Future Family (eBook)

Familien am Limit - neue Impulse für mehr Vereinbarkeit
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
272 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-21752-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Future Family -  Dr. Ana Hoffmeister
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Familie ist ein Sehnsuchtsort. Wir alle wünschen uns diesen liebevollen Raum, der Halt und Geborgenheit schenkt. Ana Hoffmeister hat sich auf die Reise gemacht zu Familien, die ganz unterschiedliche und vielfältige Modelle leben, und dabei die Frage gestellt, wie Vereinbarkeit in Zukunft gelingen kann.  Fehlende Kita-Plätze, Bildungsmisere und ein marodes Pflegesystem: betroffen sind am Ende die Familien. Sie fangen auf, was das System immer weniger leisten kann. Und zahlen für die Vereinbarkeit oft einen hohen Preis. Überlastete Mütter und Väter verzichten auf Karrierepläne und kämpfen um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, um Zukunftschancen für ihre Kinder und eine unbeschwerte Zeit mit ihnen. Dabei fühlen sich Eltern immer mehr alleine gelassen - und das obwohl alle vor denselben Herausforderungen stehen. Ana Hoffmeister, zweifache Mutter, Unternehmensberaterin, Speakerin und Podcasterin, wirft in diesem Buch die Frage auf, wie Familie neu gedacht und gelebt werden kann - um die jetzigen und zukünftigen Anforderungen zu stemmen. Sie nimmt uns mit auf eine spannende Reise zu unterschiedlichsten Wohn- und Lebensmodellen - von getrennten, alleinerziehenden oder pflegenden Eltern, über doppelt Vollzeitarbeitende bis hin zu Familien in Mehrgenerationenhäusern - und bietet konkrete Lösungsvorschläge, wie wir Familie so gestalten können, dass sie das Leben unserer Kinder nachhaltig positiv prägt. Ein spannender Einblick in vielfältige Familienmodelle und ein neuer Beitrag zur Vereinbarkeitsdebatte.

Dr. Ana Hoffmeister ist zweifache Mutter und hat auf Führungsebene für große und mittelständische Unternehmen sowie für Non-Profit-Organisationen gearbeitet. Geprägt durch ihre iranischen Wurzeln und die Erfahrungen ihres heutigen Familienalltags, geht sie schon länger der Frage nach, wie Vereinbarkeit in herkömmlichen und ungewöhnlichen Familienmodellen auch langfristig gelingen kann. Als Beraterin gibt sie Workshops und Keynotes für ein stärkeres betriebliches und gesellschaftliches Familienbewusstsein. Ana Hoffmeister lebt mit ihrer Familie in Berlin. Ihr Podcast 'FutureFamily - Generation Familie & Beruf' ist auf den gängigen Podcast-Plattformen abrufbar.

Dr.Ana Hoffmeister ist zweifache Mutter und hat auf Führungsebene für große und mittelständische Unternehmen sowie für Non-Profit-Organisationen gearbeitet. Geprägt durch ihre iranischen Wurzeln und die Erfahrungen ihres heutigen Familienalltags, geht sie schon länger der Frage nach, wie Vereinbarkeit in herkömmlichen und ungewöhnlichen Familienmodellen auch langfristig gelingen kann. Als Beraterin gibt sie Workshops und Keynotes für ein stärkeres betriebliches und gesellschaftliches Familienbewusstsein. Ana Hoffmeister lebt mit ihrer Familie in Berlin. Ihr Podcast "FutureFamily - Generation Familie & Beruf" ist auf den gängigen Podcast-Plattformen abrufbar.

Kommt die Großfamilie zurück?


Māmān-bozorg, warum kommst du uns nicht besuchen? Lässt Khomeini dich nicht zu uns nach Deutschland kommen?« Ich hielt den Telefonhörer unseres olivgrünen Scheibentelefons aufgeregt mit meinen beiden kleinen Händen fest umklammert. Meine Oma am anderen Ende der Leitung im Iran verstummte augenblicklich. Meine Eltern, die während des Gesprächs neben mir standen, nahmen mir aufgeregt den Hörer aus den Händen und wechselten schnell das Gesprächsthema.

