Die Knochenleser (eBook)

Karibik-Thriller | Weltempfänger-Bestenliste Herbst 2022

*** 1 Bewertung

(Autor)

Thomas Wörtche (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
375 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-77269-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Knochenleser -  Jacob Ross
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Camoha, eine Insel der Kleinen Antillen: Dort wird der junge Michael »Digger« Digson, zunächst gegen seinen Willen, von dem mysteriösen Detective Superintendent Chilman für eine Polizeitruppe rekrutiert, die gegen alle Korruption und alle politischen Widerstände effektive Polizeiarbeit leisten soll, und sei´s mit eigenwilligen Mitteln. Digger lässt sich zum Forensiker ausbilden und wird ein Virtuose des »Knochenlesens«. Zudem ist er auf der Suche nach seiner Mutter, die spurlos verschwunden und vermutlich ermordet worden ist.

Auch Chilman hat seine Gründe, dem Verschwinden bestimmter Personen nachzugehen, wird doch die Insel von Wellen frauenfeindlicher Gewalt und gewalttätigem Terror gegen die Bevölkerung erschüttert. Zusammen mit Chilmans Tocher, der charismatischen Miss Stanislaus, bildet Digger ein Ermittlergespann der Extraklasse. Gemeinsam werden die beiden in eine Welt voller tödlicher Geheimnisse hineingezogen, die ihnen alles abverlangt, um zu überleben.



Jacob Ross, geboren 1956 auf Grenada, schreibt Kurzgeschichten, Gedichte, Theaterst&uuml;cke und Romane; au&szlig;erdem journalistische und essayistische Arbeiten. Er lebt seit 1984 im United Kingdom, ist &raquo;Fellow of the Royal Society of Literature&laquo;. <em>Die Knochenleser</em> wurde mit dem renommierten Jhalak Prize for Book of the Year by a Writer of Colour ausgezeichnet.

1


Ich war ohne Aussicht auf einen Job von der Schule abgegangen, dafür mit Noten, die mir laut meinen Lehrern Zugang zu jeder Universität der Welt verschaffen würden. Vorausgesetzt, ich hatte das Geld dafür.

Als ich die nötige Summe meinem Vater gegenüber erwähnte, lachte er. Die Filialleiter der Banken, zu denen ich ging, lachten nicht – zumindest nicht mir ins Gesicht. Sie fragten nach Eigenkapital, dann nach meinem Familiennamen. Ich nannte ihnen den meiner Mutter. Sie betonten, wie großzügig es von ihnen gewesen sei, sich Zeit für mich genommen zu haben, und wiesen mir die Tür.

Ich ging nach Süden in die Drylands, wo die Hotels sind. Zwei Touristensaisons lang bleckte ich die Zähne und servierte barfuß Drinks, ausstaffiert mit einem Synthetikshirt in Regenbogenfarben, einem Strohhut mit breiter Krempe und Pluderhosen, in denen sich kein Camaho-Mann außerhalb der Beach Bum Bar blicken lassen würde. Dann fasste mir ein halbbetrunkener alter Sack aus Deutschland, rot wie ein gegrillter Hummer, in den Schritt, und ich schlug ihm die Faust ins Gesicht.

Der Engländer, dem der Laden gehörte, nahm mich beiseite und verlangte, dass ich mich entschuldige, sonst würde er mich fristlos entlassen. Ich sagte ihm, was er mich mal könne, und ging.

Danach ließ ich mich auf den Bürgersteigen von San Andrews nieder und betrachtete die Touristen, die schönen Autos, die vorbeistolzierenden Büromädchen mit Absätzen, die ihre Hintern fast auf die Höhe ihrer Ohren anhoben, und die jungen Männer, die o-beinig mit tiefhängenden Hosen und Rapper-Caps einherschlurften und mit pseudoamerikanischem Akzent redeten. Vor allem betrachtete ich die wachen, offenen Gesichter der kleinen Jungs in ihren Uniformen, wenn sie nach Schulschluss zu ihren Eltern heimgingen, die sie vielleicht eines Tages auslachen würden. Ich bezweifelte nicht, dass sie wie ich enden und später einmal die Staffage vor einer Ladenfront in San Andrews abgeben würden.

