Im Zeichen des Löwen (eBook)

Spiegel-Bestseller
Historischer Roman

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
928 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-22476-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Im Zeichen des Löwen -  Daniel Wolf
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Friesland 1351: Schiffe zu bauen - das war schon immer der Traum des junge Zimmermanns Jann Wilken. Mit seinen genialen Ideen will er die Seefahrt revolutionieren und sich in den Häfen der Hanse einen Namen machen. Aber Jann hat es nicht leicht. Er ist der uneheliche Sohn des mächtigen Wilke Tammen Osinga, der den Bastard verabscheut und täglich erniedrigt. Der jähzornige Wilke führt eine Blutfehde gegen seinen Erzfeind Enne Rycken und zieht seine Söhne in den Konflikt hinein. Jann ist seit langem heimlich in seine Jugendfreundin Jorien verliebt. Doch als er ihr endlich seine Gefühle gestehen will, wird sein Dorf von Enne angegriffen, und es kommt zur Katastrophe ...

Daniel Wolf ist das Pseudonym von Christoph Lode. Der 1977 geborene Schriftsteller arbeitete zunächst u.a. als Musiklehrer, in einer Chemiefabrik und in einer psychiatrischen Klinik, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Mit den historischen Romanen um die Händlerfamilie Fleury, »Das Salz der Erde«, »Das Licht der Welt«, »Das Gold des Meeres« und »Die Gabe des Himmels«, gelang ihm ebenso der Sprung auf die Bestsellerlisten wie mit den zwei Bänden der Friesensaga »Im Zeichen des Löwen« und »Im Bann des Adlers«. Der Autor lebt in Speyer. Weitere Titel von Daniel Wolf sind bei Goldmann in Vorbereitung.

Kapitel eins


Esens

Enne träumte von Geistern. Es war derselbe Albtraum, der ihn beinahe jede Nacht heimsuchte. Kaum war er eingeschlafen, erschienen ihre bleichen Gesichter in der Dunkelheit, vernahm er ihr Wehklagen, ihre gewisperten Gebete, die niemand erhörte.

Er erwachte mit rasendem Herzen. Still lag er da und wartete darauf, dass die Geister verschwanden. Als der Traum endlich verblasste, setzte er sich auf und rieb sich das stopplige Kinn. Das durchgeschwitzte Untergewand klebte ihm an der Brust. Sein Rachen war ganz ausgedörrt. Er tastete nach der Kanne und trank etwas Wasser.

Irgendwo schmatzte jemand, ein Strohsack raschelte. Enne und seine Leute hatten die Herberge für sich. Die Krieger, das Bauernpaar und der Vikar schliefen noch. Leise zog er sich an und suchte sich einen Weg zwischen den liegenden Körpern hindurch. Der Hof lag still. Das Tageslicht war noch derart schwach, dass er kaum den Ziehbrunnen und die Wagen vor dem Stall erkennen konnte. Enne atmete tief ein und aus. Die kalte Luft vertrieb die letzten Traumfetzen. Die Wut aber blieb. Er war mit ihr schlafen gegangen und mit ihr aufgewacht. Immerzu hockte sie in seiner Brust, umklammerte seine Rippen und bleckte die Zähne. Knurrend sprang sie jeden an, der sie reizte. Ungeschickte Diener. Faule Knechte. Gierige Zöllner. Ganz Duvelslond fürchtete Ennes Wut. Manchmal betäubte er sie mit Wein.

Esens verstand sich besonders darauf, seinen Zorn zu wecken. Hier gab es allerhand Diebsgesindel und unverschämtes Volk. Aber es war der größte Markt weit und breit. Nirgendwo sonst in Harlingerland fand er so leicht Abnehmer für seine Waren. In nur zwei Tagen hatte er eine Wagenladung Wolle, Torfsalz und Pökelfleisch sowie ein halbes Dutzend Kälber verkauft. Die Fehde hatte seine Schatullen geleert. Er brauchte dringend frisches Geld.

Er hörte leises Klappern und ging hinein. Der Wirt hatte Feuer gemacht, und während er gähnend im Kessel rührte, kam Leben in die Gaststube. Die Krieger kratzten sich schlaftrunken, verfluchten das Ungeziefer in den Strohsäcken und schlurften zum Wasserfass, wo sich der Vikar gerade wusch. Der Geistliche war ein zappliges Männlein, dessen viel zu großer Kopf auf dem dünnen Hals wackelte. Er wuselte den ganzen Tag umher und hielt einen nur auf mit seinem Geplapper. Enne bereute es, dass er dem Kerl erlaubt hatte, ihn nach Esens zu begleiten.

