The Kingdom over the Sea - Das Land der tausend Träume (The Kingdom over the Sea 1) (eBook)
368 Seiten
arsEdition GmbH (Verlag)
978-3-8458-5562-2 (ISBN)
Zohra Nabi wurde 1998 geboren. Bereits als Kind erfand sie zahlreiche Geschichten für ihre beiden jüngeren Schwestern. Später studierte sie Jura an den Universitäten Cambridge und Oxford, träumte aber insgeheim davon, Autorin zu werden. Jetzt lebt sie in London, stöbert in Buchläden und schreibt magische Abenteuer.
Prolog
Eine seltsame Dunkelheit hatte sich in jener Nacht über die Stadt Zehaira gelegt. Eine tiefe, geheimnisvolle Dunkelheit, mit Unwetterhimmel und prasselndem Regen. Eine Dunkelheit, angesichts derer alle der Zauberei Mächtigen, die ihr Geld wert waren, sofort verkündet hätten, es liege starke Magie in der Luft.
Gewiss, Magie strömte seit jeher wie Sternenlicht in die Stadt, doch während der letzten Jahrhunderte wurde sie beständig vom Mauerwerk erdrückt, vom Lärm der Händler gedämpft und vom dichten Rauch erstickt, den die Alchemisten im Palast des Sultans bei ihrer Arbeit aufsteigen ließen. In Zehaira durften die freien Dschinn sich nur noch missmutig außerhalb der Stadtmauer herumdrücken, wo sie in den Schatten lauerten und nach den Fersen der Vorübergehenden schnappten.
Doch die Magie jener Nacht war anders. Sie war wild, unbegreifbar, wie sie durch die Stadt schlich und die Silbersichel des Neumonds verdeckte. Und da die Zaubermächtigen von Zehaira ihr Geld – und noch einiges mehr – wert waren, hatten sie ein Ratstreffen einberufen, um über die Bedeutsamkeit dieses Omens zu debattieren. In Umhängen und mit düsteren Mienen stiegen sie hinab in die unterirdischen Gänge, die ihre Häuser mit der Großen Bibliothek verbanden, und versammelten sich dort schließlich unter der großen Bernsteinkuppel. Einzig das Trommeln des Regens auf den Dächern klang durch den Magierbezirk, die Straßen waren verlassen.
Verlassen – abgesehen von einer jungen Frau. Ein Bündel fest an die Brust gepresst, hetzte sie durch die Gassen und glitt in ihrer Hast immer wieder auf den Pflastersteinen aus. Jenseits des Bezirks waren die Stimmen von Männern zu hören, schwach zwar, doch sie wurden lauter und näherten sich.
Und sie klangen nicht freundlich.
Die Frau erreichte eine Tür, die drittletzte in der Straße. Sie blieb davor stehen und ihr Gesicht nahm einen entschlossenen Ausdruck an, die Brauen zusammengekniffen, der Mund trotzig verzerrt. Sie hob eine Faust und hämmerte gegen das Holz.
Die Tür öffnete sich einen Spalt. Ein Paar bernsteinfarbener Augen lugte hindurch und die Frau stieß ein erleichtertes Schluchzen aus.
»Zuflucht«, keuchte sie.
»Verzeihung?«
»Lassen Sie mich ein, bitte. Ich brauche Ihre Hilfe.«
Der Spalt wurde etwas breiter. Das Licht des Hauses ließ nun ein weites Studierendengewand und das Gesicht einer jungen Frau unter dem Turban erkennen.
»Verzeihung«, sagte die Studentin erneut. »Ich kann keine Fremden ins Haus lassen. Auf der Tür liegt ein Zauber.«
Sie blickte an der anderen jungen Frau vorbei in die Nacht hinaus. Plötzlich wurden die Geräusche der herannahenden Männer vom Läuten mehrerer Glocken übertönt, deren ohrenbetäubendes Bimbam von der Stadtmauer widerhallte. Die Frau begann, vor Angst zu zittern.
»Die sind Ihretwegen hier. Sie sind auf der Flucht«, sagte die Studentin bedächtig und musterte dabei die Frau.
»Ich habe nichts Falsches getan«, versicherte diese und umklammerte ihr Bündel noch fester. »Wenn überhaupt, dann ist das alles nur passiert, weil ich das Richtige tun wollte.«
Als sie das Zögern der Studentin sah, ergriff sie deren Handgelenk. »Bitte. Sie müssen mir helfen. Wenn Sie mich abweisen, werden sie mich finden und töten – und sie werden sie töten.«
»Sie?«
In diesem Moment regte das Bündel sich, zappelte und schniefte, bevor es aus vollem Hals zu schreien begann.
Die Studentin fuhr vor Schreck beinahe aus der Haut. »Das ist ein Baby.«
»Ist es. Aber weder die Kleine noch ich werden noch lange irgendwas sein, wenn Sie uns nicht einlassen.«
Die Studentin biss sich auf die Unterlippe, verschränkte die Arme und rang offenbar mit sich. Schließlich murmelte sie: »Sprechen Sie die Worte. Dann bleibt mir keine andere Wahl, als Ihnen Zuflucht zu gewähren.«
»Welche Worte?«
»Ich darf Ihnen nicht sagen, wie sie lauten!«, erwiderte die Studentin aufgewühlt. »Gewiss hat man sie Ihnen als Kind beigebracht, oder nicht?«
Die Frau blinzelte. Offenbar hatte sie im Augenblick anderes im Kopf als Kinderreime, aber sie schloss die Augen und zog die Stirn in tiefe Falten. Das Baby, das von diesen Bemühungen nichts ahnte, schrie nur noch lauter.
