Mitternacht in Tschernobyl (eBook)

Die geheime Geschichte der größten Atomkatastrophe aller Zeiten
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
640 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-403825-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mitternacht in Tschernobyl -  Adam Higginbotham
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In seinem Tschernobyl-Thriller deckt Adam Higginbotham auf, was wirklich geschah. Mit großer Erzählkunst und basierend auf intensiver Recherche zeichnet er nach, wie am frühen Morgen des 26. April 1986 der Reaktor 4 des Kernkraftwerks in Tschernobyl explodierte und die schlimmste Atomkatastrophe der Geschichte auslöste. Seither gehört Tschernobyl zu den kollektiven Albträumen der Welt: eine gefährliche Technologie, die aus den Rudern läuft, die ökologische Zerbrechlichkeit und ein ebenso verlogener wie unachtsamer Staat, der nicht nur seine eigenen Bürger, sondern die gesamte Menschheit gefährdet. Wie und warum es zu der Katastrophe kam, war lange unklar. Adam Higginbotham hat zahllose Interviews mit Augenzeugen geführt, Archive durchforstet, bislang nicht veröffentlichte Briefe und Dokumente gesichtet. So bringt er Licht in die Geschichte, die bislang im Sumpf von Propaganda, Geheimhaltung und Fehlinformationen verborgen lag. Erschütternd, packend: »Wie ein Thriller.« Luke Harding

Adam Higginbotham hat mit großer Hingabe und Genauigkeit über zehn Jahre zu dem Unfall in Tschernobyl geforscht. Er hat Zugang zu Archiven bekommen, die bisher verschlossen waren, und über hundert Stunden Interviews geführt mit Männern und Frauen, die die Katastrophe hautnah miterlebt haben. Adam Higginbotham schreibt für »The New Yorker«, »The New York Times Magazine«, »Wired«, »GQ«, und »Smithsonian«. Zuvor war er US-Korrespondent für »The Sunday Telegraph Magazine« sowie Chefredakteur von »The Face«. Er lebt mit seiner Familie in New York City.

Adam Higginbotham hat mit großer Hingabe und Genauigkeit über zehn Jahre zu dem Unfall in Tschernobyl geforscht. Er hat Zugang zu Archiven bekommen, die bisher verschlossen waren, und über hundert Stunden Interviews geführt mit Männern und Frauen, die die Katastrophe hautnah miterlebt haben. Adam Higginbotham schreibt für »The New Yorker«, »The New York Times Magazine«, »Wired«, »GQ«, und »Smithsonian«. Zuvor war er US-Korrespondent für »The Sunday Telegraph Magazine« sowie Chefredakteur von »The Face«. Er lebt mit seiner Familie in New York City. Irmengard Gabler war nach dem Studium der Anglistik und Romanistik in Eichstätt und London einige Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für romanische Literaturwissenschaft an der Universität Eichstätt tätig. Seit 1993 übersetzt sie Belletristik und Sachbücher aus dem Englischen, Französischen und Italienischen (u.a. Cristina Campo, Serena Vitale, Philippe Blasband, Christopher J. Sansom, John Dickie, Adam Higginbotham). Die Übersetzerin lebt in München.

ein fesselndes, informatives und zutiefst erschütterndes Buch. Adam Higginbotham hat – und das ist sein großer Verdienst - dem Super-Gau ein menschliches Gesicht gegeben.

Ein hochspannendes Buch.

eine veritable Tschernobyl-Enzyklopädie, die zugleich so fesselnd zu lesen ist wie ein Filmdrehbuch

Ein packend geschriebenes Buch, das den Leser erschaudern lässt ob der Fehlentscheidungen der sowjetischen Führung.

Man liest dieses meisterhafte Buch mit angehaltenem Atem.

ein Tatsachenbuch, das so packend ist wie ein Thriller

das Buch [...] wird zukünftig mit Sicherheit als das Standardwerk schlechthin zur Causa Tschernobyl gelten.

