreporterin von CNN Asien spezialisierte sie sich auf terroristische Netzwerke. Die Mitgründerin des Online-Nachrichtenportals RAPPLER (2012) erhielt 2021 den UNESCO-PREIS FÜR PRESSEFREIHEIT und den FRIEDENSNOBELPREIS.

Prolog
■ ■ ■
Die unsichtbare Atombombe
Leben im (gegenwärtigen) Augenblick (der Vergangenheit)


Seit Beginn des Corona-Lockdowns im März 2020 bin ich viel emotionaler als je zuvor in meinem Leben. Ich spüre die aufgestaute Wut über die Ungerechtigkeit, die ich zwangsläufig hinnehmen muss. Das ist es, was sechs Jahre der Angriffe durch die Regierung bei mir bewirkt haben.

Vielleicht muss ich ins Gefängnis. Für den Rest meines Lebens – oder, wie mir mein Anwalt sagt, für mehr als hundert Jahre. Aufgrund von Anschuldigungen, die nicht einmal vor Gericht gebracht wurden. Der Zusammenbruch der Rechtsstaatlichkeit ist global, aber für mich ist er inzwischen auch eine persönliche Angelegenheit. In weniger als zwei Jahren hat die philippinische Regierung zehn Haftbefehle gegen mich ausgestellt.

Ich könnte auch zum Ziel eines Anschlags werden. Wäre die Polizei, wäre meine Regierung so dumm, mich ins Visier zu nehmen? Leider ja. Die philippinische Menschenrechtskommission schätzte Ende 2018, dass seit dem Amtsantritt des damaligen Präsidenten Rodrigo Duterte im Jahr 2016 etwa 27.000 Menschen im Zuge des brutalen »Kriegs gegen die Drogen« getötet wurden.1 Stimmt das? Wer weiß das schon. Diese Statistik ist das erste Opfer im Kampf um die Wahrheit in meinem Land. Seit 2018 trage ich eine kugelsichere Weste, wenn ich unterwegs bin.

Online-Gewalt ist Gewalt in der realen Welt. Das haben viele Untersuchungen und zahlreiche tragische Ereignisse rund um den Globus bewiesen. Wie Tausende anderer Journalisten2, Aktivisten, Oppositionsführer und ahnungsloser Bürger hier und auf der ganzen Welt werde auch ich jeden Tag online angegriffen.

Doch wenn ich morgens aufwache und aus dem Fenster schaue, schöpfe ich neue Kraft. Ich habe Hoffnung. Ich sehe die Möglichkeit, dass dies trotz aller Finsternis auch eine Zeit ist, in der wir unsere Gesellschaften wieder aufbauen können. Wir sollten anfangen mit dem, was direkt vor uns liegt: unserem eigenen Einflussbereich.

Die Welt, die wir einst kannten, wurde stark erschüttert. Jetzt müssen wir entscheiden, was wir erschaffen wollen.

Ich heiße Maria Ressa und bin seit über sechsunddreißig Jahren als Journalistin tätig. Ich wurde auf den Philippinen geboren, wuchs in New Jersey auf und kehrte nach dem College Ende der 1980er-Jahre in mein Heimatland zurück. Meine berufliche Laufbahn begann ich bei CNN, für das ich in den 1990ern zwei Büros in Südostasien aufbaute und leitete. Es waren die glorreichen Jahre von CNN und eine berauschende Zeit für internationale Journalisten. Von meinem Sitz in Südostasien aus wurde ich Augenzeugin dramatischer Ereignisse, die oft Vorboten dessen waren, was später auf der ganzen Welt passierte: aufkommende demokratische Bewegungen in ehemaligen kolonialen Außenposten, der erschreckende Aufstieg des islamischen Terrorismus lange vor dem 11. September 2001, eine neue Klasse demokratisch gewählter Machthaber, die ihre Länder in Quasi-Diktaturen umwandelten, und das verblüffende Versprechen und die Macht der sozialen Medien, die bald eine entscheidende Rolle dabei spielten, dass alles niedergerissen wurde, was mir lieb und teuer war.

