Die Henkerstochter und der Rat der Zwölf (eBook)

Spiegel-Bestseller
Historischer Roman
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
688 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-1512-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Henkerstochter und der Rat der Zwölf -  Oliver Pötzsch
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Ein Henker als Serienmörder Der Schongauer Henker Jakob Kuisl reist im Februar 1672 mit seiner Familie zum Scharfrichtertreffen nach München. Erstmals hat ihn der Rat der Zwölf dazu eingeladen - eine große Ehre. Kuisl hofft, unter den Ratsmitgliedern außerdem einen Ehemann für seine Tochter Barbara zu finden. Barbara ist verzweifelt: Sie ist ungewollt schwanger und traut sich nicht, ihre Notlage ihrem Vater zu offenbaren. Dann kommt in München eine Reihe von Morden an jungen Frauen ans Licht, und Kuisl wird um Hilfe bei den Ermittlungen gebeten. Alle Morde tragen die Handschrift eines Scharfrichters. Der Verdacht fällt auf den Rat der Zwölf ... Der siebte Band der beliebten Henkerstochter-Serie

Oliver Pötzsch, Jahrgang 1970, arbeitete nach dem Studium zunächst als Journalist und Filmautor beim Bayerischen Rundfunk. Heute lebt er als Autor mit seiner Familie in München. Seine historischen Romane haben ihn weit über die Grenzen Deutschlands bekannt gemacht: Die Bände der Henkerstochter-Serie sind internationale Bestseller und wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt.

Oliver Pötzsch, Jahrgang 1970, war jahrelang Filmautor beim Bayerischen Rundfunk und lebt heute als Autor in München. Seine historischen Romane um den Schongauer Henker Jakob Kuisl haben ihn weit über die Grenzen Deutschlands bekannt gemacht. Er ist selbst ein Nachfahre der Kuisls, die 300 Jahre lang die berühmteste Henker-Dynastie Bayerns waren.

Kapitel 1

Mehr als zwanzig Jahre später.
Schongau,
26. Januar, Anno Domini 1672

Es ist nicht so, dass er selbst schuld ist. Aber er macht es den anderen Kindern schon verdammt leicht.«

»Wie darf ich das verstehen?« Zornig sah Magdalena den alten Schongauer Schulleiter Hans Weininger an, der verlegen vor ihr stand und die Krempe seines Huts knetete. Dann ging ihr Blick hinunter zu ihrem Sohn Peter. Rotz und Blut liefen dem Neunjährigen aus der Nase, tropften auf sein einziges weißes Leinenhemd und hinterließen dort grünrote Schlieren. Peter schniefte und blickte starr vor sich hin, ganz offensichtlich bemühte er sich, die Tränen zurückzuhalten.

»Meint Ihr etwa, mein Sohn bittet die anderen darum, ihn zusammenzuschlagen?«, hakte Magdalena nun nach. »Ist es das, was Ihr sagen wollt?«

Sie standen vor dem Gebäude der Schongauer Lateinschule in der Münzgasse, einem düsteren Bau, dessen Kamin so windschief auf dem Dach saß, dass Magdalena befürchtete, er könne jeden Moment herunterfallen und sie alle drei erschlagen. Im Erdgeschoss befand sich die städtische Schlachterei, aus der es süßlich nach Blut und Fleisch stank. Ein trockener Wind pfiff durch die Gassen und wehte Magdalena vereinzelte Schneeflocken ins Gesicht. Es war bitterkalt, doch die Wut ließ sie innerlich erglühen.

»Das ist jetzt schon das dritte Mal in diesem Monat, dass ihn seine Schulkameraden so zurichten!«, schimpfte sie und deutete dabei auf Peter. »Warum prügelt Ihr diese Tunichtgute nicht mit der Rute einmal windelweich, damit sie wissen, wie sich das anfühlt?«

»Äh, ich komme ja immer erst hinterher dazu«, sagte der Schulleiter leise und starrte dabei auf seinen Hut, als würde er eine winzige Laus beobachten. »Deshalb weiß ich nicht, wer dahintersteckt.«

Natürlich weißt du es, dachte Magdalena. Vermutlich sind es die Berchtholdtkinder oder die Blagen vom Semer oder irgendwelche andere Fratzen, deren Väter im Rat sitzen.