Spannender als die Serie "Chernobyl": [...] "Mitternacht in Tschernobyl" des amerikanischen Journalisten Adam Higginbotham erzählt die geheime Geschichte der größten Atomkatastrophe aus der Sicht der Beteiligten.

Kapitel 2 Alpha, Beta, Gamma


Fast alles im Universum besteht aus Atomen; Fragmente aus Sternenstaub, aus denen sich die Materie zusammensetzt. Eine Million Mal dünner als ein menschliches Haar, bestehen Atome fast nur aus leerem Raum. Doch im Zentrum eines jeden Atoms befindet sich ein Nukleus – unvorstellbar dicht, als hätte man sechs Milliarden Autos in einen kleinen Koffer gepresst –, voll gebundener Energie.[1] Der Nukleus, aus Protonen und Neutronen gebildet, wird von einer Elektronenwolke umkreist und von dem zusammengehalten, was in der Physik als »starke Wechselwirkung« bezeichnet wird.[2]

Die starke Wechselwirkung ist wie die Schwerkraft eine der vier Grundkräfte im Universum, und Wissenschaftler glaubten einmal, sie sei so mächtig, dass Atome unzerstörbar und unteilbar wären. Sie glaubten außerdem, dass »weder Masse noch Energie erzeugt oder zerstört werden« könnte.[3] 1905 widerlegte Albert Einstein diese Theorien.[4] Falls es irgendwie gelänge, Atome auseinanderzureißen, so seine Meinung, würde der Prozess ihre winzige Masse in eine verhältnismäßig große Energiefreisetzung verwandeln. Er definierte die Theorie mit einer Gleichung: Die freigesetzte Energie wäre gleichzusetzen mit der Menge an verlorener Energie, multipliziert mit der Lichtgeschwindigkeit im Quadrat. E=mc2.

1938 machte ein Wissenschaftlertrio in Deutschland eine essentielle Entdeckung: Wurden die Atome des Schwermetalls Uran mit Neutronen beschossen, konnten ihre Kerne in der Tat aufgebrochen werden und setzten Kernenergie frei. Sobald die Kerne sich aufspalteten, flogen ihre Neutronen mit hoher Geschwindigkeit davon, trafen auf andere Atome in der Nähe, deren Kerne ebenfalls aufbrachen, sodass noch mehr Energie freigesetzt wurde. Waren genügend Uranatome in der richtigen Konfiguration versammelt, um eine kritische Masse zu bilden, wurde der Prozess selbsterhaltend. Dabei spalteten die Neutronen eines Atoms den Nukleus eines anderen, wobei weitere Neutronen auf Kollisionskurs mit anderen Nuklei entsandt wurden. Bei Kritikalität konnte die resultierende Kettenreaktion berstender Atome – die Kernspaltung – unvorstellbare Mengen an Energie freisetzen.

Am 6. August 1945 detonierte um 8:16 Uhr, 580 Meter über der japanischen Stadt Hiroshima, eine Atombombe, die vierundsechzig Kilogramm Uran enthielt, und Einsteins Gleichung erwies sich als erbarmungslos korrekt.[5] Die Bombe selbst war äußerst ineffizient: Nur ein Kilogramm des Urans wurde gespalten, und nur siebenhundert Milligramm Masse – das Gewicht eines Schmetterlings – wurden in Energie umgewandelt.[6] Diese genügte jedoch, um innerhalb eines Sekundenbruchteils eine ganze Stadt auszulöschen. Etwa achtundsiebzigtausend Menschen starben sofort oder unmittelbar danach – verdampft, zerschmettert oder verbrannt in der Feuersbrunst, die der Druckwelle folgte.[7] Bis zum Jahresende sollten weitere fünfundzwanzigtausend Männer, Frauen und Kinder erkranken und sterben, weil sie der Strahlung ausgesetzt waren, die der erste Atomschlag der Welt freigesetzt hatte.

