Semenchkare. Phantom-König(in) von Achet-Aton -  Michael E. Habicht

Semenchkare. Phantom-König(in) von Achet-Aton (eBook)

2. Auflage
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2022 | 1. Auflage
194 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7562-0056-6 (ISBN)
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Das Buch präsentiert die aktuellen Forschungserkenntnisse und Materialien zu der geheimnisvollen Gestalt der Amarnazeit: Semenchkare. Es ist bis heute umstritten, ob Semenchkare ein junger Mann an der Seite Echnatons war oder aber Königin Nofretete, welche mit dieser fiktiven Identität als männlicher Pharao Nachfolger ihres Mannes wurde. Die Identifikation der Mumie aus dem Grabversteck KV 55 ist ein entscheidendes Puzzleteil dieses ägyptologischen Enigmas. Ein Neufund, der eine längere Mitregentschaft belegt, scheint das Rätsel endlich zu lösen. 2015 wurde von C. N. Reeves eine neue Theorie aufgestellt, wonach Nofretete alias Semenchkare in unentdeckten Kammern im Grab von Tutanchamun zu finden sein soll. Erweiterte und aktualisierte Auflage in Taschenbuchformat. Neue forensische Rekonstruktionen und zusätzliche Photographien. Forensische Gesichtsrekonstruktionen von KV 55 (Echnaton), der Mumie Kairo CG 61076 (möglicherweise eine Amarnaprinzessin) und der Younger Lady KV 35 (Nofretete?). 2. aktualisierte Auflage

Dr. Michael E. Habicht, studierte Klassische Archäologie und Ägyptologie den Universitäten Zürich und Basel. Er hat sich auf das Neue Reich, die Königsgräber und Unterweltsbücher, sowie auf die Zeit von Echnaton, Nofretete und Tutanchamun spezialisiert. Er hat zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten zum Alten Ägypten, Mumien und Paläopathologie publiziert (Lancet, PLoS One, Circulation Research). Er ist Senior Research Fellow an der Flinders University, Adelaide (Australien) und wissenschaftlicher Experte am FAPAB Research Center in Avola (Italien). Homepage: https://www.michaelhabicht.info/ Facebook: https://www.facebook.com/michael.e.habicht/ Academia: https://flinders.academia.edu/MichaelEHabicht

Unbekannte Kammern in KV 62?


Die Geschichte von Semenchkare ist untrennbar mit Echnaton und Nofretete verwoben. Seit 2015 gibt es zudem die Theorie von Nicholas Reeves, welche mit guten Argumenten die noch immer ungeöffnete Bestattung von Semenchkare hinter der Nordwand von Tutanchamuns Grab postuliert. Damit wird die gesamte Interpretation der Amarnazeit verändert. 

C. Nicholas Reeves, einer der weltweit führenden Experten für Tutanchamun und die Amarnazeit publizierte auf seiner Social Media Seite Ende Juli 2015 eine längere Arbeit:

(https://universityofarizona.academia.edu/NicholasReeves) Man kann das Paper von Reeves nur als spektakulär wie selten eine Arbeit in der Ägyptologie bezeichnen (Reeves 2015).  Zunächst wurde die Studie von den Medien kaum beachtet außer einigen Internetblogs, die sich speziell der Ägyptologie widmen (Felske 2015; Burzacott 2015).