Im Jahr 2012 war ich Mitgründerin des philippinischen Online-Nachrichtenportals Rappler. Mein Ziel war es, in meinem Land einen neuen Standard für investigativen Journalismus zu schaffen, der die Plattformen der sozialen Medien nutzte, um Aktionsgemeinschaften für bessere Regierungsformen und stärkere Demokratien aufzubauen. Damals glaubte ich fest an die Macht der sozialen Medien, etwas Gutes in der Welt bewirken zu können. Mithilfe von Facebook und anderen Plattformen waren wir in der Lage, aktuelle Nachrichten zu sammeln, wichtige Quellen und Tipps zu finden, kollektives Handeln im Kampf gegen den Klimawandel und für eine gute Regierungsführung zu mobilisieren sowie das Wissen der Wähler und die Wahlbeteiligung zu verbessern. Wir waren schnell erfolgreich, doch im fünften Jahr des Bestehens von Rappler wurden wir nicht mehr für unsere Ideen gelobt, sondern gerieten ins Visier der Regierung – und das nur, weil wir weiterhin unserer Aufgabe als Journalistinnen und Journalisten nachkamen: die Wahrheit zu sagen und die Mächtigen zur Rechenschaft zu ziehen.

Bei Rappler deckten wir Korruption und Manipulation nicht nur innerhalb der Regierung auf, sondern zunehmend auch in den Technologieunternehmen, die unser Leben bereits beherrschten. Von 2016 an zeigten wir auf, dass an zwei Fronten kriminelles Handeln straflos blieb: im sogenannten Krieg gegen die Drogen von Präsident Rodrigo Duterte und bei Mark Zuckerbergs Facebook.

Ich möchte im Folgenden darlegen, warum der Rest der Welt aufmerksam verfolgen sollte, was auf den Philippinen geschieht. 2021 war das sechste Jahr in Folge, in dem Philippiner von allen Bürgern dieser Welt die meiste Zeit im Internet und in den sozialen Medien verbrachten. Trotz des langsamen Internets wurden 2013 die meisten Videos auf YouTube weltweit von Philippinern hoch- und heruntergeladen. Vier Jahre später waren 97 Prozent der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes auf Facebook. Als ich Mark Zuckerberg 2017 auf einer Konferenz diese Statistik nannte, war er einen Moment lang still. »Moment mal, Maria«, antwortete er schließlich und sah mich direkt an. »Wo sind die anderen drei Prozent?«

Damals lachte ich über seine schlagfertige Bemerkung. Heute ist mir das Lachen vergangen.

Wie diese Zahlen zeigen (und Facebook bestätigt), sind die Philippinen der Ground Zero für die folgenschweren Auswirkungen, die soziale Medien auf die Institutionen eines Landes, seine Kultur und das Denken seiner Bevölkerung haben können.3 Jede Entwicklung, die in meinem Land stattfindet, erreicht irgendwann auch den Rest der Welt – wenn nicht morgen, dann in ein oder zwei Jahren. Bereits 2015 gab es Berichte über regelrechte Account-Farmen, die von den Philippinen aus telefonverifizierte Social-Media-Accounts (phone-verified accounts, kurz: PVAs) erstellten. Im selben Jahr zeigte ein Bericht, dass die meisten Facebook-Likes von Donald Trump außerhalb der Vereinigten Staaten geklickt wurden und dass einer von siebenundzwanzig Trump-Followern auf den Philippinen lebte.

An manchen Tagen fühle ich mich wie Sisyphus und Kassandra in Personalunion, in meinem Versuch, die Welt immer wieder vor den Auswirkungen der sozialen Medien auf unsere gemeinsame Realität zu warnen, den Ort, an dem Demokratie stattfindet.

Dieses Buch ist mein Ansatz dazu aufzuzeigen, wie verheerend das Fehlen von Rechtsstaatlichkeit in der virtuellen Welt ist. Es gibt nur eine Realität, und der weltweite Zusammenbruch der Rechtsstaatlichkeit wurde durch das Fehlen einer demokratischen Vision für das Internet im 21. Jahrhundert eingeleitet. Mangelnde Strafverfolgung im Internet führte logischerweise zu ihrem Pendant in der Offline-Welt, wodurch die bestehenden Kontrollinstanzen ausgehebelt wurden. Was ich in den letzten zehn Jahren beobachtet und dokumentiert habe, ist der Aufstieg einer fast gottgleichen Macht der Technologie, die ermöglicht, dass ein Lügenvirus jeden von uns infiziert, uns gegeneinander ausspielt, Ängste, Wut und Hass schürt und den Aufstieg autoritärer Machthaber und Diktatoren in aller Welt beschleunigt.