An einem Mittwochnachmittag dann passierte etwas direkt vor meiner Nase: Ein Pulk von jungen Typen stritt sich wegen irgendetwas. Ich beachtete sie zuerst nicht weiter. Es waren Kairatten, die Touristen um Geld anbettelten. Wenn gerade kein Kreuzfahrtschiff vor Anker lag, trieben sie sich in der Stadt herum, zogen die Schulmädchen an den Röcken und rieben sich mit dem Becken an ihnen. Viele Eltern warteten jeden Tag am Schultor, um ihre Töchter nach Hause zu bringen.

Auf einmal ertönte eine protestierende Stimme aus der Mitte der Gruppe, hoch und verzweifelt. Köpfe drehten sich danach um, gefolgt vom Getrappel herbeieilender Füße. Die Marktleute freuten sich immer über einen Kampf.

Aus dem Knäuel der Rowdys wurden noch mehr Stimmen laut. Ich hörte »Respekt«, dann »Scheiße«, dann »Scheißmist«, dann »Scheißkerl«, dann einen dumpfen Schlag wie von einer Faust gegen ein Kissen. Ein Aufkeuchen, und gleich darauf stoben die Typen auseinander, zogen ihre Kapuzen noch tiefer in die Stirn und sprinteten davon.

Ein Junge lag auf dem Gehweg, in der gleichen Schuluniform, wie ich sie sieben Jahre lang getragen hatte. Er ruhte auf der Seite, den rechten Arm gekrümmt vorm Bauch und den anderen am Ellbogen abgeknickt unterm Kopf, als schliefe er.

Ich sah das rote Rinnsal, das unter seiner Hand hervorsickerte und abrupt die Richtung wechselte, als es auf die leichte Neigung zum Rinnstein traf und hinunterfloss. Ich glaubte, den Jungen zu kennen. Ich hatte das Gefühl, ich sollte es.

Eine Büroangestellte mit einem festen, hohen Dutt aus teurem indischen Haar und in der Sonne glitzernden Goldnägeln griff zu ihrem Handy, wobei ihr Arm einen anmutigen Bogen beschrieb. Ich sah, wie ihre purpurnen Lippen sich bewegten.

Ich überquerte die Straße, kniete mich neben den Schuljungen und berührte seine Stirn. Beim Aufstehen ignorierte ich den Schock auf den Gesichtern, die mich anstarrten. Sie beobachteten meine Miene, warteten womöglich auf ein Aufheulen, das ihnen bestätigte, dass ich mit dem toten Jungen verwandt war.

Ich tat nichts dergleichen. Stand einfach nur neben ihm.

Als die Polizei eintraf, stürzten sich die Beamten sofort auf mich. Der größte von ihnen stieß mich gegen eine Hauswand, rammte mir sein Knie in den Magen und drückte mir den Unterarm gegen die Kehle. Ich rang nach Luft und sah ihm in die Augen. Das gefiel ihm nicht. Er warf mich aufs Pflaster, ließ sich mit vollem Gewicht auf meine Wirbelsäule fallen und zerrte mir die Hände auf den Rücken, um mir Handschellen anzulegen.

Ein kleines Auto kam und hielt mitten auf der Straße. Eine Erscheinung stieg aus: ein Schopf weißer Haare, Augen wie zwei brennende Kohlestücke, Lippen, die perfekt zu einer zerknautschten alten Ledertasche gepasst hätten.

Weißhaar brüllte etwas. Es klang wie Kies auf Reibeisen.

Das Gewicht hob sich von meinem Rücken. Man zog mich auf die Beine, nahm mir die Handschellen ab. Grobe Hände schoben mich in den kleinen Wagen.

Derweil protestierten ringsherum Leute gegen meine Festnahme. Alles Frauen. Die Männer schwiegen. Offenbar waren sie weniger an meinem Schicksal interessiert als daran, zu verfolgen, wie die Ungerechtigkeit ihren Lauf nahm. Das gab besseren Gesprächsstoff für den Rum-Shop ab.

Sie brachten mich zu einem alten Backsteingebäude hinter dem Busbahnhof, das am Hang über dem Meer stand. Am Eingang in großen weißen Lettern: San Andrews Police Central. Drinnen nahm ich den schwachen Teergeruch der an der Mole liegenden Inselschoner wahr. Schachtelartige Räume zogen sich in einer langen Reihe bis zum hinteren Ende des Gebäudes, aus denen Papierrascheln zu hören war und gelegentlich das Dröhnen von Männerstimmen. Draußen Gehupe, die an- und abschwellenden Stimmen der Marktfrauen und das penetrante Geschrei des Kokosnussverkäufers, den wir Cocoman nannten.