»Moment. Morgen … Nein – Oh, kannst du nicht still sein?
Durch Dämmergrau und finstre Nacht
Beschütz uns, bis der Morgen wacht.«
Die Studentin seufzte erleichtert und zog die Tür auf. »Treten Sie ein, schnell.«
Sie führte die junge Frau durch einen langen Flur, dessen Wände aufwendig mit gemalten geometrischen Mustern und Sternbildmosaiken verziert waren, bis zu einem kleinen Zimmer im hinteren Teil des Hauses. Es wirkte gemütlich und war ringsum von Bücherregalen gesäumt, die auf den ersten Blick erkennen ließen, mit wie viel Liebe und Sorgfalt sie behandelt wurden. Auch das Baby schien sich in dieser Umgebung sofort wohler zu fühlen. Die Kleine hörte auf zu weinen und schnaufte zufrieden.
»Die Bediensteten sind schon nach Hause gegangen und Professor Al-Qamar kommt erst morgen früh wieder«, erklärte die Studentin. »Hier sind Sie in Sicherheit.«
»Der Professor ist nicht da? Aber ich muss mit ihm sprechen.«
»Er wird im Morgengrauen zurück sein, ganz sicher.«
»Das ist zu spät. Wir müssen noch heute Nacht fort. Ich bin hier, weil wir einen sicheren Reisezauber brauchen.«
Die Studentin blinzelte und beäugte die Frau aufmerksam.
»Das ist alte Magie. Wie in allen sieben Sphären haben Sie davon gehört?«
Die Frau schwieg. Ihr Gesicht verriet pure Verzweiflung.
»Na ja …« Die Studentin schluckte nervös, fasste sich jedoch wieder. »Ich schätze … theoretisch beherrsche ich diesen Zauber. Ich könnte Ihnen helfen – vielleicht. Aber ich bräuchte natürlich auch etwas von Ihnen.«
»Ich kann Sie angemessen bezahlen.« Die Frau griff unter den Schal des Babys und holte einen Edelstein hervor, der selbst im spärlichen Flackerschein der Lampe hell glänzte und funkelte. »Es ist ein Rubin – der ist doch gewiss einen kleinen Zauber wert?«
Die Studentin zog die Stirn in Falten. Die Frau vor ihr war zwar alles andere als heruntergekommen, aber ihre gesamte Kleidung – vom Schalwar bis zum Schultertuch – wirkte ein wenig zerschlissen, so als wäre alles bereits mehrfach geflickt worden. Der Edelstein hingegen schillerte, als loderte darin ein winziges Feuer.
Schließlich sagte die Studentin: »Den haben Sie gestohlen.«
»Nein, hab ich nicht.« Die Frau kniff die Augen zusammen. »Die Dame, der er gehörte, hätte gewollt, dass ich ihn bekomme.«
»Aber sie hat ihn Ihnen nicht gegeben?« Erneutes Schweigen. »Dann kann ich ihn nicht annehmen.«
»Warum nicht?«, fuhr die Frau auf. »Nur ein Zauber – sonst haben wir keine Chance. Spielt es wirklich eine Rolle, wenn ich Sie nicht bezahlen kann?«
»Es geht nicht um Bezahlung«, blaffte die Studentin zurück. »Ein solcher Zauber braucht Energie, und diese Energie kann nicht von etwas stammen, das Ihnen nichts bedeutet. Haben Sie nicht vielleicht … ach, was weiß ich … eine Halskette Ihrer Mutter oder einen Ring Ihrer Großmutter?«
Die Frau blickte an sich hinunter. Sie war so offensichtlich mit nichts als den Kleidern am Leib geflohen, dass es der Studentin leidtat, sie überhaupt danach gefragt zu haben. Doch dann blickte die Frau auf das Baby, das nun in ihren Armen schlief.
»Was ist mit ihr?«, fragte sie.
Die Studentin runzelte die Stirn und schien zunächst nicht zu verstehen – dann riss sie die Augen so weit auf, dass es beinahe komisch wirkte.
»Wie bitte?«
»Sie gehört mir, wenn man so will. Was, wenn ich sie Ihnen verspreche?«
Die Studentin spannte sich an. »Sie wissen ja nicht, was Sie tun«, erwiderte sie mit scharfer Stimme. »Nehmen Sie das zurück. Nehmen Sie das sofort wieder zurück.«
»Ich weiß genau, was ich tue«, beharrte die Frau. »Ich verspreche Ihnen das Baby im Tausch für Ihre Hilfe.«
Die Studentin schloss voller Entsetzen die Augen und vergrub das Gesicht in den Händen.
»Oh, bei den neun Sternen«, murmelte sie. »Das darf nicht wahr sein.« Sie wandte sich wieder der Frau zu. »Was soll ich denn mit einem Baby? Was ist mit meinem Leben, meinen Plänen? Ich bin achtzehn, ich bin Jahrgangsbeste – ich werde vielleicht eines Tages die Große Hohemagierin sein. Soll ich das alles aufgeben, um ein Kind großzuziehen?«
»Nur keine voreiligen Schlüsse«, entgegnete die Frau. »Wer hat denn irgendetwas von großziehen gesagt?«
Die Studentin linste zwischen den Fingern hindurch. »Wie meinen Sie das?«
»Für den Zauber muss ich sie...
Erscheint lt. Verlag | 26.3.2024 |
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Übersetzer | Doris Attwood |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch |
ISBN-10 | 3-8458-5562-2 / 3845855622 |
ISBN-13 | 978-3-8458-5562-2 / 9783845855622 |
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