Evas Rache -  Thomas Ziebula

Evas Rache (eBook)

Historischer Leipzig-Krimi
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
384 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01094-9 (ISBN)
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Eine grausame Mordreihe und ein groß angelegtes Verbrechen vor der spektakulären Kulisse der Technischen Messe Leipzig - das fulminante Ende der Reihe um Kommissar Paul Stainer Leipzig, 1922. Es will keine Ruhe einkehren in der Wächterburg: Gleich drei Lustmorde in drei Monaten halten Paul Stainer und seine Kollegen in Atem. Stainer tritt auf der Stelle und fällt zunehmend zurück in seine Depression. Dass Junghans und Mona im Liebesglück schwelgen und beschließen, zu heiraten, macht es nicht besser. Erst als auf der Technischen Messe Leipzig Eva-Maria Dorn, die Frau eines erfolgreichen Ingenieurs und Unternehmers, überfallen wird, glaubt er, eine erste Spur zu haben, die ihn zu der «Bestie von Leipzig» führen kann. Stainers Nachforschungen bringen ihn auf die Fährte eines jungen Anarchisten mit dem Tarnnamen «Schlange», der gerade erst aus russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrt ist. Zunächst scheint der Fall eindeutig, doch die möglichen Motive sind vielfältig. Schon bald wird klar: Das Verbrechen geht weit über die Lustmorde hinaus - und auch in Eva-Maria Dorn steckt mehr als das unschuldige Opfer ... 

Thomas Ziebula ist freier Autor und schreibt Krimis, biographische und historische Romane. 2001 erhielt er den Deutschen Phantastik-Preis, 2020 den Goldenen Homer. Seine erste Krimireihe um Inspektor Paul Stainer vereint auf beeindruckende Weise Thomas Ziebulas Leidenschaft fu?r deutsche Zeitgeschichte, spannende Kriminalfälle und seine Liebe zu Leipzig, das bis heute seine Lieblingsstadt in Deutschland ist. Der erste Band der Reihe um Inspektor Stainer, «Der rote Judas», stand auf der Shortlist fu?r den Crime Cologne 2020. Der Autor lebt in der Bonner Region.

Thomas Ziebula ist freier Autor und schreibt Krimis, biographische und historische Romane. 2001 erhielt er den Deutschen Phantastik-Preis, 2020 den Goldenen Homer. Seine erste Krimireihe um Inspektor Paul Stainer vereint auf beeindruckende Weise Thomas Ziebulas Leidenschaft für deutsche Zeitgeschichte, spannende Kriminalfälle und seine Liebe zu Leipzig, das bis heute seine Lieblingsstadt in Deutschland ist. Der erste Band der Reihe um Inspektor Stainer, «Der rote Judas», stand auf der Shortlist für den Crime Cologne 2020. Der Autor lebt in der Bonner Region.

2 Mädchenlächeln


Leipzig, Ende Juni 1922

Ohne Vorwarnung riss der alte Börner das Lenkrad nach rechts. Und ohne zu bremsen – mit quietschenden Reifen –, schlitterte der Mannschaftswagen in die schmale Dorfrandstraße hinein. Stainer prallte gegen Börner, Junghans hielt sich an der Beifahrertür fest, die Kollegen im Fond fluchten.

«Mensch, Theo!» Junghans angelte seine geliebte Schildmütze aus dem Fußraum. «Du sitzt nicht allein in der Kiste!» Börner trat wieder aufs Gaspedal, wobei er ähnlich feierlich guckte wie ein Priester beim Verteilen der Hostien. «Mach langsam! Wir können sowieso nicht mehr zu spät kommen.»

Stainer rutschte wieder in die Mitte der Sitzbank, stemmte sich gegen das Armaturenbrett und blieb stumm. Ihm war schlecht. Und das lag zum kleinsten Teil an dem Parfüm, mit dem sich Junghans in letzter Zeit zu besprühen pflegte. Zu viel Schnaps gestern Abend – so viel, dass er sich nur dunkel an das Läuten des Fernsprechers und an die Stimme in der Leitung erinnern konnte. War es nicht eine Frauenstimme gewesen?

Börner beschleunigte noch mehr und jagte den Mannschaftswagen bald mit Höchstgeschwindigkeit die enge Straße hinunter. Stainer tastete nach einem Halt, während er auf den Tachometer schielte – die Nadel zitterte der siebzig entgegen. Plötzlich rollte keine fünfzig Meter vor ihnen ein Pulk Radfahrer aus einem Gartenweg, sodass Börner scharf bremsen musste. Stainer und Junghans stürzten nach vorn, und von den hinteren Sitzbänken tönten wieder Flüche durch den schaukelnden Wagen.

