Der Mann, der nicht mitspielt (eBook)

Hollywood 1921: Hardy Engels erster Fall
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
640 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-31823-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Mann, der nicht mitspielt -  Christof Weigold
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»In jeder Hinsicht ganz großes Kino zum Lesen« WDR 2 Krimitipp. Hollywood in den Roaring Twenties - die Zeit der Stummfilme und der Prohibition, ein wahres Sündenbabel. Rätselhafte Todesfälle erschüttern die Stadt und bedrohen die noch junge Filmindustrie. Mittendrin: ein deutscher Privatdetektiv.Hardy Engel, ein gescheiterter Schauspieler, wird von der schönen Pepper Murphy beauftragt, das stadtbekannte Starlet Virginia Rappe zu finden. Kurz darauf stirbt Virginia unter mysteriösen Umständen, nachdem sie eine Party des beliebten Komikers Roscoe »Fatty« Arbuckle besucht hat. Dieser wird beschuldigt, sie brutal vergewaltigt und tödlich verletzt zu haben. Angefacht von den Boulevardzeitungen entwickelt sich der Fall zu einem Skandal, der ganz Hollywood in den Abgrund zu ziehen droht. Hardy Engel ermittelt in rivalisierenden Filmstudios und in der Kolonie der Deutschen rund um Universal-Gründer Carl Laemmle. Als er schließlich die Wahrheit herausfindet, die allzu viele Leute vertuschen wollen, ist nicht nur sein Leben in Gefahr.

Christof Weigold, geboren 1966, schrieb Theaterstücke und war von 1996 bis 1999 fester Autor bei der »Harald-Schmidt-Show« in Köln, für die er auch vor der Kamera stand. Seit 2000 arbeitet er als freier Drehbuchautor für Film und Fernsehen. 2018 erschien der erste Band der Reihe um den deutschen Privatermittler Hardy Engel, »Der Mann, der nicht mitspielt«. Er wurde für den Glauser-Preis nominiert und mit dem Preis des Mordharz-Festivals ausgezeichnet. 2019 folgte der zweite Band »Der blutrote Teppich«. Christof Weigold lebt in München.

Christof Weigold, geboren 1966, schrieb Theaterstücke und war von 1996 bis 1999 fester Autor bei der »Harald-Schmidt-Show« in Köln, für die er auch vor der Kamera stand. Seit 2000 arbeitet er als freier Drehbuchautor für Film und Fernsehen. 2018 erschien der erste Band der Reihe um den deutschen Privatermittler Hardy Engel, »Der Mann, der nicht mitspielt«. Er wurde für den Glauser-Preis nominiert und mit dem Preis des Mordharz-Festivals ausgezeichnet. 2019 folgte der zweite Band »Der blutrote Teppich«. Christof Weigold lebt in München.

2


Nachdem ich mich schnell umgezogen hatte und in meinen zweiten Anzug geschlüpft war – brauner abgetragener Tweed, ein weißes – oder fast weißes – Hemd mit Zelluloidkragen zum Wechseln, rote Krawatte, dazu mein Strohhut –, überquerte ich den Sunset Boulevard und erwischte auf dem Hollywood Boulevard noch gerade so die Straßenbahn. Genau genommen musste ich dem rotorangenen Trolleywagen der Pacific Electric hinterherrennen und aufspringen, während er dreimal warnend seine Glocke läutete – Clongclongclong.

Der Big Red Car war auch am Sonntag voller Leute wie mir, dicht gedrängt. Nicht alle rochen gut. Ich roch nicht gut. Wir fuhren den Hollywood Boulevard Richtung Osten entlang, den mehr Palmen als Häuser säumten und Ölbohrtürme, die an dieser Ecke überall wie Pilze aus dem Boden schossen. Die paar Gebäude, die dazwischenstanden, gaben ungeheuer an.

Wir passierten das monumental aufragende Hollywood Hotel mit seinen vielen Türmchen, das wie eine Ritterburg in das Nirgendwo gesetzt worden war.

Die Tram hielt an einer Kreuzung abrupt an, und ich taumelte gegen meinen Nebenmann. Er las den Los Angeles Examiner mit der Schlagzeile, dass Chaplin sich in New York auf der Olympic in Richtung seiner englischen Heimat eingeschifft hatte. Ein anderer Fahrgast erzählte dem Haltegriff über sich laut von den Zeiten, als Chaplin noch die Straßenbahn genommen und auf dem Weg ins Studio seine Ideen mit ihm besprochen hatte.