Ich nannte es den »Tod der Demokratie durch tausend Schnitte«. Gerade die Plattformen, die für uns wichtige Nachrichten liefern, enthalten uns Tatsachen vor. Schon 2018 zeigten Studien, dass sich Lügen, die mit Wut und Hass verbunden sind, schneller und weiter verbreiten als Fakten.4 Ohne Fakten aber gibt es keine Wahrheit. Ohne Wahrheit gibt es kein Vertrauen. Ohne alle drei haben wir kein gemeinsames Verständnis von Realität, und die Demokratie, wie wir sie kennen, wird sterben – und mit ihr alle bedeutsamen menschlichen Bestrebungen.

Ehe es so weit kommt, müssen wir handeln. In diesem Buch möchte ich nicht nur die Werte und Grundsätze des Journalismus und der Technologie erkunden, sondern auch der kollektiven Maßnahmen, die wir ergreifen müssen, um den Kampf um die Wahrheit zu gewinnen. Diese Entdeckungsreise ist eine sehr persönliche Angelegenheit. Deshalb gibt es in jedem Kapitel einen Mikro- und einen Makroteil: eine individuelle Lektion und das große Ganze. Sie werden erkennen, dass ich häufig an einfachen Gedanken festhalte, um Entscheidungen zu treffen, die im Laufe der Zeit instinktiv, aber gleichermaßen wohlüberlegt gefällt worden sind, während sich immer neue Erfahrungen gegenwärtiger Augenblicke der Vergangenheit überlagern.

Im Jahr 2021 wurde ich als eine von zwei Journalisten mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Das letzte Mal, dass ein Journalist diesen Preis erhalten hatte, war im Jahr 1935. Der Preisträger, ein deutscher Reporter namens Carl von Ossietzky, konnte die Auszeichnung damals nicht entgegennehmen, weil er in einem Konzentrationslager der Nazis gefangen war. Indem das norwegische Nobelpreiskomitee mir und dem Russen Dmitrij Muratow diese Ehre zuteilwerden ließ, signalisierte es, dass sich die Welt an einem ähnlichen historischen Wendepunkt befand, einem weiteren für die Demokratie existenziellen Punkt. In meiner Nobelpreisrede5 sagte ich, dass in unserem Informationsökosystem eine unsichtbare Atombombe explodiert sei, und damit meine ich die Technologieplattformen, die der geopolitischen Macht die Möglichkeit geben, jeden Einzelnen von uns zu manipulieren.

Nur vier Monate nach der Nobelpreisverleihung marschierte Russland in die Ukraine ein – und nutzte dabei Metanarrative, die es seit 2014 über Online-Propaganda6 verbreitet hatte,...

Erscheint lt. Verlag 21.11.2022
Übersetzer Henning Dedekind, Marlene Fleißig, Frank Lachmann, Hans-Peter Remmler
Sprache deutsch
Original-Titel HOW TO STAND UP TO A DICTATOR
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Mathematik / Informatik Informatik Web / Internet
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Autokratie • Demokratie • Desinformation • Desinformationskampagnen • Duterte • Einfluss • Einflussnahme • Facebook • Filterblase • Gesellschaft • Instagram • Journalismus • Kampf gegen Desinformation • Manipulation • Mark Zuckerberg • Meta • metaverse • metaversum • Netzwerk • Philippinen • Propaganda • Rappler • Silicon Valley • Techkonzerne • Themen der Zeit • Twitter • USA • Verantwortung • Verantwortung der Techkonzern • Wahlbetrug • Wahlkampf • wahlmanipulation
ISBN-10 3-7517-2878-3 / 3751728783
ISBN-13 978-3-7517-2878-2 / 9783751728782
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