Das antikapitalistische Buch der Mode -  Tansy Hoskins

Das antikapitalistische Buch der Mode (eBook)

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2023 | 1. Auflage
376 Seiten
Rotpunktverlag
978-3-03973-011-7 (ISBN)
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Mode macht Spaß. Mode ist politisch. Mode ist das Lieblingskind des Kapitalismus. Tansy E. Hoskins lüftet den Schleier einer mit edlen Modeschauen und aufwändigen Imagekampagnen inszenierten Scheinwelt und zeigt die Realität der Industrie dahinter. Von den Laufstegen in Paris zu den Sweatshops in Bangladesch erzählt sie die Entstehung des Phänomens Massenmode, von Körpern und Kapitalismus, Werbung und Widerstand. Junge Leute, die über Nacht vor Nike-Shops Schlange stehen, um das neueste Paar Sneakers zu ergattern. Frauen, die hungern für size zero. Und das schwarze Loch des Wollens, das nie verschwindet, egal, wie viel man shoppen geht. Erfrischend und nie belehrend kritisiert Tansy Hoskins, was Mode mit uns macht. Schritt für Schritt entwirrt sie die Fäden, aus denen das Business gestrickt ist, und zeigt Wege in eine andere Richtung, für faire Produktion, Umweltschutz und die Emanzipation von gefährlichen Schönheitsidealen. Hoskins will die Mode revolutionieren, gerade weil sie Mode liebt. Influencer, Onlineshopping, Greenwashing - diese grundlegend überarbeitete, aktualisierte und um zwei Drittel erweiterte Neuausgabe greift sämtliche Entwicklungen in der Modeindustrie der letzten Jahre auf.

Tansy E. Hoskins, geboren 1981, ist Autorin, Journalistin und Aktivistin. Für den Londoner Guardian schreibt sie über Themen rund um Mode und soziale Gerechtigkeit. Zudem ist sie als Kommentatorin für BBC tätig. Das antikapitalistische Buch der Mode wurde 2015 vom Londoner Institute of Contemporary Arts zum Buch des Jahres gewählt. Hoskins lebt in London.

Tansy E. Hoskins, geboren 1981, ist Autorin, Journalistin und Aktivistin. Für den Londoner Guardian schreibt sie über Themen rund um Mode und soziale Gerechtigkeit. Zudem ist sie als Kommentatorin für BBC tätig. Das antikapitalistische Buch der Mode wurde 2015 vom Londoner Institute of Contemporary Arts zum Buch des Jahres gewählt. Hoskins lebt in London.

Vorwort


Fast hundert Jahre sind sie alt, die kraftvollen Worte des kommunistischen Revolutionärs Leo Trotzki zum Thema Kunst und seine hellsichtige Zukunftsvision:

[Die Kunst wird] natürlich allgemeiner, reifer und bewusster sowie zur höchsten Form des sich vervollkommnenden Lebensaufbaus auf allen Gebieten […] und [ist] nicht nur ein ›schönes‹ Anhängsel am Rande. Alle Sphären des Lebens: die Bodenbearbeitung, die Planung menschlicher Siedlungen, der Bau von Theatern, die Methoden der gesellschaftlichen Kindererziehung, die Lösung wissenschaftlicher Probleme, die Schaffung eines neuen Stils werden alle und jeden einzelnen zutiefst erfassen. Die Menschen werden sich in ›Parteien‹ teilen: in Fragen über einen neuen gigantischen Kanal, über die Verteilung von Oasen in der Sahara […] Diese Gruppen werden von keinerlei Klassen- oder Kasteneigennutz vergiftet sein. Alle werden in gleichem Maße an Errungenschaften der Gesamtheit interessiert sein. Der Kampf wird stets einen rein ideellen Charakter tragen. Er wird nichts von Profitgier, Gemeinheit, Verrat, Bestechlichkeit und von all dem an sich haben, was das Wesen der ›Konkurrenz‹ in der Klassengesellschaft ausmacht. Aber dadurch wird der Kampf nicht minder packend, dramatisch und leidenschaftlich sein. […] Der durchschnittliche Menschentyp wird sich bis zum Niveau des Aristoteles, Goethe und Marx erheben. Und über dieser Gebirgskette werden neue Gipfel aufragen.1

Das war Trotzkis Vision für die sowjetische Gesellschaft aus dem Jahr 1924. Wie wir wissen, hat sich diese Vorstellung nicht bewahrheitet. Die Russische Revolution fand global keine Nachahmung, Stalins Doktrin des »Sozialismus in einem Land« setzte sich durch, und der Staat verkam zu einer bürokratischen Diktatur. Der Arbeiterklasse wurde die Macht entzogen, es folgte ein politischer Genozid und die meisten russischen Revolutionsführer wurden schließlich im Zuge der »Großen Säuberung« hingerichtet. Trotzki selbst wurde aus Russland verbannt und 1940 in Mexiko von einem der vielen Schergen Stalins getötet.