Ich muss drei gewesen sein. Zu klein, um zu verstehen, was da gerade passiert war. Ich hatte mir nichts bei dieser Frage gedacht. Denn zu Hause sprachen meine Eltern oft über Khomeini und die Mullahs. Und dass wir deshalb nicht mehr im Iran lebten. Vermutlich hatten mir meine Eltern auch damit versucht zu erklären, warum meine Māmān-bozorg uns nicht so einfach in Deutschland besuchen konnte. Was ich nicht wusste: Telefongespräche wurden im Iran abgehört. Man konnte nicht gefahrlos über alles offen sprechen, wenn man mit Verwandten im Iran telefonierte. Man musste immer vorsichtig sein.

Ferngespräche in den Iran waren außerdem immer eine stressige Angelegenheit. Es war unglaublich teuer, man kam nicht sofort durch. Das Ferngespräch begann grundsätzlich mit der Frage: »Hallo, hallo? Können Sie mich hören?« Ein Ferngespräch war immer mit viel Lautstärke verbunden, weil die Übertragung oft schlecht war. Es war eigentlich kein Gespräch, sondern ein lautes Rufen von unserer in die andere Welt. Auch ohne Lautsprechertaste konnte die ganze Familie das Gespräch verfolgen – so laut war die Stimme aus dem Hörer. Und trotz dieser angespannten Rahmenbedingungen ließen es sich beide Gesprächspartner nicht nehmen, Höflichkeiten auszutauschen, sich ausführlich zu erkundigen, wie es jedem Einzelnen in der Familie und Verwandtschaft ging. Persische Höflichkeit.

Khomeini ließ meine Oma gehen. Sie kam 1990 nach Deutschland und blieb bis zu ihrem Tod 2018 bei uns. Mit der Ankunft meiner Oma in unserem Familienleben veränderten sich zwar nicht die schwereren Bedingungen, unter denen meine Eltern versuchten, in Deutschland Fuß zu fassen. Doch meine Oma half, die Arbeitslast bei uns zu Hause zu mildern. Während meine Eltern die Familie mit verschiedenen geringfügigen Jobs über Wasser hielten, sich um ihre Kinder kümmerten und versuchten, in einem neuen Land Fuß zu fassen, waren mit meiner Oma plötzlich zwei weitere helfende Hände da. Und sie wurden gebraucht – besonders als mein Vater für längere Zeit aufgrund von Krankheit ausfiel und meine Mutter die Sorge- und Erwerbsarbeit allein stemmen musste. Durch die Unterstützung meiner Oma zu Hause konnten meine Eltern ihren Sprachkurs machen, arbeiten und noch mal studieren. Denn ihre Diplome wurden in Deutschland nicht anerkannt. Also ein kompletter Reset mit Anfang dreißig.

Wir waren damals also drei Generationen unter einem Dach. Entsprechend war das Zusammenleben: laut, lebendig, schön und anstrengend zugleich.

Meine Oma unterstützte dort, wo im Familienalltag Hilfe gebraucht wurde. Sie holte uns oft vom Kindergarten und später von der Schule ab. Von meinen deutschen Freunden kannte ich damals niemanden, bei dem die Oma vergleichbar in den Familienalltag integriert war.

Meine Oma kochte gern für uns. Sie nahm sich Zeit dafür. Die Vorbereitungen begannen manchmal am Abend vorher. Essen war wichtig und wurde bereits beim Einkaufen von Lebensmitteln zelebriert. Sie war außerdem eine begnadete Schneiderin. Neben ihrer Nähmaschine lag eine große Keksdose mit der Aufschrift »Danish Butter Cookies«, in der sich zu meiner großen Enttäuschung leider keine Kekse befanden, dafür aber Fäden und Garn in jeder denkbaren Farbe. Sie besaß riesige Tüten mit Stoffresten, eine weitere mit unterschiedlicher Wolle und unzählige Stricknadeln. Abends, wenn der Tag sich neigte, nähte und strickte sie: Pullover, Pullunder, Stirnbänder, Schals und Mützen, Röcke, Hosen und Kleider. Alles für die Enkelkinder. Ich höre noch heute in meiner Erinnerung das rhythmische Geräusch ihrer Nähmaschine, begleitet von leiser klassischer Musik aus ihrem alten, leicht verstaubten Radio. In ihrer Nähe stand immer ein kleines dampfendes Teeglas, in dem zarte Teeblätter schwammen. Sie trank ihren Tee mit zerkleinertem Würfelzucker. Es war ein Ritual, dem ich gern zuschaute.