Die Theorie von C. N. Reeves basiert auf den hochauflösenden, dreidimensionalen Aufnahmen der spanischen Firma Arte Factum, welche das Grab von Tutanchamun 2012 bis ins kleinste Detail dokumentierte (‘The Facsimile of Tutankhamun’s Tomb’ 2015). Die Bilder dienten zur Herstellung der Kopie von KV 62 welche Touristen seit einiger Zeit in Luxor besuchen können. Bislang war die Forschung davon ausgegangen, dass das Grab von Tutanchamun (KV 62) ein erweitertes und hastig dekoriertes Privatgrab im Tal der Könige war, welches notfallmäßig zu einem kleinen Königsgrab umgenutzt worden war. Diese Deutung ist von C. N. Reeves neuer Studie vollkommen in Frage gestellt worden. Die digitalen Bilder von Arte Factum ermöglichen es, die effektiven Wandmalereien digital zu entfernen und so den Untergrund der Wände allein zu zeigen. Auf der West- und der Nordwand zeigen sich, so Reeves, verdächtige Linien. Diese sind gerade verlaufend und daher kaum natürlich. Sie deuten in ihrer Form und Lage auf das Vorhandensein von zugemauerten und verputzten Durchgängen hin. Im Falle der Westwand geschah dieses Zumauern höchstwahrscheinlich im Zusammenhang mit der Bestattung von Tutanchamun. Reeves vermutet hier eine Lagerkammer, analog zur Schatzkammer an der Ostwand von Tutanchamuns dekorierter Sargkammer. Dahinter könnte sich eine Kammer mit weiteren Bestattungsobjekten befinden, oder aber die Bestattungskammer einer Königin. Reeves leitet dieses mögliche Begräbnis aus dem Grab WV 22 von Amenhotep III. ab, der in seinem Grab eine solche Lagerkammer zur Grabkammer von Königin Satamun (seiner ältesten Tochter) hatte umbauen lassen. Noch spannender präsentiert sich die Deutung für die Nordwand. Die Malereien dieser Wand sind im 20er-Proportionsschema der Amarnazeit ausgeführt worden, während die übrigen Malereien der drei anderen Wände im 18er Rasterschema des Neuen Reiches proportioniert sind. Eine Untersuchung der Malereien durch das Getty Institute hatte 2012 ergeben, dass drei der Wände von Anfang an mit Goldocker grundiert wurden (Wong et al. 2012).  Die Nordwand hingegen war nicht nur im 20er Raster, sondern auch auf weißem Grund ausgeführt worden. Als man später den Raum zur Grabkammer von Tutanchamun verwendete, wurde gelber Ocker rund um die dargestellten Figuren aufgetragen um so die Wand der neuen Funktion anzupassen. Reeves deutet diese Beobachtung logisch und rationell nachvollziehbar dahingehend, dass diese Wand älter als die Bestattung von Tutanchamun sein müsse. Die Nordwand stellt Tutanchamun dar wie er von den Göttern empfangen wird, sowie (rechts) die unübliche Darstellung der Mundöffnungszeremonie, welche der Nachfolger Aja an der Mumie des Tutanchamun vollzieht. Darstellungen des Königs vor den Göttern sind ein übliches Dekorationsprogramm der sogenannten Brunnenkammer. Diese liegt bei regulären Königsgräbern jeweils in der Mitte eines Grabes. Zu Beginn der 18. Dynastie war die Kammer ein Schacht, später nur noch eine Kammer. Die Verblendung mit Wandmalereien sollte Grabräuber über die Struktur des Grabes täuschen. Folgt man der Interpretation von Reeves, so wäre diese Wand im Grab von Tutanchamun die intakte Rückwand einer Brunnenkammer, welche für die Bestattung des jungen Königs eilig zur Sargkammer umfunktioniert worden wäre. Dahinter soll sich ein Korridor anschließen, der zur eigentlichen Bestattung von Tutanchamuns Vorgänger führen soll. Reeves identifiziert diesen Vorgänger als Königin Nofretete. Diese hat nach dem Tod von Echnaton als König Semenchkare die Macht für kurze Zeit ausgeübt. Als König benutzte sie eine neue, königliche Grabausstattung, eventuell in Teilen von Echnaton übernommen. Als zehn Jahre später Tutanchamun starb, wurden nun Teile des Grabschatzes von Nofretete in ihrer Rolle als Mitregentin einer neuen Nutzung zugeführt. Gemäß C. N. Reeves sollen sagenhafte 80% der Objekte, die Carter im Grab von Tutanchamun gefunden hatte, von seinen Vorgängern stammen. Bei etlichen Stücken ist diese Übernahme eindeutig und unbestreitbar. Reeves argumentiert auch mit stilistischen Details: So zeigen die Darstellungen der Nordwand nicht nur einen abgeänderten Hintergrund, sondern die Gesichter von Tutanchamun weisen am Mundwinkel eine Linie auf, die nach unten gezogen ist. Dies ist ein typisches Merkmal der Darstellungen von Nofretete in ihren letzten Herrschaftsjahren (und allenfalls auch von Königin Meritaton). Für Tutanchamun sind sie hingegen untypisch.  Die Mundöffnungsszene soll ursprünglich also Tutanchamun als Nachfolger darstellen, der im Gewand des Sem-Priesters das Ritual an Nofretete vollzieht. Erst später schrieb man die Szene mit Aja Cheper-Cheperu-Ra an. Die jugendlichen Gesichtszüge entsprechen aber den Darstellungen von Tutanchamun. Aja hingegen war rund 60 Jahre oder älter als er den Thron bestieg. Die Diskrepanz zwischen dem jungen Aussehen und dem Alter von Aja wären somit erklärbar. Zudem zeigen die Bildnisse, welche die Forschung Aja zuweist, andere physiognomische Züge.

