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Leben und Sterben (eBook)

Spiegel-Bestseller
Die großen Fragen ethisch entscheiden

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025
304 Seiten
Fischer E-Books (Verlag)
978-3-10-491765-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Leben und Sterben -  Alena Buyx
Systemvoraussetzungen
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Die ehemalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrats Alena Buyx über die großen Fragen des Lebens - allgemein verständlich und lebensnah Wenn es um unsere Gesundheit geht, wir mit Krankheit konfrontiert werden, oder es um Leben und Tod geht, stehen wir vor Entscheidungen, die uns nicht selten überfordern. Die Medizinethikerin Alena Buyx greift die vielen ethischen Fragen auf, vor denen wir früher oder später alle stehen. Sie befähigt uns, eigene Einschätzungen und Positionen zu bilden und letztlich gute Entscheidungen zu treffen. Die Herausforderungen umfassen die gesamte Lebensspanne: So geht es ebenso um künstliche Befruchtung, pränatale Diagnostik und Frühgeburten wie um Sterbehilfe, assistierten Suizid und Palliativmedizin. Dabei spielen immer auch die neuen Möglichkeiten eine Rolle, die sich aus der aktuellen Forschung ergeben, so etwa der Einsatz von KI und Robotik. Anhand zahlreicher Beispielgeschichten führt uns Alena Buyx klar und verständlich, gleichzeitig zugewandt und empathisch durch die großen Fragen. Ein Kompass für die existenziellen Fragen, die uns alle angehen - Medizinethik für alle.

Prof. Dr. Alena Buyx, geboren 1977, ist ehemalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrats. Während der Corona-Pandemie ist sie durch ihre engagierte Aufklärungsarbeit der breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Für ihren Einsatz für den gesellschaftlichen Zusammenhalt während der Krise wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz. Alena Buyx studierte Medizin, Philosophie, Soziologie und Gesundheitswissenschaften. Als Professorin für Medizinethik ist sie Direktorin des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin an der Technischen Universität München.

Einleitung


Es ist ein strahlend schöner Oktobertag in München, ich im Taxi auf dem Weg ins Robotik-Institut. Leicht gehetzt, weil ich mal wieder zu spät dran bin und den Bus verpasst habe. Heute bin ich unterwegs zu einem Fachkollegen aus der Robotik und bin sehr gespannt. Ich bin noch ganz neu an meiner Universität, der Technischen Universität München (TUM), und habe in den letzten paar Wochen ganz viele Antrittsbesuche bei verschiedenen Kolleginnen und Kollegen absolviert. Man stellt sich vor, knüpft die ersten Kontakte, redet über gemeinsame Interessen in der Forschung und Lehre, lernt sich kennen. Meine neue Professur heißt ›Ethik der Medizin und Gesundheitstechnologien‹, und der Präsident der Uni hat mir aufgetragen, mich mit all den Robotikern, Ingenieuren und Technikwissenschaftlern zu vernetzen und meine ethischen Überlegungen in deren Arbeit hineinzutragen. Das hatte ich ihm natürlich mit leuchtenden Augen und freudig zugesagt. Ich arbeite sehr gern interdisziplinär. Insbesondere mit praktisch tätigen Ärztinnen und Ärzten, mit Juristen, mit Sozialwissenschaftlerinnen und anderen klappt das super. Man lernt ganz viel von diesen Kolleginnen und Kollegen und bietet im Gegenzug ethische Analyse und verschiedene Forschungsmethoden an. Meist kommen spannende, teils sehr wichtige Ergebnisse dabei heraus. Aber wie das werden wird mit den Hardcore-Technikern weiß ich nicht, und deshalb bin ich tatsächlich etwas aufgeregt. Vielleicht kann der Kollege mit Ethik überhaupt nichts anfangen?

Um mich etwas abzulenken, komme ich mit dem Taxifahrer ins Gespräch, ein netter Mann um die 60, der mir stolz von seiner Tochter erzählt, die auch an der TUM studiert, und zwar Mathematik. »Haben Sie auch was mit dem Krankenhaus zu tun?«, fragt er. »Ja, klar«, sage ich, »ich bin auch ans Krankenhaus angebunden. Aber heute fahre ich zu den Robotikern!« Und dann muss er mir fünf Minuten zuhören, wie ich voller Begeisterung erzähle, was es da an neuen Entwicklungen gibt: Pflegeroboter, Roboter für Telemedizin, Künstliche Intelligenz, also smarte Software-Programme, die helfen können, Röntgenbilder genauer zu befunden und Krebs früher zu diagnostizieren, und so weiter und so fort. Er hört mir geduldig zu, und gerade als wir in die Straße des Robotik-Institutes einbiegen, sagt er zu mir: »Das ist ja spannend, was Sie alles von diesen ganzen neuen Technologien erzählen. Computerprogramme, die Krankheiten früher finden, das klingt toll. Aber wissen Sie was? Meine Frau ist neulich etwas außerhalb von München zweimal operiert worden, am Darm. War alles gut, sehr nette Ärztinnen und Ärzte, sie hat das alles gut überstanden. Wir waren zufrieden. Aber immer, wenn ich sie im Krankenhaus besucht habe und da unten im Eingangsbereich auf der Toilette war – dann war da keine Seife im Seifenspender. Der war immer leer. Man konnte sich nie ordentlich die Hände waschen. In einem Krankenhaus! Das ist ja nicht hygienisch. Und ich hab mich immer gefragt, warum kriegen die das nicht hin? Wenn Sie schon über Roboter und Künstliche Intelligenz nachdenken, können Sie nicht erstmal anregen, dass es Seife in den Seifenspendern gibt?!« Und damit halten wir vor dem Robotik-Institut, ich zahle, steige aus, stehe vor der Tür – und bleibe dem Taxifahrer eine gute Antwort auf seine sehr berechtigte Frage schuldig.

