Von der Kürze des Lebens (eBook)

Das Leben ist lang, wenn du es zu nutzen weißt
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
128 Seiten
FinanzBuch Verlag
978-3-98609-298-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Von der Kürze des Lebens -  Lucius Annaeus Seneca
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Wie soll der Mensch richtig leben im Bewusstsein, dass sein Leben kurz ist? Diese existenzielle Grundfrage erörtert Seneca in einem seiner wichtigsten Texte: Von der Kürze des Lebens. Er lehrt uns, dass der erste Schritt zu einer gelingenden Lebensführung darin besteht, ein Verständnis vom Wesen der Zeit zu entwickeln. Neben diesem Essay enthält der Band noch die Werke Trostschrift an seine Mutter Helvia und Von der Seelenruhe. Sie bieten tiefe Einsichten in die Lebenskunst sowie die Bedeutung von Vernunft und Moral und sind durch ihre Beredsamkeit, Klarheit und zeitlose Weisheit auch heute noch für viele eine wertvolle Anleitung zum besseren Leben. Der römische Staatsmann und Denker Seneca (ca. 5 v. Chr.-65 n. Chr.) ist einer der herausragendsten Vertreter des Stoizismus, der bereits zu Lebzeiten große Berühmtheit erlangte. Seine Schriften sind Glanzstücke der stoischen Ethik, in denen sich sein Wunsch nach Glück und Zufriedenheit für die Menschen seiner Zeit manifestiert.

Lucius Annaeus Seneca, genannt Seneca der Jüngere, etwa 1 - 65 n. Chr., war ein römischer Philosoph, Dramatiker, Naturforscher, Politiker und als Stoiker einer der meistgelesenen Autoren seiner Zeit. Neben Mark Aurel und Cicero zählt er zu den wichtigsten Vertretern der römischen Stoa.

Lucius Annaeus Seneca, genannt Seneca der Jüngere, etwa 1 - 65 n. Chr., war ein römischer Philosoph, Dramatiker, Naturforscher, Politiker und als Stoiker einer der meistgelesenen Autoren seiner Zeit. Neben Mark Aurel und Cicero zählt er zu den wichtigsten Vertretern der römischen Stoa.

Von der Kürze des Lebens


Die meisten Menschen, Paulinus,1 klagen über die Gemeinheit der Natur, weil uns nur eine kurze Lebensspanne vergönnt ist und weil diese Zeitspanne so rasch und schnell verfliegt, dass – außer bei einigen wenigen – das Leben bereits erlischt, während sie sich noch darauf vorbereiten. Nicht nur der Mann auf der Straße und die unverständige Menge jammern über dieses – wie sie meinen – allgemeine Übel: Dasselbe Gefühl steckt hinter den Klagen selbst hoch angesehener Männer. Daher jener Ausruf des größten aller Ärzte:2 »Das Leben ist kurz, die Kunst ist lang.« Daher auch der für einen Weisen höchst unangebrachte Groll, den Aristoteles äußerte, als er die Natur dafür tadelte, dass sie den Tieren ein so langes Leben gönne, dass sie fünf oder zehn Menschenleben durchleben könnten, während den Menschen, die zu so Vielem und zu so Großem geboren seien, ein viel früheres Ende gesetzt sei. Doch es ist nicht so, dass wir zu wenig Lebenszeit hätten, sondern wir verschwenden zu viel davon. Das Leben ist lang genug, wir haben selbst für die höchsten Errungenschaften genügend Zeit, wenn wir sie nur gut anlegen würden. Aber wenn wir dieses Leben unachtsam vergeuden und es nicht für etwas Gutes verwenden, erkennen wir schließlich unter dem Druck des Todes, dass es vergangen ist, bevor wir überhaupt bemerkten, dass es voranschreitet. So ist es: Uns wurde kein kurzes Leben gegeben, sondern wir machen es kurz, und wir erhalten nicht zu wenig, sondern wir sind zu verschwenderisch. So wie ein großer, fürstlicher Reichtum, wenn er in die Hände eines unfähigen Besitzers fällt, innerhalb eines Augenblicks verprasst ist, während ein äußerst bescheidener Reichtum, wenn er einem guten Hüter anvertraut wird, anwächst, so bietet auch unsere Lebenszeit einen großzügigen Spielraum, wenn wir sie richtig verwalten.

