Papyrus (eBook)

Spiegel-Bestseller
Die Geschichte der Welt in Büchern
eBook Download: EPUB
2022 | 2. Auflage
752 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-61279-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Papyrus -  Irene Vallejo
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Das Buch ist eine der schönsten Erfindungen der Menschheit. Bücher lassen Worte durch Zeit und Raum reisen und sorgen dafür, dass Ideen und Geschichten Generationen überdauern. Irene Vallejo nimmt uns mit auf eine abenteuerliche Reise durch die faszinierende Geschichte des Buches, von den Anfängen der Bibliothek von Alexandria bis zum Untergang des Römischen Reiches. Dabei treffen wir auf rebellische Nonnen, gewiefte Buchhändler, unermüdliche Geschichtenerzählerinnen und andere Menschen, die sich der Welt der Bücher verschrieben haben.

Irene Vallejo, geboren 1979 in Saragossa, studierte klassische Philologie an der Universität von Saragossa und Florenz. Dabei entdeckte sie ihre Leidenschaft für die Antike. ?Papyrus?, ihr erstes Sachbuch, wurde in Spanien ein Bestseller, mit den wichtigsten Literaturpreisen des Landes ausgezeichnet und in 37 Sprachen übersetzt. Auch in ihren zahlreichen Auftritten als Gastrednerin und wöchentlichen Kolumnen in ?El País? berichtet sie über ihre Passion für die Antike. Sie ist Autorin von zwei Romanen und einigen Kinderbüchern und engagiert sich für soziale Projekte, die Kindern Kunst und Literatur näherbringen. Irene Vallejo lebt mit ihrer Familie in Saragossa.

Irene Vallejo, geboren 1979 in Saragossa, studierte klassische Philologie an der Universität von Saragossa und Florenz. Dabei entdeckte sie ihre Leidenschaft für die Antike. ›Papyrus‹, ihr erstes Sachbuch, wurde in Spanien ein Bestseller, mit den wichtigsten Literaturpreisen des Landes ausgezeichnet und in 37 Sprachen übersetzt. Auch in ihren zahlreichen Auftritten als Gastrednerin und wöchentlichen Kolumnen in ›El País‹ berichtet sie über ihre Passion für die Antike. Sie ist Autorin von zwei Romanen und einigen Kinderbüchern und engagiert sich für soziale Projekte, die Kindern Kunst und Literatur näherbringen. Irene Vallejo lebt mit ihrer Familie in Saragossa.

Seltsame Gruppen berittener Männer durchstreifen die Straßen Griechenlands. Die Bauern beobachten sie misstrauisch von den Feldern aus oder von den Hüttentüren. Aus Erfahrung wissen sie, dass nur gefährliche Leute reisen: Soldaten, Söldner, Sklavenhändler. Sie runzeln die Stirn und knurren, bis die Männer wieder am Horizont versinken. Sie mögen keine bewaffneten Fremden.

Die Reiter nehmen von den Dorfbewohnern keine Notiz. Monatelang haben sie Berge bestiegen, Schluchten genommen, Täler durchquert, Flüsse durchwatet und sind von Insel zu Insel gesegelt. Ihre Widerstandskräfte und Muskeln sind stärker geworden seit dem Antritt ihrer sonderbaren Mission. Um diesen Auf‌trag zu erfüllen, müssen sie sich in die rauen Territorien einer sich ständig bekriegenden Welt vorwagen. Sie jagen nach einer ganz besonderen Beute. Einer stillen Beute, einer schlauen, die nicht die geringsten Spuren hinterlässt.

Wenn sich diese unheimlichen Gesandten in irgendeine Hafenkneipe setzen, Wein trinken, gebratenen Tintenfisch essen, sich mit Fremden unterhalten und gemeinsam betrinken würden (aus Vorsicht tun sie das nie), könnten sie großartige Reisegeschichten erzählen. Sie hatten sich in Pestgebiete gewagt. Waren durch niedergebrannte Gegenden gereist und hatten die heiße Asche der Zerstörung und die Brutalität der Rebellen und Söldner auf Kriegspfaden gesehen. Landkarten von ausgedehnten Gebieten gab es noch nicht, und so verirrten sie sich und wanderten tagelang ziellos bei sengender Sonne und Stürmen umher. Sie mussten ekelhaftes Wasser trinken, das ihnen heftigen Durchfall bescherte. Wenn es regnete, blieben die Kutschen und Maultiere in Pfützen stecken; mit Rufen und Flüchen zerrten sie dann an ihnen, bis sie selbst auf die Knie gingen und in den Schlamm fielen. Wurden sie fern jeder Bleibe von der Nacht überrascht, schützte sie nur ihr Mantel vor den Skorpionen. Sie kennen die irren Läuseplagen und die ständige Angst vor Räubern, die die Straßen befallen. Oft stockt ihnen das Blut in den Adern, wenn sie durch die Einsamkeit reiten und sich vorstellen, dass sie eine Gruppe von Banditen mit angehaltenem Atem belauert, sich hinter irgendeiner Biegung des Weges versteckt, um über sie herzufallen, sie kaltblütig zu ermorden, auszurauben und ihre noch warmen Leichen im Gebüsch zurückzulassen.

