Hairy Queen -  Franziska Setare Koohestani

Hairy Queen (eBook)

Warum Körperbehaarung politisch ist | Ein feministisches Manifest
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
224 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-3121-8 (ISBN)
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Eine mitreißende Kulturgeschichte der Haare: klug, unterhaltsam und feministisch Franziska Setare Koohestani bezeichnet sich selbst als »Hairy Queen«. Und zwar nicht nur, weil sie seit jeher mit starkem Haarwuchs zu kämpfen hat, sondern weil sie erhobenen Hauptes aus diesem Kampf hervortritt. Schon in der Grundschule schickten ihre iranischen Tanten ihr Bleichcreme nach Deutschland, um den Oberlippenbart zu beseitigen. Seitdem folgten etliche Versuche sowohl der Haarentfernung als auch der Haarwuchs-Akzeptanz. Heute weiß Franziska Setare Koohestani: Unser Umgang mit Körperbehaarung hat wenig mit Hygiene und Körperpflege zu tun, sondern vielmehr mit den patriarchalen, rassistischen und kapitalistischen Normen, die unsere Gesellschaft verinnerlicht hat. Ausgehend von historischen, kulturellen und medizinischen Quellen sowie persönlichen Erfahrungen erklärt sie, warum Körperbehaarung politisch ist, und weist den Weg in eine Welt, in der Hairy Queens das Sagen haben und wir mit unserem Körperhaar endlich so umgehen können wie mit Kleidung: selbstbewusst, spielerisch und kreativ. Cause Baby, we were born this way.  »Koohestani zeigt die Politik hinter Haarwuchs. Ein wichtiges Buch, das Unerkanntes zur notwendigen Debatte stellt.« Fikri An?l Alt?nta? »Würde jedes Schönheitsideal so analytisch und unterhaltsam auseinandergepflückt wie glatte Haut in Hairy Queen, sähe es für viele Industrien schlecht aus. Ein Buch, das man mit einer Zeitreise seinem jüngeren Ich um die Ohren hauen will.« Özge Inan »Unerschrocken und einnehmend hat Franziska Setare Koohestani die oftmals verdruckste bis verlogene Verhandlung weiblicher Körperbehaarung hier aber mal so richtig rasiert.« Samira El Ouassil

Franziska Setare Koohestani wurde 1996 in Köln geboren und bezeichnet sich selbst als »Hairy Queen«. Sie studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und ist als freie Journalistin tätig. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich vor allem mit Diskriminierung, Migration, Aktivismus, Pop- wie Subkultur - und mit Schönheitsnormen. 

Franziska Setare Koohestani wurde 1996 in Köln geboren und bezeichnet sich selbst als »Hairy Queen«. Sie studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und ist als freie Journalistin tätig. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich vor allem mit Diskriminierung, Migration, Aktivismus, Pop- wie Subkultur – und mit Schönheitsnormen. 

Einleitung 
Warum tun wir uns all das Zupfen, Waxen,
Epilieren, Rasieren und Lasern überhaupt an?


This time I’m gonna take the crown
Without falling down, down, down.Beyoncé, Pretty Hurts

In jedem Menschenleben gibt es Marker, die es in verschiedene Phasen unterteilen. In der Regel sind diese Marker die Jobs, die man hatte. Die Liebesbeziehungen und Freundschaften, die man führte. Die Orte, an denen man wohnte.

Meine Marker sind Haarentfernungsmethoden.

Wenn ich auf meine bisherigen Lebensphasen zurückblicke, kann ich an den jeweiligen Haarentfernungsmethoden einiges ablesen. Etwa wie groß die Bereitschaft war, meinem Körper Schmerzen zuzufügen, und damit der innere Drang, mich anderen Menschen anzupassen, ihrer Vorstellung von Schönheit zu entsprechen.

In meinen 28 Lebensjahren habe ich schon alles ausprobiert, was der weltweit etwa vier Milliarden US-Dollar[1] schwere Haarentfernungsmarkt zu bieten hat: Waxing, Rasieren, Epilieren, Bleichen, Wegcremen, Zupfen mit Pinzette und Faden und letztlich auch Lasern.

Denn ich habe mich in meinem Leben für kaum etwas so sehr geschämt wie für meine Körperbehaarung. Und das kommt mir gleichzeitig selbstverständlich und seltsam vor.