Er setzte sich ans Feuer und wärmte seine klammen Hände. Der Wirt reichte ihm einen Napf mit gesalzener Grütze. Enne stocherte eine Weile darin herum und stellte die halb volle Schale schließlich weg. Er war kein großer Esser – meist genügten ihm ein paar Bissen, um satt zu werden. Manchmal aß er fast den ganzen Tag nichts, weil er schlicht nicht daran dachte. Das sah man ihm an. »Du bist dürr wie der Schnitter«, pflegte seine Schwester zu spotten. Sie musste es wissen: Alke Rycken war mit unheimlichen Mächten im Bunde, womöglich gar mit dem Tod selbst.

Der Vikar setzte sich zu ihm und berichtete fröhlich von seinem Besuch im Kloster Esingfelde. »Wisst Ihr, wen ich gestern dort getroffen habe?«

»Wenn es nicht der heilige Magnus war, will ich es nicht hören.«

Eingeschüchtert klappte der Geistliche den Mund zu … nur um einen Augenblick später den Wirt in ein Gespräch zu verwickeln.

Enne rief die Fuhrknechte zu sich. »Wenn ihr gegessen habt, macht ihr den Wagen fertig.«

»Gewiss, Herr.«

Die Männer schlangen den warmen Brei hinunter. Enne gürtete sich einstweilen das Schwert um. Ohne die Waffe ging er nirgendwohin. Er war das Oberhaupt der Familie Hylkena und der Herr von Duvelslond: Das Schwert war das Symbol seiner Macht – und sein kostbarster Besitz.

Wenig später verließen sie die Herberge. Der Fuhrknecht lenkte den Wagen die Gasse entlang. Enne und die Krieger folgten ihm zu Fuß und gingen auf den Bohlen, die auf dem schlammigen Boden lagen. Das Bauernpaar begleitete sie. Die beiden hatten sich Enne angeschlossen, um Feldfrüchte in Esens zu verkaufen – der Markt in Duvelslond darbte wegen der Fehde und war für viele Marschbewohner nicht mehr rentabel. Ein stämmiges Pferd, das der Bauer am Zügel führte, zog den Ackerschlitten mit den Säcken und Körben.

Es war nicht weit bis zum Marktplatz. Enne schlug innerlich drei Kreuze, als der geschwätzige Vikar in der Kirche verschwand. Er suchte sich einen freien Platz und wies seine Leute an, die Fässer mit dem restlichen Torfsalz vom Wagen zu laden und die Pferde auszuspannen.

Trotz der Kälte war der Markt gut besucht. Enne verkaufte das Salz an die hiesige Gerberzunft und an mehrere reiche Bauern, die ihm gutes Geld für seine Ware zahlten. Gegen Mittag nahm er zwei Gulden aus der Kiste unter dem Wagenbock.

»Ich bin eine Weile fort«, sagte er zu seinen Leuten. »Passt gut auf das Geld auf.«

Er bahnte sich einen Weg durch das Gedränge und gelangte zum Stand eines Waffenschmieds, der sich an einem qualmenden Torffeuer wärmte. Enne nahm eines der ausliegenden Schwerter in die Hand und prüfte die Schneide. Gute Qualität. Er musste seine Krieger dringend neu ausrüsten – nach fast zehn Monaten Kampf waren ihre Waffen in einem lausigen Zustand. Er verhandelte eine Weile mit dem Schmied und bekam für sein Gold jeweils ein Dutzend Schwerter, Speere und Schilde sowie vier Armbrüste mit vollen Bolzentaschen.

Sie besiegelten das Geschäft per Handschlag. »Mein Stand ist da drüben. Kannst du mir nachher alles liefern?«

»Wird gemacht.« Der Schmied deutete auf die Waffe an Ennes Gürtel. »Ein schönes Schwert. Darf ich es sehen?«

Enne zog es, gab es jedoch nicht aus der Hand. Er hielt das Schwert so, dass der Schmied es betrachten konnte.

»Eine friesische Arbeit ist das nicht.«

»Kastilisch.«

»Aus Toledo?«

Enne nickte, und der Schmied pfiff anerkennend.

»Wie kommst du an ein Schwert aus Toledostahl?«

»Ein Erbstück.« Ennes Großvater war ein gefürchteter Krieger gewesen, seine Raubzüge hatten ihn reich gemacht. Von dem erbeuteten Gold hatte er das Schwert gekauft, die Wasserburg in Duvelslond gebaut und seiner Sippe Macht und Ansehen verschafft.

»Was willst du dafür?«, fragte der Schmied mit leuchtenden Augen.

