Die Rebellin (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
560 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-490514-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Rebellin -  Peter Prange
Systemvoraussetzungen
8,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Ein Traum aus Kristall und Stahl: Peter Pranges mitreißender Bestseller über Fortschritt und Aufbruchsstimmung im viktorianischen London. London, 1851. Emily ist die engste Mitarbeiterin ihres Vaters Joseph Paxton. Gemeinsam bauen sie einen Traum aus Licht, Glas und Stahl: den gigantischen Kristallpalast für die Weltausstellung. Emily ist erfüllt vom Glauben an den Fortschritt. Doch dann trifft sie Victor wieder, den Freund aus Kindertagen. Die beiden verlieben sich - und Victor zeigt ihr seine Welt. Erschüttert sieht sie Hunger, Armut, Krankheit und Tod mitten in London. Emily muss sich entscheiden: für ihrem bewunderten Vater oder für den Mann, den sie liebt.

Bestsellerautor Peter Prange ist der große Erzähler der deutschen Geschichte. Als Autor aus Leidenschaft gelingt es ihm, die eigene Begeisterung für seine Themen auf Leser und Zuhörer zu übertragen. Die Gesamtauflage seiner Werke beträgt weit über drei Millionen. ?Der Traumpalast? ist sein vierter großer Deutschland-Roman. Die Vorläufer sind Bestseller, etwa sein Roman in zwei Bänden, ?Eine Familie in Deutschland?. ?Das Bernstein-Amulett? wurde erfolgreich verfilmt, der TV-Mehrteiler zu ?Unsere wunderbaren Jahre? begeisterte in zwei Staffeln ein Millionenpublikum. Der Autor lebt mit seiner Frau in Tübingen.

Bestsellerautor Peter Prange ist der große Erzähler der deutschen Geschichte. Als Autor aus Leidenschaft gelingt es ihm, die eigene Begeisterung für seine Themen auf Leser und Zuhörer zu übertragen. Die Gesamtauflage seiner Werke beträgt weit über drei Millionen. ›Der Traumpalast‹ ist sein vierter großer Deutschland-Roman. Die Vorläufer sind Bestseller, etwa sein Roman in zwei Bänden, ›Eine Familie in Deutschland‹. ›Das Bernstein-Amulett‹ wurde erfolgreich verfilmt, der TV-Mehrteiler zu ›Unsere wunderbaren Jahre‹ begeisterte in zwei Staffeln ein Millionenpublikum. Der Autor lebt mit seiner Frau in Tübingen.

PROLOG Das Geheimnis des Lebens


1837

1


»Glaubst du, dass es diese Nacht geschieht?«

Emily flüsterte ganz leise, kaum dass sie zu sprechen wagte, als fürchte sie, mit ihren Worten das Wunder zu zerstören, noch bevor es Wirklichkeit wurde. In dem dunklen großen Treibhaus war es so still wie in einer Kirche. Nur ab und zu hörte man, wie ein Tropfen Wasser von einem Blatt in den Teich fiel, während in dem blakenden Licht einer Gaslampe die rings um das Becken wuchernden Pflanzen wie Boten einer anderen Welt aus ihren Schatten traten. Genauso mussten die Nächte im Dschungel sein, dachte Emily, am Amazonas, woher die Riesenpflanze kam, für die ihr Vater das Treibhaus gebaut hatte: Victoria regia, die Königin der Seerosen, die schönste und prachtvollste Blume der Welt. Träge trieb sie im warmen Wasser, jedes ihrer Blätter so groß wie eine Insel, und dazwischen, aufgetaucht aus dem schwarzen Teich wie eine Frucht der Unterwelt, die prall gefüllte Knospe, der Emilys ganze Aufmerksamkeit galt. Rund und glänzend barg sie ihr Inneres, wie ein Geheimnis, das sie niemals preisgeben wollte.

»Vielleicht in dieser Nacht, vielleicht in der nächsten«, erwiderte ihr Vater Joseph Paxton. »Das muss die Natur entscheiden.«

Emily schmiegte sich an ihn, ohne die große dunkle Kapsel eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Ihr Vater hatte ihr ein Wunder versprochen: Hier in Chatsworth, mitten im kalten England, wollte er die Seerose zum Blühen bringen. Das hatte noch kein anderer Gärtner vor ihm geschafft, seit Monaten arbeitete er nur für dieses eine Ziel. Dafür hatte er das Gewächshaus und den Teich gebaut, Heizrohre im Boden verlegt und Gaslampen angebracht, damit die Pflanze, die ein Naturforscher mit einem unaussprechlichen Namen nach Europa gebracht hatte, es so hell und warm hatte wie im tropischen Dschungel und hier, Tausende Meilen vom Amazonas entfernt, ihre ganze Pracht entfaltete. Der Herzog von Devonshire, in dessen Dienst Emilys Vater stand, hatte gesagt, wenn Mr. Paxton das schaffe, sei er ein Zauberer. Doch seit zwei Tagen hatte die Knospe sich nicht mehr gerührt. Die Vorstellung, dass sie sich in dieser Nacht öffnen würde, erschien Emily auf einmal so unwahrscheinlich wie die Möglichkeit, dass zwischen den Pflanzenblättern ein Krokodil auftauchte.

