Discorsi

Unterredungen und mathematische Beweisführung zu zwei neuen Wissensgebieten, die Mechanik und die Fallgesetze betreffend

* 1 Bewertung

(Autor)

Ed Dellian (Herausgeber)

Buch | Hardcover
LV, 364 Seiten
2015
Felix Meiner (Verlag)
978-3-7873-2811-6 (ISBN)
34,90 inkl. MwSt
Die Discorsi von 1638 enthalten die Summe des philosophischen und wissenschaftlichen Lebenswerks Galileo Galileis (1564 – 1642). Sie zählen mit Newtons Principia von 1687, die auf Galileis Arbeit aufbauen, zum wichtigsten Erbe des vergangenen Jahrtausends.

Dennoch sind sie heute mindestens so unbekannt wie Newtons Buch. Das liegt an der geometrischen Methode dieser Autoren, die in der Philosophie nach Platon niemals heimisch geworden ist und der Wissenschaft nach Newton abhanden kam. Damit ging ein tragendes Element der geometrischen Bewegungslehre verloren.

Galileis Bewegungsgesetz ist eine viergliedrige Verhältnisgleichung (tetraktys). Raum und Zeit sind darin quantisiert mit zueinander proportionalen Elementen präsent. Ihr Verhältnis reguliert als bisher unbekannte Naturkonstante die Wechselwirkung von immaterieller schöpferischer Kraft und materiellem Effekt. Gerade aus der Perspektive der modernen Physik hat das Konsequenzen für das mathematische und philosophische Verständnis der Bewegung: Galileis und Newtons Theorie folgt der Lehre von den gleichen ganzzahligen Vielfachen (Euklid, Elemente V, Def. 5).

Sie ist eine diskrete oder Quantentheorie der Bewegung und ihrer Ursache in der gleichfalls diskreten »Raumzeit«. Das zeigt gegen Aristoteles, Descartes, Leibniz, Kant, Mach und Einstein, dass Raum und Zeit »an sich« in einer realistischen Bewegungslehre unverzichtbar sind, und entzieht den Relativitätstheorien die Grundlage.

Der italienische Mathematiker, Physiker, Astronom und Philosoph Galileo Galilei (1564 - 1642) gilt als Begründer der klassischen Mechanik und leitete, vor allem durch eine klare Methodenlehre,das Zeitalter der exakten Naturwissenschaften ein. In reinen Gedankenexperimenten entwickelte er die Fallgesetze - ob er zu deren Bestätigung am Schiefen Turm zu Pisa Fallversuche durchführte, ist nicht einwandfrei erwiesen. Galilei baute das ein Jahr früher in Holland erfundene Fernrohr nach und benutzte es zu astronomischen Beobachtungen. Seit 1610 trat Galilei öffentlich für das heliozentrische Weltsystem des Kopernikus ein, weshalb es schließlich zueinem Prozeß vor dem Inquisitionstribunal in Rom kam. Dieser endete mit seiner Abschwörung und Verurteilung zu unbefristeter Haft, die er in seinem Landhaus verbrachte. Dort verfasste er auch sein für die weitere Entwicklung der Physik wichtigstes Werk, die »Unterredungen und mathematische Demonstrationen über zwei neue Wissenszweige, die Mechanik und die Fallgesetze betreffend«.

Ed Dellian (geb. 1939) studierte zunächst Rechtswissenschaften in München und Berlin und arbeitete als Rechtsanwalt. Später folgten Universitätsstudien in Physik und Geschichte der Naturwissenschaften (München, Salzburg) sowie in Philosophie an der Freien Universität Berlin. 1988 Herausgeberschaft von Isaac Newtons »Mathematische Grundlagen der Naturphilosophie« (PhB 394) und 1990 Übersetzung von Clarkes Briefwechsel mit Leibniz (PhB 423).