Eine ganz andere Situation: Herr H. ist ein richtiger Haudegen. 1,87 Meter groß, 73 junge Jahre alt, laute, tiefe Stimme, viele Geschichten zu erzählen. Er ist ehemaliger Unternehmer, dem immer noch ein Kino und eine Reinigungsfirma gehören. Er hat ein interessantes, intensives Leben geführt – viel Arbeit, viele Reisen, viel gutes Essen, viele Partys, viel Alkohol. Er hatte zwar verschiedene Erkrankungen, genoss sein Leben trotz gewisser Einschränkungen aber immer sehr. Jetzt liegt er bei uns auf der Intensivstation, in einem ganz, ganz schlechten Zustand. Nach einem Abendessen bei Freunden ist er nachts auf dem Weg zur Toilette gestürzt, mit dem Kopf an eine Schrankkante geknallt und wurde von seiner Frau, wohl erst einige Stunden später, im bewusstlosen Zustand gefunden und per Notarzt zu uns ins Klinikum gebracht. Die Ärzte stellten eine große Blutung ins Gehirn fest. Noch auf dem Weg und dann in der Klinik wurde er intensivmedizinisch behandelt. Im Augenblick ist er künstlich beatmet und ohnmächtig. Blutdruck und Herzschlag sind sehr instabil und werden gegenwärtig nur durch starke Medikamente halbwegs aufrecht gehalten. Die Hirnblutung war sehr groß, und wenn es kräftig ins Gehirn geblutet hat, dann schwillt alles an, und der entstehende Hirndruck droht, das Gehirngewebe zu zerdrücken. Um das zu vermeiden, könnten die Neurochirurgen die Schädeldecke öffnen, Platz schaffen und dann den Schädel wieder schließen, wenn die Schwellung zurückgegangen ist.

Seine Ehefrau, Frau H., 67 Jahre alt, und der 38-jährige Sohn Michael H. haben schwere Tage hinter sich. Sie sind müde und geschockt von dieser Situation, die ganz plötzlich über alle hereingebrochen ist. Der Abend vor dem Sturz war so nett, sie waren bei Familienfreunden und hatten auf Michaels Verlobung vor zwei Wochen angestoßen. Jetzt sitzen sie seit Tagen immer wieder mit Schutzkleidung ausgestattet in einem weißgrünen Zimmer, neben einem stetig piependen Intensivbett. Gerade hören sie mit sorgenvollem Gesichtsausdruck dem behandelnden Oberarzt aus der Neurochirurgie zu, der erklärt, was die Lage ist.

Herr H. braucht jetzt eigentlich einen neurochirurgischen Eingriff, genauer die Öffnung der Schädeldecke. Anders kriegt man den steigenden Hirndruck nicht mehr in den Griff. Es ist aber im Zustand von Herrn H. unklar, was das Ergebnis dieser OP sein wird. Selbst wenn sie erfolgreich verläuft, kann man schwer vorhersagen, wann und in welchem Zustand Herr H. danach wieder aufwacht. »Man kann im Moment nicht versprechen, dass er bald wieder nach Hause kommt«, sagt der Neurochirurg an Frau H. gewandt. Der Sohn will wissen, ob es auch ein Risiko gibt, dass sein Vater bei der OP verstirbt. Der Oberarzt sagt, das sei zwar unwahrscheinlich, aber nicht ganz auszuschließen. Die Hoffnung sei, so erklärt er, dass Herr H. es schafft und die Operation den Hirndruck, der ihn ansonsten umbringen würde, verringern kann und er dann wieder aufwacht. »Es gibt leider aber auch die Möglichkeit, dass sich die Situation bei Ihrem Mann jetzt bald weiter verschlechtert und er die Operation dann nicht gut übersteht. Wir dürfen also nicht mehr viel Zeit verlieren, sondern müssen schnell entscheiden.« Gleichzeitig ist unklar, wie es Herrn H. gehen wird, sollte er im günstigen Fall wieder zu Bewusstsein kommen. »Es ist recht wahrscheinlich, dass Ihr Mann dauerhafte Pflege brauchen wird. Ich kann Ihnen wirklich nicht versprechen, dass wir ihn zu Ihnen nach Hause verlegen können«, sagt der Arzt. Auf die Frage des Sohnes, ob denn wenigstens die lebenserhaltenden Maßnahmen, die Herr H. gegenwärtig braucht – also die künstliche Beatmung und die Medikamente, die verhindern, dass das Herz aufhört zu schlagen –, nach der OP beendet werden können, sagt er: »Das hoffen wir, aber auch das kann man nicht garantieren.«

