Mengele (eBook)

Biographie eines Massenmörders
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2021 | 1. Auflage
440 Seiten
Theiss in der Verlag Herder GmbH
978-3-8062-0256-4 (ISBN)
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Intelligent, ehrgeizig, skrupellos: Dr. Josef Mengele wurde zum Synonym des Bösen schlechthin. Der »Todesengel« von Auschwitz, der unmenschliche Experimente an Gefangenen durchführte, bei der Selektion an der Rampe Arien pfiff, gilt als einer der berüchtigsten Kriegsverbrecher. Aber obwohl er seit 1945 auf internationalen Fahndungslisten stand, konnte er bis zu seinem Tod 1979 unbelangt in Südamerika leben. David Marwell hat als Spezialist im US-Justizministerium an der Aufdeckung des Schicksals Mengeles mitgewirkt. Er erzählt - nüchtern, klar, genau - das Leben eines fürchterlich fehlgeleiteten Arztes. Und gleichzeitig - für die Zeit zwischen 1945 und 1985 - auch einen Thriller in Zeiten des Kalten Krieges: zwischen Mossad, BND und Burda, zwischen den US-Nazi-Jägern und Mengeles Familie in Günzburg, zu der er bis zu seinem Tod Kontakt hielt. Es ist die Geschichte einer Wissenschaft ohne Moral, einer Flucht ohne Freiheit und schlussendlich der Lösung eines Falls ohne Gerechtigkeit.

David G. Marwell (* 1951) war Direktor des Museum of Jewish Heritage sowie Präsident des Leo Baeck-Institut New York/Berlin. Vor seiner Arbeit im United States Holocaust Memorial Museum in Washington, D.C. war der Zeithistoriker Direktor des Document Center in Berlin und des JFK Assassination Records Review Board und arbeitete im Office of Special Investigations des US-Justizministeriums. In dieser Position war Marwell verantwortlich für die Durchführung von historischer und forensischer Forschung zur Unterstützung der Strafverfolgung nationalsozialistischer Kriegsverbrecher, unter anderem für die Fälle Klaus Barbie und Josef Mengele.

David G. Marwell (* 1951) war Direktor des Museum of Jewish Heritage sowie Präsident des Leo Baeck-Institut New York/Berlin. Vor seiner Arbeit im United States Holocaust Memorial Museum in Washington, D.C. war der Zeithistoriker Direktor des Document Center in Berlin und des JFK Assassination Records Review Board und arbeitete im Office of Special Investigations des US-Justizministeriums. In dieser Position war Marwell verantwortlich für die Durchführung von historischer und forensischer Forschung zur Unterstützung der Strafverfolgung nationalsozialistischer Kriegsverbrecher, unter anderem für die Fälle Klaus Barbie und Josef Mengele.

Eine Bemerkung zu den Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Teil 1 AUFSTIEG
Kapitel 1: "Zündende Leuchtkraft" . . . . . . . . . . . . . .17
Kapitel 2: Wissenschaftler und Soldat . . . . . . . . . . .47
Teil 2 AUSCHWITZ
Kapitel 3: Die Hauptstadt des Holocaust . . . . . . . .77
Kapitel 4: "Zufällige Kommandierung" . . . . . . . . .97
Kapitel 5: "… weil ich für Rolf ein Bettchen kaufen muß" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .130
Teil 3 FLUCHT
Kapitel 6: Gefangenschaft und Versteck . . . . . . . .149
Kapitel 7: Ruhe und Sturm . . . . . . . . . . . . . . . . . . .171
Teil 4 VERFOLGUNG
Kapitel 8: Vorspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .207
Kapitel 9: Die Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . .227
Kapitel 10: São Paulo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .244

Kapitel 11: "Eine Biografie der Knochen" . . . . . . .261
Kapitel 12: Zweifel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .287
Kapitel 13: Fortschritt und Stillstand . . . . . . . . . . .313
Kapitel 14: Der Fall wird geschlossen . . . . . . . . . . .326
Epilog: Vater und Sohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .345
ANHANG
Postskriptum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .361
Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .364
Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .365
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .403
Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416

