»Alle, die mit uns auf Kaperfahrt fahren« (eBook)

Piratengeschichten auf den Meeren der Welt
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
264 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-45377-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

»Alle, die mit uns auf Kaperfahrt fahren« -
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Seeraub ist ein aktuelles Thema, dessen Wurzeln bis in die frühe Menschheitsgeschichte zurückreichen. Doch so vertraut die Piraten uns auch scheinen, so widersprüchlich und schillernd sind die Freibeuter der Meere bei näherer Betrachtung. Sind sie Helden der Freiheit oder organisierte Kriminelle? Rächer der Entrechteten oder mörderische Agenten imperialer Großmächte? Räuber zur See oder Entrepreneure mit politischem Gestaltungsanspruch? Die Beiträge dieses Bandes beschränken sich nicht nur auf die Geschichte der Seeräuber von der Antike bis heute, sondern nehmen auch die literarische, mythologische und filmische Bearbeitung der Piraterie in den Blick. Sie achten zudem auf den Rollenwechsel der Seeräuber - zwischen Held und Pirat in der Odyssee, zwischen Pirat und Söldner in Byzanz oder Venedig, zwischen Kaperfahrer mit staatlicher Erlaubnis und freiem Pirat in der frühneuzeitlichen Karibik.

Rainer Hank, Dr. phil., ist Wirtschaftsjournalist; er leitete die Wirtschafts- und Finanzredaktion der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS). Hartmut Leppin ist Professor für Alte Geschichte an der Universität in Frankfurt am Main; er ist Träger des Leibniz-Preises der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Werner Plumpe ist Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Universität in Frankfurt am Main; von 2008 bis 2012 war er Vorsitzender des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands.

Rainer Hank, Dr. phil., ist Wirtschaftsjournalist; er leitete die Wirtschafts- und Finanzredaktion der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS). Hartmut Leppin ist Professor für Alte Geschichte an der Universität in Frankfurt am Main; er ist Träger des Leibniz-Preises der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Werner Plumpe ist Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Universität in Frankfurt am Main; von 2008 bis 2012 war er Vorsitzender des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands.

Freibeuter, Halunken, Unternehmer. Zur Einführung


Rainer Hank

Im Jahr 1661 verkündete Edward D’Oley, der Gouverneur des britischen Jamaika, dass der gerade geschlossene Frieden zwischen England und Spanien auf die Karibik keine Anwendung finde. Piraten und Freibeuter konnten folglich gefahrlos in Port Royal eine Basis errichten, von wo sie spanische Schiffe attackierten, ohne mit den Behörden in Konflikt zu kommen. Auch die Nachfolger von D’Oley tolerierten das Piratengewerbe: Tavernen, Bordelle, Piraten-Zubehörläden, sie alle bezogen von der Piraterie ihr Auskommen.

Mehr und mehr verwischte der Unterschied zwischen kolonialem Establishment und Freibeutertum, zwischen staatlicher Autorität und illegalem Geschäft. Henry Morgan (1635 bis 1688), einer der berühmtesten Piraten der Weltgeschichte und »Schrecken der Karibik« genannt, vermochte seinen illegal erbeuteten Reichtum zu »legalisieren«, indem er in großem Stil in Zuckerrohrplantagen investierte. Am Ende wurde er sogar Vize-Gouverneur der Kolonie und zur Belohnung zum Ritter geschlagen vom englischen König Charles II.

Kommt uns das bekannt vor? Den Freibeutern von heute mag das Flair von Captain Morgan abgehen. Aber auch sie - die wir Oligarchen, Klepto- oder Plutokraten nennen - veredeln ihr auf zweifelhafte Weise nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erworbenes Eigentum in von der britischen Krone geschützten »sicheren Häfen« (Londongrad). Die Kopie eines Personalausweises genügte in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts, um in London Immobilien in großem Stil zu erwerben. Dass hinterher im Grundbuch nicht der Name aus dem Personalausweis eingetragen war, sondern eine Firma mit Sitz ausgerechnet in der Karibik, scherte niemanden. Aus Freibeutern waren »honorable men«, ehrbare Leute, geworden.

Ist Piraterie womöglich eine »zeitlose« Existenzform - oder sollte man besser sagen »Abenteurerlebensform« auch jenseits von Totenkopf, Augenklappe, Holzbein oder Johnny Depps »Fluch der Karibik«? Ist Piraterie gar ein Musterbeispiel illegaler Märkte, wo die Schwelle zwischen Legalität und Illegalität verwischt oder gar nicht greift? Beide Fragen wird man bejahen dürfen.