Inmitten des Gedröhns von Polizeifahrzeugen, die gerade in den betonierten Innenhof einfuhren, wies Weißhaar mich an, auf einem Stuhl an einem unordentlichen Schreibtisch Platz zu nehmen. Er drückte mir ein Sandwich und ein Glas Orangensaft in die Hand und bohrte sich den Zeigefinger in die Brust. »Detective Superintendent Chilman. Du?«

»Digger.«

»Und der Name auf deiner Geburtsurkunde?«

»Michael Digson.«

»Wie lange bist du schon da draußen?«

»Wo draußen?«

»Auf der Straße.«

»Ich hab ein Zuhause.«

»Wie lange?«

»Achtzehn Monate und drei Tage.«

»Du hast sie gezählt?«

»Mhmm.«

»Warum?«

»Um nicht den Verstand zu verlieren.«

Er sah mir in die Augen. »Hast du ihn noch?«

»Sie haben keinen Grund, mich zu verhaften.«

»Reg dich ab, Jungchen, du bist nicht verhaftet. Jetzt red mit mir. Wassis passiert?«

Ich schob das Sandwich beiseite und nippte an dem Saft. »Affen, die Respekt von Menschen verlangen«, sagte ich. »Sie haben den Menschen getötet.«

Detective Superintendent Chilman beugte sich blinzelnd zu mir vor, als würde er einen Fleck in meinem Auge untersuchen. »Du regst dich auf. Das ist gut. Würdest du sie wiedererkennen?«

»Sie hatten ihre Kapuzen übergezogen, schon vor dem Streit. Ist offensichtlich, dass das geplant war.«

Chilman rieb sich das Kinn und sah zur Decke. »Gut«, sagte er und stand auf. »Komm mit.« Am Ausgang blieb er stehen. »Okay, Leute, bringt sie raus«, rief er.

Dreiundzwanzig junge Männer, alle in Rapper-Hoodies mit heruntergeschobenen Kapuzen, kamen der Reihe nach aus drei Polizeitransportern. Manche wirkten nervös, manche wütend, die meisten entspannt. Ein paar hatten solche Angst, dass sie kaum laufen konnten. Einige davon behielten trotzdem ihren angeberischen Gangsta-Gang bei.

Die Officers sorgten dafür, dass sie sich alle entlang der Gebäudewand aufstellten.

Chilman stupste mich an. »Erkennst du jemand?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Probiern wir was anderes.«

Auf seine Anweisung hin zogen die Officers den jungen Männern die Kapuzen über und befahlen ihnen, durch den Hof zu joggen.

Chilman sah mich an. »Und jetzt?«

Ein paar der Typen warfen mir drohende Blicke zu. Ich richtete mich gerade auf und starrte zurück.

...

Erscheint lt. Verlag 11.4.2022
Reihe/Serie Digson und Miss Stanislaus ermitteln
Übersetzer Karin Diemerling
Sprache deutsch
Original-Titel The Bone Readers
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bestseller bücher • Black History Month • buch bestseller • Cold Case • Forensik • Gerichtsmedizin • Karibik • Krimi • Krimi-Bestenliste • Krimi-Bestseller • Mord • neues Buch • page-turner • Spannung • ST 5236 • ST5236 • suhrkamp taschenbuch 5236 • Thriller • Weltempfänger-Bestenliste
ISBN-10 3-518-77269-4 / 3518772694
ISBN-13 978-3-518-77269-0 / 9783518772690
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3 Nicht ganz warm geworden

von (Dortmund), am 20.04.2022

Ich muss sagen, dass mich das äußere Erscheinungsbild von "Die Knochenleser" nicht angesprochen hat. Zum Glück habe ich einen Blick auf den Klappentext geworfen, denn dieser versprach einen spannenden und vielseitigen Krimi.

Das Setting ist mal ein komplett anderes; die meisten Krimis und Thriller spielen ja gefühlt nur noch in Skandinavien. Hier befinden wir uns auf einer Karibikinsel. Was traumhaft klingt birgt aber viele Gefahren und ein hohes Maß an Kriminalität.

Der Protagonist Digger fängt gegen seinen Willen eine Ausbildung als Forensiker an. Parallel dazu treibt ihn immer noch das plötzliche Verschwinden seiner Mutter vor ein paar Jahren um.

Meiner Meinung nach hätten "Die Knochenleser" noch etwas mehr Spannung vertragen können. Die Spannungskurve war am Anfang noch recht hoch, aber flaute dann relativ schnell ab. Zudem wurde ich mit der Sprache hin und wieder nicht so ganz warm.
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