Selbstverständlich, weil ich nun einmal stark behaart bin. Jedenfalls stärker als die meisten Frauen, mit denen ich mich von klein auf verglichen habe. Und, um ehrlich zu sein: auch stärker als viele Männer und nicht-binäre Menschen, die ich kenne. Manchmal kommt es mir so vor, als hätten die meisten Menschen in Deutschland Körperhaare, die man erst im Sonnenlicht richtig sehen kann, während man meine oft sogar noch sieht, nachdem ich sie entfernt habe, wie eine Schraffur. Ich bezeichne mich deswegen selbst als eine Hairy Queen, um meine lange Zeit verhasste Behaarung wenigstens sprachlich zu adeln. Mich Hairy Queen zu nennen ist der erste Schritt im Kampf gegen meine tief sitzende Scham. Denn mir war schon immer klar, dass meine Körperbehaarung etwas ist, wofür ich mich schämen sollte.

Seltsam, weil ich überhaupt nichts dafür kann, dass ich eine Hairy Queen bin. Auch mein Vater kann nichts dafür, nur weil er mir mit seinem »iranischen« aller Wahrscheinlichkeit nach auch das »hairy« Genmaterial weitergegeben hat. In Wahrheit hat niemand zu verantworten, wo und wie dicht, dunkel und lang meine Körperbehaarung sprießt. I was born this way, baby (ich war tatsächlich schon als Baby sehr haarig). Entweder man ist eine Hairy Queen – oder nicht. Im Grunde könnte es eine bloße Gegebenheit sein, ein genbedingter Aspekt des Körpers: Manche kriegen blaue oder grüne Augen, volle oder dünne Lippen, lange oder kurze Beine, und ich kriege eben viel statt wenig Körperbehaarung. Doch all diese körperlichen Merkmale gelten gesellschaftlich nicht als gleichwertig schön. Insbesondere starke Körperbehaarung gilt bei weiblich gelesenen Menschen (und, wenngleich in anderem Maße und mit anderen Konsequenzen, auch bei männlich gelesenen) in der Regel nicht als besonders ansehnlich. Das spielt bei meiner Scham durchaus eine Rolle, auch wenn es auf den ersten Blick kein Grund dafür sein sollte. Aber ich kann es kaum verhindern: Ich schäme mich für meine Körperbehaarung. Und zwar so, wie man sich manchmal schämt, wenn man etwas Ungezogenes tut. Wenn man gegen Regeln verstößt. Wenn man stört. Allein schon das macht meine Scham verdächtig.

Es ist doch so: Jeder Mensch hat rund fünf Millionen Haare auf dem Körper. Davon wachsen, zumindest bei schwarzhaarigen Menschen wie mir, etwa 100 000 nur auf dem Kopf. Früher – also noch zu Beginn der Evolution – hatten wir sogar noch ein dichtes Fell. Bis heute ist nicht vollständig geklärt, warum genau der Mensch im Laufe der Evolution den Großteil seines »Haarkleides« verloren hat.[2] Weil weniger Haare auch weniger Schweißgeruch bedeuten? Oder eine bessere Temperaturregulation? Bieten Haare nicht auch einen wichtigen Schutz vor UV-Strahlung? Aus medizinischer Sicht haben Haare zwar Vor- und Nachteile – überlebensnotwendig sind sie allerdings nicht. Für das gesellschaftliche Miteinander, also das soziale Überleben, spielen sie dafür eine umso größere Rolle.

Allein in Deutschland entfernen sich einer Studie der Universität Leipzig zufolge 69 Prozent der Frauen und 41 Prozent der Männer im Alter von 14 bis 94 regelmäßig ihre Körperbehaarung.[3] Eine glatte, weitestgehend haarlose Haut ist mittlerweile zur Norm geworden – nicht nur in Deutschland, sondern in den meisten Kulturen und zudem (wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß) geschlechterübergreifend.

Aber was sind überhaupt diese Hornfäden, die auf unseren Körpern und Köpfen wachsen? Welche biologische und gesundheitliche Funktion haben sie? Inwiefern spielt ihre Funktion überhaupt eine Rolle in unserem Umgang mit ihnen? Wie wichtig ist uns dabei körperliche Gesundheit – und wie wichtig Schönheit? Weshalb finden wir bestimmte Haare schön, andere nicht und manche sogar eklig? Warum etablieren sich bestimmte Behaarungsnormen? Und warum schämen wir uns, wenn wir diesen nicht entsprechen?