Immerhin: Auch das klassische Geschäftsmodell funktioniert noch, allen Fortschritten des Völkerrechts zum Trotz: In den letzten beiden Jahrzehnten registrierte die »International Maritime Organization« (IMO) mehrere Tausend Piratenüberfälle auf Handelsschiffe. Erfolgreiche Piratenjahre waren nach der IMO-Statistik die Jahre 2000 und 2011 mit jeweils mehr als 500 schweren Überfällen weltweit. Die regionalen Schwerpunkte sind dieselben wie zu klassischer Zeit der Piraterie: die Karibik, die afrikanische Küste und die fernöstlichen Hauptfahrwasser im Indischen Ozean.

Insbesondere die Straße von Malakka bleibt höchst gefährlich. Dort werden derzeit so viele Schiffe überfallen wie seit Jahren nicht mehr. Allein im ersten Quartal 2022 hat sich die Zahl der Angriffe im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Singapur empfiehlt Kapitänen, die die Verbindung zwischen Europa und Nordasien befahren, ihre Schiffe mit Stacheldraht und Wasserkanonen auszustatten, Türen und Luken mit Stahlträgern zu sichern und die Mannschaft mit Helmen auszurüsten. Dass die Piraterie derart zugenommen hat, liegt an den gesunkenen Opportunitätskosten: Schwindende Beschäftigungsmöglichkeiten im Fischfang und Beschränkungen durch Corona ließen die Bewohner der indonesischen Küste nach alternativen Geschäftsmodellen suchen.

Freilich kann man nie sicher sein, ob die kapernden Angreifer »echte« Piraten sind. Jene Freibeuter, die am 6. Juli 2011 den Rohöltanker »Brillante Virtuose« auf der Reise von Kertsch in der Ukraine nach Qingdao in China überfielen, waren nach allem, was man heute weiß, vom Schiffseigner selbst angeheuerte kriminelle Banden, die einen Versicherungsbetrug großen Stils als Piraterie-Verbrechen camouflieren sollten (Campbell 2022). Dass – trotz internationaler Gerichtsverfahren – der Eigner des Schiffs, ein einflussreicher Investor aus Athen, nicht belangt werden konnte, bestätigt den Verdacht, dass man sich bis heute auf offener See mit der Legalität schwertut.

Auf dem Meer sollte es – so der holländische Rechtsgelehrte Hugo Grotius Anfang des 17. Jahrhunderts – gerade kein Privateigentum geben, sondern jene »Freiheit der See« regieren, eine Art rechtloses Wild West, die keiner Autorität gehorchen muss: Das »Mare Liberum« begründete zugleich das Recht der Holländer auf freie Schifffahrt und den Handel in der überseeischen Welt. Inzwischen ist die Freiheit der Meere aus unterschiedlichen Gründen erodiert. Während zweier Weltkriege unterwarfen die verfeindeten Nationen den maritimen Handel mit Restriktionen, welche die internationalen Regeln grob missachteten, ja »zerfetzten« (Bosco 2022). Seither haben nationale Regierungen ihren Einfluss auf See Schritt für Schritt ausgeweitet. Die See wird zunehmend nationalisiert. Die »Zeitenwende« einer neuen Geopolitik seit Beginn des Ukrainekriegs, welche die Globalisierung zur Slowbalisierung mutieren lässt, wird den Trend zur Re-Nationalisierung der Meere mutmaßlich beschleunigen.

Gleichwohl: Die »Ökonomie der Meere«, soviel steht fest, unterscheidet sich grundsätzlich von der uns vertrauten Ökonomie an Land. Ohne festen Grund und Boden kommen alle distinkten Begriffe (vor allem jene des Rechts) ins Schwanken. Die Lust an der Entdeckung dieser anderen Welt dürfte mit ein Grund dafür sein, warum in den vergangenen Jahren die historische Forschung zur Piraterie explodierte. Niemand würde heute die Piraten lediglich als eine Spielform des organisierten Verbrechens kategorisieren. Eine von den Herausgebern dieses Sammelbandes initiierte und organisierte wissenschaftliche Tagung im Frühjahr 2022 auf der Halbinsel Mani, ganz im Süden der griechischen Peloponnes, hatte sich zur Aufgabe gemacht, den romantischen Reiz der Piraterie und ihrer Ökonomie zu ergründen. Als Ort der Konferenz bot sich die mediterran üppige Villa des britischen Abenteurers und Reiseschriftstellers Patrick Leigh Fermor (1915 bis 2011) in Kardamili an.