Zeitgleich war der Nationalsozialismus in Deutschland erfolgreich auf dem Vormarsch, und ein weiterer Weltkrieg brachte zahllose Tote, unermessliche Zerstörung und einen noch grauenhafteren Genozid. Sei es in Afrika, Asien oder Südamerika – überall scheiterten Bewegungen, die für eine bessere Welt kämpften. 1991 wurde die Sowjetunion aufgelöst, was einen vollkommenen und endgültigen Verrat an den noch übrigen Errungenschaften der Russischen Revolution bedeutete. Der Kapitalismus hat nicht unbedingt bis heute als am weitesten verbreitete Gesellschaftsordnung überlebt, weil es an revolutionärem Willen oder revolutionären Bewegungen fehlen würde, sondern weil es keine wirklich der Idee verpflichtete revolutionäre Führung gibt. Wir sind noch nicht am Ende der Geschichte angelangt, befinden uns nicht in einer perfekten, hypermodernen New-Age-Cyberwelt oder einer schöngefärbten alternativen Realität, erleben nicht das spirituelle Erwachen eines Dritte-Welle-Feminismus. Wir haben alle Tragödien des vergangenen Jahrhunderts in das unsrige mitgenommen, von einem Weltkrieg bisher einmal abgesehen, aber auch der ist nicht auszuschließen. Wir stehen kurz vor der ökologischen Katastrophe. Auf unserem Planeten verfügen acht Milliardäre über mehr Geld als die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Noch immer gibt es Armut, Hunger, Ignoranz, Depression, Krankheit und Epidemien. Zwar haben wir einen unermesslichen technologischen Wandel erlebt, in vielerlei Hinsicht allerdings auch einen großen kulturellen und intellektuellen Verfall. Meine Generation ist aufgewachsen umgeben von sozialem Rückschritt, nicht von sozialem Fortschritt.

Man kann anführen, dass es in den Führungsriegen mittlerweile diverser zugeht, dass Minderheiten in den oberen Rängen stärker repräsentiert sind, aber das ist kein wirklicher Fortschritt. Heutzutage haben wir die Tendenz, individuellen beruflichen Aufstieg mit großen sozialen Errungenschaften zu verwechseln. Wenn ein paar Menschen im Lotto gewinnen, selbst wenn es hundert oder tausend mit den verschiedensten Hintergründen, Geschlechtern und Hautfarben sind, kommt das noch keiner realen, spürbaren Verbesserung des Lebensstandards von Millionen und Abermillionen Menschen gleich. Radikale Wohlstandsverteilung könnte trans Menschen das Leben retten, wohingegen eine bloße Veränderung der Sprechweise, der Einstellung oder bei der Besetzung von Film- und Fernsehrollen – oft durch Identitätspolitik mittels Einschüchterung und Angriffen auf die künstlerische Freiheit herbeigeführt – nicht ausreicht.

Und trotzdem, wenn ich Trotzkis Worte lese, erfüllen sie mich mit großer Hoffnung für die Kunst, die Mode und unsere gemeinsame Zukunft. Wir sollten auch nicht außer Acht lassen, dass die Russische Revolution, wenngleich sie nicht die Gesellschaft hervorbrachte, die wir uns wünschen würden, bemerkenswerte Prinzipien sowie Entwicklungen in der Wirtschaftsplanung, Wissenschaft, Kunst und Kultur hervorbrachte.