Mit ihrer Ankunft in Deutschland und in unserem Familienleben legte meine Oma ihr eigenes Leben wie ein Kleidungsstück ab – es blieb im Iran. In Deutschland lebte sie für ihre Familie. Ihre Welt waren wir. Ihr ehemaliges Leben in der Teheraner Großstadt war auf einen winzigen Radius in Deutschland geschrumpft. Bei meiner Oma war ich immer willkommen, sie gab mir nie das Gefühl zu stören. Sie war für mich wie ein Zuhause.

Ich kann kaum lange über ihr Leben nachdenken, ohne mir die Frage zu stellen: Wie viel Schmerz kann ein Mensch in einem einzigen Leben aushalten? Als meine Oma Mitte zwanzig war, wurde sie von ihrem Mann verlassen. Er ließ sie mit den Kindern allein und sich von ihr scheiden – das war in den 60er-Jahren im Iran. Sie hatte zwei Kinder, war berufstätig und machte natürlich auch den Haushalt. Sie litt enorm unter dieser Last. Nach der Trennung fragte sie ihren Ex-Mann nicht ein einziges Mal um Unterstützung, wenn es ihr an etwas fehlte. Sie war eine stolze Frau. Sie hielt die Schwere aus und wurde schwer krank. Ihre sieben Geschwister und die Großfamilie unterstützten sie und sprangen ein. Meine Mutter war damals fünf Jahre alt, ihr Bruder sechs Monate. Rückblickend sagt sie, hätte die Großfamilie die Abwesenheit ihres Vaters auffangen können.

Als die Kinder meiner Großmutter erwachsen waren, wurde es im Iran zunehmend unruhig. Meine Mutter war damals berufstätig und politisch aktiv – wie so viele andere Intellektuelle zu dieser Zeit. Nach der Revolution 1979 und der Gründung der Islamischen Republik veränderte sich der Alltag enorm. Oppositionelle wurden festgenommen, viele wurden hingerichtet. Wenig später brach der Erste Golfkrieg aus. Alle jungen Männer wurden eingezogen, auch der Sohn meiner Großmutter. Und er fiel im Krieg. Was meiner Oma von ihm blieb, war sein Soldatengeschirr. Eine Blechdose. Wir haben sie immer noch.

Ich habe meinen Onkel leider nie kennenlernen können. Solange ich denken kann, hing sein Foto an einer Wand in unserem Wohnzimmer. Ein weiteres Foto von ihm im Zimmer meiner Oma. Dieses breite Lächeln, sein lebensfrohes Gesicht, diese wachen und hoffnungsvollen Augen. Ich kann dieses Gesicht auch heute noch genau vor mir sehen. Ein schmerzhafter Verlust.

Einige Zeit später lernte ihre Tochter im Iran einen jungen Mann kennen, der bereits ein Kind hatte. Sie beschlossen zu heirateten. Und bereits ein Jahr später sollte sich die Familie vergrößern: Meine Mutter war schwanger. Mitten im Krieg. Als sich der Geburtstermin näherte, wurde Teheran jede Nacht bombardiert. Viele Menschen verließen abends die Großstadt, aus Angst vor den Bomben. Nachts saßen die Familien beisammen – wie Hoffnungsorte mitten in der Dunkelheit. Tagsüber kehrten sie vom Land zurück. Doch meine Oma verließ Teheran nicht, sie wollte meine Mutter nicht allein lassen. Denn meine Eltern hatten sich entschieden, in Teheran zu bleiben, damit sie zeitnah ins Krankenhaus fahren konnten. Meine Oma blieb also an der Seite ihrer Familie. Als ich dann mitten im Krieg und im Keller eines Teheraner Krankenhauses nach einem Stromausfall zur Welt kam, hielt sie mich wenig später schon in ihren Armen.

