Di Nero oder wo die Orangen blüh'n -  Reinhard E. Karner

Di Nero oder wo die Orangen blüh'n (eBook)

musikalischer Roman/Libretto
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
96 Seiten
myMorawa von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99110-180-2 (ISBN)
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Ein Songbook der anderen Art. Eingewoben in die Geschichte um den Triester Kaffee Nero und skurrilen Verwicklungen im Jahre 1914.

Liedermacher und Texter. Wohnhaft in Gleisdorf.

1900

Trieste, Neujahrsmorgen

„Wo ist mein linker Fuß?“ Die Augen verklebt wie mit Honig, ganz verschwollen, geschlossen, wurden geschlossen von euch. Wohl für immer. Engel, sprecht mit mir! Stille, Ohnmacht. Don‘t ask them – they speak very clear. „Oder ich bin doch am Leben?“ denkt Poppo. Nicht mehr Möglichkeiten. Dare to act.

Die Augenlider, klumpig, fühlen die Eiseskälte, wie sein Fuß, die des Steinbodens, nur links. Versucht zu denken. Rechte Wange schmerzt. „Steht jemand auf meinem Gesicht, auf meinem Backenknochen?“ Spürt das Profil von Schuhen im Gesicht, ganz grob genagelt und doch so klein sind die Stollen und Rillen des Profils. Rollt seinen sich drehenden Kopf über die dicke schmerzende Schläfe auf die Stirn, kann ihn weiterhin nicht heben – wollte er das nicht bereits, oder wollte es sein Körper? Gerade erst, oder vor dem letzten Traum, eine halbe Ewigkeit vor dem Aufwachen? Doch, wie war das?

LIED: MY LITTLE DREAM-ABOUT

Er ist ganz Fisch, Tonni Tonno Rosso, schwere- aber nicht gedankenlos. Genau wissend was unter Wasser gilt – bis tiefst hinab. Manchmal zittert der Meeresrand über ihnen, es ziehen dann Kreise, greifen ineinander, werden unscharf, flipprig, kein Rausdenken möglich. Seine Familie gleitet dann wie überrascht tiefer. Oben seine absolute Lieblingsstimmung. Er über allen, holt Schwung. Wie kreisrund zerstört, unser Himmel des Meeres, abgeschnitten und von oben lauter als sonst. Viele Verwandte waren von einer Sekunde auf die andere nicht mehr da. Nicht gestorben, einfach weg. Irgendeine Macht formt sie zu diesem Pulk und zieht sie durch unseren Himmel ohne zu schwimmen.

Sie bekommen wieder neues Wasser in ihre ewige Salzbrühe. Tut ihren Kiemen gut. Ganz oben schwimmt Tonni abwechselnd auf der linken und auf der rechten Seite. Lässt die Kiemen immer wieder ganz raus stehen. Er hört ein Brausen, ein lautes Wehen und das aufgebrachte Rauschen des Meeres. Nicht, dass es unten immer leise wäre, die Haie bewegen sich ziemlich laut. Nun aber, bald oben, draußen, klirrender Wasserrand, er traut sich und springt, dringt durch die Wassergrenze und reißt die Augen auf. Auch draußen Wasserspritzer, ja, er wusste, weiß es, ja, nur er, seine Familie nicht. Die winken bei seinen Erzählungen nur ängstlich mit ihren Flossen, wollen nichts hören. „Das Meer spritzt halt auch in die Höhe“ sagen sie. Prickelnd kitzelnd fühlt er die kleinen Spritzer auf den empfindlichen Kiemen, den mutigen, tock tock, auf die Schuppen klopfen sie. Nicht wirklich genug zum Überleben, aber weich und süß. Anders als unser Meer. Klatsch, wieder rein. Noch ein Sprung, die Familie wendet sich ab. Er holt Schwung und will sie mit hinauf reißen. Sie versteifen, werden schwer, sinken tiefer und spielen Stockfisch. Er allein springt, noch unendlich oft. Oberhalb ihres Meeres ist auch Wasser, kleine schuppige Sprenkel-Tropfen, im vermeintlich wasserlosen Raum über ihm. Ja, er hat das durchschaut. Es gibt Wasser außerhalb des Meeres! Was zu beweisen war! Quod erat demonstrandum. Wenn er jetzt den Bauch nach oben legt, flippt seine Familie voll aus und alle schreien. „Tonni, Tonniiiii!“ Er hört aber nur in sich hinein, schließt die Ohren – ja, das geht! Und legt sich auf den Rücken. Und wieder wollen sie ihn von der Ferne mit ihren erschreckten Blicken retten. Er spürt sie im Rücken. O. m. G! Ihr seid ja lauter als die Haie. Euch interessiert doch nur die Tiefe! Fisch, wie öde.

Wir tauchen im Winter regelmäßig ganz tief, wenn der Himmel hart zu werden droht. Vater schubst uns bei den ersten Sonnenstrahlen und schlägt mit der Hinterflosse, wir wissen es geht los. Die Angst vor der Kälte und dem steifen Tod treibt Paps tief hinunter zu den Stellen, die zum Mittelpunkt des Wassers führen. Tiefer durch die Wasserwurzeln, Wasseradern, vorbei an Irrgärten aus Stein. Alles was nicht fest ist, ist flüssig bis zum tiefsten Mittelpunkt des Meeres. Und wir alle hinter ihm nach. Es stimmt, es wird von Meter zu Meter wärmer, ja, aber die Zeit der Dunkelheit bis wir zu den feurig leuchtenden, rot qualmenden Becken kommen ist zäh. Dort genießt Paps und schlägt seine Saltos. Tradition, das hat schon sein Paps gemacht. Wir machen ihm die Freude, verdrehen aber die Augen bei unseren Zeitlupensaltos. Tradition gehört dazu, das Schwimmen von Saltos. Ja wir schwimmen tief, Kindheitserinnerung. Jetzt war er aber kein kleiner Fisch mehr, nun will er ausreißen, in die Höhe, raus aus dem ewig nass-heißen Trott. So, genug Jules Verne, wieder zurück ins Jetzt, ins Jahr 1900.