Vorwort


Josef Mengele wurde am 16. März 1911 geboren und starb am 7. Februar 1979. Fast genau in der Mitte seines Lebens, im Sommer 1944, tat er lange Tage und Nächte seinen Dienst an der Rampe des Konzentrationslagers Auschwitz II (Birkenau), wo er Neuankömmlinge begutachtete und über ihr Schicksal entschied. Der Versuch der Nationalsozialisten, die ungarischen Juden zu ermorden, die letzte verbliebene jüdische Gemeinschaft, die sie vernichten wollten, war in vollem Gange, und eine scheinbar endlose Folge von Waggons fuhr auf einem neu gebauten Gleis durchs Haupttor und ins Zentrum des Lagers, wo sie nicht weit entfernt von den Gaskammern hielten. Dieser neue, wenige Monate zuvor gebaute Eingang ersetzte eine ineffiziente Rampe zwischen dem Hauptlager Auschwitz und Birkenau und vereinfachte das Aussteigen und Registrieren der todgeweihten und desorientierten Passagiere, die in Ungarn in stickige Güterwagen gepfercht worden waren. Das Lager hatte seinen größten Umfang erreicht und arbeitete mit voller Leistung; von Ende April bis Ende Juli wurden fast 430 000 ungarische Juden dorthin deportiert und die große Mehrheit gleich nach der Ankunft ermordet. Man könnte sagen, dass Mengele ebenfalls einen Höhepunkt seines Lebens erreicht hatte.

Könnte man in sein Inneres blicken, würde man wohl große Befriedigung angesichts des Verlaufs sehen, den sein Leben genommen hatte. In jugendlichem Alter, mit nur 33 Jahren, stand er auf dem Gipfel des Erfolgs. Seine Studien, Vorbereitung und harte Arbeit hatten ihn beim Engagement für die Wissenschaft, die seine Leidenschaft war, an einen beispiellosen Ort gebracht. In seinen Augen hatte niemand vor ihm dasselbe Rohmaterial zur Verfügung gehabt oder war so befreit von den Einschränkungen gewesen, die den Ehrgeiz fesselten und den wissenschaftlichen Fortschritt bremsten.

Wenn die erste Hälfte von Josef Mengeles Leben eine stete Reihe von Erfolgen gewesen war, die zu diesem Augenblick führten, so kann man die zweite Hälfte als Demontage all dessen sehen, was er erreicht hatte. In diesem Sommer war das Dritte Reich von seiner weitesten Ausdehnung auf seinen Ausgangspunkt zurückgedrängt worden. In den folgenden Monaten schrumpfte es weiter wie ein sich zusammenziehendes schwarzes Loch. Gleichzeitig wurde Josef Mengele aus dem Zentrum einer schönen neuen Welt immer weiter an den Rand gedrängt. Die Aussichten auf eine vielversprechende Zukunft schwanden, so wie alles andere, das ihm wichtig war, von ihm fortrückte.

Während diese Demontage stattfand, begann ein paralleler Prozess, durch den sein Ruf eine fast mythische Größe annahm: Für die Welt wurde er zur Verkörperung der Bewegung, die ihn so antrieb, wie zu ihrem berüchtigsten Verbrecher. Der von manchen „Todesengel“ genannte Mengele wurde eine bekannte Figur der Populärkultur und suchte die Albträume oder Tagträume zahlreicher Menschen heim. An einem bestimmten Punkt wurde er nicht nur zur Verkörperung des Holocaust, sondern auch des Versagens der Justiz nach Kriegsende – eine Rolle, die unser Verständnis dafür, wer dieser Mann wirklich war und was ihn motivierte, stark beeinträchtigte.