»Es ist nicht zu verkaufen.« Enne schob das Schwert in die mit Goldfäden und Perlen besetzte Scheide.

»Komm zu mir, wenn du deine Meinung änderst. Ich zahle gut!«, rief der Schmied ihm nach, als er sich abwandte.

In der Schenke neben der Zunftstube der Schiffsbauer trank er einen heißen Würzwein am Feuer. Obwohl er kaum Hunger hatte, zwang er sich, etwas Brot und Käse zu essen. Als eine Schar Händler hereinkam und mit fröhlichem Getöse die Bänke bevölkerte, verging ihm augenblicklich der Appetit. Lärm und Gedränge konnte er nicht ertragen. Er stürzte den Wein hinunter, knallte einen Pfennig auf den Tisch und wollte gehen. Just in diesem Moment sprang vor ihm ein junger Bursche auf und erzählte zur Erheiterung der anderen mit wilden Gesten eine Geschichte. Dabei schlug er Enne fast ins Gesicht.

»Pass auf, Mann!«

Der Kerl wandte sich zu ihm um, er war angetrunken und grinste frech. »Was willst du?«

»Geh zur Seite.«

»Ich erzähle gerade was. Hock dich hin, bis ich fertig bin.« Der Bursche schwenkte den Humpen, Bier schwappte heraus und spritzte Enne auf das Gewand.

Die Wut in seiner Brust hatte den ganzen Morgen friedlich gedöst. Jetzt fuhr sie fauchend die Krallen aus. Enne biss die Zähne zusammen, seine Hand schnellte vor und packte den Kerl am Kragen.

Am Tisch herrschte Stille.

»Beim heiligen Magnus! Das ist Enne Rycken Hylkena«, murmelte jemand.

»Tut mir leid«, stammelte der Bursche. »Ich wollte nicht … es war keine …«

Enne hatte große Lust, ihn nach draußen zu schleifen und sein pausbäckiges Gesicht in den Straßenschlamm zu drücken. Doch der Kerl trug feine Kleidung, vermutlich war er der Sohn eines reichen Marschbauern. Enne konnte es sich nicht leisten, eine weitere einflussreiche Familie gegen sich aufzubringen. Er ließ den Bauernsohn los und schob sich an den Händlern vorbei. Ihre Blicke verfolgten ihn bis zur Tür.

Draußen spuckte er aus. Wahrlich, es wurde Zeit, dass er heimkehrte. Das enge, wimmelnde, großspurige Esens machte über kurz oder lang selbst Heilige zu Mördern.

Auch nachmittags ließ sich die Sonne nicht blicken, und es blieb so kalt wie am Morgen. Enne verkaufte die restliche Ware und kehrte bei Einbruch der Dunkelheit zur Herberge zurück. Die Waffen ließen sie auf dem Wagen und deckten sie mit Segeltuch ab. Enne stellte einen Krieger als Wache ab, ehe er die Kiste hineintrug und sich daranmachte, die Gulden und Silberpfennige zu zählen. Er war zufrieden mit seinen Einnahmen. Selbst nach dem Kauf der Waffen war genug übrig geblieben, um seine Söldner zu bezahlen.

Der Bauer und sein Weib setzten sich zu ihm. »Geht es morgen zurück nach Duvelslond?«

»Wollt ihr mich begleiten?«

»Wenn Ihr erlaubt«, sagte der bärtige Mann. »Unsere Geschäfte hier sind erledigt.«

»Ich breche beim ersten Licht des Tages auf. Seid rechtzeitig fertig. Ich warte nicht auf euch.«

»Aber wir können noch nicht heimkehren.« Der Vikar stellte eine dampfende Schüssel auf den Tisch, wedelte mit den Händen und pustete auf seine heißen Finger. »Zuerst muss ich an der Reliquie des heiligen Magnus meine Gebete sprechen.«

»Du warst doch heute in der Kirche«, sagte Enne gereizt. »Was hast du denn die ganze Zeit dort getrieben?«

»Ich traf zufällig den...

Erscheint lt. Verlag 17.2.2020
Reihe/Serie Friesen-Saga
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 14. Jahrhundert • eBooks • Familiensaga • Friesland • Geschenk für Mütter Mama Mutti • Geschenk Vatertag • Hanse • Historische Romane • Historischer Roman • Mittelalter Romane • neuerscheinung 2020 • Neuerscheinungen Bücher 2020 • Nordsee • Osinga • Schiffsbauer
ISBN-10 3-641-22476-4 / 3641224764
ISBN-13 978-3-641-22476-9 / 9783641224769
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