Roboterethik (eBook)

Eine Einführung

(Autor)

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2019 | 1., Originalausgabe
241 Seiten
Suhrkamp Verlag
978-3-518-76184-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Roboterethik - Janina Loh
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Maschinen und Moral

Die Philosophin Janina Loh befasst sich in ihrem grundlegenden Buch mit den moralischen Herausforderungen, die beim Bau von Robotern und im Umgang mit ihnen eine Rolle spielen: Sind Roboter autonom? Können sie gar moralisch handeln? Haben sie einen moralischen Wert? Sollten ihnen Rechte zuerkannt werden? Wer ist zur Rechenschaft zu ziehen, wenn ein Roboter einen Menschen schädigt? Kritisch diskutiert Loh diese und weitere ethische Fragen und stellt die wichtigsten Lösungsansätze vor.



<p>Janina Loh ist Universitätsassistentin im Bereich Technik- und Medienphilosophie an der Universität Wien.</p>

9Einleitung


Seit Mitte des 20. Jahrhunderts halten Roboter Einzug in immer mehr Bereiche des menschlichen Lebens. Angefangen mit der Industrie und ihrem ersten Roboter Unimate[1]  über Militär und Kriegsführung bis hin zu Service, Pflege, Medizin und Haushalt werden entweder bereits heute oder aber in absehbarer Zukunft Roboter eingesetzt. Die moralischen Fragen, die beim Bau von und im Umgang mit Robotern aufgeworfen werden, sind Gegenstand der philosophischen Disziplin der Roboterethik. Gegen eine häufig anzutreffende Intuition, dass Technik neutral sei, lässt sich einwenden, dass Technik allgemein Produkt menschlichen Handelns und damit immer (ob bewusst oder unbewusst) durch Normen und Werte bestimmt wird. Denn gerade durch ihre Intention unterscheidet sich eine Handlung vom Instinkt oder bloßen Verhalten (Anscombe 1957; Bratman 1987; Davidson 1980). Durch die Intention werden Werte in eine Handlung eingeschrieben. Menschen wählen über Gründe zwischen unterschiedlichen Handlungsalternativen, die zuvor implizit oder explizit gegen andere Gründe abgewogen wurden. Mit Robotern als spezifischen Technologien,[2]  den in ihnen implementierten Werten und den sich aus ihnen ergebenden (gesellschaftlichen) Konsequenzen gehen also immer moralische Fragen einher (siehe zur sogenannten Neutralitätsthese der Technik auch Kapitel 4).

Auf den folgenden Seiten wird zunächst eine innerdisziplinäre Abgrenzung der Roboterethik von anderen Ethiken sowie weiteren philosophischen Disziplinen vorgenommen. Danach wird die außerdisziplinäre Verwandtschaft der Roboterethik mit nichtphilosophischen Fächern besprochen, bevor die eigentlichen Themen und 10Fragen der Roboterethik und der sich daraus ergebende Aufbau der vorliegenden Studie vorzustellen sein werden. Eine (Arbeits-)Definition von »Roboter« erfolgt ebenfalls weiter unten im Text.

Innerdisziplinäre Abgrenzung: Die Roboterethik stellt innerhalb des sogenannten westlichen Kulturraums, auf den sich die folgenden Ausführungen beschränken, eine verhältnismäßig junge Bereichsethik dar, eine Teilbereichsethik der Maschinenethik, um ganz genau zu sein. Denn alle Roboter sind Maschinen, aber nicht umgekehrt alle Maschinen auch Roboter (Loh 2019a). Diese Einordnung der Roboterethik als (Teil-)Bereichsethik ruht auf einem Verständnis von Ethik als einer für Menschen spezifischen Kategorie des Handelns. So befasst sich die philosophische Disziplin der Ethik seit Aristoteles einerseits mit den menschlichen Sitten, Bräuchen und Gewohnheiten, andererseits mit dem guten Leben, nimmt darüber hinaus die wissenschaftliche Reflexion menschlicher Praxis vor und beurteilt die Kriterien guten und schlechten Handelns. Es wird vorausgesetzt, dass nur Menschen handelnde Wesen sind, deren Tun nicht blindem Instinkt und Trieb unterworfen ist, sondern durch Intentionen, Normen und Gründe geformt wird (Aristoteles 2006).

Die Rede von Bereichsethiken[3]  bezieht sich nun auf zwei Typen: Bei den einen handelt es sich um Ethiken für den Umgang mit einem nichtmenschlichen Gegenüber. Hierzu zählen neben der Maschinen- und Roboterethik auch die Tier-, Pflanzen-, Umwelt-, Computer- und allgemein die Technikethik. Ähnlich wie in der Roboterethik nimmt etwa die Tierethik die moralischen normativen Kriterien in den Blick, die in der Züchtung, Domestikation und Haltung von Tieren, allgemein im Umgang mit Tieren und im Verhältnis von Menschen und Tieren eine Rolle spielen (Beauchamp/Frey 2011; Regan 1983; Schmitz 2014; Singer 2015). Bereits der Roboterethiker David Gunkel hat festgestellt, dass sich die Roboterethik insbesondere der Tierethik verwandt fühlen kann, insofern »[d]ie Frage nach der Maschine das Gegenstück zu der Frage nach dem Tier« (2012: 5)[4]  darstelle. Dementsprechend 11hatte schon René Descartes Tieren und Maschinen zunächst denselben ontologischen Status zugeschrieben (Gunkel 2012: 3). Erst im 20. Jahrhundert wurde diese ontologische Gleichstellung von Tier und Maschine zugunsten der Tiere aufgehoben.