Warum klagen wir über die Natur? Sie hat sich als großzügig erwiesen: Das Leben ist lang, wenn man es zu nutzen weiß. Aber den einen packt unersättliche Habgier, der andere ist von mühevoller Emsigkeit besessen und ergeht sich in nutzlosen Aufgaben. Der eine ist trunken vom Wein, der andere träge vom Müßiggang. Den einen zermürbt sein politischer Ehrgeiz, der immer vom Urteil anderer abhängt. Einen anderen, einen habgierigen Kaufmann, treibt die Hoffnung auf Gewinn durch alle Länder und über alle Meere. Manche quält ihre Leidenschaft für den Militärdienst, sie denken ständig daran, wie sie andere in Gefahr bringen können, oder sind ängstlich darauf bedacht, Gefahren für sich selbst abzuwenden. Einige sind erschöpft von den undankbaren Diensten, die sie in selbst auferlegter Knechtschaft für die Großen und Mächtigen erbringen. Viele sind damit beschäftigt, entweder dem Geld anderer hinterherzujagen oder sich über ihre eigene Lage zu beklagen. Viele verfolgen kein festes Ziel, sondern wenden sich in ihrem Wankelmut, der ständig schwankt und nie mit sich zufrieden ist, immer neuen Entwürfen zu. Einige haben überhaupt keine Ziele für ihren Lebensweg, aber der Tod holt sie unversehens ein, während sie träge gähnen – sodass ich nicht an der Wahrheit jener orakelhaften Bemerkung des größten aller Dichter zweifeln kann: »Nur ein kleiner Teil des Lebens ist wahres Leben.« In der Tat ist der gesamte Rest nicht Leben, sondern nur Zeit. Laster umgeben und bedrängen die Menschen von allen Seiten und lassen es nicht zu, dass sie sich erheben und ihren Blick nach oben richten, um die Wahrheit zu erkennen, vielmehr drücken sie die Leute nieder und fesseln sie an ihre Begierden. Niemals können sie zu ihrem wahren Selbst zurückfinden. Selbst wenn ihnen einmal zufällig etwas Ruhe vergönnt ist, schwanken sie doch weiterhin hin und her, so wie auf hoher See weiterhin Wellengang herrscht, nachdem der Wind bereits abgeflaut ist, und sie finden niemals Ruhe vor ihren Begierden. Glaubst du etwa, ich spräche nur von denen, deren schlechte Lage allgemein anerkannt ist? Sieh dir diejenigen an, die so viel Glück haben, dass die Menschen zusammenströmen, um sie zu bestaunen: Sie ersticken an ihrem eigenen Glück. Wie viele empfinden ihren Reichtum als eine Last! Wie vielen rauben das Rednergeschäft und ihr tägliches Bestreben, ihre Talente zur Schau zu stellen, die Lebenskraft! Wie viele sind blass von den ständigen Vergnügungen! Wie vielen lässt die Schar der Kunden, die sich um sie drängt, keinen freien Augenblick! Kurz gesagt, gehe sie alle durch, vom Niedrigsten bis zum Höchsten: Einer ruft nach einem Rechtsbeistand, ein anderer kommt ihm zu Hilfe; einer steht vor Gericht, ein anderer verteidigt ihn, wiederum ein anderer fällt das Urteil; niemand macht Ansprüche auf sich selbst geltend, sondern jeder verzehrt sich zugunsten eines anderen. Frag nach denen, die so bedeutend sind, dass deren Namen auswendig gelernt werden, und du wirst sehen, dass sie folgende Unterscheidungsmerkmale aufweisen: Der eine dient diesem, der andere jenem – aber keiner sich selbst. Völlig sinnlos ist daher die Empörung, die manche Menschen an den Tag legen: Sie beschweren sich über den Hochmut der Höherstehenden, weil diese keine Zeit hatten, ihnen eine Audienz zu gewähren, als sie eine haben wollten. Aber kann es sich tatsächlich jemand herausnehmen, sich über den Hochmut eines anderen zu beklagen, wenn er selbst niemals Zeit für sich hat? Schließlich hat dieser bedeutende Mensch dich, den niemand kennt, hier und da einmal angesehen, möge sein Blick auch herablassend gewesen sein, er hat sein Ohr deinen Worten zugewendet, er hat dich neben sich gehen lassen. Du jedoch hast dich niemals dazu herabgelassen, in dich hineinzublicken, auf dich selbst zu hören. Daher hast du keinen Grund, von irgendjemandem Beachtung zu verlangen, denn als du sie gezeigt hast, geschah das nicht, weil du die Gesellschaft eines anderen wolltest, sondern weil du deine eigene nicht ertragen konntest.