Als ich im Februar 1985 für das Office of Special Investigations (OSI) im US-Justizministerium arbeitete, wurde ich Teil der internationalen Untersuchung, die Mengele finden und vor Gericht bringen sollte. Das OSI war 1979 durch ein von Elizabeth Holtzman, einer unerschrockenen und leidenschaftlichen Kongressabgeordneten aus New York, eingebrachtes Gesetz gegründet worden und löste eine wenig effektive Dienststelle der Einwanderungs- und Einbürgerungsbehörde ab, die Kriegsverbrecher in den USA finden sollte. Das neue Gesetz schuf nicht nur das OSI, sondern siedelte es auch bei der Strafverfolgungsabteilung im Justizministerum an, gab ihm ein ausreichendes Budget und schuf einen rechtlichen Rahmen, innerhalb dessen NS-Verbrecher wegen erschlichener Einwanderung angeklagt werden konnten, weil sie ihre Vergangenheit und ihre Beteiligung an der NS-Verfolgung verschleiert hatten.

Zunächst war das Office wie andere Bundesbehörden zur Strafverfolgung organisiert. Unter der Leitung von Staatsanwälten führten Kriminalbeamte die Untersuchungen durch, indem sie Dokumente und Zeugen ausfindig machten. Bald zeigte sich aber, dass diese Fälle anders gelagert waren. Die untersuchten Verbrechen waren jenseits des Ozeans begangen worden, die Beweismittel lagen in fremden Sprachen vor, und der historische Kontext, in den die Beweismittel gestellt werden mussten, war fast allen entrückt, außer den Zeitzeugen und Historikern, die ihn studierten.

Um diese Verbrechen differenziert genug untersuchen zu können, brauchte das Team neue Mitglieder. Ich gehörte einer kleinen Gruppe fortgeschrittener Geschichtsstudenten und frisch promovierter Historiker an, die zunächst für die Übersetzung von Dokumenten eingestellt worden waren, aber bald die Ermittler praktisch ersetzten. Mit der Zeit entwickelten wir eine neue Disziplin, die man „forensische Geschichte“ nennen könnte. Zum ersten Mal wurden ausgebildete Historiker als vollwertige Mitglieder eines Strafverfolgungsteams eingestellt, die ihr Wissen und ihre Fähigkeiten dazu nutzten, an Strafverfahren mitzuwirken. Unsere Bedeutung für die Mission des OSI lässt sich am Personalschlüssel ablesen. Ich begann im März 1980 als der dritte Historiker beim OSI, dem ansonsten zehn oder elf Ermittler von verschiedenen Bundesbehörden angehörten. Als ich das Office neun Jahre später verließ, waren es zehn Historiker und nur noch ein Ermittler.

Wir arbeiteten wie Historiker, durchforschten Archive nach Beweismitteln, befragten Personen nach entlegenen Details und konsultierten Experten zum Kontext und zur Zeitabfolge. Doch wir waren auch Anwälte. Und wir arbeiteten mit einigen Beschränkungen: Die Beweisregeln des Bundesrechts setzten dem neue Grenzen, was wir als Beweise vorlegen konnten, und wir lernten wie Jura-Erstsemester die Ausnahmen von der Regel über den grundsätzlichen Ausschluss aller Beweise vom Hörensagen auswendig.