INSTR.: LITTLE FURY SINFONIE

Poppo wollte den Kopf heben, und landete auf dem Nasenflügel, Fisch oder doch wieder Mensch? Nächster Schmerz, stürzte kopfüber in eine Schlucht und prallte bald auf. Ja, bald. Jetzt gleich. Nein, doch nicht, nur Schwindel und kurzer Brechreiz, kein Aufprall. Nur stürzende Gedanken. Der wurmstichige Eichentisch, die Astlöcher im Gesicht formten Erhöhungen wie Straßen und Berge.

Der Nacken war steif, befohlen gewollte Muskelkraft ließ sich nicht in den starren Hals leiten. Links blinzeln ging nun. Aber kein Unterschied; auf, zu, auf, zu. Schwarze Dunkelheit, geschlossen erblickte er auch rote Blitze, die sich jeweils dort zeigten, wo seine Pupillen ihn hinführten. Schöner als offen, violette Farbwellen ploppten an den Rändern auf und verzerrten die Blitze zu Elektrizität, so musste sie aussehen – kein Zweifel.

Zwei flache, kalte, synchrone Eisenbügel erkannte er nun am Tisch, die halten den Rahmen, eine klobig bäuerliche Tischvergrößerung. Abnehmbar und doch immer drauf. Für alle Fälle vorbereitet, eingestellt und doch nur immer einen Weg gehend. So kannte er sein Trieste. Kein weiteres Rätseln notwendig, das Zimmer kannte er aus seinen wilden Jahren. Asyl bei Don Rolpho, dem Melanzaniwirt, es war ganz klar – wieder einmal! Er glaubte, er müsse erleichtert lächeln.

Hinter ihm wusste er plötzlich die alte verkürzte Weinpresse, die zweckentfremdet als Raumteiler nützlich war. Nicht wurde sie kleingehackt und eingeheizt, nein, sie hatte ein Ausgedinge im Hause des Wirts bekommen. Früher hatten sie mit ihr mühsam Wein hergestellt. Das anstrengende Pressen war alles andere als idyllisch gewesen. So hatte er ihn kennengelernt, als ersten Arbeitgeber - als Kind. Aber er fühlte sich heute alt wie die Weinpresse hinter ihm.

Poppo half ihm am Anfang einfach zum Spaß, dann wegen dem Geld. Er wurde bereits im zweiten Jahr als Erntehelfer entlohnt, verdiene gleich viel wie die Fischer, sagte ihm Don stolz. Später, mit den Jahren, revanchierte sich Poppo und brachte ihm Kaffee. Die Centesimi, die er als Erntehelfer verdiente, investierte er damals volée in Zigaretten und direkt wieder in Melanzanis Weinbar, tagelang konnte er von seinen gebackenen Melanzani – egal ob kalt oder warm – und dem karstigen Vino leben.

Sein von Carla fein gewebter, aber jetzt nasser Umhang hing ihm schwer hinab und bedeckt nur die rechte Körperhälfte. Der linke Fuß ist entweder Eis oder ist gar nicht mehr dran - wo ist er? Was und vor allem wer hatte ihn so zugerichtet?

Poppo manövrierte mühsam seinen linken Fuß auf den Sessel und setzte sich drauf, auf sein kaltes äußerstes Teil. Wohlige Wärme und Eiseskälte gaben sich dankend die Hand. Fast fühlte er sich erfrischt, soweit das von außen gesehen gefühlt werden kann. Doch schmerzte bereits sein Knöchel, da der Holzsessel ungepolstert war. Diesen Schmerz genoss er fast, er war am Leben – wunderbar. Er erwartete das tote Gefühl in Knie und Knöchel. Sein fauliges polstriges Mundgefühl würde ihm sicher das Reden erschweren. „Ich probier‘s einfach nicht“, gesprochene Worte, zu niemanden, das wusste er, zum Raum und ihm selbst, und doch hallend. Rings um ihn war es still. Nur verliebte Tauben hörte er durch das geschlossene Fenster nervös gurren.

Wie bei Morgengymnastik wollte er seinen tauben Fuß ertasten, verlor im Sitzen das Gleichgewicht, glitt vom Sessel ab und mit einem Rumpler auf den Boden auf sein Steißbein. Doch in die Schlucht gestürzt. Er musste über sich lachen. Wie er wieder aufkommen sollte, wurde ihm immer mehr zu einem Rätsel. „Ah, mein Fuß wacht auf. Er hat nur tiefer geschlafen als ich. Ist ja alles dran – wie schön.“ Konfuse aber unbezweifelbare Gedanken im Halbschlaf. Wenn er sich in diesem Zustand Notizen machte, musste er beim Wiederlesen am klaren Tag über sich lachen. Mit welcher eindeutigen Zielsicherheit nächtlich Geschriebenes aber doch Abstruses für die Nacht gültig wird. Aber nur für die Nacht. Am Tag war es Humbug.

Beim nächsten Aufwachen war es schon heller. Vor ihm lag ein Zettel mit einer Melodie. Hatte er gestern noch komponiert? Es war aber nur der Anfang einer Zeile mit Text.

Er konnte seine Klaue kaum lesen. „Angels propose and insist that you can …“ Und...

Erscheint lt. Verlag 28.10.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
ISBN-10 3-99110-180-7 / 3991101807
ISBN-13 978-3-99110-180-2 / 9783991101802
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