Ob die Familie darüber nachgedacht hat, wie in einer solche Lage wie jetzt vorzugehen ist? Frau H., eine sanfte Frau, ist von der Situation und dieser Frage sichtlich überfordert. Sie schaut zu ihrem Sohn: »Dein Vater würde niemals ein Pflegefall sein wollen … Oh Gott, Michael, was sollen wir denn jetzt machen?« Aber auch ihr Sohn, ebenso überrumpelt wie seine Mutter davon, den dominanten und lebenstüchtigen Vater von jetzt auf gleich so hilflos zu sehen, weiß das nicht. Wüssten Sie es, liebe Leserin und lieber Leser?

Diese zwei Fälle: Das ist mein Fach. So unterschiedlich sie sind, so sehr gehören sie doch beide ins Zentrum der Überlegungen einer Disziplin, die sich Medizinethik nennt. Denn die Medizinethik beschäftigt sich mit dem guten und richtigen Handeln in der Medizin. Das kann sowohl die Entwicklung neuer Technologien betreffen als auch die konkrete Versorgung am Krankenbett.

Die erste Situation berührt die medizinethischen Fragen, wie wir die neuen Medizintechnologien bewerten wollen, wie wir verantwortlich mit ihnen umgehen können und welche Prioritäten wir dabei setzen sollten. Was ist uns in der Versorgung besonders wichtig und warum? Welche Ziele wollen wir mit diesen Technologien anstreben?

Im Fall von Herrn H. stecken klassische medizinethische Fragen, die sich immer wieder bei schwierigen medizinischen Behandlungsentscheidungen stellen, insbesondere bei schweren Erkrankungen oder am Lebensende: Was ist für den Patienten in dieser Situation insgesamt das beste Vorgehen? Soll hier noch behandelt werden, und wenn ja, wie? Welche Prognose gibt es, welche Risiken der verschiedenen Behandlungswege? Und wie kommt man, wenn es Unsicherheiten gibt, in einem solchen Fall zu einer guten Entscheidung?

Medizinethik ist also ein Fach mit einer sehr großen Bandbreite an Themen. Es geht um Argumente und es geht um Gründe und Begründungen. Allgemein gesprochen stellen wir in der Medizinethik »Fragen nach dem moralisch Gesollten, Erlaubten und Zulässigen, speziell im Umgang mit menschlicher Krankheit und Gesundheit«, wie es meine akademische Lehrerin und Professorin für Medizinethik Bettina Schöne-Seifert sehr prägnant in ihrem Buch zu den Grundlagen der Medizinethik formuliert, auf das ich mich in dieser Einleitung unter anderem beziehe (Sie finden es, so wie auch weitere relevante Literatur, im Anhang). Wir überlegen, was das beste Vorgehen, die beste Entscheidung in einer bestimmten...

Erscheint lt. Verlag 26.3.2025
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Abtreibung • aktive Sterbehilfe • Alltagsbezogene Ethik • Angelina-Jolie-Gen • Argument der schiefen Ebene • Arzt-Patient-Verhältnis • Assistierter Suizid • Bestseller • BRCA1-Gen • Buch über pränatale Diagnostik • Dammbruch-Argument • Deutscher Ethikrat • Ethik in der Medizin • Ethische Fragen in der Medizin • Gesundheit und Ethik Entscheidungen • Intensivmedizin • KI in der Medizin • Kompass für existenzielle Fragen • Künstliche Befruchtung • Künstliche Intelligenz in der Medizinethik • Lebensentscheidungen ethisch beleuchtet • Lebensverlängernde Maßnahmen • Medizinethik • Medizinethik für alle verständlich • Palliativ-Medizin • Pandemie • Passive Sterbehilfe • Patientenverfügung • Pränatale Diagnostik • Prinzip der Schadensvermeidung • Robotik in der Medizin • Selbstbestimmung • Sterbehilfe und Palliativmedizin Bücher • Therapie am Lebensende • Vorsorgevollmacht
ISBN-10 3-10-491765-5 / 3104917655
ISBN-13 978-3-10-491765-8 / 9783104917658
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