Lese-/Rechtschreibstörung (LRS) (eBook)
195 Seiten
Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG
978-3-8444-2721-9 (ISBN)
|24|2 Leitlinien
2.1 Leitlinien zur Diagnostik
In diesem Kapitel werden die Leitlinien zur Diagnostik, Verlaufskontrolle und Früherkennung von Lese- und/oder Rechtschreibstörungen dargestellt. Tabelle 3 gibt einen Überblick über die Leitlinien.
Tabelle 3: Übersicht über die Leitlinien zur Diagnostik, Verlaufskontrolle und Früherkennung von Lese- und/oder Rechtschreibstörung
L1 | Diagnostische Kriterien und diagnostisches Vorgehen |
L2 | Klinische Untersuchung |
L3 | Körperliche Untersuchung |
L4 | Psychometrische Diagnostik |
L5 | Verlaufskontrolle |
L6 | Früherkennung |
L7 | Diagnostik von Kindern und Jugendlichen mit Deutsch als Zweitsprache |
2.1.1 Diagnostische Kriterien
Basierend auf dem DSM-5 und der ICD-10 werden in der Praxis drei verschiedene Diagnosekriterien angewendet: das Altersdiskrepanz-, das Klassennormdiskrepanz- und das IQ-Diskrepanz-Kriterium.
Im Rahmen der Entwicklung der evidenz- und konsensbasierten (S3) Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Lese- und/oder Rechtschreibstörung (Schulte-Körne & Galuschka, 2015) wurde mittels systematischer Literaturrecherchen überprüft, ob eines der drei diagnostischen Kriterien bevorzugt einzusetzen ist. Zwischen Kindern und Jugendlichen, bei denen die Diagnose einer Lese-Rechtschreibstörung aufgrund einer Alters- oder Klassennormdiskrepanz oder IQ-Diskrepanz gestellt wurde, konnten keinerlei Unterschiede hinsichtlich der Therapieeffekte, des Störungsverlaufs oder der Heritabilität festgestellt werden.
Somit kann für eine Diagnose das Altersdiskrepanz-, das Klassennormdiskrepanz- und das IQ-Diskrepanzkriterium herangezogen werden. Für die Diagnose ist jedoch Bedingung, dass unterdurchschnittliche Leistungen im Lesen oder Rechtschreiben (Abweichung von mindestens einer SD von |25|der Alters- oder Klassennorm) vorhanden sind. Leitlinie L1 fasst die praktische Umsetzung der Kriterien zusammen.
Leitlinie 1: Diagnostische Kriterien und diagnostisches Vorgehen
Diagnostische Kriterien
Zur Diagnostik der Lese- und/oder Rechtschreibstörung soll auf das Kriterium der Alters- oder Klassennormdiskrepanz oder auf das Kriterium der IQ-Diskrepanz zurückgegriffen werden. Die Diskrepanz muss mindestens eine Standardabweichung (1,0 SD) betragen und die Leistung im Lesen und/oder Rechtschreiben mindestens unterhalb des Durchschnittsbereichs liegen.
Altersnormdiskrepanz-Kriterium: Unterdurchschnittliche Leistung im jeweiligen Testverfahren gemäß der Altersnorm (PR ≤ 16 bzw. T-Wert ≤ 40).
Klassennormdiskrepanz-Kriterium: Unterdurchschnittliche Leistung im jeweiligen Testverfahren gemäß der Klassennorm. Wenn vorhanden, schulformspezifische Norm anwenden (PR ≤ 16 bzw. T-Wert ≤ 40).
Alters- oder Klassennorm- und IQ-Diskrepanz-Kriterium: Unterdurchschnittliche Leistung im jeweiligen Testverfahren gemäß der Alters- oder Klassennorm und erwartungswidrig schwache Leistung im jeweiligen Testverfahren im Vergleich zum IQ-Wert (PR ≤ 16 bzw. T-Wert ≤ 40 und Diskrepanz aus den jeweiligen T- oder IQ-Werten ≥ 1 SD).
Diagnostisches Vorgehen
Die Diagnosestellung einer Lese- und/oder Rechtschreibstörung schließt die Ergebnisse
-
der körperlichen (siehe Leitlinie L3),
-
der testpsychologischen/psychometrischen (siehe Leitlinie L4) und
-
der klinischen Untersuchung (siehe Leitlinie L2) ein.
Die Diagnose einer Lese- und/oder Rechtschreibstörung beruht zum einen auf den Ergebnissen psychometrischer Leistungstests und der Entwicklungs- und Schulanamnese und zum anderen auf den Ergebnissen der klinischen Untersuchungen (einschließlich der Seh- und Hörfunktionen). Zudem müssen zur Differenzialdiagnostik Methoden eingesetzt werden, die es erlauben, die körperliche und psychische Entwicklung des Kindes und des Jugendlichen mit Lese- und/oder Rechtschreibstörung festzustellen. Wichtig sind außerdem Verfahren der Lernverlaufsdiagnostik, welche die spezifischen Stärken und Schwächen in der Lernentwicklung im Lesen und/oder Rechtschreiben identifizieren.
Die einzelnen diagnostischen Schritte der verschiedenen Teilbereiche werden im Folgenden erläutert: in Kapitel 2.1.2 wird die klinische Untersuchung, in Kapitel 2.1.3 die körperliche Untersuchung und Kapitel 2.1.4 die psychometrische/testpsychologische Untersuchung beschrieben. Kapitel 2.1.6 schildert Maßnahmen und Möglichkeiten der Lernverlaufsdiagnostik und in Kapitel 2.1.4 und Kapitel 3.1 werden die psychometrischen Verfahren der Diagnostik beschrieben.
|26|Tabelle 4: Multiaxiale Diagnostik der Lese- und/oder Rechtschreibstörung
Achse | Gegenstand | Zielsetzung | Methode |
1: Klinisch-psychiatrisches Syndrom | Angststörungen, depressive Störungen, ADHS, Störung des Sozialverhaltens und weitere psychische Auffälligkeiten | Differenzialdiagnostik Abklärung spezifischer Komorbiditäten | Psychometrische/testpsychologische und klinische Untersuchung (psychopathologischer Befund), Anamnese |
2: Kernsymptomatik: umschriebene Entwicklungsstörungen | Lesegenauigkeit, Lesegeschwindigkeit, Leseverständnis, lauttreue und orthografische Schreibfähigkeit | Kerndiagnostik Abklärung spezifischer Komorbiditäten (z. B. Rechenstörung) Differenzialdiagnostik: Intelligenzminderung Sprachstörungen | ... |
Erscheint lt. Verlag | 21.1.2019 |
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Reihe/Serie | Leitfaden Kinder- und Jugendpsychotherapie |
Verlagsort | Göttingen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie |
Schlagworte | Deutsch als Zweitsprache • Eingliederungshilfe • Frühförderung • Grundschule • Kinder- und Jugenpsychiatrie • Lese-Rechtschreibfähigkeit • Lese-Rechtschreibleistung • Leseschwäche • Lesestörung • Leseverständnis • Nachteilsausgleich • Notenschutz • Prävention • Rechtschreibschwäche • Rechtschreibstörung • Rechtschreibtest • Schule • Verhaltenstherapie • Vorschule |
ISBN-10 | 3-8444-2721-X / 384442721X |
ISBN-13 | 978-3-8444-2721-9 / 9783844427219 |
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