«Theodor, verdammt noch mal!» Junghans stieg die Zornesröte ins Gesicht. «Ich will nicht mit Krücken und Kopfverband vor den Traualtar treten!»

«Dann bete halt, dass mir nicht noch mehr blinde Hühner vor die Kühlerhaube flattern.»

«Rede keinen Schwachsinn, Theo!» An Stainer vorbei schnauzte Junghans den Fahrer an. «Noch so ein Manöver, und du bist ausgeladen!»

Der frischgebackene Kommissar neigte sonst nicht zu lauten Gefühlsausbrüchen, und Stainer musterte ihn erstaunt. Die Schmisse auf Stirn und Nase des jungen Kollegen und die große Narbe auf seiner linken Wange blieben wächsern, sodass sein gerötetes Gesicht seltsam gestreift aussah. Der näher rückende Hochzeitstermin schien ihn nervös zu machen. Nervöser als Börners Fahrstil womöglich?

Die jungen Leute auf den Rädern schauten sich nicht einmal um, radelten einfach seelenruhig vor dem Mannschaftswagen her, und zwar einer neben dem anderen. Der Sommerwind bauschte die bunten Kleider der Frauen auf und ließ die Halstücher der Männer flattern.

Frühaufsteher auf dem Weg zum Sonntagspicknick im Park, schätzte Stainer, oder in den Wald zu den ersten Pfifferlingen. Er beneidete sie.

«Warum sitzen die nicht zu Hause in der guten Stube und köpfen ihre Frühstückseier?» Junghans zu seiner Rechten kurbelte das Seitenfenster herunter. «Sehen die nicht, dass es bald Regen gibt?» Er langte aus dem Wagen zum Dach hinauf und begann, die Ballhupe zu quetschen. «Seid ihr schwerhörig?! Polizei!» Fluchend streckte er auch noch den Kopf aus dem Fenster und schrie die Radfahrer an: «Zur Seite, Herrschaften! Polizei!»

Der alte Börner hämmerte mit der Faust aufs Lenkrad und schimpfte wie eine futterneidische Krähe. Die Kollegen im Rückraum zeterten vor sich hin, und Nürnberger schlug allen Ernstes vor, den Sonntagsradlern auf die Hinterreifen zu rücken.

«Immer mit der Ruhe, Kollegen.» Obwohl ihm das Tröten der Ballhupe auf die Nerven ging, verzog Stainer keine Miene. «Die Leiche läuft uns schon nicht davon.»

Siegfried Junghans hatte ihn aus dem Bett geklingelt, keine Viertelstunde her. Stainer war noch nicht wirklich anwesend. Unter seiner Schädeldecke drückte ihm ein Helm aufs Hirn, scharfkantig und schwer. Wie halb betäubt hockte er zwischen seinem jungen Kommissar und dem schimpfenden Fahrer, blinzelte durch die Windschutzscheibe und hoffte, dass er nicht mehr nach Schnaps roch.

Anders als die Kollegen hatte er es überhaupt nicht eilig, in den Wald zu kommen. Paul Stainer wusste, was ihn dort erwartete. Pfifferlinge? Mitnichten. Laut Junghans hatte der Anrufer die Frauenleiche zwar nicht näher beschrieben, doch ihr Bild stand ihm dennoch deutlich vor Augen. Viel zu deutlich. Es war nicht das erste tote Mädchen in diesem Jahr.

Endlich wichen die Radfahrer an den Straßenrand aus. Die Frauen hielten ihre dem Wind ausgelieferten Kleidersäume auf den Knien fest, einem jungen Burschen fegte eine Böe die Mütze vom Scheitel und aufs Straßenpflaster. Über die Schulter hinweg schrie er eine Warnung in Richtung Mannschaftswagen.

Siggi Junghans unterließ es endlich, auf dem Gummiball am Signalhorn herumzudrücken, und Börner wollte schon wieder Gas geben, doch Stainer legte ihm die Hand auf die Schulter. «Halt an, Theo, sonst überrollst du noch seinen Sonntagshut.»

Der alte Wachtmeister brummte irgendetwas Unfreundliches in sein weißes Bartgestrüpp, gehorchte aber. Draußen stieg der junge Bursche vom Rad, sprang auf die Straße und langte seine Mütze vom Pflaster. Die Radfahrer bedankten sich winkend. Dabei lächelte eine der jungen Frauen derart entzückend, dass es Stainer durch und durch ging. Junghans und die Kollegen hinter ihm winkten lachend zurück; sogar Börners Miene hellte sich ein wenig auf, als er wieder anfuhr.

Stainer aber dachte an die Tote im Wald, während er der Lächelnden im Vorüberfahren zunickte. Der dritte Frauenmord innerhalb von drei Monaten. Und derselbe Mörder. Stainer wusste es nicht mit Bestimmtheit, doch aus irgendeinem Grund war er sich dessen vollkommen sicher.