»Sieben Filme habe ich mit ihm gemacht, wir sind dann immer raus nach Westlake gefahren, das ganze Team mitsamt Equipment, und haben einfach im Park gedreht. Ein Tramp, eine Frau, ein Polizist und ein See, in den man fallen kann, mehr braucht man ja nicht. Abends kamen wir mit einem fertigen Film nach Hause. Noch gar nicht so lange her, nur ein paar Jahre.«

Die anderen sahen alle zwanghaft aus dem Fenster und dachten vermutlich: Hoffentlich werde ich nicht auch mal so. Auch ich sah weg, zu der Sektion für Farbige ganz hinten und auf die Werbetafeln, die über unseren Köpfen prahlerisch verkündeten: Ich gehe meilenweit für eine Camel.

Nun fuhren wir an einem Kino vorbei, in dem gerade Die drei Musketiere lief, mit einem handgemalten Reklamebild von Douglas Fairbanks als D’Artagnan über der gesamten Frontseite, und selbst an diesem sonnigen Nachmittag mit einer Schlange Wartender davor, die um den Block reichte. Ein kleineres Kino weiter unten annoncierte den neuesten Tom-Mix-Western der Fox, Reiter in der Nacht.

Ein paar der den Boulevard entlang verstreuten einstöckigen Gebäude wurden abgebrochen, um Bauplatz für ein einzelnes, erheblich größeres und höheres zu schaffen. Presslufthämmer lärmten und der Automobilverkehr wurde um eine Absperrung herumgeleitet. Ein Schild verkündete, Mr Sid Grauman lasse hier ein neues großes Filmtheater errichten.

Am Ende würde aus dieser Ecke noch eine richtig feine Gegend werden. Wenn sie überall Asphalt und einen Bordstein verlegten, würde man auch nicht mehr stolpern, wenn man das überqueren wollte, was sich großspurig Boulevard nannte.

Auf Höhe von Musso & Frank Grill hielten wir an der Kreuzung Hollywood und Cherokee, und in einem Automobil neben uns entdeckte ich Buster Keaton und Natalie Talmadge. Sie saßen in einem großen, offenen Rolls-Royce. Einige Leute in der Straßenbahn erkannten die beiden Stars und drängten an die Scheibe und klopften und schrien und lachten.

Buster sah kurz herüber. Er lächelte nicht. Natürlich nicht. Dann zeigte der Verkehrspolizist auf der Kreuzung auf ihn, und Buster fuhr an, gab ein Handzeichen und bog mit einem Hupen nach links in die Cherokee Avenue ein.

 

Kurz danach sprang ich an der Haltestelle Hollywood und Vine ab. Die Vine Street war eine dieser ungemein staubigen Straßen abseits des Boulevards, mit nichts als roten Pfefferbäumen entlang des linken Straßenrandes. Ich ging sie hinunter, bis dahin, wo die letzten Häuser standen und die freien Felder begannen und sich die Telegrafenmasten in der Ferne verloren, und steuerte auf den Eingang von Famous Players-Lasky zu. Der größten Filmgesellschaft in Hollywood, wo immer etwas los war, auch am Sonntag.

Seit Anfang des Jahres gab es hier einen Pförtner, bei dem man sich anmelden musste. Diesen kannte ich, er hatte deutsche Vorfahren und radebrechte immer Deutsch mit mir, mit starkem Akzent. Cleveland, Ohio.

»Hardy, du alte Bratwurst. Wie geht es dir heute?«

»Bestens, Eugene – oder soll ich Eugen sagen, wie dich deine Eltern genannt haben?«

Er ließ das mit den deutschen Brocken wieder sein, wie ich es beabsichtigt hatte.

»Wir haben dich hier lange nicht mehr gesehen.«

»Hab eine Weile exklusiv bei Sennett gearbeitet, sechs volle Monate. Bis vor zwei Wochen …«, sagte ich und zog eine Grimasse.

»Davon hab ich auch schon gehört«, sagte er grinsend.

»Ehrlich?«

»Na ja, was erwartest du, in so einem kleinen Nest?«

Er lehnte sich zu mir herüber und sagte: »Auf Stage Four macht Famous Players-Lasky heute außer der Reihe einen Nachdreh, das Castingbüro sucht noch Komparsen.«

Oh ja. Das Übliche. Nicht, dass ich so etwas nicht schon gemacht hätte: Schauspielern aus dem Hintergrund beim wirklichen Spielen zuschauen.

»Keine Komödie, ein Drama. Restaurantszene, kein billiger Mist. Deine Chance, mit Wally Reid und Gloria Swanson zu spielen«, sagte Eugene verschwörerisch. Die Swanson war damals die Diva, nach der sich ganz Hollywood verzehrte. Und Wallace Reid der größte Actionstar und Frauenschwarm des Studios. »Unter der Regie von DeMille!«

Cecil B. DeMille, nicht nur der renommierteste Regisseur, sondern auch einer der Gründer von Famous Players. Allesamt ganz große Nummern in dieser Stadt. So groß, dass ich noch nicht mit ihnen hatte arbeiten dürfen.