Erscheint lt. Verlag 26.6.2015
Reihe/Serie Philosophische Bibliothek ; 678
Übersetzer Ed Dellian
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Maße 122 x 190 mm
Gewicht 421 g
Einbandart Leinen
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Philosophie der Neuzeit
Mathematik / Informatik Mathematik
Naturwissenschaften Physik / Astronomie Mechanik
Naturwissenschaften Physik / Astronomie Theoretische Physik
Schlagworte Kosmologie • Naturphilosophie • Naturphilosophie (Einzelne Epochen); Renaissance • Philosophie der Physik
ISBN-10 3-7873-2811-4 / 3787328114
ISBN-13 978-3-7873-2811-6 / 9783787328116
Zustand Neuware
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1 Der gefälschte Galilei – Prädikat: Nicht empfehlenswert

von (Mühltal), am 17.04.2023

Weil mir die deutschsprachige Galilei-Rezeption außerordentlich wichtig ist, wollte ich eigentlich eine seriöse Rezension frei von polemischen Anmerkungen verfassen. Angesichts dessen, was ich in dieser, immerhin im renommierten Felix-Meiner-Verlag erschienenen, »Discorsi«-Ausgabe gelesen habe, ist mir die Umsetzung dieses Vorsatzes mit jeder Zeile der Lektüre dieses Buches zunehmend schwerer gefallen. Obwohl sie in der »Philosophischen Bibliothek« und damit in einer Reihe etwa mit Hegel oder Kants Kritiken erschienen ist, hat diese Discorsi-Ausgabe weder etwas mit Philosophie noch etwas mit Physik zu tun. Diese auf vier Tage verkürzte Discorsi-Version mit eklatanten Fehlstellen ohne Quellenangaben und Belegen, einer fachwissenschaftlich fragwürdigen Übersetzung eines selbstgerechten und sich selbst überschätzenden Herausgebers, der für sich die Deutungshoheit über die philosophischen Grundlagen der Werke von Galilei (und Newton) beansprucht. Die von ihm selbst angekündigte „wissenschaftliche Sensation“ (S. XII) ist eine arrogante Selbstüberschätzung, die insbesondere im Umgang mit der Konkurrenz und potentiellen Kritikern zur Geltung kommt. Er wendet sich mit seiner Interpretation der Discorsi gegen alles was in der Philosophie und Physik Rang und Namen hat: »Gegen Aristoteles, Descartes, Leibniz, Kant, Mach und Einstein, dass Raum und Zeit „an sich“ in einer realistischen Bewegungslehre unverzichtbar sind, und entzieht den Relativitätstheorien die Grundlage.« (Online-Klappentext) Weiter heißt es dazu in der Einleitung (S. LI): Die genannten Autoren hätten »ihre Wissenschaft … nicht wirklich verstanden, weil sie ihre Wissenschaft nicht von den Grundlagen her studierten.« Einstein unterstellt er gar einen »blinden Glauben an die Sekundärliteratur«.
Als ehemaliger Physiklehrer habe ich nahezu 40 Jahre Inhalte aus den Discorsi in meinen historisch-genetisch gestalteten Mechanik-Unterricht integriert, allerdings nur Galilei-Texte aus der um 1900 herum erschienen Ostwalds-Klassiker-Ausgabe mit der Übersetzung und Kommentierung des Physikers Arthur von Oettingen. Um diesem sorgfältig redigierten Konkurrenzprodukt, mit der sich Generationen von Schülern, Studenten, Autoren, Physikern und Wissenschaftshistorikern Galileis Werk zum Verständnis der Entwicklung der modernen Naturwissenschaft angeeignet haben, den Rang abzulaufen, schreckt der Herausgeber und Übersetzer dieser Ausgabe selbst vor Unwahrheiten nicht zurück. Nur ein Beispiel: Dass angeblich »von Oettingen … „Impetus“ zumeist mit »Geschwindigkeit« übersetzt“, wie