 

Strahlung entsteht beim Zerfall instabiler Atome. Die Atome verschiedener Elemente sind unterschiedlich schwer, je nach Anzahl der Protonen und Neutronen in jedem Nukleus.[8] Jedes Element weist eine feste Anzahl von Protonen auf, die sich niemals ändert und seine »Kernladungszahl« sowie seine Position im Periodensystem bestimmt: Wasserstoff hat nie mehr als ein Proton, Sauerstoff stets acht Protonen, Gold neunundsiebzig. Doch Atome desselben Elements können unterschiedlich viele Neutronen aufweisen, woraus verschiedene Isotope resultieren, die vom Deuterium (Wasserstoff mit einem Neutron statt zwei) bis hin zum Uranisotop 235 (Uranmetall mit fünf zusätzlichen Neutronen) reichen.

Werden dem Kern eines stabilen Atoms Neutronen beigefügt oder entzogen, entsteht ein instabiles Isotop.[9] Doch instabile Isotope versuchen immer, ihr Gleichgewicht wiederzufinden, indem sie Teile ihres Kerns abstoßen – wodurch entweder ein weiteres Isotop entsteht oder zuweilen auch ein völlig neues Element. Plutonium-239 zum Beispiel stößt zwei Protonen und zwei Neutronen seines Kerns ab, um zu Uran-235 zu werden. Dieser dynamische Prozess nuklearen Zerfalls ist Radioaktivität. Die Energie, die freigesetzt wird, wenn Atome Neutronen in Form von Wellen oder Teilchen abstoßen, ist Strahlung.

Strahlung ist überall um uns herum.[10] Sie entströmt der Sonne und dem Kosmos, daher weisen höher gelegene Städte eine größere Hintergrundstrahlung auf als solche, die auf Meereshöhe liegen. Unterirdische Thorium- und Uranvorkommen senden Strahlung aus, aber auch Gemäuer; Radioisotope sind in Steinen, Ziegeln und Lehm enthalten. Der Granit, der für die Errichtung des US-Kapitols benutzt wurde, ist dermaßen radioaktiv, dass das Gebäude gegen bundesstaatliche Sicherheitsvorschriften für Atomkraftwerke verstoßen würde. Jedes lebende Gewebe ist bis zu einem gewissen Grad radioaktiv; Menschen entsenden Strahlen, Bananen ebenso, weil beide kleine Mengen des Radioisotops Kalium-40 enthalten. Muskeln enthalten mehr Kalium-40 als anderes Gewebe, weshalb Männer im Allgemeinen radioaktiver sind als Frauen. Paranüsse, mit einer im Durchschnitt tausendmal höheren Radiumkonzentration als jedes andere organische Produkt, sind die radioaktivsten Nahrungsmittel der Welt.

Strahlung ist unsichtbar. Man kann sie weder schmecken noch riechen. Obwohl erst noch zu beweisen steht, dass schon geringste Strahlungsmengen Schäden verursachen, wird es eindeutig gefährlich, wenn die Teilchen und Wellen, die sie entsendet, stark genug sind, um die Atome umzuwandeln oder aufzubrechen, aus denen die Gewebe lebender Organismen bestehen. Diese energiereiche Radianz ist die ionisierende Strahlung.