»Sollen wir vielleicht beten?«, fragte sie.

»Das wird nicht nötig sein«, lachte ihr Vater. »Die Natur wird uns helfen, sie ist auf unserer Seite.«

»Glaubst du? Warum?«

»Ganz einfach. Die Natur will immer nur eins – leben. In jedem Samenkorn, in jeder Blüte, in jedem Blatt.«

»Auch in Victorias Knospe?«

»Auch in Victorias Knospe.«

Emily schaute auf die Pflanze, in der angeblich so geheimnisvolle Kräfte wirkten. Dabei stellte sie sich vor, wie sie selber irgendwann einmal den Amazonas entlangfahren würde, um die Heimat der Seerosen zu erkunden, in einem Einbaum, zusammen mit ihrem Vater. Sie würden Helme und Tropenanzüge tragen, wie die Forscher in ihren Naturkundebüchern, und Cora, der weiße Kakadu, den ihre Eltern ihr zum Geburtstag geschenkt hatten, würde auf ihrer Schulter sitzen und ihnen mit krächzender Stimme den Weg weisen, immer tiefer und tiefer hinein in die grüne, undurchdringliche Finsternis.

»Und was ist«, fragte sie zögernd, »das Leben?«

»Mehr willst du nicht wissen?«, erwiderte ihr Vater. »Wonach du da fragst, mein Liebling, ist das größte Geheimnis, das es überhaupt gibt. Die Menschen haben Jahrtausende lang vergeblich versucht, es zu lösen.«

»Dann weißt du es also auch nicht?«, fragte Emily enttäuscht.

»Doch«, sagte er. »Ich glaube schon. Aber ich weiß nicht, ob du groß genug bist, um es zu verstehen.«

»Wenn du die Antwort weißt«, protestierte sie, »musst du sie mir sagen! Ich bin bestimmt schon groß genug! Ich bin schon fast elf!«

Sie machte sich aus seiner Umarmung frei und blickte ihn an. Wie immer, wenn er nachdachte, ließ er seine mächtigen Wangenkoteletten, die noch buschiger waren als seine schwarzen Augenbrauen, durch die Spitzen seiner Finger gleiten.

»Na, gut«, sagte er endlich, »ich will es versuchen. Aber nur, wenn du mir versprichst, sie keinem anderen zu verraten.«

»Versprochen!«

»Vor allem nicht dem Pfarrer. Und auch nicht dem Lehrer.«

»Ehrenwort!«

Emily wurde immer neugieriger. Was war das für ein Geheimnis, das man vor dem Pfarrer und dem Lehrer geheimhalten musste? Ihr Vater nahm ihre Hände, und während er ihr in die Augen schaute, sagte er, so ernst und eindringlich, wie er sonst nur mit Erwachsenen sprach:

»Alle Lebewesen, ob Tiere oder Pflanzen, haben nur ein Ziel: Sie wollen leben und sich weiterentwickeln. Das ist ihr Sinn und Zweck. Jedes Wesen versucht darum, sich in der Natur so viel Raum und Nahrung zu erobern, wie es dazu braucht.«

Emily schaute auf die Seerose und dachte nach. Als ihr Vater die Pflanze vor drei Monaten in den Teich eingesetzt hatte, waren die Blätter noch kleiner gewesen als die Teller, aus denen sie zum Frühstück ihr Porridge aß, und jetzt waren sie groß wie die Wagenräder an der Kutsche des Herzogs.

»Aber was ist«, fragte sie, »wenn es zu eng wird oder die Nahrung nicht für alle reicht?«

»Dann verdrängen die Großen die Kleinen, die Starken die Schwachen. Denn keine zwei Arten, die sich auf dieselbe Weise ernähren, können in ein und demselben Lebensraum miteinander auskommen. Deshalb ist das Leben ein ewiger Kampf, und nur die Tüchtigsten können darin überleben. Das ist das Gesetz, der Wille des ewigen Schöpfergottes.«

Emily fröstelte trotz der feuchten, schwülen Luft im Treibhaus, während die Worte in der Dunkelheit widerhallten, als hätte nicht ihr Vater sie gesagt, sondern der liebe Gott selbst. Das also war das Geheimnis des Lebens? Sie hatte schon oft gesehen, wie ein Habicht einen kleineren Vogel schlug oder der Fuchs ein Huhn vom Hof raubte, und in einem ihrer Naturkundebücher hatte sie das Bild von einer Gazelle entdeckt, die von einer Riesenschlange zu Tode gewürgt wurde. Aber wirklich verstanden hatte sie die Erklärung ihres Vaters deshalb noch nicht.