Neben dem biologischen Aspekt hat all das auch – und vor allem – etwas mit Machtgefügen, Körperkultur und Körperpolitik zu tun. Im ersten Moment mag das abstrakt klingen. Konkret bedeutet es, dass ich in diesem Buch folgende Fragen untersuchen möchte: Welche gesellschaftlichen Umstände beeinflussen den Umgang mit Körperbehaarung? Wie sind Menschen früher mit ihrer Behaarung umgegangen? Welche Bedeutung hatten Körperhaare damals im Vergleich zu heute? Welche unserer heutigen Haarpraktiken sind das Überbleibsel jahrhundertealter Prägung (z. B. Rassentheorie, Kolonialismus und Patriarchat), und welche stehen wiederum ganz im Zeichen unserer Zeit (z. B. Spätkapitalismus, technischer Fortschritt und Konsumkultur)? Inwiefern profitieren wir davon, unsere Körper den herrschenden Schönheitsnormen entsprechend zu bearbeiten – ökonomisch wie sozial? Wer profitiert davon, wenn nicht wir? Und: Wie zeigt sich all das, ganz persönlich, in meinem Leben als Hairy Queen?

Der Vorteil daran, eine Hairy Queen zu sein, lautet nämlich so: Gerade weil man von einer äußerlichen Norm abweicht, erkennt man die teils absurden Verstrickungen, die diese Norm überhaupt erst zustande bringen. Ich dachte deswegen viel und intensiv über den Sinn und Unsinn von Haarentfernung nach. Warum tue ich mir all das Waxen, Epilieren, Bleachen, Zupfen, Lasern und Rasieren überhaupt an? Was würde passieren, wenn ich die Haare sprießen ließe? Und was hält mich eigentlich wirklich davon ab?

Die eigene Körperbehaarung wachsen zu lassen gilt als maskulin, glatte enthaarte Haut wiederum als feminin. Die Anerkennung von Körperbehaarung ist also geschlechtsspezifisch aufgeteilt, Körperbehaarung selbst – rein biologisch betrachtet – allerdings nicht zwingend. Das heißt, es gibt hier kein klares geschlechtsbinäres Glatt vs. Haarig-Schema. Die Zuordnung, die wir gesellschaftlich vornehmen, ist also ein Konstrukt (siehe: meine bloße Existenz als Hairy Queen). Es lohnt sich deshalb, genauer zu untersuchen, welche Rolle genetische und hormonelle Komponenten dabei tatsächlich spielen.

Am Anfang meiner Überlegungen stand die Frage: Warum machen wir das mit der Haarentfernung überhaupt auf diese (doch ziemlich komplizierte) Art und Weise? Weil ich mich selbst als Feministin bezeichne und das besser ins Bild passt, würde ich gerne behaupten, dass ich meine Körperbehaarung aus freiem Willen entferne – emanzipiertes Waxing und so. Aber wenn ich ehrlich bin, ist das Bullshit. Denn gerade weil ich eine Feministin bin, muss ich anerkennen, welche Macht- und Unterdrückungsverhältnisse ich verinnerlicht habe und mich zum vermeintlich selbstbestimmten Waxing veranlassen.[4] Wenn ich manch anderen Feminist*innen Glauben schenkte, sollte ich mich eigentlich davon befreien wollen. Praktisch heißt das: alles sprießen lassen. Die Schriftstellerin Bel Olid hat beispielsweise ein ganzes Buch darüber geschrieben, warum sie damit aufgehört hat, sich zu rasieren, und warum es gut wäre, würde man es ihr gleichtun. Sie schreibt: »Wenn das Rasieren eine soziale Belohnung hervorruft (wie hübsch man ist) und das Nicht-Rasieren einen Tadel (wie ekelhaft), hört die Entscheidung auf, unschuldig zu sein, und wird politisch.«[5] Ich finde das durchaus überzeugend – zumindest in der Theorie. Aber warum setze ich es dann nicht in die Praxis um?

Weil ich eben auch eine intersektionale Feministin sein möchte (also eine, die andere Formen der Unterdrückung als Sexismus mitberücksichtigt), muss ich einsehen, dass das für mich besonders schwierig sein könnte. Vermutlich noch schwerer als für weiße Frauen mit soft-blonder Körperbehaarung. Das erklärt auch die Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Lechner in ihrem Buch Riot, Don’t Diet (2021). Der Druck, der haarlosen Norm zu entsprechen, sei für Frauen of Color deshalb noch größer, weil sie durch den Rassismus, den sie erfahren, bereits als »Andere« positioniert werden:...

Erscheint lt. Verlag 29.2.2024
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Bart • Diskriminierung • drag • Empowerment • Evolution • Feminismus • Gender • Gesellschaft • Haar • Haarentfernung • Haarig • Hairy Queen • Iran • Iranische Revolution • Kolonialismus • kopfhaar • Körperbehaarung • Kulturgeschichte • Lasern • Manifest • Medizin • Patriarchat • Politik • Popkultur • Queen • Rasieren • Rassismus • Rasur • Scham • Trans • Waxing
ISBN-10 3-8437-3121-7 / 3843731217
ISBN-13 978-3-8437-3121-8 / 9783843731218
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