Logisch, dass sie Angst haben. Der König von Ägypten hatte ihnen große Summen anvertraut, bevor er sie zu ihrem Auf‌trag auf der anderen Seite des Meeres entsandte. Zu jener Zeit, nur wenige Jahrzehnte nach Alexanders Tod, war das Reisen mit großem Vermögen sehr riskant, fast selbstmörderisch. Und obwohl Diebesdolche, ansteckende Krankheiten und Schiffbrüche eine so kostspielige Mission zu zerschlagen drohten, bestand der Pharao darauf, seine Agenten aus dem Land des Nils über Grenzen und große Entfernungen hinweg in alle Richtungen auszusenden. Ungeduldig, voll quälender Habgier brennt er auf jene Beute, die seine heimlichen Jäger allen fremden Gefahren zum Trotz für ihn aufspüren.

Die neugierig vor ihren Hütten lungernden Bauern, die Söldner und die Banditen hätten ungläubig Mund und Augen aufgerissen, wenn sie gewusst hätten, worauf die fremden Reiter aus waren.

Bücher. Sie suchten Bücher.

Es war das bestgehütete Geheimnis des ägyptischen Hofs. Der Herrscher zweier Kulturen, einer der mächtigsten Männer der damaligen Zeit, gäbe das Leben dafür (das der anderen natürlich, so ist das immer bei Königen), um alle Bücher der Welt in seiner großen Bibliothek von Alexandria zu versammeln. Er träumte von der vollkommenen Bibliothek, einer Sammlung aller Werke aller Autoren seit Anbeginn der Zeit.

Ich scheue mich immer vorm Schreiben der ersten Zeilen, vorm Überschreiten der Schwelle zu einem neuen Buch. Wenn alle Bibliotheken durchforstet sind und meine Hefte strotzen vor fieberhaften Notizen, wenn mir weder vernünftige noch dumme Ausreden einfallen wollen, die das Warten erklärten, zögere ich es noch ein paar Tage hinaus, in denen mir klar wird, worin die Feigheit besteht. Ich fühle mich einfach unfähig. Alles sollte da sein: der Ton, der Humor, die Poesie, der Rhythmus, die Versprechen. Die noch ungeschriebenen, ums Geborenwerden ringenden Kapitel sollten sich im Keimbett der gewählten Anfangsworte schon erahnen lassen. Aber wie macht man das? Was ich derzeit habe, sind Zweifel. Mit jedem Buch kehre ich zum Ausgangspunkt zurück, zum schlagenden Herzen aller ersten Male. Schreiben ist der Versuch herauszufinden, was man schreiben würde, wenn man schriebe, so formulierte es Marguerite Duras und geht vom Infinitiv zur Bedingungsform und dann zum Irrealis über, als spürte sie den Boden unter ihren Füßen bröckeln.

Das unterscheidet sich im Grunde kaum von anderen Dingen, die wir ahnungslos beginnen: eine andere Sprache sprechen, Auto fahren, Mutter sein. Leben.

Eines heißen Julinachmittags, nach all den quälenden Zweifeln, den aufgebrauchten Vorwänden und Alibis, stelle ich mich der Einsamkeit des leeren Blattes. Ich werde meinen Text mit dem Bild von ein paar rätselhaften Jägern auf der Suche nach Beute eröffnen. Ich identifiziere mich mit ihnen, ich mag ihre Geduld, ihren Gleichmut, die verlorene Zeit, die Langsamkeit und das Adrenalin bei der Suche. Jahrelang habe ich recherchiert, Quellen konsultiert, alles dokumentiert und mich mit der Aneignung des historischen Materials befasst. Doch zur Stunde der Wahrheit scheint die wirkliche, dokumentierte Geschichte, die ich entdecke, so erstaunlich, dass sie in meine Träume eindringt und, ohne mein Zutun, die Form einer Erzählung annimmt. Ich bin versucht, in die Haut dieser Büchersucher auf den Straßen eines antiken, gewalttätigen, zuckenden Europas zu schlüpfen. Und wenn ich zu Beginn ihre Reise beschreibe? Könnte funktionieren, aber wie gelingt es, das darunterliegende Faktenskelett von den Muskeln und dem Blut der Fantasie abzugrenzen?