Die andere Gruppe an Bereichsethiken versammelt ethische Systeme für Sonderbereiche des menschlichen Lebens, in denen Werte vertreten, Normen geltend gemacht und Regeln formuliert werden, denen im Alltag der Menschen für gewöhnlich ein anderer Status zugeschrieben wird. Die Medizinethik, die Ethik humanitärer Interventionen, die Kriegs- und die Wirtschaftsethik sowie die Ethik internationaler Beziehungen lassen sich als Beispiele für diese Form von Bereichsethiken anführen. Dieser zweite Typ wird in der vorliegenden Studie lediglich am Rande angesprochen.

Nicht jede*r versteht die Roboterethik in der hier vorgeschlagenen Weise.[5]  Oliver Bendel etwa identifiziert schon die Maschinenethik nicht als Bereichsethik, sondern stellt sie »auf eine Stufe mit der Menschenethik«, obwohl er zuvor der traditionellen Auffassung zustimmt, der zufolge sich »Ethik üblicherweise auf die Moral von Menschen« richtet. Weiterhin sieht auch Bendel in der »Roboterethik eine Keimzelle und ein Spezialgebiet der Maschinenethik, wenn sie nicht – wozu man mehr und mehr tendiert – als Bereichsethik aufgefasst wird« (alle Zitate in 2017a: 5). Die vorliegende Untersuchung verpflichtet sich dagegen einer Einordnung der Roboterethik sowohl als Spezialgebiet der Maschinen- als auch als (Teil-)Bereichsethik derselben.[6] 

Die Roboterethik ist noch einmal von der Roboterphilosophie zu unterscheiden. Roboterethik ist eine Disziplin der Roboterphilosophie, die zusätzlich beispielsweise epistemologische, ästhetische, politikphilosophische und rechtsphilosophische Themen behandelt, wobei es innerhalb der Roboterphilosophie natürlich zu einer Überschneidung zahlreicher Fragen – wie etwa von ethischen 12und politikphilosophischen Fragen – kommt (Coeckelbergh 2016a; Coeckelbergh u. a. 2018; Ford u. a. 2006; Seibt 2018). Auch im Rahmen dieser Studie ergeben sich an mehreren Stellen Brückenschläge von der Roboterethik in etwa politikphilosophische Gebiete (insbesondere in den Kapiteln 3.2 und 3.3). Eine roboterspezifische Entsprechung der philosophischen Anthropologie, also der philosophischen Disziplin, die nach dem Wesen ›des‹ Menschen fragt, existiert hingegen nicht. Zumeist begnügt man sich auch in philosophischen Untersuchungen zu Robotern mit einer lediglich ein paar Zeilen umfassenden Definition, wie sie auch weiter unten in diesem Text vorgenommen wird (erst recht gilt das für nichtphilosophische Werke). Dieses Phänomen wird in Kapitel 2.3 noch einmal genauere Aufmerksamkeit erfahren, wenn es um Ansätze geht, die die klassische Differenzierung zwischen moralischen Subjekten und Objekten sowie die klare (und üblicherweise anthropologisch-essenzialistische) Grenzziehung zwischen Menschen als den im strengen Sinne einzigen moralischen Subjekten einerseits und nichtmenschlichen Wesen andererseits hinterfragen.

Ausserdisziplinäre Verwandtschaft: Aufgrund ihres Untersuchungsgegenstands tendieren Roboterethikerinnen und -ethiker zur Interdisziplinarität, denn sie erfahren erst aus der Kooperation mit der Informatik, Robotik, KI-Forschung, Kybernetik und weiteren Technik- beziehungsweise Computer- und Ingenieurswissenschaften, wie Roboter konstruiert, programmiert und designt werden. Umgekehrt zeigt sich in den vergangenen Jahren von Seiten der Technikwissenschaften sowie der Industrie ein wachsendes Bewusstsein für die ethischen Herausforderungen, die mit dem Bau und Vertrieb von Robotern einhergehen. Gleichwohl reichen diese Entwicklungen zumindest im deutschsprachigen Raum noch nicht so weit, verpflichtende Ethikkurse in der Ausbildung der Robotiker*innen von morgen zu etablieren oder Weiterbildungskurse für Unternehmen beziehungsweise in der Produktion von Robotern anzubieten (siehe hierzu auch Kapitel 4).

Nähere Bestimmung der Roboterethik und Aufbau dieser Studie: Im deutschsprachigen Raum stellt die Roboterethik noch keine allgemein anerkannte Disziplin innerhalb der akademischen Philosophie dar, auch wenn das Interesse an teildisziplinübergreifenden Kollaborationen wächst. Im Vergleich mit dem englischsprachigen Raum, wo die ethische Auseinandersetzung 13mit artifiziellen Systemen seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts einen Kanon klassischer Literatur hervorgebracht hat, präsentiert sich der deutschsprachige Diskurs...

Erscheint lt. Verlag 15.12.2019
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Ethik
Geisteswissenschaften Philosophie Philosophie der Neuzeit
Schlagworte AI • Chat-GPT • Drohnen • KI • Künstliche Intelligenz • Moralphilosophie • Selbstfahrende Autos • STW 2277 • STW2277 • suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2277 • Superintelligenz
ISBN-10 3-518-76184-6 / 3518761846
ISBN-13 978-3-518-76184-7 / 9783518761847
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