Bei Dates sind die Männer oft überrascht von meiner politischen Bildung; dasselbe Erstaunen nehme ich auch bei Presseleuten oder im Freundeskreis wahr. Für die meisten Menschen scheinen Modeln und Marxismus zwei vollkommen unterschiedliche Welten zu sein, die sich auch niemals vermischen sollten. Tansy Hoskins leistet bei der Anwendung des Marxismus auf die Mode gute Arbeit. Trotzki wandte ihn auf die Kunst seiner Zeit an. Es mag stimmen, dass sich die Mode ein sehr elitäres, kaltherziges, überpoliertes und unnötig zickiges Image aufgebaut hat, sie vielleicht sogar, wie Tansy schreibt, »das Lieblingskind des Kapitalismus« und eine skrupellose, profitgierige Industrie ist – dennoch bleibt sie eine Kunstform. Schließlich erschaffen Designer:innen etwas. Für mich lässt sich Mode am ehesten mit Architektur vergleichen, weil sich auch da die Gefühle der Technik, Konstruktion und äußeren Ästhetik unterordnen, während sie in der Musik, im Theater, im Film und in der Malerei im Vordergrund stehen. Nichtsdestotrotz können Gefühle, Empathie, ein Verständnis für die jeweilige Zeit und die Geschichte sowie die Liebe für die ganze Menschheit jede Kunstform und jede Person nur besser machen. Im Bauhaus hat man das verstanden. Heute geht es bei der Mode zu sehr um das Kleidungsstück und nicht genug um den Menschen, der es trägt. Der kulturelle Niedergang und das vorherrschende kapitalistische Denken führen dazu, dass es in den meisten kreativen Bereichen an Achtung gegenüber dem Menschen fehlt. Für die Mode gilt das ganz besonders. Daher haben wir auch keine große Kunst, keine großen Kunstschaffenden oder Gelehrten hervorgebracht. Wo ist der Shakespeare unseres Zeitalters? Wo ist der Shakespeare der Mode?

Ein spiritueller New-Age-Freund hat mir einmal gesagt, ich sei keine echte Marxistin, weil ich bei Walmart einkaufe. Es war vermutlich als Witz gemeint; trotzdem deutet diese Denkweise darauf hin, dass es in der Mittelklasse eine ganze Schicht »radikaler« Menschen gibt. Sie alle eint ein progressives Konsumdenken. Das antikapitalistische Buch der Mode zeigt deutlich, dass das Problem über eine einzige, zwei oder gar ein Dutzend Firmen hinausgeht. Progressives Konsumdenken ist schön und gut, wenn man die Arbeiterklasse oder Ärmere mit weitaus weniger Kaufkraft nicht belehrt oder verurteilt. Echten strukturellen Wandel kann es jedoch nur geben, wenn das gesamte System organisiert und fortlaufend angegriffen wird. Ein solcher Angriff ist nur mit der Kraft einer informierten, von sozialistischen Zielen durchdrungenen Arbeiterklasse möglich. Kreativität ist ungemein wichtig, um ein Bewusstsein für etwas zu schaffen und es zu schärfen.

Ich zog wegen der Coronapandemie nach New Mexico und suchte mir einen Teilzeitjob als Kellnerin. In Amerika bin ich als Food Runner eine Hilfskraft ganz unten in der Restauranthierarchie. Das mag manche Menschen schockieren. Sie verstehen aber nicht, dass Kleidung an Millionäre zu verkaufen einen nicht unbedingt selbst reich macht. Die Leute glauben, dass Models zur absoluten Elite gehören. Irrtum! Nur weil reiche Männer mit uns schlafen wollen, werden wir nicht automatisch Teil ihrer Klasse. Gut, unmöglich ist es nicht, aber da muss frau schon einiges an schmutziger, degradierender Arbeit investieren, was mich nie wirklich interessiert hat; ich habe höchstens mit dem Gedanken gespielt. Allerdings gibt es zahlreiche Models, die aus sehr armen und schwierigen Verhältnissen stammen, und tatsächlich holt uns die Branche aus unserem Umfeld heraus. Für manche kann Modeln die Chance sein, der Armut zu entkommen – auch wenn Kendall Jenner dafür kein gutes Beispiel sein mag. Letztlich führt es meist zu einem Leben in der oberen Mittelklasse, und nur ein sehr kleiner Prozentsatz schafft es in die Elite.

Ich selbst erhielt zwar unheimlich viel Medienaufmerksamkeit, aber nicht viel Geld, da ich immer als zu...

Erscheint lt. Verlag 23.10.2023
Übersetzer Marlene Fleissig, Magdalena Kotzurek
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Abnehmen • aktivistin • Antikapitalismus • antikapitalistisch • Body Positivity • Corona-Pandemie • Fair Fashion • Fairtrade • Fast Fashion • Globalisierung • Greenwashing • influencerin • Internethandel • Kapitalismus • Kapitalismuskritik • Kleiderproduktion • Konsum • Laufsteg • Marketing • Marxismus • Massenmode • Mode • modebegeistert • Modebranche • mode buch • Modebusiness • Modeindustrie • Mode Revolution • Modeschau • Modewelt • Modewerbung • Ökologie • Onlineshopping • scheinwelt • Schönheitsideal • Size Zero • Social Media • Soziale Gerechtigkeit • Soziale Medien • Sweatshop • Umweltschutz
ISBN-10 3-03973-011-8 / 3039730118
ISBN-13 978-3-03973-011-7 / 9783039730117
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