Bis in das 20. Jahrhundert war die Mani, eine Region ohne jegliche Staatlichkeit, ein Hort der Piraterie. Die Ortschaften hatten sich zu »Hornissennestern« (Leigh Fermor 2012) entwickelt, wo jeder der Feind des anderen ist. »Es war ein Leben im permanenten Ausnahmezustand«, so der Historiker Norbert Schindler (Schindler 2019). Davon zeugen die Mani-typischen Wohnwehranlagen, die seit dem 16. Jahrhundert die Halbinsel überziehen. Dass der Kampf auf der Insel seine quasi natürliche Fortsetzung auf dem Meer fand, überrascht nicht, zumal - wie gesagt - Piraterie allen Seerechtskonventionen zum Trotz eben nicht als Verbrechen, sondern als Fortsetzung der Seehandelskonkurrenz mit anderen, etwas härteren Bandagen galt.

Doch schon seit der Antike ist das Mittelmeer ein bevorzugter Ort maritimer »Gewaltgemeinschaften«, so der Hartmut Leppin. Dabei bedeutet das griechische Wort »Peirates« sowohl »Pirat« als auch »Unternehmer«, so Leppin in diesem Band. Das erklärt die enge Verbindung zwischen kaufmännischen und piratischen Aktivitäten. Der Ökonom Joseph Schumpeter hätte seine Freude gehabt. Es ist jene schillernde Nachbarschaft der Begriffe, der Goethe noch den »Krieg« hinzufügte: »Krieg, Handel und Piraterie, /Dreieinig sind sie, nicht zu trennen.« An der antiken Begriffswiege ist der Unternehmer ein Abenteurer, der hohe Risiken eingeht, für die er entsprechende Gewinne fordert. Er ist einer, der sich ins Offene der Weltmeere hinauswagt. Dort, wo das Recht schweigt und die Kreativität sich entfalten kann. Sollten die Landmenschen es wagen, sich überlegen zu dünken, ziehen ihnen die Piraten die moralische Maske vom Gesicht. Darauf hat schon Augustinus hingewiesen:

»Elegant und triftig ist die Antwort eines gefangenen Seeräubers gegenüber Alexander dem Großen. Als dieser König den Mann fragte, was ihm denn einfalle, das Meer unsicher zu machen, erwiderte er mit freimütigem Trotz: ›Und was fällt dir ein, den Erdkreis unsicher zu machen? Aber freilich, weil ich es mit einem armseligen Fahrzeug tue, nennt man mich einen Räuber, und dich nennt man Imperator, weil du es mit einer großen Flotte tust.‹«

Am Ende geht es um die schiere Macht, jedoch, im Fall der Meeresfürsten, auch noch um die...

Erscheint lt. Verlag 21.6.2023
Co-Autor Heinz Bude, Georg Christ, Alasdair C. Grant, Torsten Hahn, Rainer Hank, Anselm Haverkamp, Michael Kempe, Hartmut Leppin, Daphne Penna, Werner Plumpe, Eva-Maria Roelevink, Barbara Vinken, Karin Wieland, Cornel Zwierlein
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Geschichte Allgemeine Geschichte Neuzeit (bis 1918)
Schlagworte Antike • archaischer Kommunismus • Atlantik • Barbareskenstaaten • Blackbeard • British Empire • buccaneer • Byzantinisches Reich • Fluch der Karibik • Francis Drake • Freibeuter • Galeerensklaven • Geschichte • Gewalt • Hollywood • Jack Sparrow • Jolly Roger • Kaperfahrer • Kaperfahrt • Karibik • Klaus Störtebeker • koloniale Expansion • Korsaren • Kriminalität • Likedeelerei • Literatur • Meer • Militärgeschichte • Mittelalter • Mittelmeer • Neuzeit • Odysseus • Ökonomik • Othello • Ozean • Pirat • Piraten • Piraten der Karibik • Piraterie • Robert Surcouf • Robin Hood • Seefahrt • Seekrieg • Seeraub • Seeräuber • See- und Völkerrecht • Sklaven • Sozialrebellen • Unternehmer • Unternehmertum
ISBN-10 3-593-45377-0 / 3593453770
ISBN-13 978-3-593-45377-4 / 9783593453774
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