Ionisierende Strahlung gibt es in drei Hauptformen: als Alphateilchen, Betateilchen und Gammastrahlen. Alphateilchen sind verhältnismäßig groß, schwer und langsam und können die Haut nicht durchdringen; selbst ein Blatt Papier könnte sich ihnen in den Weg stellen. Gelingt es ihnen aber, auf anderem Weg in unseren Körper zu gelangen – indem wir sie schlucken oder einatmen –, können Alphateilchen massive genetische Schäden herbeiführen und sogar tödlich sein. Radon-222, das sich als Gas in ungelüfteten Kellern anreichert, entsendet Alphateilchen in die Lunge und ruft dort Krebs hervor.[11] Polonium-210, ein starker Alphastrahler, ist eines der Karzinogene im Zigarettenrauch.[12] Es war auch das Gift in der Tasse Tee, die 2006 den früheren FSB-Agenten Alexander Litwinenko in London tötete.[13]

Betateilchen sind kleiner und schneller als Alphateilchen und können tiefer in lebendes Gewebe eindringen. Es entstehen sichtbare Verbrennungen auf der Haut und dauerhafte genetische Schäden. Ein Blatt Papier bietet keinen Schutz vor Betateilchen, Aluminiumfolie – oder genügend Abstand – jedoch schon. Jenseits einer Distanz von drei Metern können Betateilchen wenig Schaden anrichten. Gefährlich werden sie erst, wenn man sie in irgendeiner Weise zu sich nimmt. Weil der Körper sie für essentielle Elemente hält, können Betastrahler sich in bestimmten Organen in tödlicher Konzentration anreichern; Strontium-90, aus derselben chemischen Familie wie das Kalzium, wird in den Knochen eingelagert, Ruthenium vom Darm absorbiert; Jod 131 wird vor allem in der Schilddrüse von Kindern gespeichert, wo es Krebs auslösen kann.

Gammastrahlen – hochfrequente elektromagnetische Wellen, die mit Lichtgeschwindigkeit reisen – sind die dynamischsten von allen.[14] Sie können weite Strecken zurücklegen, durchdringen alles außer dicke Beton- oder Bleiplatten und zerstören Elektrogeräte. Gammastrahlen gehen direkt durch einen Menschen hindurch, ohne langsamer zu werden, wobei sie Zellen durchschlagen wie mikroskopisch kleine Gewehrkugeln.

Wer massiver ionisierender Strahlung ausgesetzt ist, entwickelt ein akutes Strahlensyndrom (ARS), bei dem das Gewebe des menschlichen Körpers auseinandergenommen, umgestaltet und bis ins Kleinste zerstört wird.[15] Zu den Symptomen zählen Übelkeit, Erbrechen, innere Blutungen und Haarausfall. Danach folgen der Zusammenbruch des Immunsystems, die Zerstörung des Knochenmarks, der Zerfall der inneren Organe und schließlich der Tod.

 

Für die Pioniere der Atomkraft, die sich im ausgehenden 19. Jahrhundert mit »strahlender Materie« befassten, waren die Wirkungen der Strahlung eine faszinierende Kuriosität.[16] Wilhelm Röntgen, der 1895 die Röntgenstrahlen entdeckte, sah während eines Experiments die Knochen seiner Hand an die Wand seines Labors projiziert und war begeistert. Doch als ihm kurz darauf das erste Röntgenbild der Welt gelang, von der linken Hand seiner Frau – samt Ehering – war letztere schockiert. »Ich habe meinen eigenen Tod gesehen!«, sagte sie.[17] Röntgen traf später Vorkehrungen, die ihn vor seiner Entdeckung schützten, aber andere waren...

Erscheint lt. Verlag 27.11.2019
Übersetzer Irmengard Gabler
Zusatzinfo 16 Seiten Tafelteil mit 35 s/w-Abbildungen; 5 Abbildungen s/w
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Zeitgeschichte ab 1945
Geisteswissenschaften Geschichte
Schlagworte 26. April 1986 • Abgrund • AKW • Atom-Ausstieg • Atomkraft • Chernobyl • Die Wolke • Geheimhaltung • Kernkraftwerk • Propaganda • Reaktor-Explosion • sowjetisches Imperium • Sowjetunion • Staat • Supergau • technisches Versagen • Thriller
ISBN-10 3-10-403825-2 / 3104038252
ISBN-13 978-3-10-403825-4 / 9783104038254
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