Ich glaube, der Ausgangspunkt ist so fantastisch wie die Suche nach den Minen König Salomos oder nach dem verlorenen Schatz, aber die Dokumente belegen, dass die Büchergier im Größenwahndenken der ägyptischen Könige wirklich existierte. Vielleicht war es damals, im dritten Jahrhundert v. Chr., zum ersten und letzten Mal möglich, den Traum vom Versammeln ausnahmslos aller Bücher der Welt in einer Universalbibliothek zu verwirklichen. Heute erscheint uns das wie die Handlung einer Fiktion von Borges oder vielleicht seine große erotische Fantasie.

So etwas wie einen internationalen Handel mit Büchern gab es zur Zeit des großen alexandrinischen Projekts nicht. Man konnte sie in kulturhistorisch bedeutenden Städten kaufen, aber nicht im jungen Alexandria. Die Quellen berichten, dass die Könige ihre absolutistische Macht nutzten, um ihre Sammlung zu bereichern. Was sie nicht kaufen konnten, konfiszierten sie. Und wenn es nötig war, Kehlen durchzuschneiden oder Ernten zu zerstören, um an ein begehrtes Buch zu gelangen, gaben sie den Befehl dazu; der Ruhm des Landes, sagten sie sich, sei wichtiger als die kleinen Skrupel.

Natürlich gehörte auch der Betrug zum Repertoire ihrer Zielstrebigkeit. Ptolemaios III. verlangte es nach dem Staatsexemplar der Tragödien von Aischylos, Sophokles und Euripides, die seit ihrer Urauf‌führung bei den Theaterspielen im Athener Archiv aufbewahrt wurden. Die Botschafter des Pharaos liehen sich die wertvollen Schriftrollen aus, um von ihren akribischen Abschreibern Kopien fertigen zu lassen. Athens Behörden verlangten ein Wucherpfand von fünfzehn Talenten Silber, nach heutigem Maß einige Millionen Dollar. Die Ägypter zahlten, bedankten sich devot, schworen den feierlichen Eid, die Leihgabe vor Ablauf von – sagen wir – zwölf Monden zurückzugeben, drohten sich selbst mit schaurigen Flüchen, wenn die Bücher nicht in einwandfreiem Zustand zurückkämen, um sie sich schließlich anzueignen; das Pfand ließen sie verfallen. Athens Stadtoberhäupter mussten die Unverschämtheit ertragen. Die stolze Hauptstadt der Perikles-Zeiten war zur Provinzstadt eines Königreichs geworden, machtlos gegen ein Ägypten, das den Handel mit Getreide dominierte, dem Öl der damaligen Zeit. Alexandria war der bedeutendste Hafen des Landes und neuer Lebensmittelpunkt. Wirtschaftsmächte dieser Größenordnung können Grenzen locker überschreiten. Alle in diese Hauptstadt einlaufenden Schiffe, gleich welcher Herkunft, wurden sofort registriert. Die Zöllner beschlagnahmten jedes Schriftstück an Bord, ließen es auf neue Papyri kopieren, gaben die Kopien zurück und behielten die Originale. Diese gekaperten Bücher wurden mit einer Notiz zur Herkunft (»aus den Schiffen«) in die Bibliotheksregale gestellt.

Wer an der Weltspitze steht, tut keine großen Gefallen. Es hieß, dass Ptolemaios II. Boten zu den Fürsten und Herrschern aller Länder entsandte und in einem versiegelten Brief darum bat, sie mögen ihm doch für seine Sammlung einfach alles schicken: die Werke der Dichter und Prosaschriftsteller, der Redner und Philosophen, der Ärzte und Wahrsager, der Historiker und aller anderen.

Ägypten schickte außerdem – und das war mein Aufmacher für diese Geschichte – Agenten durch die rauen Gefilde und Meere der bekannten Welt, die die Taschen voll und den Auf‌trag hatten, so viele Bücher wie möglich zu kaufen und jeweils die ältesten Exemplare zu finden. Diese Gier nach Büchern und die dafür gezahlten Preise zogen Schurken und Kopisten an. Sie boten Papyri...

Erscheint lt. Verlag 27.4.2022
Übersetzer Maria Meinel, Luis Ruby
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Design / Innenarchitektur / Mode
Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft
Schlagworte Alexander der Große • Alexandria • Allgemeinwissen • Antike • Bibliophil • Bibliothek • Bücher • Buchhandlung • Buchliebe • Buchliebhaber • Geschichte des Buches • Griechenland • Klassik • Kleopatra • Menschheitsgeschichte • Rom • Sappho • Übersetzer
ISBN-10 3-257-61279-6 / 3257612796
ISBN-13 978-3-257-61279-0 / 9783257612790
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