Dellian auf S. IX behauptet, ist schlichtweg falsch. Dass er hingegen ohne jede Selbstkritik »spatium« (bzw. »spazio«) durchgängig als »durchmessenen Raum« –und nicht wie es physikalisch betrachtet richtig wäre, mit »zurückgelegten Weg« oder »Strecke«– übersetzt, führt zu eklatanten Verständnisproblemen. Dazu eine Leseprobe zum IV. Axiom am dritten Tag der Discosi: »Bei ein und derselben Zeit ist die Geschwindigkeit, mit der ein größerer Raum durchmessen wird, größer als die Geschwindigkeit, mit der ein geringerer Raum durchmessen wird.« (S. 183) Die aus dieser Definition abgeleitete Maßeinheit der Geschwindigkeit wäre »Kubikmeter pro Sekunde« (m3/s oder km3/h). Wenig hilfreich und eher verwirrend ist die dazu von Dellian gegebene Erläuterung auf Seite XXIII: Das »Maß« sei die »endliche Strecke« und könne »somit als „relativer Raum“ (Abstand, Strecke, Weg) bezeichnet werden.«
Zur Klarstellung: Was Galilei darunter physikalisch wirklich versteht, wird aus der Übersetzung von Oettingens klar (S. 142): »Die Geschwindigkeit, bei welcher in einer gewissen Zeit eine grössere Strecke zurückgelegt wird, ist grösser, als die Geschwindigkeit, bei welcher in derselben Zeit eine kleinere Strecke vollendet wird.« Mit anderen Worten: Der Sache nach hat Galilei hier den Begriff der »Geschwindigkeit« definiert als Quotient aus dem »zurückgelegtem Weg« und der dazu »benötigten Zeit«. Daraus resultiert die selbst in jeder Fahrschule gelehrte Maßeinheit »Meter pro Sekunde« (m/s bzw. km/h). Dass der Herausgeber nicht wirklich etwas mit Physik zu tun haben will, räumt er freimütig ein: Man dürfe nicht den Fehler machen, »Galileis Werke durch die analytische Brille der klassischen Schulmechanik zu lesen oder seine natürliche Philosophie „logisch“ zu verstehen.« (S. IX) Und dem Physiker von Oettingen wirft der Jurist Dellian »seine sehr anfechtbare Übertragung einiger anderer technischer Begriffe Galileis in die Sprache der Schulphysik« vor, allerdings ohne diese Begriffe zu benennen und ohne Beleg. Außerdem sei diese »Schulphysik weltanschaulich nicht neutral. In Wahrheit ist sie ein materialistisches Konstrukt.« (S. L)
Wer sich solche Enttäuschungen ersparen will, empfehle ich dringend die sorgfältig redigierte einbändige Discorsi-Ausgabe in der Übersetzung und Kommentierung von Arthur v. Oettingen, die mehrfach nachgedruckt wurde, zuletzt im Europa-Verlag. Viele Antiquariate haben gut erhaltene Exemplare der von 1964 bis 1983 in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft erschienenen Ausgabe für ca. 15 Euro im Angebot. Kostenlos erhältlich sind die auf verschiedenen Internetplattformen wie »Internet Archive« oder »sicArs-didactica« zum Download bereitgestellten Discorsi in Form der in drei Einzelbänden erschienen »Ostwalds Klassiker«. Wer sich für diese von Oettinger-Ausgaben entscheidet, erhält Galileis Discorsi auch komplett mit den Diskursen vom ersten bis zum sechsten Tag. Die im Felix-Meiner-Verlag von Ed Dellian herausgegebene und übersetzte Ausgabe enthält indessen nur vier Tage, ist gewissermaßen eine Light-Version der von Antonio Favaro herausgegebenen offiziellen Werkausgabe, der Edizione Nationale Volume VIII, die ebenfalls kostenlos aus dem »Internet Archive« heruntergeladen werden kann.
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