«Hoffentlich sind wir am Tatort, bevor der Regen einsetzt.» Nürnbergers Stimme aus dem Rückraum des Mannschaftswagens. «Sonst können wir die meisten Spuren vergessen.» Über Stainers Schulter hinweg reichte er die Fotografie nach vorn, die Junghans den hinten sitzenden Kollegen gegeben hatte, da einige seine Braut noch nicht kannten. «Hübsches Mädchen.»

«Und klug dazu, wie man hört», ließ der Wachtmeister Schwalbe sich vernehmen. «Wusste gar nicht, dass in Leipzig auch Frauen studieren können.»

«Wo lebst du denn, Hermann?» Stainer nahm Nürnberger die Fotografie ab und warf einen Blick darauf, bevor er sie Junghans hinhielt: Eine blonde Frau stand neben Junghans’ lächelnder Braut Mona König und hatte den Arm um sie gelegt. Siedend heiß durchfuhr es ihn – es war die Frau, die gestern Abend angerufen hatte! Rosa Sonntag!

Mist, dachte er, hoffentlich habe ich ihr nicht allzu viel Blödsinn erzählt.

«Spuren können wir sowieso vergessen, falls die Opfer schon länger dort liegen.» Junghans nahm Stainer das Bild ab und steckte es ein. «Vorgestern hat es nämlich auch schon geregnet. Außerdem wissen wir noch nicht, ob der Fundort mit dem Tatort identisch ist.»

Börner feixte. «Ganz schöner Klugscheißer, unser Kleiner, seit er sich Kommissar nennen darf, was, Herr Kriminalinspektor?» Er riss das Steuer herum und raste ein Stück über den Bürgersteig, um einem Fahrzeug des Roten Kreuzes auszuweichen. «Der hat ja einen Affenzahn drauf! Spinnt der denn, der Saftarsch?!»

Alle lachten. Alle außer Stainer. Der rutschte auf der Sitzbank hin und her, griff schließlich unter sich und zerrte eine zusammengerollte Zeitung unter seinem Hintern hervor. Gehetzt und verkatert, wie er in den Mannschaftswagen gesprungen war, hatte er sie nicht bemerkt. Beiläufig registrierte er das Datum – Sonnabend, 24. Juni 1922 –, da fesselte ein Wort in der Schlagzeile seinen Blick: erschossen.

Börner bog so scharf nach links in die Antonienstraße ein, dass Stainer gegen Junghans prallte, während er die Zeitung auseinanderrollte. Ungläubig las er die Schlagzeile: Die Mordorganisation der Reaktion funktioniert! Rathenau erschossen. Der Mörder im Auto entkommen.

«Sie haben den Außenminister erschossen?!» Stocknüchtern fühlte er sich plötzlich. «Diese Drecksäue!» Ein gewaltiger Zorn packte ihn. «Hört das denn niemals mehr auf?» Er warf den Kopf in den Nacken und fuhr sich durchs weiße Haar, sodass sein Hut hinten herunterfiel. «Diese gottverdammten Drecksäue!»

Erstaunte Blicke trafen ihn von allen Seiten, während er die Zeitung glatt strich und den Bericht überflog: Rathenau in Grunewald mit Handgranate und Maschinenpistole angegriffen … auf dem Weg ins Auswärtige Amt … Mord-Mercedes neben seinem Cabriolet … Mörder entkommen.

«Sag bloß, du hast davon noch nichts gehört!» Junghans runzelte die Stirn. «Dann bist du wohl der Einzige in dieser Stadt.»

«Das ist die Spätausgabe von gestern, Herr Kriminalinspektor.» Börner, nicht weniger erstaunt, überholte eine Droschke. «Seitdem spricht man in ganz Leipzig von nichts anderem mehr.» Er raste an einer gerade noch rechtzeitig zurück auf den Bürgersteig springenden Wandergruppe vorbei.

«Walther Rathenau wird nicht der Letzte gewesen sein, den...

Erscheint lt. Verlag 16.4.2024
Reihe/Serie Paul Stainer
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte 1920er Jahre • deutsche Kriminalromane • Entführung • Erfindung • Ermittlerkrimi • historischer Krimi • Historische Spannung • Kommissar • Krimi • Krimi Deutschland • Krimi lokal • Kriminalgeschichten • Kriminalliteratur • Kriminalroman • Krimi Neuerscheinungen 2024 • krimis bücher • Krimis und Thriller • Krimi Thriller • Leipzig • Leipziger Messe • NSDAP • Paul Stainer • Politischer Krimi • Regionalkrimi • Romane Krimis • spannende Bücher • Thriller und Krimis deutsch
ISBN-10 3-644-01094-3 / 3644010943
ISBN-13 978-3-644-01094-9 / 9783644010949
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