Die Situation im Iran hatte sich währenddessen weiter verschärft. Für Oppositionelle wie meine Eltern wurde es zunehmend gefährlich. Eine große Hinrichtungswelle war im Gange. So entschieden sich meine Eltern, den Iran zu verlassen. Es sollte nur für eine kurze Zeit sein. Alle gingen davon aus, dass sich das Regime nicht lange halten und der Albtraum bald vorbei sein würde. Sie wussten damals nicht, dass sie sich gewaltig täuschten.

Für meine Oma bedeutete diese Entscheidung: Trennung. Angst. Ungewissheit. Ich kann nur erahnen, mit welchen Sorgen sie eingeschlafen und mit welchen Fragen sie aufgewacht sein muss. Würde ihrer Tochter die Flucht gelingen? Würden sie sich wiedersehen? Würde sie am Leben ihrer Enkeltochter teilhaben können? Ich staune, wie sie das Leben bewältigte, trotz aller Unwägbarkeiten: geschieden, alleinerziehend, getrennt von ihren Kindern und ihrer Enkelin. Ihre Großfamilie im Iran gab ihr erneut Halt.

Vier Jahre später stieg meine Oma in Teheran ins Flugzeug. Zwei schwere Koffer in den Händen und ein noch schwereres Herz in ihrer Brust. Denn sie ließ mit diesem Schritt gleichzeitig ihre geliebte Großfamilie im Iran zurück. Es sollte ein Abschied für immer sein. Sie war auf dem Weg in eine neue Welt. Ihre verbleibende Lebenszeit verbrachte sie bei uns in Deutschland. Aber ich glaube, einen Teil ihres Herzens ließ sie im Iran zurück – bei ihren vielen Geschwistern, die sie zum Teil nie wieder sah.

In Deutschland lebten wir nun als Patchwork-Familie in einem Mehrgenerationenhaushalt im achten Stock eines zehnstöckigen Hochhauses. Es waren beengte und einfache Wohnverhältnisse in einem Stadtteil, den man heute vermutlich als »Brennpunkt« bezeichnen würde. Die Familie war in der Zwischenzeit weiter gewachsen. Wir waren jetzt drei Kinder und drei Erwachsene. Meine Eltern drehten jede Mark zweimal um. Wir trugen gebrauchte Kleidung, die wir vom Deutschen Roten Kreuz bekamen. Essen gehen, in den Urlaub fahren, ein eigenes Auto – all das hatten und konnten wir nicht. Aber wir hatten uns und ein warmes Zuhause.

Für meine Eltern war die Konstellation als...

Erscheint lt. Verlag 1.3.2024
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Arbeitsaufteilung • Beziehungen • Beziehungsmodelle • Beziehungsratgeber • Bildung • Care-Arbeit • Chancen • Demographie • demographischer Wandel • Elternratgeber • Elternschaft • Equal Care • Familie • Familie buch • Familienarbeit • familienaufstellung buch • familienfreundlich • Familienleben • Familienmodelle • Familienorganisation • Familienratgeber • Familienstruktur • Generationengerechtigkeit • generationenübergreifend • Gesellschaft • gleichberechtigte Elternschaft • Gleichberechtigung • gleichgeschlechtliche Liebe • Großfamilie • Kernfamilie • kind und karriere • Kleinfamilie • Lebensmodelle • Migration • moderne familienformen • Patchwork Familie • Pflege • Ratgeber Familie • ratgeber job und familie • Regenbogenfamilie • Sachbuch Bestseller • sachbuch neuerscheinungen • Selbstmanagement • Sorgearbeit • Vereinbarkeit • Vereinbarkeitslüge • Vereinbarkeit von Familie und Beruf • verschiedene familienmodelle • Werte • Wohnformen • Zukunft • Zukunft der Familie • Zukunftsforschung
ISBN-10 3-426-21752-X / 342621752X
ISBN-13 978-3-426-21752-8 / 9783426217528
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