Üblicherweise untersuchten wir beim OSI Fälle gegen nichtdeutsche Helfer auf niedriger Ebene, die sich im Dienst ihrer „Herren“ an der Verfolgung unschuldiger Menschen beteiligt hatten. Die Deutschen hatten bei der Besatzung fremder Länder auf einheimische Hilfskräfte zurückgegriffen, ob als Dolmetscher, Polizisten oder Lagerwachen, und die einheimische Bevölkerung hatte ein starkes Motiv, ihr Schicksal mit dem der Besatzer zu verbinden. Als die Kriegslage sich zuungunsten der Deutschen verschob und diese den Rückzug antreten mussten, folgten ihnen ihre Helfer, denn sie wussten, dass eine Rückkehr nach Hause sowjetische Gerechtigkeit bedeuten würde. Sie tauchten im gewaltigen Meer von Displaced Persons unter, die auf deutsches Territorium kamen, weil sie nirgendwo anders hinkonnten. Seite an Seite mit ihren Opfern profitierten diese Täter von der alliierten Hilfe und fuhren auf denselben Schiffen einer helleren Zukunft in Amerika entgegen wie jene, denen sie Schaden zugefügt hatten. In Amerika ließen sie ihre Vergangenheit hinter sich und fingen ein neues Leben an. Es brauchte vier Jahrzehnte und den entschlossenen Druck einiger weniger engagierter Personen, um die groteske Ironie ans Licht zu bringen, dass die USA nicht nur für die Opfer der NS-Verfolgung eine Zuflucht geworden waren, sondern auch für diejenigen, die geholfen hatten, sie zu verfolgen.

Im März 1983 erweiterte William French Smith, Präsident Reagans erster Justizminister, die Kompetenzen des OSI, indem er uns anwies, die Vorwürfe zu untersuchen, der amerikanische Geheimdienst habe nach dem Krieg den früheren SS- und Gestapooffizier Klaus Barbie angeworben. Diese Anschuldigung war besonders alarmierend, weil Barbie, der Gestapochef von Lyon, an der Festnahme und Deportation von Juden beteiligt gewesen und in Frankreich in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden war. Der damalige OSI-Direktor Allan A. Ryan Jr. gab einen umfassenden Bericht heraus, der darstellte, wie die USA Barbie als Geheimdienstquelle rekrutiert, ihn wissentlich vor französischer Strafverfolgung bewahrt und über die sogenannte Rattenlinie über italienische Häfen nach Südamerika gebracht hatten. Ryan machte Schlagzeilen, als er dem Justizminister empfahl, die amerikanische Regierung solle sich bei Frankreich für die Strafvereitelung entschuldigen.

Nach der Barbie-Untersuchung trat eine sehr viel berüchtigtere Figur ins Licht der Öffentlichkeit: Josef Mengele. Mengeles doppelte Bedeutung – als Verkörperung des Holocaust und des Versagens der Justiz – spielte eine Rolle im politischen und moralischen Kalkül der drei Staaten, die 1985 mit der Suche nach ihm begannen.

Für jene Amerikaner, die die Untersuchung am lautesten forderten, war es reine Politik, eine Strategie, um ins Scheinwerferlicht zu kommen und Punkte zu machen. Für die Deutschen war es ein Versuch der Kompensation dafür, in der Vergangenheit nicht gehandelt zu haben. Und für die Israelis war es eine seltsame Mischung aus Politik und Emotionen, wegen der sie den Fall so lange wie möglich nicht abschlossen. Für mich war es sehr persönlich, obwohl niemand aus meiner Familie durch Mengele geschädigt worden war. Im Lauf der Untersuchung besuchte ich seine Heimatstadt und...

Erscheint lt. Verlag 15.3.2021
Übersetzer Martin Richter
Verlagsort Darmstadt
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik 20. Jahrhundert bis 1945
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Schlagworte Arzt • Auschwitz • Auschwitz-Prozess • Biografie • Biographie • Deutschland • Drittes Reich • Euthanasie • Günzburg • Holocaust • Klaus Barbie • Konzentrationslager • Kriegsverbrecher • Kriegsverbrecherprozess • KZ • Mengele • menschliche experimente • Nationalsozialismus • Nazi • nazijäger • Nazi-Verbrechen • nazi zeit • Nazizeit • Nazi-Zeit • Prozess • Serge Klarsfeld • Todesengel • todesengel von auschwitz • Vernichtungslager
ISBN-10 3-8062-0256-7 / 3806202567
ISBN-13 978-3-8062-0256-4 / 9783806202564
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