»Kann der liebe Gott das wirklich wollen, dass die starken Tiere die schwachen einfach tot machen und auffressen?«

»Ja, Emily, das muss so sein, auch wenn es uns grausam vorkommt. Stell dir die Natur wie einen weise regierten Staat vor, und die starken Tiere darin als die Polizisten oder Soldaten, die nur die Befehle der Regierung befolgen. Ihre Aufgabe ist es, für die Aufrechterhaltung der Ordnung zu sorgen. Sie hindern die schwachen Tiere daran, sich allzu sehr zu vermehren, und räumen sie fort, bevor sie sich selbst oder anderen Geschöpfen zur Last fallen. Nur so bleibt das Gleichgewicht der Schöpfung bestehen.«

Während Emily versuchte, den Sinn dieser Worte zu erfassen, schien sich der Teich vor ihr in den Kirchplatz von Chatsworth zu verwandeln, und die Pflanzenblätter in ihren Freund Victor und die anderen Dorfjungen, die dort jeden Tag rauften, so lange, bis einer von ihnen am Boden lag und sich nicht mehr wehren konnte.

»Und die Menschen?«, fragte sie. »Kommt es bei ihnen auch nur darauf an, wer am stärksten ist?«

»Ja, mein Liebling. Auch die Menschen wollen nichts anderes als leben und sich weiterentwickeln, immer größer und stärker werden, genauso wie die Tiere und Pflanzen. Dafür arbeiten sie und strengen sich an, dafür erforschen sie ferne Länder und Meere, dafür führen sie Kämpfe und Kriege. Und das Wunderbare daran ist, dass auf diese Weise die herrlichsten Dinge entstehen, die Erfindungen der Menschen genauso wie die Wunder der Natur.«

»Auch durch Kriege?«

»Deshalb brauchst du nicht zu erschrecken«, sagte Paxton, als er Emilys Gesicht sah. »Sicher, Krieg ist etwas Fürchterliches. Und trotzdem ist er nur ein Teil der großen Ordnung, wie Gott sie gewollt hat. Krieg entsteht ja aus ganz natürlichen Regungen des Menschen, aus seinem Willen zu überleben und Streben nach Gewinn, also aus sehr nützlichen Antrieben, die wir täglich brauchen, weil wir uns ohne sie in zahme und träge Wesen verwandeln würden, die an Hunger sterben müssten. Ja«, fügte er hinzu, »auch das gehört zum Geheimnis des Lebens, dass am Ende alles zum Guten beiträgt, sogar so fürchterliche Dinge wie Krieg.«

Die Sätze, die ihr Vater sagte, kamen Emily vor wie schwierige Rechenaufgaben, und um sie zu verstehen, strengte sie ihr Gehirn so sehr an, dass ihr der Kopf davon wehtat. Doch lieber sollte er platzen, als dass sie zugeben würde, noch zu klein dafür zu sein. Kaum aber hatte sie das Gefühl, den Sinn der Worte einigermaßen begriffen zu haben, kam ihr eine neue Frage.

»Warum verbietet Mama mir dann, mit Victor zu spielen?«

»Was hat Victor damit zu tun?«, fragte Paxton verwundert zurück. Doch bevor sie antworten konnte, sprang er auf und trat ans Becken. »Da! Sieh nur! Sie hat sich bewegt!«

Aufgeregt verließ auch Emily ihren Platz. Tatsächlich! Die Knospe zuckte im Wasser, ganz leicht, kaum dass man es mit bloßem Auge erkennen konnte, und doch gab es keinen Zweifel: Irgendetwas im Innern der Kapsel drängte danach, sich aus der Umklammerung zu befreien. Ein Blütenblatt sprang auf, ein zweites, ein drittes, und das reinste, makelloseste Weiß, das Emily je gesehen hatte, quoll hinaus in die Dunkelheit. Vor Ehrfurcht schweigend, Hand in Hand mit ihrem Vater, schaute sie zu, wie sich das Wunder vollzog, die Knospe sich nach und nach öffnete, mal zögernd und tastend, mal rascher, wie von einer inneren Ungeduld beseelt, um sich schließlich in einen Kranz Hunderter Blütenblätter zu...

Erscheint lt. Verlag 23.1.2019
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 1851 • 19.Jahrhundert • 19. Jahrhundert • British Empire • England • Entscheidung • Fortschritt • Fortschrittsglaube • Glaspalast • Gründerzeit • Ingenieur • Joseph Paxton • Junge Frau • Kolonialreich • Liebe • London • Optimismus • Rebellin • Soziales Elend • viktorianisch • Weltausstellung
ISBN-10 3-10-490514-2 / 3104905142
ISBN-13 978-3-10-490514-3 / 9783104905143
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,4 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Die Geschichte eines Weltzentrums der Medizin von 1710 bis zur …

von Gerhard Jaeckel; Günter Grau

eBook Download (2021)
Lehmanns (Verlag)
14,99
Historischer Roman

von Ken Follett

eBook Download (2023)
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
24,99