»Vielleicht sollte Euer Sohn sich bei den Lateinaufgaben ein wenig zurückhalten«, schlug Hans Weininger nun vor. Er war ein dürrer, knochiger Mann, der am liebsten Kantaten sang und sich ansonsten hinter dem Schulkatheder versteckte. Magdalena kannte ihn seit ihrer Kindheit. Immerhin hatte Weininger einst in Ingolstadt Theologie und sogar ein wenig Jura studiert. Damit war er schon weit gebildeter als der versoffene Schulleiter der deutschen Schule nahe dem Friedhof, bei dem die ärmeren Kinder lediglich das Vaterunser und ein wenig Rechnen mit dem Holzschieber lernten. Dorthin ging Peters jüngerer Bruder Paul, wenn er nicht den Unterricht schwänzte und unten am Lech durch die Auen tollte.

»Die Buben mögen es eben nicht gern, wenn sie ein Kamerad ständig verbessert«, gab Weininger zu bedenken. »Vor allem dann nicht, wenn … wenn, äh …«

Er stockte. Doch Magdalena wusste auch so, was er sagen wollte.

»Vor allem dann nicht, wenn dieser Schlaumeier ein Henkersbalg ist«, ergänzte sie verbittert. »Dank auch recht schön. Ich weiß selbst, aus welcher Familie ich stamme.«

Mittlerweile hatte Magdalena sich fast daran gewöhnt, dass sie für die Schongauer auf immer und ewig die ehrlose Henkerstochter sein würde. Obwohl ihr Mann Simon vor schon fast zwei Jahren zum Stadtarzt ernannt worden war, machten die Leute noch einen Bogen um sie. Dass der Makel ihrer Abstammung auch auf ihre Kinder überging, schmerzte Magdalena jeden Tag.

Und es machte sie unglaublich wütend.

»Mein Sohn hat mehr im Kopf als sämtliche Patrizierkinder zusammen!«, wandte sie sich voller Zorn an den Schulleiter. »Wenn er irgendwann mal ein angesehener Arzt sein wird, dann sicher nicht wegen Eures erbärmlichen Unterrichts.«

Weininger zuckte zusammen, und Magdalena spürte, dass sie zu weit gegangen war.

»Wenn Ihr meint, dass Euer Sohn zu gut für mich und Schongau ist, dann schickt ihn doch auf eine andere Schule«, bemerkte er süffisant. »Zum Beispiel auf das Jesuitenkolleg in München. Wie ich hörte, habt Ihr ohnehin vor, in die große Stadt zu reisen.« Er lächelte. »Klopft dort ruhig an, und stellt Euren Junior vor. Mal sehen, was die Patres von ihm halten.«

Magdalena biss sich auf die Lippen. Weininger hatte sie an einem wunden Punkt erwischt. »Ihr wisst genau, dass das nicht geht«, erwiderte sie knapp. »Nicht mit seinem Großvater. Und nun gehabt Euch wohl, Herr Schulmeister

Sie ließ Hans Weininger stehen und stapfte mit Peter an der Hand die Münzgasse entlang, bis sie außer Sichtweite waren. Innerlich kochte sie. Und das nicht nur, weil sie einmal mehr erfahren hatte, was es hieß, die Tochter des Schongauer Scharfrichters zu sein. Diese Stadt war eine einzige brodelnde Gerüchteküche! Offenbar wusste ganz Schongau bereits, dass die Familie Kuisl verreisen würde.

Einen Monat war es nun her, dass Jakob Kuisl eine überaus wichtige Einladung erhalten hatte: Er war in den sogenannten Rat der Zwölf gewählt worden, das oberste Gremium der bayerischen Scharfrichterzunft. Schon nächste Woche, zu Mariä Lichtmess, würden sich die einflussreichsten Henker Bayerns in München versammeln, und Jakob Kuisl war aufgefordert worden, dort auch seine Familie vorzustellen. Magdalena hatte lange überlegt, ob sie diese Reise wirklich auf sich nehmen sollte. Die kleine Sophia, ihre Jüngste, war gerade mal etwas über ein Jahr alt, es war bitterkalt, die Flüsse teils vereist. Doch sie wusste, dass sie ihrem Vater den Wunsch nicht verwehren konnte. Im Grunde war es ohnehin mehr ein Befehl gewesen.

Und vielleicht ist es ja die letzte Reise in seinem Leben, dachte Magdalena. Unwillkürlich drückte sie Peters kleine Hand fester.

Ihr Vater war alt, fast sechzig. Immer noch war er ein gefürchteter Henker, seine letzte Hinrichtung lag erst wenige Wochen zurück – ein vagabundierender Straßendieb, dessen Überreste nun am Schongauer Galgen im Wind baumelten. Doch auch wenn Kuisl stark war wie ein Ochse und schlau wie ein Fuchs, so wurden seine Bewegungen doch allmählich langsamer, fahriger. In seinem Blick lag die Last der vergangenen Jahrzehnte, die Bürde des Großen Krieges und all die Schmach, die ihm als ehrlosem Scharfrichter seitdem widerfahren war. Magdalena ahnte: Die Einladung nach München war auch eine Wiedergutmachung für viele Jahre der Verachtung. Sie und die übrigen Familienmitglieder mussten den Vater begleiten, ob sie nun wollten oder nicht.