Selbst wenn alle klugen Köpfe, die je gelebt haben, sich in diesem Thema einig wären, könnten sie doch ihr Erstaunen über diese geistige Vernebelung der Menschen nie ausreichend zum Ausdruck bringen. Die Menschen lassen niemanden an ihren Landbesitz heran, und wenn es den geringsten Streit um ihre Grenzen gibt, greifen sie geschwind zu Steinen und Waffen; aber sie lassen zu, dass andere in ihr Leben eingreifen – ja, sie selbst laden andere dazu ein, über ihr Leben zu bestimmen. Du wirst niemanden finden, der bereit ist, sein Geld zu verteilen; aber an wie viele verteilt jeder von uns sein Leben! Die Menschen hüten ihr persönliches Eigentum und verfahren damit äußerst sparsam; aber sobald es um Zeitverlust geht, zeigen sie sich als die größten Verschwender, obwohl es sich um die einzige Sache handelt, bei der es ehrbar ist, geizig zu sein. Ich möchte also jemanden aus der älteren Generation ansprechen und zu ihm sagen: »Wie ich sehe, bist du in die letzte Phase des menschlichen Lebens eingetreten; du stehst kurz vor deinem hundertsten Geburtstag oder hast ihn sogar schon hinter dir gelassen: Also komm, ziehe eine Bilanz deines Lebens. Überlege, wie viel Zeit dir ein Geldverleiher geraubt hat, wie viel eine Geliebte, ein Gönner, ein Kunde, die Streitereien mit deiner Frau, die Bestrafung deiner Sklaven, das Herumhetzen in der Stadt, um deinen gesellschaftlichen Verpflichtungen nachzukommen. Denke dabei auch an die Krankheiten, die du selbst verschuldet hast, und an die Zeit, die ungenutzt verstrichen ist. Du wirst feststellen, dass du weniger Jahre zur Verfügung hattest, als du meinst. Erinnere dich daran, wann du einmal ein wirklich festes Ziel hattest; wie wenige Tage so verlaufen sind, wie du es geplant hattest; wie selten du zu deiner eigenen Verfügung standest; wie selten du dein wahres Gesicht zeigtest; wie selten dein Geist nicht beunruhigt war; welche Leistungen du in einem solch langen Leben vollbracht hast; wie viele dir etwas von deiner Lebenszeit geraubt haben, ohne dass du dir dieser Verluste bewusst warst; wie viel Zeit du durch grundlosen Kummer, törichte Freude, gieriges Verlangen, die Verführungen der Gesellschaft verloren hast; wie wenig von dir selbst dir geblieben ist. Du wirst erkennen, dass du zu früh stirbst.«

Was also ist der Grund dafür? Ihr lebt, als ob ihr dazu bestimmt wäret, ewig zu leben; eure eigene Gebrechlichkeit kommt euch nie in den Sinn; ihr merkt nicht, wie viel Zeit bereits vergangen ist, sondern vergeudet sie, als ob ihr einen unerschöpflichen Vorrat davon hättet – obwohl gerade dieser Tag, den ihr jemandem oder etwas widmet, euer letzter sein könnte. Bei allem, was ihr fürchtet, verhaltet ihr euch wie Sterbliche, und bei allem, was ihr begehrt, wie Unsterbliche. Du wirst viele Menschen sagen hören: »Wenn ich fünfzig bin, werde ich mich in den Ruhestand zurückziehen; wenn ich sechzig bin, werde ich die öffentlichen Aufgaben niederlegen.« Und welche Garantie hast du für ein längeres Leben? Wer soll...

Erscheint lt. Verlag 20.8.2023
Übersetzer Kerstin Brömer
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte Achtsamkeit • Antike • Ethik • flow • Glück • Glücklich leben • Moral • Philosophie • Resilienz • Römische Philosophie • Seneca • Stoa • Stoiker • Stoizismus • Trostschrift an seine Mutter Helvia • Übersetzung • unerschütterlich • Von der Seelenruhe • Weisheit • Zufriedenheit
ISBN-10 3-98609-298-6 / 3986092986
ISBN-13 978-3-98609-298-6 / 9783986092986
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