Die Schlussfolgerungen von Reeves gehen sehr weit und wären eine Sensation: Vielleicht einen halben Meter hinter der dekorierten Nordwand, die jedes Jahr tausende Besucher besichtigt haben, würde das Grab der Königin Nofretete in ihrer neuen Rolle als Semenchkare liegen (Habicht 2021d). Da die Wand intakt ist, wäre die Bestattung vollkommen ungestört mit möglicherweise prachtvollen Objekten, Schreinen, Särgen und der Mumie der Nofretete.

Reeves hatte sich bislang zwar für die Identifikation der Mumie aus KV 55 als Echnaton ausgesprochen, nicht aber für die Deutung der Younger Lady aus KV 35 als Nofretete. Diese Identifikation wäre mit der postulierten Idee einer ungestörten Bestattung der Nofretete in KV 62 absolut unvereinbar. Doch es gibt auch mögliche alternative Deutungen: Liegt doch eine andere Person als Nofretete hinter der Wand bestattet?

 

Die Bestattung von Königin Meritaton?

Eventuell hat nicht nur Nofretete, sondern auch ihre Tochter Meritaton kurzfristig vor Tutanchamun die Herrschaft ausgeübt. Es könnte sich daher auch um die ungestörte Bestattung der Königin Meritaton handeln (siehe die Theorie von drei Königen Akenkeres bei Manetho).

 

Unvollendete Korridore?

Möglich ist auch, dass die Korridore nur begonnen wurden und man diese unvollendet aufgab und durch zumauern verschloss. Dann schuf man eine Sargkammer aus dem ursprünglich als Brunnenkammer gedachten Raum. Hinter der Nordwand von KV 62 würde sich somit bestenfalls ein Raum mir uralter, abgestandener Luft und allenfalls etwas Bauschutt befinden. Für die Klimaforschung wäre eine Probe der Luft aus den Jahren um 1320 v. Chr. höchst interessant. Ein kontrolliertes Anzapfen könnte wichtige Erkenntnisse bringen.

Diese Deutung erklärt aber die abweichende Dekoration im 20er Raster und auf dem weißen Untergrund nur ungenügend. Warum sollten die Künstler zuerst eine weiße Wand mit Figuren schaffen und danach das Konzept ändern? Auch die Übermalung mit gelbem Ocker ist so kaum erklärbar, es sei denn das Grab sei zuerst für jemand anderes gedacht gewesen und dann wie in der traditionellen Deutung für Tutanchamun umgebaut worden.

 

Eine Fehlinterpretation der Linien?

Es ist auch möglich, dass die Linien von Reeves eine totale Fehlinterpretation des Untergrundes darstellt und sich absolut nichts hinter der Wand befindet. Die Theorie von Reeves kann mit Hilfe eines Georadars relativ einfach und zerstörungsfrei überprüft werden. Sollten sich Kammern dahinter befinden, müssten die Wandbilder von Konservatoren abgenommen werden, oder über einen Stollen die umdekorierte Schatzkammer gesucht werden. Die Chance auf eine großartige Entdeckung sollte auf jeden Fall genutzt werden. Reeves selber schreibt hier treffend:

Obviously a full and detailed geophysical survey of this famous tomb and its surrounding area is now called for – and I would suggest as one of Egyptology’s highest priorities“ (Reeves 2015, 2).

[Es liegt auf der Hand, dass eine umfassende und detaillierte geophysikalische Untersuchung dieses berühmten Grabes und seiner Umgebung jetzt erforderlich ist - und ich würde vorschlagen, dass sie zu den höchsten Prioritäten der Ägyptologie gehört.]

Unentdeckte Kammern: Ja, aber...


Die Theorie von Reeves ist insofern problematisch, da sie den bisherigen anthropologischen und auch den genetischen Forschungsergebnissen widersprechen: Mit der „Younger Lady KV 35“ ist bereits eine Mumie als diejenige der Nofretete identifiziert worden und wird inzwischen von zahlreichen Wissenschaftlern unterstützt (Habicht, Bouwman, and Ruhli 2016; Gabolde 2013). Die Problematik ist in der neuesten Publikation zu Tutanchamun besprochen (Habicht 2019c).

Somit wäre es entweder unmöglich, dass man hinter der Nordwand die ungestörte Bestattung der Nofretete finden...

Erscheint lt. Verlag 10.9.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Archäologie
ISBN-10 3-7562-0056-6 / 3756200566
ISBN-13 978-3-7562-0056-6 / 9783756200566
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