Um sich von diesen düsteren Gedanken abzulenken, blieb Magdalena stehen und tupfte Peter mit einem Tuch Blut und Rotz aus dem Gesicht. Ein dünnes rotes Rinnsal floss ihm aus der Nase und erinnerte sie an die erlittene Ungerechtigkeit. Ihr Sohn war noch blasser als sonst, an seinem rechten Auge begann bereits ein Veilchen zu blühen. Die teure Hose war an einem Bein zerfetzt und musste genäht werden.

»Warum schlägst du denn nicht zurück?«, fragte Magdalena verbittert ihren schmalen Ältesten, der unter dem dünnen Hemd sichtlich fror. »Deinem Bruder Paul wäre das nie passiert! Er ist ein Jahr jünger als du, und trotzdem nehmen sogar die Zehnjährigen vor ihm Reißaus. Warum kannst du dich nicht wehren?« Im gleichen Moment taten ihr diese Worte leid, doch es war zu spät. Peter wandte sich von ihr ab, sein kleiner dünner Körper versteifte sich.

»Sie waren zu fünft«, sagte er nach einer Weile leise. »Das hätte auch der Paul nicht geschafft.«

»Wer war es? Raus mit der Sprache! Der räudige Berchtholdt? Der kleine fette Seiler? Ich knöpf sie mir einzeln vor. Ich geh zu ihren Eltern und …«

Peter schüttelte den Kopf, und Magdalena verstummte abrupt.

»Dann wird es nur noch schlimmer«, flüsterte er. »Sie sind so dumm. Sie haben bloß ihre Fäuste.« Er versuchte ein Lächeln. »Wenn sie mich schlagen, schließe ich einfach die Augen und denke an etwas Schönes. An die Bilder in der Altenstadter Kirche zum Beispiel oder an ein Gedicht von Ovid.«

Magdalena seufzte. Als sie und ihr Mann Simon ihren älteren Sohn auf die Schongauer Lateinschule schickten, hatten sie gewusst, dass es für Peter schwer werden würde. Zuvor war er im nahe gelegenen Oberammergau in die Schule gegangen, doch das war nur von kurzer Dauer gewesen. Als Sohn des hiesigen Stadtmedicus war Peter berechtigt, die hiesige Lateinschule zu besuchen, abgesehen davon war er klug, feinfühlig und künstlerisch begabt. Seine Zeichnungen und anatomischen Entwürfe verrieten großes Talent.

Aber er war eben auch der Enkel des Schongauer Henkers.

»Was hältst du davon, wenn wir deinem Vater einen Besuch abstatten?«, fragte Magdalena augenzwinkernd. Sie wusste, dass Peter am liebsten bei Simon in der Arztstube war. Dort lernte er vermutlich in einer Stunde mehr als in einer Woche beim tattrigen Weininger. Allerdings war Simon mit den vielen Fragen seines Ältesten oft ein wenig überfordert. Außerdem hatte Peter schon zweimal wertvolle anatomische Skizzen mit eigenen Zeichnungen verunziert – sehr zum Ärger des Vaters.

Peter nickte freudig und wischte sich den restlichen Rotz aus dem Gesicht. Hand in Hand eilten sie die vereiste Münzgasse hinauf zum Hoftorviertel, wo sich unweit des alten Schlosses Simons Praxis im Wohnhaus der Familie befand.

Als Magdalena vor dem frischgetünchten Fachwerkgebäude mit angebautem Stall und rückwärtigem Garten stand, erfüllte sie einmal mehr heimlicher Stolz. Es war noch nicht lange her, dass sie mit Simon und den Kindern unten im stinkenden Gerberviertel im Haus ihres Vaters gewohnt hatte. Nun residierten...

Erscheint lt. Verlag 14.7.2017
Reihe/Serie Die Henkerstochter-Saga
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Archer • Bayern • Bayern /Geschichte • Buch 2017 • Henker • historisch • Historische Kriminalromane • Historischer • Historischer Roman • Jeffrey Archer • Mittelalter • möge die stunde kommen • München • Neu 2017 • Neuerscheinung 2017 • Neuerscheinungen 2017
ISBN-10 3-8437-1512-2 / 3843715122
ISBN-13 978-3-8437-1512-6 / 9783843715126
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