»Danke dir, aber nicht heute. Ich soll jemanden finden. Virginia Rappe, Starlet, dreißig, hübsch, brünett. Soll am Freitag hier gewesen sein.«

Ich zeigte ihm die Fotografie. Er pfiff anerkennend und schüttelte den Kopf.

»Von der Sorte kommen hier Hunderte hereingelaufen. Zum Glück. Wer sucht so jemanden nicht?«

»Ernsthaft. Sie ist verschwunden, und jemand macht sich Sorgen.«

»Um diese Frauen muss man sich keine Sorgen machen. Eher um sich selber. Frag doch mal beim Casting. Dora Nuertinger, gleicher Typ übrigens. Gutes deutsches Blut.«

»Wir sind hier überall, was?«, sagte ich. »Warum haben wir Deutschen Hollywood eigentlich nicht schon längst übernommen?«

»Haben wir doch, drüben bei der Universal. Wenn du bei Laemmle einen Fuß in der Tür hast …«

»Habe ich aber nicht. Deswegen muss ich ja solche Aufträge annehmen.«

»Was musst du es dir auch immer mit allen verscherzen?«, sagte Eugene, während er mir meinen Besucherpass ausstellte, und zwinkerte mir zu. »Geh rein und frag Dora. Und wenn du diese Virginia nicht findest, frag nach einer Rolle. Weiß, du kannst es brauchen.«

Er gab mir den Pass, eine weiß-rote Pappe mit meinem handgeschriebenen Namen darauf, und winkte mich durch. Gleichzeitig kam eine große lindgrüne Limousine an und hupte Eugene zu. Er bückte sich servil, um hineinzusehen, und reagierte, als säße der liebe Gott darin. Sofort betätigte er die Schranke, und als ich hineinging, fuhr der Wagen an mir vorbei. Ich sah nicht hin. Ich wollte es gar nicht wissen. Die Limousine gab Gas und röhrte davon.

Das war es, was mit mir nicht stimmte, weswegen ich in diesem Geschäft nichts wurde. Keine Lust auf Stars. Und das als Schauspieler. Ich musste, während ich weiterging, unweigerlich noch einmal daran denken, was zwei Wochen zuvor geschehen war, in den Sennett-Studios.

Wie ich meinen Polizeiknüppel zurechtrückte, links an der Seite meines indigoblauen Uniformrocks, dann den Schirm der Uniformmütze, mich zu voller Höhe aufrichtete und dem kleinen Mann entschlossen von hinten auf die Schulter tippte. Den James Finlayson mit einer Hand am Arm gepackt hatte, während er gerade mit der anderen Pranke zuschlagen wollte.

Der Kleine drehte sich halb zu mir um und tauchte plötzlich in Deckung. Im nächsten Moment erwischte mich Finlayson mit dem Schlag, der dem anderen gegolten hatte.

Eigentlich hätte der gedrungene Mann knapp an meinem Gesicht vorbeischlagen sollen, doch sein Handrücken traf mich mit voller Wucht auf die Wange. Es brannte und tat weh, doch es half mir immerhin, richtig zu fallen, und ich tat einen wunderbaren Satz genau in Richtung der Kamera, auf den bereitstehenden präparierten Cafétisch, der sofort unter dem Aufprall zusammenbrach, während der Requisiteur an dem dünnen Klavierdraht zog, sodass meine Polizeimütze wie von Zauberhand in hohem Bogen zur Seite wegflog.

Die wegknickenden Beine unter der Platte bremsten meinen Fall, als ich mit perfektem Timing aufkam und mich über die Schulter abrollte.

»Aus, danke«, rief Mack Sennett, und sofort beugte sich Finlayson besorgt zu mir herab, das Gesicht mit dem markanten Seehund-Schnauzbart über mir.

»Tut mir leid, Hardy«, sagte er, und seine Augen, von schwarzer dicker Schminke grotesk umrandet, starrten mich besorgt an, »ich wollte natürlich...

Erscheint lt. Verlag 15.2.2018
Reihe/Serie Hollywood - Hardy Engel ermittelt
Hollywood - Hardy Engel ermittelt
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Carl Laemmle • Fatty Arbuckle • Filmindustrie • Filmstars • Hardboiled Novel • Historischer Kriminalroman • Hollywood-Skandal • Stummfilm • True Crime • ungelöste Kriminalfälle • Virginia Rappe
ISBN-10 3-462-31823-3 / 3462318233
ISBN-13 978-3-462-31823-4 / 9783462318234
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